Atuatuca

Atuatuca

Aduatuca oder Atuatuca[1] war der Name eines befestigten Platzes im Gebiet des gallokeltischen Stammes der Eburonen, der zwischen den Flüssen Maas und Rhein vermutet wird. Atuatuca steht vor allem für die empfindlichste Niederlage, die Gaius Iulius Caesar während seiner Eroberungsfeldzüge gegen die keltischen Gallier 58 bis 50 v. Chr. erlitt. Eineinhalb Legionen, rund 10.000 Mann, wurden geschlagen. Nach Caesars De bello Gallico lag dieses castellum Atuatuca „inmitten des eburonischen Gebietes“ (in mediis Eburonum finibus)[2].

Es gibt die nicht auszuschließende Vermutung, dass der Begriff Atuatuca kein Eigenname, sondern ein Gattungsbegriff (vielleicht = befestigter Platz mit Gut) ist. Der Begriff taucht ebenfalls auf im Namen des keltogermanischen Stammes der Aduatuker und der nach ihm benannten, 15. v. Chr. gegründeten römischen Siedlung Aduatuca Tungrorum. Daher schlussfolgert von Goeler [3], das Appelativ stehe in Verbindung mit der germanischen Bezeichnung „Odwacca“ = Gutswache.

Das castellum Atuatuca stand zweimal im Brennpunkt der Geschehnisse des Gallischen Krieges: Im Jahr 54 v. Chr. erlitt Caesar dort die empfindlichste Niederlage des Gallischen Krieges, und im Jahre 53 v. Chr. versuchten germanische Reiter vom Stamm der Sugambrer vergeblich, das Lager zu erstürmen.

Inhaltsverzeichnis

Diskussion um die Lokalisierung

Eine lange und komplizierte Diskussion rankt sich um die tatsächliche Lokalisierung des legendenumwobenen Platzes Atuatuca, der nicht verwechselt werden darf mit dem 15 v. Chr. gegründeten gleichnamigen Hauptort der germanischen Tungern, Aduatuca Tungrorum, dem belgischen Tongern.

Es gibt mehrere konkrete Hinweise in Caesars Text. Einmal ist dies die Angabe zur Lage des Platzes etwa in der Mitte zwischen Maas und Rhein.[4] Nach weiteren Angaben[5] überschritten die Sugambrer den Rhein 30 römische Meilen (= 45 km) unterhalb der Stelle, wo Caesar im Jahre 55 v. Chr. seine Rheinbrücke geschlagen hatte. Da dies nach dem archäologischen Befund sehr wahrscheinlich bei Neuwied war, ist die Stelle des Rheinübergangs der Sugambrer etwa bei Bonn anzunehmen. Bei Caesar folgt unmittelbar die Bemerkung, dass die Germanen sofort nach dem Rheinübergang die Grenzen des eburonischen Gebietes überschritten[6]. Da Caesar an anderer Stelle angibt, dass das Gebiet der Eburonen von der Maas bis an den Rhein reichte[7], war dies wohl kurz nach dem Rheinübergang, jedenfalls nicht weit von dessen Stelle entfernt. Aufgegriffene eburonische Flüchtlinge verrieten den Germanen, dass Atuatuca nur rund drei Reitstunden (= höchstens 20 km) entfernt liege[8]. Auch an einer weiteren Stelle[9] heißt es, dass der Rhein nicht weit von Atuatuca sei. Darüber hinaus gibt es nach Caesar an dem angegebenen Platz einen langgestreckten Talkessel[10], der fast den gesamten, mehrere Kilometer langen römischen Heerestross aufnehmen konnte. Berücksichtigt man alle diese Angaben, so kommt nach Ansicht von Ludwig Drees als Lokalisierung Atuatucas, auf die alle Angaben zutreffen, nur der Raum um Eschweiler[11] in Frage.

54 v. Chr.: Die Katastrophe von Atuatuca

Im Herbst 54 v. Chr. legte Caesar einen Teil seiner Heeresverbände unter dem Kommando der Legaten Quintus Titurius Sabinus und Lucius Aurunculeius Cotta in das Stammesgebiet der Eburonen. In dem castellum Atuatuca sollten die Verbände überwintern. Im November 54 v. Chr. wurde das Lager von den Eburonen unter ihrem Teilkönig Ambiorix überraschend angegriffen.

