Pettenkofer

Pettenkofer
Max von Pettenkofer ca. 1860

Max Josef von Pettenkofer (* 3. Dezember 1818 in Lichtenheim bei Neuburg/Donau; † 10. Februar 1901 in München) war ein deutscher Chemiker und Hygieniker. Nach ihm ist das Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und medizinische Mikrobiologie in München benannt.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Beruf

Pettenkofer – Sohn eines Bauern im Donaumoos – besuchte auf Kosten seines Onkels Franz Xaver Pettenkofer, der königlich bayerischer Hof- und Leibapotheker war, das (heutige) Wilhelmsgymnasium München (Abschluss 1837) und studierte dort anschließend Pharmazie, Naturwissenschaft und Medizin. 1843 schloss er sein Studium mit der Promotion zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe ab. Gleichzeitig erwarb er die Approbation als Apotheker. Danach beschäftigte er sich in Würzburg mit Chemie und wechselte dann nach Gießen ins Labor Justus von Liebigs. 1847 ernannte man Pettenkofer zum Professor für medizinische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, deren Rektor er 1865 wurde. Im gleichen Jahr wurde er, ebenfalls in München, erster deutscher Professor für Hygiene und erbaute dort von 1876 bis 1879 das erste Hygieneinstitut. 1883 verlieh man Pettenkofer den erblichen Adel; 1890 bis 1899 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 1893 legte er seine Professur nieder. Er starb am 10. Februar 1901 durch Suizid, als er sich in seiner Hofapotheker-Wohnung in der Münchner Residenz erschoss.[1][2] Er wurde auf dem Alten Münchner Südfriedhof bestattet.

Leistung

Pettenkofers anerkanntestes Arbeitsgebiet war die von ihm selbst definierte und mit Inhalt gefüllte Wissenschaft der Hygiene. Er setzte die Hygiene als eigenständigen Bereich der Medizin durch, sah aber auch den damit verbundenen wirtschaftlichen Aspekt. Daher sprach er auch Verwaltung und Ingenieure an und entwickelte eine Gesundheitstechnik, die zum Beispiel bei der Sanierung Münchens zum Einsatz kam. München verdankt Pettenkofer seine Kanalisation und eine zentrale Trinkwasserversorgung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts galt München als eine der saubersten Städte Europas.

Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn waren Chemie und Physiologie die bevorzugten Arbeitsgebiete. Eine der bedeutendsten Leistungen Pettenkofers ist die Entdeckung von periodisch auftretenden Eigenschaften bei chemischen Elementen (1850). Er schuf damit eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des Periodensystems der Elemente. Auf Grund fehlender Unterstützung durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften konnte er seine Forschungen aber nicht weiter fortsetzen. Bei Justus von Liebig entwickelte er den Gallensäurenachweis und arbeitete am Königlichen Hauptmünzamt, wo er verbesserte Methoden zur Edelmetallschmelze und Münzherstellung (1848–1849) anwandte. 1844 entdeckte Pettenkofer das Kreatinin, ein wichtiges Stoffwechselprodukt des Muskelgewebes, zudem arbeitete über eine verbesserte Methode zur Zementherstellung (1847), erfand die Kupfer-Amalgam-Zahnfüllung (1848), beschrieb die Herstellung von Leuchtgas aus Holz (Holzgas, 1851) und untersuchte zusammen mit Carl von Voit, Stoffwechselbilanzen (um 1860). Der von Pettenkofer erfundene (Liebig’s) Fleischextrakt („Suppenwürfel“) wurde in industriellem Maßstab mit südamerikanischem Rindfleisch hergestellt.

In seiner zweiten Lebenshälfte widmete sich Pettenkofer der Epidemiologie. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten haben diese Untersuchungen nur noch historischen Wert. Pettenkofer glaubte nicht, dass die Cholera, die 1854 auch in München ausbrach, allein von einem Erreger ausgelöst werde, sondern maß der Boden- und Grundwasserbeschaffenheit die Hauptbedeutung zu (Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitung der Cholera, 1855). Im Zusammenhang mit dem berühmten Zwiestreit mit Robert Koch über die Ursache der Cholera schluckte Pettenkofer 1892 sogar eine Kultur von Cholera-Bakterien. Pettenkofer vertrat die Ansicht, dass die Umweltbedingungen von erheblich größerer Bedeutung für die Entstehung einer Krankheit sind, als die bloße Anwesenheit von Krankheitserregern. Er und einige seiner Schüler, die den Versuch wiederholten, erkrankten nicht oder nur leicht, wodurch sich Pettenkofer bestätigt sah. Allerdings irrte er insoweit, als er ein bestimmtes „contagiöses Element Y“ annahm, das – gleich einer chemischen Reaktion – die Entstehung einer Krankheit erst ermöglichte.[3] Die heute in der Epidemiologie unumgängliche Ortsbesichtigung und ausgiebige statistische Erfassung und Auswertung des Seuchengeschehens wurde von Pettenkofer und seinen Schülern eingeführt.

