Perückenkopf

Perückenkopf
Perücke (Deutschland, Beispiel Johann Sebastian Bach)
Perücken in Frankreich

Perücken (im 17. Jahrhundert entlehnt v. frz.: peruque = Haarschopf) imitieren oft natürlich gewachsene Haare und sind somit meist künstliche Kopfbedeckungen, es gibt aber auch Schamhaarperücken (in Japan als "Blumen der Nacht" bekannt). Sie dienen als Zweitfrisur, die die eigentlichen Naturhaare ersetzen oder ergänzen sollen. Im Theater und in der Filmbranche dienen Perücken, meistens Echthaarperücken, zur Kostümierung.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Perücken wurden schon im alten Ägypten getragen. Dort trugen Männer und Frauen gleichermaßen Perücken. Auch im alten Griechenland sowie im römischen Reichtrugen Frauen Perücken oder umfangreiche Haarteile.

Im Mittelalter wurden die Haare nur von unverheirateten Frauen offen getragen, verheiratete Frauen bedeckten ihr Haar mit einer Haube.

Im frühen Barock kam die Perücke wieder in Mode (siehe Abbildung). 1656 entstand die erste Innung für Perückenmacher in Paris. Als Ludwig XIV. wegen seines schütteren Haars zur Perücke griff - vorher trugen sie nur Höflinge und Kahlköpfige -, wurde sie zu einem wichtigen Standessymbol und Attribut der höfischen Kleidung in Europa. Nur Männer trugen in dieser Zeit eine Allongeperücke, Frauen meist eine Fontange genannte Haube.

Nach 1700 kamen die weiß gepuderten Perücken mit meist waagerecht angeordneten Locken auf. Hergestellt wurden sie vorwiegend aus Ross- oder Ziegenhaar sowie Hanf und Flachs. Auch in Deutschland gab es eine Perückensteuer. Soldaten und Reisende trugen kürzere Modelle sogenannte Stutzperücken, Bauern und Handwerker gar keine. Das Pudern der Perücken war den unteren Schichten generell verboten und mit einer Steuer belegt.

Schon vor der Französischen Revolution kam das Ende der Perücken-Mode. Seither werden Perücken und Toupets von Männern nur noch als Bestandteil von Amtstrachten in der Rechtspflege oder aus medizinischen Gründen getragen. Für die kunstvollen Frauenfrisuren im Biedermeier wurden häufig nur noch Haarteile benutzt.

Bis auf kurze Modeerscheinungen in Teilen der Gesellschaft (z. B. 1960er Jahre) sind Perücken nie wieder wirklich modern geworden.

Verheiratete orthodox-jüdische Frauen tragen aus religiösen Gründen oft eine Perücke (Scheitel oder Schaitel) auf dem rasierten Kopf.

Herstellung

Perücken lassen sich aus künstlichen oder echten Haaren herstellen. Echte Haare stammten oft von Menschen aus ärmeren Ländern und Gegenden, die sich mit dem Verkauf der eigenen Haare etwas Geld verdienten. Heute stammen die meisten Menschenhaare aus Indien. Die Haare werden gewaschen, nach Länge sortiert, gekraust und gefärbt. Oft wird auch die äußere Schuppenschicht entfernt um ein Filzen zu verhindern. Etwa 150g bis 400g Haare sind für eine ca. 60cm lange Damenperücke notwendig.

Eine Echthaar-Perücke aus der Burgtheater-Werkstatt

Perückenköpfe

Perückenköpfe, in Österreich auch Haubenstöcke genannt, benutzte man schon im Barock und Rokoko zur Maßanfertigung der Perücke und zu deren Ablage. Haubenstöcke bestanden fast immer aus – gelegentlich bemaltem – Holz und hatten die Form eines Kopfes mit Büstenansatz. Einige aus Frankreich und Venedig stammende Exemplare sind geschmackvolle Kunstwerke von Bildhauern. Französische Perückenmacher verwendeten Haubenstöcke mit Perücken, um für ihre Produkte zu werben. Einige Perückenstative bestanden aus Porzellan, in diesem Fall waren sie kugelförmig mit Standfuß und wurden lediglich zur Ablage der Perücke verwendet.

Gegenwart

Perücken in einer Auslage

Perücken werden heute meist so hergestellt und getragen, dass sie wie gewachsen wirken. Im Alltag werden Perücken meist aus medizinischen Gründen getragen, zum Beispiel bei Haarlosigkeit infolge einer Chemotherapie. Frauen verwenden Perücken heute auch um in kurzer Zeit eine perfekte Frisur zu haben und/oder ihrem wenigen Eigenhaar ein größeres Volumen zu geben. Eine weitere Verwendung finden Perücken im Theater.

Perücken werden auch aus Kunsthaar hergestellt. Ein weit verbreitetes Material ist z.B. Kanekalon. Theaterperücken werden teilweise auf Monofilament feinen Tüll geknüpft, der schon aus geringer Entfernung nicht mehr zu sehen ist, beim Durchblick auf die "Kopfhaut" entsteht dabei ein sehr natürliches Aussehen.

Siehe auch

Literatur

  • Jochen Luckhardt (Hrsg.): Lockenpracht und Herrschermacht. Perücken als Statussymbol und modisches Accessoire. Begleitband zur Ausstellung im Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig 2006. Koehler und Amelang, Leipzig 2006, ISBN 3-7338-0344-2
  • Heinrich Meyer zu Ermgassen (Hrsg.): „Wie ich in Marburg ankam...“. Lebens- und Familiengeschichte des Marburger Perückenmachers Johannes Kuntz (1760–1831) von ihm selbst verfasst. (= Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur; Bd. 75). Rathaus-Verlag, Marburg 2003, ISBN 3-923820-75-5
  • Susanna Stolz: Die Handwerke des Körpers. Bader, Barbier, Perückenmacher, Friseur. Folge und Ausdruck historischen Körperverständnisses. Jonas, Marburg 1992, ISBN 3-89445-133-5 (zugl. Dissertation, Universität Marburg 1992)

Weblinks


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  • Perücke — (v. fr. Peruque), eine Kopfbedeckung von Haaren, welche dem natürlichen Haupthaar mehr od. weniger ähnlich ist, u. welche man sonst zur Zierde trug, jetzt nur noch bei ganzem od. theilweisem Mangel des Haupthaares trägt. Die zu verschiedenen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Perückenstock — (Perückenkopf), s.u. Perücke …   Pierer's Universal-Lexikon

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