Durch eine List gelang es Ambiorix, die römischen Verbände aus dem befestigten Lager zu locken. Er nutzte dabei die Kopflosigkeit des Legaten Quintus Titurius Sabinus, der ausdrücklich gegen den Rat des zweiten, aber offenbar untergeordneten Legaten Lucius Aurunculeius Cotta handelte und den Abzug in Richtung des nächstgelegenen Winterlagers befahl, das 50 Meilen entfernt lag und unter dem Kommando von Quintus Tullius Cicero stand.

Caesar gibt eine ausführliche und lebendige Schilderung[12] der Auseinandersetzung zwischen Titurius und Cotta und der anschließenden Schlacht, die er selbst als calamitas („Unglück“) bezeichnet und die in zahlreichen Geschichtswerken der folgenden Jahrhunderte Erwähnung findet (Appian, Sueton, Cassius Dio, Eutropius, Florus, Plutarch). Beide Legaten wurden niedergemetzelt, und mit ihnen fast alle Legionäre, rund 10.000 Mann. Viele sehen in der Taktik des Ambiorix, der den langgestreckten römische Heerestross in für die Römer ungünstiger Talkessel-Lage zwei Meilen von Atuatuca entfernt angriff, ein Vorbild für die Taktik von Arminius in der Varusschlacht 9 n. Chr.

Wie schwer Caesar die Niederlage von Atuatuca nahm, hat Sueton in seinen Kaiserbiographien überliefert. Dort heißt es, Caesar habe nach der Niederlage des Titurius Bart und Haupthaar wachsen lassen und nicht eher abnehmen lassen, als bis er sich gerächt hatte.

53 v. Chr.: Der Überfall der Sugambrer auf Atuatuca

Eine zweite militärische Auseinandersetzung bei Aduatuca fand 53 v. Chr. statt:[13] Der germanische Stamm der Sugambrer war ursprünglich auf Veranlassung Caesars „auf Schiffen und Kähnen“ über den Rhein gekommen, um das Gebiet der Eburonen zu plündern. Eburonische Gefangene wiesen auf das nur drei Reitstunden entfernte Lager der Römer hin, wo viel reichere Beute zu machen sei und wo bei geringer Besatzung der gesamte Tross des römischen Heeres lagere.

Die Sugambrer wandten sich daraufhin gegen Atuatuca, das von Quintus Tullius Cicero befehligt wurde. Durch einen militärischen Fehler Ciceros kam die Besatzung des Lagers in große Gefahr. Erst Caesar konnte nach seiner baldigen Rückkehr die Lage wiederherstellen. Von Atuatuca aus setzte er anschließend die Verwüstung des eburonischen Stammesgebietes fort, seine unerbittliche Rache für die Katastrophe vom November 54 v. Chr., die sein Heer bei Atuatuca erlitten hatte.

Antike Quellen zu Atuatuca

  • Gaius Iulius Caesar: Commentarium libri VII de bello Gallico, Buch 5, 24-37; 6, 32–40 [Hauptquelle]
  • Appian: Bellum Civile, II, 29, 150
  • Sueton: De vita Caesarum', Divus Iulius, 25, 67
  • Cassius Dio: Römische Geschichte, Buch 40, 5, 6
  • Eutrop: Breviarium historiae Romae, VI, 17
  • Florus: Epitoma de Tito Livio bellorum omnium annorum, VII Bellum Gallicum, XLV
  • Plutarch: Vitae parallelae, Caesar, 23
  • Ptolemaeus: Geographia - Germania Magna

Literatur

  • Ludwig Drees: Cäsars Atuatuca. Das Problem der Lokalisierung. Versuch einer Lösung. In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 84/85 (1977/78)
  • Krudewig, Johannes: Unsere engere Heimat von der Urzeit bis zum Ende der Römerherrschaft, Euskirchen 1921

Weblinks

Anmerkungen

  1. nach Krudewig, Unsere engere Heimat auch als Aduakka in Claudius Ptoelmaeus' Geographia - Germania Magna
  2. De bello Gallico 6, 32.
  3. Goeler, Ernst August von: Caesars Gallischer Krieg..., Tübingen 1880
  4. De bello Gallico 6, 32.
  5. De bello Gallico 6, 35.
  6. primos Eburonum fines adeunt.
  7. De bello Gallico 5, 24.
  8. tribus horis Aduatucam venire potestis.
  9. De bello Gallico 5, 29.
  10. convallis.
  11. Ludwig Drees: Cäsars Atuatuca, Das Problem der Lokalisierung.
  12. De bello Gallico 5, 26-37.
  13. De bello Gallico 6, 35–40.

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