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Schnelllesen steht für die Fähigkeit, überdurchschnittlich schnell zu lesen und dennoch zu verstehen. Es gibt unzählige, aber alle sehr ähnliche, Techniken, mit denen man das Schnelllesen lernen kann.
Inhaltsverzeichnis
Schnellleser
Ein durchschnittlicher, geübter Leser kann etwa 200 bis 300 Wörter pro Minute erfassen, so lange es sich bei dem Material nicht um komplizierte technische Erläuterungen handelt. Die schnellsten Leser dagegen bringen es, je nach Technik, auf mehr als 1000 Wörter pro Minute. Es gibt auch die Möglichkeit bei weit höheren Geschwindigkeiten zu lesen, doch ist dafür jahrelange Übung notwendig, ansonsten wird nicht viel mehr als beim Blättern verstanden. Versprechungen von 5000 Wörtern pro Minute und mehr, wie sie von Seminaranbietern teilweise gemacht werden, sind unseriös und wurden nie wissenschaftlich belegt. Überprüfte Rekorde liegen im Bereich 3000 bis 4000 Wörtern pro Minute.
Natürlich ist eine Messung der Lesegeschwindigkeit nur in Verbindung mit einer Überprüfung des Verständnisses sinnvoll. Überraschenderweise verstehen jedoch schnellere Leser oft gleichzeitig mehr vom Text, da schnelles Lesen oft ein Zeichen einer höheren Lesekompetenz ist.
Wie wird gelesen?
Eine ausführlichere Beschreibung des Leseprozesses befindet sich im Artikel Lesen.
Grundsätzlich wird beim Lesen nur ein kleiner Teil der vorhandenen Buchstaben scharf erfasst. Das Hauptkriterium für die Erfassung von Text ist die Wiedererkennung von Wörtern bzw. Wortgruppen. Diese Wortgruppen können als Ganzes erfasst werden, da sie vom Leser zum größten Teil als Bild inklusive Bedeutung bereits abgespeichert sind. Die Größe der Wortgruppen ist abhängig von der individuellen Fähigkeit des Lesers und auch der Gestaltung der Texte.
Ein wesentliches Kriterium des Texterfassens ist die Fähigkeit, bereits einmal erfasste Bilder (Textblöcke, Wortgruppen) wieder aufzurufen und diese in den bestehenden Kontext zu integrieren. Hilfreich dafür ist die Wiedererkennung durch bekannte Schrifttypen.
Das Erfassen von neuen Wörtern erfolgt vorerst einmal durch einzelne Buchstaben, wenn das Wort verstanden und in einen Kontext gebracht wurde, wird dieses Wort als Bild gespeichert. Je nach Häufigkeit des Wortes wird dieses in einem unterschiedlichen Kontext auch mehrfach gespeichert. Das gesehene Bild wird mit bereits vorhandenen Bildern abgeglichen und in einen Verständniszusammenhang gebracht.
Würde man tatsächlich beim Lesen jedes Wort einzeln erfassen, wäre es nicht möglich, Text schneller als mit 300 Wörtern pro Minute zu lesen.
Über die (vertraute) Schriftart hinaus ist für das Lesen auch die Verwendung von Majuskeln und Minuskeln (Groß- und Kleinbuchstaben) speziell in der deutschen Sprache von wesentlicher Bedeutung. Ebenso auch die Abweichungen einzelner Buchstaben von der Grundlinie (Versalhöhe, Oberlänge, Unterlänge). Beim Erfassen von Wörtern (und in weiterer Folge Wortgruppen) sind diese Abweichungen von entscheidender Bedeutung.
Das Erfassen von Text wird auch durch die Verwendung von Spaltensatz erleichtert, da eine Zeile mit 40 bis 50 Anschlägen bereits eine vordefinierte Wortgruppe darstellen kann und die Augenbewegung nicht mehr horizontal sondern vertikal von Zeile zu Zeile verläuft.
