Pferdewurst

Pferdewurst
Sauerbraten und weitere Pferdefleischwaren
Pferdewurstwaren

Das Pferdefleisch wird heute als Nahrungsmittel in Deutschland und Österreich eher selten, in der Schweiz häufiger genutzt. Es gibt u. a. in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Belgien spezielle Rossfleischereien, in Deutschland etwa 100 (Stand 2008), und laut Gelben Seiten 2008 in Österreich 18 und in der Schweiz 78. In der Schweiz ist Pferdefleisch auch bei den Großverteilern Coop und Migros erhältlich. Einige Gerichte der deutschen Küche werden traditionell mit Pferdefleisch zubereitet wie zum Beispiel der Rheinische Sauerbraten.

Inhaltsverzeichnis

Die Schlachtteile und ihre Verwendung

Schematische Darstellung
  • A) Filet, ist der am wenigsten beanspruchte Muskel und daher das beste Stück vom Pferd (liefert Steakfleisch)
  • B) Hinterrücken, ist ganz schier, ohne Speck und Sehne (liefert Steak vom Rücken)
  • C) Oberschale mit Oberschalendeckel, ist zartes, saftiges Fleisch (liefert Steakfleisch aus Oberschale und Roulade aus Oberschalendeckel)
  • D) Seemer und Seemerrolle, liefert Fleisch zum Schmoren (Braten, Rouladen, Gulasch)
  • E) Vorderrücken, liefert Steakfleisch (Grillen, Kurzbraten, Überbacken)
  • F) Hochrippe, liefert Fleisch zum Schmoren (Schmorfleisch, Gulasch)
  • G) Brust, liefert Fleisch zum Schmoren (Schmorfleisch, Gulasch)
  • H) Bug (Bogen), liefert Fleisch zum Räuchern und Pökeln (Pferdeschinken, Rauchfleisch)
  • I) Bauchlappen
  • J) Vorderes Beinfleisch, ist sehr sehnig und liefert Fleisch zum Kochen (Suppenfleisch, Kochwurst)
  • K) Hinteres Beinfleisch
  • L) Nacken
  • M) Kopf, liefert zusammen mit I), K), L) Verarbeitungsfleisch (Knackwurst, Kochwurst, Pferdefett usw.)

Inhaltsstoffe und Konsistenz

Pferdefleisch ist rot bis dunkelrot gefärbt und von fester Konsistenz. Fleisch von jungen Pferden ist hellrot und schmeckt nur leicht anders als Rind. Erst das Fleisch älterer Pferde hat die charakteristisch dunkle Farbe und den unverkennbaren, typischen Geschmack. Je älter das Tier, desto zarter ist sein Fleisch.

Pferdefleisch ist reich an Eisen und sehr fettarm. 100 Gramm enthalten durchschnittlich: Eiweiß: 29,8g Fett: 3,5g Natrium: 38mg, Magnesium: 21mg und Eisen: 4,13mg Vitamin A: 0,018 mg, Vitamin B1: 0,076 mg, Vitamin B12: 0,063 mg, Vitamin E: 0,230 mg, Vitamin B2: 0,150 mg, Vitamin B6: 0,500 mg.[1]

Zubereitung

Pferdefleisch wird in der Regel wie Rindfleisch zubereitet, auch wenn die Garzeiten meist kürzer sind, da Pferdefleisch grundsätzlich zarter ist. Wegen seines geringen Fettgehaltes tendiert es zum Austrocknen.

Geschichte

Berliner zerlegen ein verendetes Pferd, Mai 1945.

