- Pfeifengraswiese
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Streuwiesen sind Feuchtwiesen, die nicht der Futtergewinnung wie die übrigen Wiesentypen des Grünlandes dienen beziehungsweise dienten, sondern der Gewinnung von Einstreu für Viehställe; insbesondere in getreide- und damit stroharmen Regionen, wie etwa dem Alpenvorland. Die "Streu-Wiese" darf nicht mit der Streuobstwiese verwechselt werden, die eine besondere Form der Futterwiese darstellt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bereits im Mittelalter entstanden auf einem Teil der Viehweiden wegen der zunehmenden Winterstallhaltung des (Rind-)Viehs die ersten Futter- und Streuwiesen. Richtige Futterwiesen wie auch der größte Teil der Streuwiesen sind aber erst im 19. Jahrhundert entstanden, und zwar durch die Umwandlung feuchter Viehweiden (meist auf Allmendland) als Folge der Einführung der ganzjährigen Stallhaltung des Rindviehs. Die Bewirtschaftung erfolgte bis in die 1960er Jahre.
Standort und Bewirtschaftung
Standortökologisch handelt es sich um eine ungedüngte, einmal im Jahr und zwar erst im Herbst gemähte Wiese auf wechselfeuchten bis nassen Standorten (Bodentyp meist Pseudo- und Anmoor-Gley). Das Grundwasser steht ganzjährig relativ hoch, schwankt aber meist stark. Im stroharmen südddeutschen Alpenvorland wurde sie noch bis in die 1960er Jahre genutzt. Ziel war die Gewinnung möglichst großen Mengen qualitativ hochwertigen, d. h. Wasser aufsaugenden Einstreumaterials. Da Streuwiesen nie gedüngt wurden, waren die Streu-Erträge von den natürlichen Standortverhältnissen (natürliche Nährstoffnachlieferung, Wasserhaushalt) abhängig. Die Erträge der am weitesten verbreiteten Streuwiese, nämlich der typischen Pfeifengraswiese, liegen zwischen 30 und 60 Dezitonnen Trockenmasse pro Hektar (dt TM/ha). Durch Entwässerung, Düngung und Vorverlegung des Schnitts in die Sommermonate können Streuwiesen jedoch relativ leicht in Futterwiesen umgewandelt werden. Dies ist auch der Grund dafür, dass es diesen Wiesentyp heute kaum mehr gibt. Durch Naturschutzvereine, Naturschutzbehörden und Landschaftspflegeverbände werden in manchen Gebieten jedoch Restflächen durch regelmäßige Herbstmahd erhalten.
Pflanzenwelt
Neben den Trocken- und Halbtrockenrasen gehören die Streuwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Nur ein vielfältiges Mosaik ausreichend großer Streu- und Nasswiesen mit unterschiedlichen Kontaktbiotopen bei gleichzeitig möglichst extensiver, kleinräumiger Nutzung kann den Ansprüchen dieser Lebensgemeinschaften (Biozönosen) gerecht werden.
Physiognomie
Optisch unterscheiden sich die Streuwiesen von den immergrünen Futterwiesen durch die gelb-braunen Farbtöne. Auf den zweiten Blick erkennt man diese Grünlandformation am Vorkommen solcher Pflanzenarten, deren Lebensrhythmus an die Herbstmahd besonders gut angepasst ist. Dazu zählen vor allem Spätblüher wie das namensgebende Pfeifengras, der Schwalbenwurz-Enzian, die Blutwurz, der Teufelsabbiss und viele Knabenkräuter. Wegen der nur sehr geringen Nutzungsintensität gleichen die Streuwiesen von weitem oft Brachestadien anderer Grünlandtypen. Die Pfeifengras-Streuwiesen sind unter den 15 wichtigsten Grünlandtypen Süddeutschlands eine der interessantesten Vegetationsformen. Neben Feuchtigkeitszeigern kommen in Pfeifengras-Streuwiesen besonders viele sogenannte Magerkeitszeiger vor. Dabei handelt es sich um Arten, die an mangelhafte Nährstoff-Verfügbarkeit sowie späte Mahd angepasst sind.
