Physiatrie

Physiatrie

Der Begriff Naturheilkunde bezeichnet ein Spektrum verschiedener Methoden, die die körpereigenen Fähigkeiten zur Selbstheilung (Spontanheilung) aktivieren sollen und die sich bevorzugt in der Natur vorkommender Mittel oder Reize bedienen. Dazu gehören (nach einer Definition von Brauchle 1952) die Sonne, das Licht, die Luft, die Bewegung, die Ruhe, die Nahrung, das Wasser, die Kälte, die Erde, die Atmung, die Gedanken, die Gefühle und Willensvorgänge. In einem weiter gefassten Verständnis werden auch „natürliche“ Arzneimittel, vor allem Heilpflanzen und deren Zubereitungen einbezogen. Dass diese Definition problembeladen ist, zeigen folgende Beispiele: die Impfung mit einem gentechnologisch hergestellten Heptitis-B-Impfstoff wirkt vorbeugend durch Aktivierung des körpereigenen Immunsystems oder Penicillin ist ein Stoff natürlichen Ursprungs. Zur Naturheilkunde zählt keines der beiden Beispiele trotz Erfüllung der o.g. Definitionskriterien. Die Naturheilkunde zählt heute großenteils zum Bereich der Alternativmedizin und im engeren Sinne zur Komplementärmedizin (d. h. zu den wissenschaftlich nicht anerkannten, die Schulmedizin ergänzenden Verfahren). Als ein wichtiger Pionier gilt der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland. 1888 erschien von Friedrich Eduard Bilz mit seinem Bilz-Buch das Standardwerk der Naturheilkunde.

Inhaltsverzeichnis

Naturheilverfahren

Zur „klassischen“ Naturheilkunde zählen im Allgemeinen die folgenden Naturheilverfahren:

  • Hydrotherapie und Balneotherapie (Wasseranwendungen)
  • Bewegungstherapie
  • Diätetik (Unterstützung der Behandlungen durch eine gesunde Kost und eine dem Krankheitsbild angepasste Diät)
  • Ordnungstherapie (ausgewogene Lebensführung im regelmäßigen Rhythmus und im Einklang mit der Natur)
  • Phytotherapie (Einsatz von Pflanzenwirkstoffen)

Oft werden auch folgende Methoden der Alternativmedizin zur Naturheilkunde gezählt:

Die meisten Naturheil- und alternativen Verfahren haben einen so genannten ganzheitlichen Ansatz, das heißt sie versuchen, die gestörte Harmonie des gesamten Organismus wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wobei sie den Anspruch haben, nicht nur den Körper zu behandeln, sondern Geist und Seele einzubeziehen. Während erstere mit dem wissenschaftlichen Weltbild in Einklang stehen, basieren letztere auf eigenen Lehrgebäuden.

Geschichte

Im antiken, hippokratischen Verständnis wurde die Natur als Lebenskraft und als Heilkraft aufgefasst. Die Gesundung des Patienten wurde durch die Natur bewirkt, der Arzt war nur Behandler: Medicus curat, natura sanat.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Naturheilkunde von der damaligen wissenschaftlichen Medizin nicht zu trennen. Natürliche Heilweisen waren Grundbestand ärztlicher Erfahrung und Grundgerüst jeder Therapie. Hierauf zog man sich auch zurück, wenn andere Theorien oder therapeutische Konzepte (z.B. aus der sogenannten Heroischen Medizin) versagten. Parallel zur Entwicklung der naturwissenschaftlich begründeten Medizin entstanden sowohl aus dem praktischen Ärztestand als auch aus der Laienmedizin zahlreiche Versuche zur Erhaltung der Naturheilkunde.

Ein Ansatz war die Propagierung des Wassers zu Heilzwecken in der Hydrotherapie. Vinzenz Prießnitz bezeichnete um 1848 die Kombination von aktiver und passiver Bewegungstherapie, Luft,- Bäder- und Wasseranwendungen sowie einfacher Mischkost erstmals als Naturheilverfahren. Johann Schroth verband die Wasseranwendungen mit Fasten in der Schrothkur. Durch kompromisslose Arzneifeindlichkeit und Impfgegnerschaft waren später Bewegungen um die Zeitschrift Der Naturarzt oder der Deutsche Bund der Vereine für Gesundheitspflege und arzneilose Heilweisen gekennzeichnet. Die durch den Pfarrer Sebastian Kneipp populär gewordene Form der Hydrotherapie (siehe: Kneipp-Medizin) gab allerdings das Prinzip der Arzneilosigkeit auf. Viele andere medizinische Laien, aber auch Ärzte entwarfen weitere Naturheilsysteme. Der bayerische Militärarzt Lorenz Gleich (1798-1865) prägte den Begriff Naturheilkunde als Sammelbezeichnung für die Naturinstinktlehre („instinktiv richtig geleitetes Verhalten des Menschen im Umgang mit Gesundheit und Krankheit“), die Naturdiätik („vom Instinkt geleitete naturgemäße Lebensform“) und die Naturheilverfahren. Einige Ärzte wie August Bier setzten sich für eine Überwindung des wachsenden Misstrauens zwischen Naturheilkunde und wissenschaftlicher Medizin ein.