Pferdefleisch gehört zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschheit. Knochenfunde bei Solutré in Frankreich, aber auch Höhlenmalereien wie in Lascaux weisen darauf hin, dass das Pferd wohl ein beliebtes Beutetier der eiszeitlichen Jäger war. Aber auch nach seiner Domestizierung und Verwendung als Reit-, Zug- und Lasttier verlor das Pferd seine Bedeutung als Fleischlieferant nicht. Viele der antiken Völker, darunter die Perser, Griechen und Römer aßen Pferdefleisch, wobei häufig auch rituelle Zeremonien bekannt waren, z. B. das archaische Equus October. Auch Kelten und Germanen entwickelten Opferkulte rund um das Pferd. Man geht auch davon aus, dass die gekreuzten Pferdeköpfe an vielen Giebeln der Bauernhäuser Niedersachsens auf den Brauch zurückgehen, die Köpfe geopferter Pferde an den Häusern anzubringen. Auch das Bild des sprechenden Pferdekopfes im Märchen der Gänseprinzessin „Oh Fallada, da Du hangest“ wird von einigen als Erinnerung an diesen Ritus interpretiert. Alle großen Reitervölker wie die Hunnen, Mongolen und Indianer aßen Pferdefleisch. Auch in China war Pferdefleischkonsum weit verbreitet.

Das abendländische Pferdefleischverbot

Papst Gregor III erließ im Jahre 732 ein Verbot, Pferdefleisch zu essen, eine Praktik, die er als abscheulich bezeichnete. Experten sind sich uneins darüber, welches Motiv dem Verbot zu Grunde lag: Für die einen richtete es sich vor allem gegen die Kultpraktiken der heidnischen Germanen, deren Christianisierung gerade im Gange war. Andere behaupten, es habe einen Engpass an Streitrössern gegeben und der Papst habe schlicht nicht gewollt, dass das wertvolle Kriegsmaterial im Kochtopf landete. Papst Gregors Verbot wurde von seinem Nachfolger Zacharias bestätigt. Bonifatius trug es in die Lande. Bei der Christianisierung der Isländer wurde ausdrücklich den Insulanern von der katholischen Kirche der Genuss von Pferdefleisch erlaubt, zu karg war das Leben auf der nördlichen Vulkaninsel, als dass man diese potentiellen Eiweißlieferanten der isländischen Küchenpraxis entziehen durfte.

Wiedereinführung

Trotz des päpstlichen Verbotes war das Mittelalter nicht frei von Pferdefleischkonsum. Einige Dokumente bezeugen, dass das Fleisch wilder Pferde in Westfalen gerne von den ansässigen Mönchen gegessen wurde. Der Abdecker, der alte Pferde tötete, verkaufte deren Fleisch oft unter der Hand an die Armen und Hungernden.

Praktisch alle Kriege waren von schweren Hungersnöten gekennzeichnet. Pferdefleisch wurde dann zum umkämpften Luxus. Die Alternative waren Hunde, Katzen und Ratten – oder eben der Hungertod.

Im 19. Jahrhundert, in der Ära des Rationalismus, wurde das Pferdefleischverbot immer lauter hinterfragt. Prominente Befürworter wie der französische Militär-Veterinär Emile Decroix veranstalteten Schau-Bankette mit Pferdefleisch, um die Menschen vom Pferdefleischkonsum zu überzeugen. Es ging ihm einerseits um die armen Bevölkerungsschichten, die sich kein Fleisch leisten konnten und am Rande der Unterernährung lebten, und andererseits um die bis zum letzten Atemzug geschundenen Kutschpferde in den Großstädten. Wenn man es den Besitzern ermöglichte, ihre alten Pferde an den Schlachter zu verkaufen, würden die Tiere zeitig erlöst und man schaffte eine günstige, hochwertige Nahrungsquelle für die Arbeitermassen.

Trotz der massiven Proteste der traditionellen Schlachter einerseits und der betuchten Reiterklasse andererseits fiel schließlich das Verbot und die ersten Rossschlachtereien öffneten ihre Pforten. Ähnliche Bewegungen fanden überall in Europa statt. Nachhaltig setzte sich die Kultur des Pferdefleischkonsums aber zunächst nur in den frankophonen Ländern durch. In Frankreich lag der Höhepunkt des Pferdefleischkonsums in den 50er und 60er Jahren. Seither ist er stetig fallend und beträgt heute kaum mehr als 2% des gesamten Fleischkonsums. Pferdefleisch wird in Frankreich aber nach wie vor in den Fleischregalen praktisch aller Supermärkte angeboten.

Auch in Wien haben einige Pferdefleischhauer (Fleischer) bis heute eine große Tradition. Besonders die „Dürre“ (Wurst) und vor allem der Pferdeleberkäs sind beliebt.