Effiziente Nährstoffökonomie
Streuwiesenpflanzen haben eine besondere Überlebensstrategie: Durch die ausgeprägte Fähigkeit, den größten Teil der in Blatt und Spross enthaltenen Nährstoffe und Assimilate wieder in die basalen Pflanzenteile (Stoppeln, Wurzeln, Rhizome) zurückzuverlagern, besitzen sie eine äußerst effiziente Nährstoffökonomie. Diese "interne Rückverlagerung" beginnt schon im Hochsommer. Wenn dann im Herbst der Mähmaschine kommt, findet daher kaum noch ein Nährstoffexport aus der Wiese statt. Die gespeicherten Nährstoffe stehen dann für die kommende Vegetationsperiode wiederum für das Wachstum zur Verfügung.
Die Pflanzengesellschaften der Pfeifengras-Streuwiesen Süddeutschlands
Die Streuwiesen kommen je nach Klimaverhältnissen und geographischer Lage in unterschiedlichen Gesellschaften vor. Diese können in standörtliche Ausbildungen (basisch bis sauer, oligotroph bis mesotroph, feucht bis nass) unterschieden werden.
Pfeifengraswiesen auf basenarmen Standorten
1. Die Binsen-Pfeifengraswiese (Junco-Molinietum)
Sie ist eine Streuwiese der feuchten bis nassen, mesotrophen, kalkarmen Silikatböden (z.B. Bayerischer Wald, Schwarzwald). Eine artenarme Variante davon gibt es auf gestörten, entwässerten Hochmooren des Alpenvorlandes mit fast reinen Pfeifengrasbeständen. Charakteristische Arten: Spitzblütige Binse (Juncus acutiflorus), Knäuel-Binse (Juncus conglomeratus), Flatter-Binse (Juncus effusus), Kümmelblättrige Silge (Selinum carvifolia), Borstgras (Nardus stricta).
Pfeifengraswiesen auf basenreichen Standorten des Hügel- und Berglandes
2. Die typische Pfeifengraswiese (Molinietum caeruleae)
Dabei handelt es sich um die häufigste Pfeifengraswiese. Sie findet sich auf feuchten bis wechselfeuchten, gelegentlich schwach entwässerten Standorten in submontaner bis montaner Lage. Pedologisch gesehen sind es humose oder mineralische, entweder neutrale bis leicht basische Nassböden, also: Gleye, Anmoore oder Niedermoore. Sie kommt im Alpenvorland und in Mittelgebirgen (z. B. schweizer-, schwäbischer- und fränkischer Jura) vor. Charakteristische Arten sind:
- auf Moorböden: Spatelblättriges Greiskraut (Senecio helenites)
- auf Tonböden: Heil-Ziest (Betonica officinatis), Wiesensilge (Selinum carvifolia), Preußisches Laserkraut (Laserpitium prutenicum), Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe, Charakterart für das Allio suaveolentis-Molinietum), Filz-Segge (Carex tomentosa), Färberscharte (Serratula tinctoria), Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis).
3. Die Trollblumen-Pfeifengraswiese (Trollio-Molinietum)
Dies ist die montane Form (ab 700 m.ü.NN.) der oben genannten typischen Pfeifengraswiese. Charakteristische Arten sind: Trollblume (Trollius europaeus), Niedrige Schwarzwurzel (Scorzonera humilis), Kugelige Teufelskralle (Phytheuma orbiculare), Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta).
4. Die Enzian-Pfeifengraswiese (Gentiano asclepiadeae-Molinietum)
Dies ist die präalpine Variante der typischen Pfeifengraswiese. Häufige Böden sind wechselfeuchte Kalkton- und Niedermoorböden, oft oberflächig etwas versauert. Dieser Typ weist einen hohen Anteil solcher Arten auf, die den Schwerpunkt ihres Vorkommens im kühlen niederschlagsreichen unmittelbaren Alpenvorland haben. Das Vorkommen ist hauptsächlich das bayerische und das württembergische Allgäu. Zu den charakteristischen Arten gehören: Schwalbenwurz-Enzian (Gentiana asclepiadea), Mehlprimel (Primula farinosa), Frühlings-Enzian (Gentiana verna), Weißer Germer (Veratrum album).