Wissenschaftliche Untersuchungen
Die Ergebnisse von Augenbewegungsuntersuchungen mit Hochgeschwindigkeitskameras zeigen, dass ein Schnellleser einen Satz mit viel weniger Augenbewegungen und -fixierungen aufnehmen kann. Langsame Leser benötigen bis zu fünfmal so viele Augenbewegungen wie ein sehr guter Leser. Bei ersteren ermüden die Augen wesentlich schneller, was zu Erschöpfung und damit langsamerem Lesen führen kann. Ein langsamer Leser muss sich anstrengen, um Informationen zu verinnerlichen und wird so sehr leicht frustriert. Als Folge liest er nur noch das absolute Minimum, da Lesen für ihn eine unschöne und schwierige Erfahrung ist. Sein Verständnis eines Textes ist niedrig, ein langsamer Leser benötigt mehr Zeit, um Informationen aus dem Text aufzunehmen. Wenn er am Ende ankommt, hat er dafür länger gebraucht und schon wieder einen großen Teil vergessen.
Schnelllesen kann jedoch erlernt werden, indem verschiedene schlechte Lesegewohnheiten aufgegeben werden.
Was behindert die Fähigkeit schnell zu lesen?
- Eine niedrige Kurzspeicherkapazität.
- Geringes Vokabular – unbekannte Wörter können nicht so schnell erfasst werden und stören den Lesefluss.
- Regressionen – das wiederholte Zurückspringen zu bereits gelesenen Stellen.
- Wort-für-Wort-Lesen – immer nur ein Wort statt mehreren gleichzeitig erfassen.
- Zu lange Fixationen – eine Fixation (Augenhalt) muss nur eine Viertelsekunde dauern, während beim Fixationswechsel oftmals eine Sekunde vergeht.
- (Sub)vokalisieren – das (innere) Mitsprechen der Wörter.
- Geringe Aufnahme – entweder wegen ineffektiver Augenbewegungen oder geringer Aufnahmefähigkeit.
- Desinteresse am Thema – der Zusammenhang mit den eigenen Zielen ist nicht ersichtlich.
- Abneigung gegen Thema, Inhalt, Autor – der dadurch erzeugte Stress verlangsamt Denkvorgänge.
Was erleichtert die Fähigkeit schnell zu lesen?
- Eine große Kurzspeicherkapazität.
- Bekannte Schriftarten – unbekannte Schriftarten müssen während des Lesens neu gelernt werden.
- Richtige Schriftgrößen – zu große bzw. zu kleine Schriften verhindern rasches Lesen.
- Textblöcke – richtig angewendeter Spaltensatz erleichtert das Wortgruppenlesen.
- Zeilenabstände – richtige Zeilenabstände erleichtern das Finden der jeweils nächsten Zeile.
- Verzicht auf Blocksatz – bei langen Zeilen (größer als 80 Zeichen) wird der Lesefluss durch Blocksatz beeinträchtigt.
- Verwendung einer Lesehilfe – das Auge ist es nämlich gewohnt, Bewegungen zu verfolgen, und kann Texte leichter aufnehmen, wenn ihm mit dünnem Stift oder ähnlicher Lesehilfe vorgegeben wird, wo es Informationen aufnehmen soll.
- Neugier und Aufgeschlossenheit dem Thema gegenüber – das Thema muss der Erreichung persönlicher Ziele nützlich sein.
Die meisten Durchschnittsleser können ihre Lesegeschwindigkeit verdoppeln oder sogar verdreifachen, indem sie das Schnelllesen üben. Laut verschiedener Studien liegt das Maximum für die Mehrheit bei 800 Wörtern in der Minute – darüber erfolgt meistens nur noch ein schnelles Überfliegen des Textes mit geringem Verständnis.
Undisziplinierte Augenbewegungen sind wahrscheinlich das größte Hindernis für das Schnelllesen. Langsame Leser gehen meistens von Wort zu Wort, machen langsame, sorgfältige Augenbewegungen und erfassen dabei mit einem Blick immer nur einige Buchstaben. Ein einziges Wort kann mehrere Augenbewegungen erfordern. Zusätzlich springt ein ungeübter Leser immer wieder zu bereits gelesenen Textstellen, was einen sehr abgehackten und sprunghaften Leserhythmus bedingt. Ein Schnellleser dagegen besitzt einen sanften und durchgängigen Lesestil, benötigt weniger Sprünge und nimmt mit einem Blick mehr auf. Natürlich ist die maximale Lesegeschwindigkeit abhängig von der Vertrautheit des Lesers mit dem Text. Schwer verständliche technische Dokumente können auch von Schnelllesern nur langsam erfasst werden.
Einige Techniken und Tipps
- Regelmäßige Konzentrationsübungen (mindestens 15 Minuten).