Kontroverse

Pferdefleisch ist und bleibt ein umstrittenes Nahrungsmittel. Lag es früher unter dem päpstlichen Bann und war als „Armeleuteessen“ verschrien, sind es heute vor allem emotionale Vorbehalte, die viele Menschen dem Pferdefleisch ablehnend gegenüberstehen lassen. Nicht wenige Menschen empfinden das Pferd nicht als Nutz-, sondern als Haustier (vergleiche auch Fohlenfelle und Rosshäute).

In Frankreich hat sich eine regelrechte Anti-Pferdefleischkonsum-Bewegung gebildet. Deren Slogan Non, un cheval ça ne se mange pas („Nein, ein Pferd isst man nicht“) kann man auf unzähligen Websites, Aufklebern und T-Shirts finden. Als ein Nationalgestüt an einem publikumsoffenen Tag Fohlenfleischgerichte servierte, gab es einen Sturm des Protestes. In den USA hat die „Stop the Horseslaughter“-Bewegung ein Verbot für den Konsum von Pferdefleisch in einigen Staaten, so z.B. in Kalifornien erwirkt. Paradoxerweise ist aber das Töten der Pferde zwecks Herstellung von Tierfutter und Leim nach wie vor erlaubt. Radikalere Gruppen möchten auch gegen den Export geschlachteter Tiere nach Europa vorgehen, da die USA mit ca. 50.000 Tonnen jährlich der weltweit größte Exporteur von Pferdefleisch sind.

Auf der anderen Seite hat Pferdefleisch besonders seit der BSE-Krise viele neue Liebhaber gefunden. Ernährungsexperten heben dessen diätetische Vorzüge hervor. Viele Pferdeschützer weisen auch darauf hin, dass das Einschläfern alter oder verletzter Pferde oft schwieriger und schmerzhafter für das Tier ist als die Schlachtung, wobei allerdings zu beachten ist, dass vor allem Sportpferde aufgrund der im Verletzungsfall eingesetzten Medikamente nicht für den Verzehr geeignet sind (siehe Equidenpass). Auch das Produzieren großer Kadaver, die durch das Einschläfern zu Sondermüll werden, empfinden einige Menschen als ethisch fragwürdig. Züchter alter Kaltblutrassen weisen darauf hin, dass ihre Pferde ohne den Fleischmarkt keine Abnehmer mehr hätten und längst ausgestorben wären.

Konsum weltweit

Pferdemetzgerei am Münchener Viktualienmarkt

Pferdefleisch wird in vielen Ländern der Welt konsumiert, jedoch in unterschiedlicher Intensität. In vielen romanischen Ländern wird Pferdefleisch gegessen, in den germanischen Ländern hingegen kaum oder gar nicht, teilweise ist es dort sogar verboten. Italien liegt europaweit mit 900 g jährlichem Pro-Kopf-Konsum noch vor traditionellen Pferdefleischländern wie Belgien und Frankreich. Deutschland und Portugal haben dagegen den geringsten Konsum (50 g/a).

Auch innerhalb der Schweiz lässt sich diese Kulturbarriere finden: So wird Pferdefleisch in der französischsprachigen Schweiz schon lange, in der deutschsprachigen jedoch erst seit kurzem in nennenswerter Menge gegessen. Ein traditionelles Pferdefleischgericht in der Ostschweiz allerdings sind Mostbröckli.

Der jüdische Glaube verbietet den Verzehr von Pferdefleisch. Im Islam ist es zwar nicht verboten, wird aber weitgehend gemieden (→ Nahrungstabu).

Einzelnachweise

  1. Hans-Joachim Rose, Küchenbibel - Enzyklopädie der Kulinaristik, Tre Torri Verlag ISBN 978-3937963419

Literatur

  • M. A. Levine: Eating horses: the evolutionary significance of hippophagy. In: Antiquity. 72 (275). 1998. ISSN 0003-598X
  • Agnes Ulrike Gudehus: Die Entwicklung der Pferdeschlachtung und des Pferdefleischkonsums in Deutschland unter Berücksichtigung der gesetzlichen Änderungen. Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München 2006, 185 S. (Onlinefassung; PDF, 4,43 MB)

Siehe auch

Weblinks


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