Pettenkofer arbeitete streng naturwissenschaftlich-experimentell. Auch seine Untersuchungen zu Kleidung, Heizung, Kanalisation und Wasserversorgung tragen experimentelle Züge. Wie sein Lehrer von Liebig war Pettenkofer ein Positivist, das heißt er erkannte ausschließlich sichtbare, zum Beispiel in Experimenten gewonnene Tatsachen als Erkenntnisquelle an.

Pettenkofer veröffentlichte insgesamt mehr als 20 Monographien und 200 Originalartikel in wissenschaftlichen und medizinischen Zeitschriften. Seine Verdienste als Begründer der Hygiene, Wegbereiter der Umweltmedizin, experimenteller Feldforscher, Chemiker und Ernährungsphysiologe waren bahnbrechend und sind weltweit anerkannt.

Denkmal in München

Mitgliedschaften und Ehrungen

  • Bayerische Akademie der Wissenschaften, außerordentliches Mitglied (1846), ordentliches Mitglied (1856), Präsident (1890–1899).
  • Obermedizinalausschuss (1849); Ehrenbürger der Stadt München (1872); erblicher Adel (1883); Goldene Bürgermedaille München (1893); Exzellenz (1896); Harben-Medaille des Royal Institute of Public Health, England (1897); Goldmedaille der Chemischen Gesellschaft, Goldmedaille der Stadt München (1899); Verdienstorden (1900).
  • Die Bundesrepublik Deutschland brachte anlässlich seines 150. Geburtstages eine 5 D-Mark Gedenkmünze heraus.
  • In Berlin Friedrichshain-Kreuzberg ist eine Grundschule nach Pettenkofer benannt
  • Das Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der LMU München ist nach Pettenkofer benannt.
  • Eine Bakterienart ist nach Pettenkofer benannt: Staphylococcus pettenkoferi.

Werke

  • Ueber das Vorkommen einer großen Menge Hippursäure im Menschenharne, Ann. d. Chemie u. Pharmacie 52 (1844) 86–90
  • Notiz uber eine neue Reaction auf Galle und Zucker, Ann. d. Chemie u. Pharmacie 52 (1844) 90–96
  • Ueber die Affinirung des Goldes und über die grosse Verbreitung des Platins, Münchn. gelehrte Anzeiger 24 (1847) 589–598
  • Ueber die regelmässigen Abstände der Aequivalentzahlen der sogenannten einfachen Radicale, Münchn. Gelehrten Anzeiger 30 (1850) 261–272, Ann. d. Chemie u. Pharmacie 105 (1858) 187
  • Ueber den Unterschied zwischen Luftheizung und Ofenheizung in ihrer Entwicklung auf die Zusammensetzung der Luft der beheizten Räume, Polytechn. Journal 119 (1851) 40–51; 282–290
  • Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera. München 1855
  • Ueber die wichtigsten Grundsätze der Bereitung und Benützung des Holzleuchtgases, Journal f. prakt. Chemie 71 (1857), S. 385–393;
  • Ueber den Luftwechsel in Wohngebäuden. München 1858
  • Ueber die Bestimmung der freien Kohlensäure im Trinkwasser, J. f. prakt. Chemie 82 (1861) 32–40
  • Ueber den Stoffverbrauch bei Zuckerharnruhr, Z. f. Biol. 3 (1867) 380–444
  • Boden und Grundwasser in ihren Beziehungen zu Cholera und Typhus. München 1869
  • Ueber Nahrungsmittel im Allgemeinen und über den Werth des Fleischextracts als Bestandtheil der menschlichen Nahrung insbesondere, Ann. d. Chemie u. Pharmacie 167 (1873) 271–292
  • Vorträge über Canalisation und Abfuhr. München 1876
  • Der Boden und sein Zusammanhang mit der Gesundheit des Menschen, Dtsch. Rundschau 29 (1881) 217–234
  • Beleuchtung des königlichen Residenztheaters in München mit Gas und mit elektrischem Licht, Arch. f. Hygiene 1 (1883) 384–388
  • Die Verunreinigung der Isar durch das Schwemmsystem von München. München 1890

Literatur

  • Eberhard J. Wormer: Pettenkofer, Max Josef. In: Neue Deutsche Biographie. Band 20, 2001, S. 271–273
  • O. Neustätter: Max Pettenkofer. Wien 1925
  • Edgar E. Hume: Max von Pettenkofer. New York 1927
  • Karl Kisskalt: Max von Pettenkofer. Stuttgart 1948
  • Alfred Beyer: Max von Pettenkofer. Berlin 1956
  • Eintrag im Dictionary of Scientific Biography. Band 10, 1975, S. 556–563
  • Harald Breyer: Max von Pettenkofer. Leipzig 1981
  • Karl Wieninger: Max von Pettenkofer. München 1987

Einzelnachweise

  1. [1] Max Pettenkofer Biographie von Dieter Wunderlich
  2. Lexikon der Forscher und Erfinder, S. 348/349 (Rowohlt-Taschenbuch-Verlag Reinbek 1997)
  3. Die Choleratheorie Max von Pettenkofers im Kreuzfeuer der Kritik – Die Choleradiskussion und ihre Teilnehmer

Weblinks


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