- Augen- und Aufmerksamkeitstraining.
- Augen überprüfen lassen – Anzeichen für Problem sind rasche Ermüdung – auch Überprüfung auf Heterophorie.
- Vokalisieren verringern (nur noch die wichtigen, sinntragenden Wörter), da der Augen-Gehirn-Komplex wesentlich schneller ist als die Sprechwerkzeuge beziehungsweise das Formen der Wörter im Gehirn.
- Kein Hin-und-Her-Springen, dadurch sinkt die Konzentration.
- Versuchen, möglichst große Bereiche mit einem Blick zu erfassen.
- Peripherisches Sehen ständig trainieren.
- Mittel wie Tachistoskop und andere zum Trainieren benutzen.
- Gelesenes in Bildern verarbeiten (Sprache des Unterbewusstseins sind Bilder).
- Gerade sitzen, kein Beugen des Oberkörpers, da sonst rasche Ermüdung droht.
- Versuchen, den Hauptgedanken zu verstehen, nicht aber den Sinn einzelner Wörter (genau wie beim Zuhören).
- Den Text möglichst auf Augenhöhe bzw. knapp darunter und in ca. 50 Zentimeter Abstand vom Auge halten.
- Möglichst im 90-Grad-Winkel auf das Blatt schauen (Lesestütze verwenden), da dann alle Buchstaben in etwa gleich groß sind.
- Für gute Beleuchtung sorgen.
- Bewusst möglichst schnell und konzentriert lesen.
- Viel Lesen! Je mehr man trainiert, desto schneller wird man. Ein Vielleser wird in den allermeisten Fällen auch zum Schnellleser.
Generell sollte je nach Text und Vorhaben die passende Lesetechnik gewählt werden. Um einen Überblick zu gewinnen, reicht beispielsweise schnelles Überfliegen aus.
Kritik an den Schnelllesetechniken
Entgegen allen Versprechungen einiger Anhänger wird bei der Verwendung einer Schnelllesetechnik der Text weniger exakt aufgenommen. Erwiesenermaßen wird aus Bereichen, in denen keine Fixation stattfindet, auch keine Information extrahiert. Es ist somit unmöglich, eine ganze Zeile Text (oder auch einige Wörter) mit nur einer einzigen Fixation in der Zeilenmitte zu erfassen. Beim Schnelllesetraining wird oft deutlich konzentrierter gearbeitet als beim normalen Lesen, so dass hier ein positiver Effekt auf die Informationsaufnahme festgestellt wird, der nicht mit der erprobten Technik zusammenhängt.
Einfache Tests für die Lesegeschwindigkeit wiesen zudem nach, dass jede Person über eine individuelle Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit verfügt, die mit dem Intelligenzniveau zusammenhängt. So kann der durchschnittliche deutsche Erwachsene (IQ 100) bei maximaler Anstrengung in 6,7 Sekunden nur 20 stochastisch unabhängige Buchstaben erkennen. Das entspricht einer Leistung von 15 bit/s. Ein Hochbegabter mit dem IQ 130 erbringt die gleiche Leistung in etwa 4,5 Sekunden (~ 23 bit/s). Da Lesen jedoch nicht die Verarbeitung stochastisch unabhängiger Buchstaben betrifft, sondern sich aus dem Thema des Textes, den vorhergehenden Sätzen, den vorangehenden Worten des Satzes und der Struktur des Wortes eine starke Einschränkung möglicher zu erfassender Worte ergibt, liegt der Informationsgehalt eines Textes weit unterhalb der hier angegebenen Werte. Die erhöhte Aufnahmefähigkeit beruht auf der Reduktion des Informationsgehaltes unter Ausnutzung der Redundanz der Sprache.
Komplizierte und ineinander verschachtelte Sätze verlangen zeitaufwändiges Nachdenken zur Entschlüsselung ihrer Struktur. Beim normalen Lesen finden aus diesem Grund und aus Konzentrationslosigkeit Regressionen statt; der absichtliche Verzicht auf diese Rücksprünge führt dazu, dass teilweise nicht genug Zeit da ist, um über einen Satz nachzudenken und ihn völlig zu verstehen.