5. Pfeifengraswiesen auf basenreichen Standorten der Tieflagen
Streuwiesen auf solchen Standorten - vor allem in der Oberrheinebene, aber auch im Donautal beispielsweise in der Nähe von Donauwörth - sind heutzutage derart selten geworden, dass sie vom staatlichen Naturschutz wie ein Kleinod geschützt und gepflegt werden. Die entsprechenden Pflanzengesellschaften sind:
- Knollenkratzdistel-Pfeifengraswiese (Cirsio tuberosi-Molinietum; Molinietum medioeuropaeum)
- Brenndolden-Pfeifengraswiesen (Cnidio-Violetum)
- Kantenlauch-Pfeifengraswiese (Allium angulosum-Bestände)
- Fenchel-Pfeifengraswiese (Oenantho lachenalii-Molinietum)
- Duftlauch-Pfeifengraswiese (Allio suaveolentis-Molinietum)
- Schwertlilien-Pfeifengraswiese (Iris sibirica-Bestände)
Die Tierwelt
Vorkommen und Zusammensetzung von Tierlebensgemeinschaften sind in vielfältiger Weise von den Standortverhältnissen, der Vegetation, der Nutzung oder auch dem Vorkommen anderer Tiergruppen abhängig. Im Folgenden soll anhand einiger Beispiele ein Einblick in die Vielfalt der Tierwelt der Streu- und Nasswiesen gegeben werden.
Vögel
Eine Reihe von Vogelarten ist zumindest in bestimmten Lebensphasen eng an Streuwiesen gebunden. So nutzen beispielsweise Großer Brachvogel (Numenius arquata), Braunkehlchen (Saxicula rubetra) und Kiebitz (Vanellus vanellus) diese Wiesen als Brutgebiete.
Großer Brachvogel
Dieser Schnepfenvogel benötigt Nasswiesengebiete mit einer Mindestausdehnung von 3 bis 5 km² Größe, um eine lebensfähige Population von 20 bis 30 Brutpaaren langfristig halten zu können. Diese Gebiete müssen zudem sehr übersichtlich sein und dürfen kaum von Sträuchern und Hecken durchzogen sein, da der Brachvogel stets freie Sicht braucht und eine große Fluchtdistanz (> 130 m) gegenüber seinen natürlichen Feinden hat.
Braunkehlchen
Dieser kleine Singvogel benötigt insektenreiche Streuwiesen mit starker vertikaler Strukturvielfalt. So dienen die Blütenköpfe der Kohldistel (Cirsium oleraceum), der Waldengelwurz (Angelica sylvestris) oder Schilfhalme als sogenannte "Überhälter" als Singwarten und Aussichtspunkt für die Jagd auf fliegende Insekten. Ausreichende Strukturvielfalt kann sich aber nur auf spät gemähten Wiesen einstellen. Frühe Mahd schaft dagegen einförmige Bestände ohne Überhälter und gefährdet zudem die Gelege und Nestlinge.
Kiebitz
Dieser Vogel beginnt schon sehr zeitig im Frühjahr mit dem Brüten. Die Brutplatzwahl wird entscheidend von Nässe und Bodenfarbe geprägt. Auf extensiv genutzten Streu- und Nasswiesen herrschen nach der Schneeschmelze bräunliche und schwarze Farbtöne vor. Fettwiesen sind zu diesen Zeitpunkt dagegen schon grün. Finden Kiebitze keine Streu- und Nasswiesen, wechseln sie oft auf umgebrochende Niedermoorwiesen über, die als Maisacker genutzt werden, in denen ihre Jungen aber meist eingehen, da sie hier nicht genügend Insektennahrung finden.
Sonstige Arten
Manche Arten wie Weißstorch (Ciconia ciconia), Graureiher (Ardea cinerea) oder Rohrweihe (Circus aeruginosus) nutzen nasse Wiesengebiete vorwiegend als Nahrungsplätze. Für den Weißstorch waren besonders die insekten- und amphibienreichen Überschwemmungswiesen entlang der Flüsse wichtige Nahrungsgebiete. Eindeichung und Begradigung der Flüsse sowie Vielschnittnutzung des Grünlandes oder auch Wiesenumbruch entzogen ihm den Nahrungsraum. Für Kornweihen (Circus cyaneus) stellten diese Gebiete wegen ihres Reichtums an Mäusen wichtige Überwinterungsräume dar.
