Phenazetinniere

Phenazetinniere
Klassifikation nach ICD-10
N14.0 Analgetika-Nephropathie
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Eine Analgetikanephropathie (syn. Phenacetin-Niere) ist eine chronische tubulo-interstitielle Nephropathie, die durch einen langjährigen Missbrauch bestimmter Analgetika verursacht wird: vor allem Mischanalgetika (insb. Paracetamol, ASS und Coffein), Phenacetin-haltige Analgetika und andere nicht-steroidale Antiphlogistika.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Patienten mit starkem Gebrauch von Mischanalgetika mit Phenacetin haben ein etwa zwanzigfach erhöhtes Risiko, eine terminale Niereninsuffizienz zu entwickeln. Ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko wird für den Gebrauch von Paracetamol-haltigen Analgetika berichtet, eventuell auch für andere nicht-steroidale Antiphlogistika, aber nicht für ASS alleine.

Die Analgetikanephropathie ist Ursache etwa 1 % aller Fälle von chronischer Niereninsuffizienz. Besonders häufig ist sie in Australien, Belgien, der Schweiz, Schweden und im Südosten der USA. In Deutschland liegt Schätzungen zu Folge der Anteil von Patienten mit Analgetikanephropathie unter dialysepflichtigen Patienten bei vier bis neun Prozent. Frauen sind drei- bis fünfmal häufiger betroffen als Männer.

Ätiologie

Phenacetin und sein Metabolit Paracetamol sowie andere nicht-steroidale Antiphlogistika blockieren die Synthese von Prostaglandin-E2, welches vasodilatativ (gefäßerweiternd) wirkt. Dadurch kommt es zu Durchblutungsstörungen mit nachfolgenden Nekrosen von Nierenpapillen.

Klinik

Im Frühstadium ist das Krankheitsbild oft klinisch stumm. Manchmal klagen die Patienten über Kopfschmerzen oder es findet sich eine schmutzig-graubräunliche Haut oder eine Anämie, die meist durch Blutverluste über den Magen-Darm-Trakt sowie eine Hämolyse und Bildung von Methämoglobin und Sulfhämoglobin bedingt ist. Eine renale Anämie findet sich meist erst später.

Als Spätkomplikationen gelten das erhöhte Risiko für Urothelkarzinome und Mammakarzinome (bis 10%).

Diagnose

Anamnestisch ist ein kumulativer Gesamtverbrauch von über 1000 g Paracetamol hinweisend. Falls der Verdacht besteht, dass der Patient einen Paracetamol-Missbrauch verschweigt, kann das Abbauprodukt N-Acetyl-Paraaminophenol (NAPAP) im Urin bestimmt werden (Herold).

Eine untere Grenze für die Entwicklung einer Analgetikanephropathie scheint die tägliche Einnahme von einem Gramm Phenacetin über ein bis drei Jahre zu sein, oder eine Gesamtmenge von zwei Kilogramm Phenacetin in Kombination mit anderen Analgetika (Harrison).

In der Sonografie und der Computertomografie (möglichst ohne Kontrastmittel) finden sich kleine Nieren mit unregelmäßiger Kontur, narbige Einziehungen der Nierenrinde über den Markkegeln, sowie Verkalkungen der Papillen und Papillennekrosen.

Im Urinbefund findet sich eine Leukozyturie, meist ohne Bakteriurie, eventuell eine Erythrozyturie und geringe Proteinurie (tubuläre Proteinurie).

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch ist an andere chronisch tubulo-interstitielle Nephritiden zu denken, sowie an eine diabetische oder obstruktive Nephropathie, an eine Urogenital-Tuberkulose oder Sichelzellanämie.

Therapie und Prognose

Das Weglassen der auslösenden Noxe ist der entscheidende Schritt in der Therapie. Falls dies vor dem Entstehen einer höhergradigen Niereninsuffizienz (also Serum-Kreatinin < 3 mg/dl) gelingt, kommt der Krankheitsprozess zum Stillstand. Sonst Therapie der Niereninsuffizienz.

Quellen

  • Gerd Herold, Innere Medizin, Köln 2005
  • Manfred Dietel et al (Hrsg.): Harrisons Innere Medizin. 15. Auflage. ABW, Berlin 2003, ISBN 3-936072-10-8
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