Um 1900 waren viele Anhänger der Naturheilkunde in der großstädtischen Arbeiterschaft zu finden, vor allem aber im Bürgertum. Naturheilvereine, Prießnitzbünde und Kneippgesellschaften waren Teil der sozialen Bewegung, die als Lebensreform bekannt wurde. Die Popularität der Naturheilbewegung wurde teilweise vom Faschismus aufgegriffen. Die Verfechter der NS-Medizin beriefen sich häufig auf traditionelle Methoden und Denkweisen, die den Naturheilkundlern als Hintergrund dienten und versuchten u.a. daraus eine Neue Deutsche Heilkunde zu entwickeln.

Verbreitung

Grundsätzlich ist zwischen der ärztlichen Anwendung, Behandlungen nach dem Heilpraktikergesetz und der Selbstbehandlung zu unterscheiden. Vor allem in der niedergelassenen Ärzteschaft und in der Rehabilitationsmedizin sind naturheilkundliche Verfahren durchaus verbreitet. In Deutschland sind rund 14.000 Ärzte in ärztlichen Fachgesellschaften für Naturheilverfahren organisiert. Zum Vergleich sind es 28.000 bei der Akupunktur, 8000 in der Chirotherapie, 6.000 in der Homöopathie und mehr als 5.000 in sonstigen Verfahren der Alternativmedizin. Naturheilverfahren sind beliebt; 73 Prozent der Bevölkerung (Studie Allensbach 2002) wünschen, damit behandelt zu werden. Die meisten Heilpraktiker arbeiten auch mit Naturheilverfahren.

Werke

  • Friedrich Eduard Bilz: Das neue Heilverfahren. Lehrbuch der naturgemäßen Heilweise und Gesundheitspflege. Bilz, Dresden 1888. (spätere Ausgaben unter dem Titel: Das neue Naturheilverfahren. Lehr- und Nachschlagebuch der naturgemäßen Heilweise und Gesundheitspflege)

Literatur

  • Maximilian Alexander: Geschichte der Naturheilkunde, ISBN 3-8118-5830-0
  • M. Augustin, V. Schmiedel: Praxisleitfaden Naturheilkunde, Urban & Fischer, München
  • Maria Lohmann: Einstieg in die Naturheilpraxis, Urban & Fischer, München 2007, ISBN 3-437-55262-7
  • Alfred Brauchle: Die Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern. Zweite, erweiterte Auflage von "Große Naturärzte". Reclam Verlag, Stuttgart 1951
  • Alfred Brauchle: Handbuch der Naturheilkunde, Stuttgart 1952 (8. Auflage)
  • Klemens Dieckhöfer: Kleine Geschichte der Naturheilkunde, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1985
  • Uwe Heyll: Wasser, Fasten, Luft und Licht. Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland, Campus Verlag, Frankfurt New York 2006, ISBN 3-593-37955-4
  • Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute, C.H. Beck Verlag, München 1996, ISBN 3-406-40495-2 , besonders Kapitel 3: Naturheilverfahren
  • J. Karl: Neue Therapiekonzepte für die Praxis der Naturheilkunde, Pflaum, München
  • K.F. Liebau: Handbuch für die Naturheilkunde, Pflaum, München
  • M. Lohmann: Therapiehandbuch Naturheilkunde, Urban & Fischer, München
  • I. Richter: Naturheilkundliche Therapieverfahren, Urban & Fischer, München
  • Dobos/ Deuse/ Michalsen: Chronische Erkrankungen Integrativ, Elsevier - Urban & Fischer, München 2006, ISBN 3-437-57200-8
  • Manuela Thaler, Maria-Luise Plank: Heilmittel und Komplementärmedizin in der Krankenversicherung, Manz Verlag, Wien 2005, ISBN 3-214-02364-0
  • Josef Karl: Heilgeheimnisse der Natur. Bastei-Lübbe, 1999, ISBN 3-404-70142-9
  • Maria Lohmann: Natürliche Medizin für Frauen. Knaur Verlag, 2005, ISBN 978-3-426-64214-6

Weblinks

Siehe auch

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