Amphibien
Streuwiesen stellen für manche Amphibienarten wichtige Sommerlebensräume dar. Deshalb genügt es nicht, nur Laichplätze wie beispielsweise Tümpel zu erhalten oder bereitzustellen. So kann beispielsweise der Grasfrosch (Rana temporaria) Streu- und Feuchtwiesen deshalb nutzen, weil diese Wiesentypen nur sehr extensiv genutzt werden. Wichtig ist auch, dass der Boden möglichst nass ist und außerdem genügend Versteckmöglichkeiten vorhanden sind. Dazu zählen vor allem flache Wiesengräben, die nicht zu häufig geräumt werden. Der Einsatz von Grabenfräsen bei der Unterhaltung der Gräben sowie der Einsatz zu tief eingestellter Mähmesser bei der Wiesenmahd ist für Frösche und Kröten tödlich.
Heuschrecken
Abwechslungsreiche Vegetationsstrukturen mit dicht oder locker bestandenen Plätzen sowie der große Artenreichtum in der Vegetation fördert die Besiedlung mit Heuschrecken. Wichtig für sie ist auch eine möglichst lange, ungestörte Entwicklung. Besonders magere Streu- und Feuchtwiesen erfüllen diese Bedingungen. So ist zum Beispiel die Entwicklung der am Boden abgelegten, wärmebedürftigen Eier und Larven des Warzenbeißers (Decticus verrucivorus) einer typischen Art der Streuwiesen, sehr stark von der jahreszeitlich späten Bestandsentwicklung der Wiesen sowie ihrer für die Sonneneinstrahlung offenen Struktur abhängig. Besonders feuchte Wiesen sowie junge Nasswiesenbrachen mit hoher Strukturvielfalt werden von dieser stark gefährdeten Sumpfschrecke als Habitat bevorzugt.
Schmetterlinge
Viele Schmetterlinge nutzen Streuwiesen sowohl im Larvalstadium (Raupe) wie als erwachsene Falter (Imago). Manche Arten sind dabei an bestimmte Pflanzen gebunden, da ihre Raupen nur an diesen fressen. Auf Feuchtwiesen wird zum Beispiel die Kümmelblättrige Silge (Selinum carvifolia) von den Raupen des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon) als Futterpflanze bevorzugt, der Große Wiesenknopf (Sanguisorba officinale) von den Moor-Bläulingen. Auf Streuwiesen ist das Pfeifengras für die Raupen des Blauäugigen Waldportiers und des Riedteufels die wichtigste Futterpflanze. Für das Vollinsekt ist das Angebot an nektarreichen Blüten lebenswichtig. Insbesondere Schmetterlingsblütler, Lippenblütler, Korbblütler und Nelkengewächse werden von den Faltern genutzt. Aus den genannten Gründen sind Streu- und Heuwiesen mit ihrer geringen Nutzungsintensität sowohl für die Entwicklung der Raupen als auch der Falter von großer Bedeutung.
Neben den genannten Arten kommen noch viele andere Insektenarten auf Streuwiesen vor. So wird die Krautschicht von Fliegen, Mücken, Zikaden und Wespen belebt, die Bodenoberfläche von Käfern, Spinnen, Springschwänzen und Milben. Auf Feuchtwiesen sind, besonders bei später Mahd, verschiedene Populationswellen einzelner Gruppen zu beobachten. So folgt zum Beispiel auf die Welle der Schmetterlinge und Heuschrecken diejenige der Spinnen, die das Überangebot der vorigen als Nahrungsquelle nutzen.
Literatur
- DIERSCHKE, H. & G. BRIEMLE (2002): Kulturgrasland. Wiesen, Weiden und verwandte Staudenfluren. Ulmer-Verlag, Stuttgart 239 S.
- Quinger, B, et al. (1995): "Lebensraumtyp Streuwiesen", Landschaftspflegekonzept Bayern, Hrsg.: Bay. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, Bay. Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, München, 396 S.
- KAPFER, A. & W. KONOLD (1994): Streuwiesen. Relike vergangener Landbewirtschaftung mit hohem ökologischen Wert. in: Naturlandschaft, Kulturlandschaft. Der Bürger im Staat (Hrsg.: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg), 44. Jg. Heft 1: 50-54.
- ELLENBERG, H. (1982): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologische Sicht. – Ulmer-Verlag, Stuttgart, 980 S.
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