Das Verzichten auf die Subvokalisierung (Mitsprechen der Worte im Kopf beim stillen Lesen) ist ein besonderer Streitpunkt, denn Gegner der Schnelllesetechnik halten das Lesen ohne Subvokalisierung prinzipiell für unmöglich oder zumindest höchst ineffizient. Sorgfältig kontrollierte psychologische Experimente bejahen die Möglichkeit gezielter Vermeidung der Subvokalisierung, jedoch mit uneinheitlichen Ergebnissen auf die Fehlererkennung bei Prosatexten. Es wurden keine Effekte auf die Lesegeschwindigkeit beim Lesen ohne Subvokalisieren gemessen bzw. kein Zusammenhang zwischen Subvokalisieren und Lesegeschwindigkeit ermittelt (vgl. grundlegend Baddeley et al., 1981).
Siehe auch
Literatur
- A. D. Baddeley, M. Eldridge, V. Lewis: The role of subvocalisation in reading. in: The Quarterly Journal of Experimental Psychology. A: Human Experimental Psychology. Basingstoke 33A. 1981,4 (Nov), 439–454. ISSN 0272-4987
- Günther Beyer, Norbert Zeller: Rationelles Lesen leicht gemacht. Ein 12-Lektionen-Programm. ECON-Verlag, Düsseldorf 1988. ISBN 3-430-11299-0
- Fred N. Bohlen: Effizient lesen. 5. Auflage. Expert-Verlag, Renningen 2002. ISBN 3-8169-2055-1 (Bohlen liefert Übungen, die die „Lesespanne“ verbreitern soll, so dass eine Zeile mit einem Blick gelesen werden kann.)
- Tony Buzan: Speed Reading. 8. Auflage. Moderne Industrie, Landsberg Lech 2002. ISBN 3-478-71960-7 (Buzan stellt verschiedene Techniken vor, die das Lesetempo erhöhen sollen)
- Brigitte Chevalier: Effektiv lesen. Eichborn, Frankfurt am Main 2002. ISBN 3-8218-3840-X (Chevalier stellt Tests vor, mit denen sich der eigene Lesetyp ermitteln lassen soll und bietet Übungen, mit denen sich die Lesegeschwindigkeit erhöhen lassen soll)
- Zach Davis: PoweReading. Informationswelle nutzen, Zeit sparen, Effektivität steigern. Peoplebuilding-Verlag, 2007. ISBN 3-980953-66-1
- Helmut Dittrich: Besser lesen, verstehen, behalten. Humboldt-Taschenbuchverlag, München 1992. ISBN 3-581-66673-1
- Günther Emlein, Wolfgang A. Kasper: FlächenLesen. VAK Verlag für Angewandte Kinesiologie, Freiburg im Breisgau 2000. ISBN 3-932098-44-7 (Emlein und Kasper stellen verschiedene Module vor, durch deren Kombination nach persönlichen Vorlieben das Lesen großer Textteile („Textflächen“) mit großer Geschwindigkeit ermöglicht werden soll)
- Gerhard Hörner: Professionelles speed reading. mvg, Landsberg am Lech 2001. ISBN 3-478-86015-6
- Rotraut Michelmann, Walter U. Michelmann: Effizient und schneller lesen. Rowohlt, Reinbek 1998. ISBN 3-499-60330-6
- Ernst Ott: Optimales Lesen. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1993. ISBN 3-499-16783-2 (Ott bietet zahlreiche Übungen („Augengymnastik“), die die „Lesespanne normalisieren“ und so das Lesetempo erhöhen sollen)
- Christian Peirick: Rationelle Lesetechniken – Schneller lesen – Mehr behalten. K. H. Bock-Verlag, Honnef 2006. ISBN 3-87066-955-1 (Peirick zeigt Techniken, die innerhalb kürzester Zeit zur Verdoppelung der Lesegeschwindigkeit führen sollen, und geht auch auf die Rahmenbedingungen für rationelles Lesen ein)
- Gerd Stuckert: Gründlicher lesen – besser verstehen – mehr behalten, 7.–10. Jahrgangsstufe. pb-Verlag, München 2002. ISBN 3-89291-538-5
- Tom Werneck, Frank Ullmann: Dynamisches Lesen. 3. Auflage. Heyne, München 1989. ISBN 3-453-53131-0
- Wolfgang Zielke: Schneller lesen – intensiver lesen – besser behalten. 3. Auflage. mvg-Verlag, München 1988. ISBN 3-478-02922-8
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