Pianomann

Pianomann

Der so genannte Piano-Mann, engl. piano man, (eigentlich Andreas Grassl; * 25. Oktober 1984) wurde am 7. April 2005 in einem tropfnassen schwarzen Anzug am Strand der Küstenstadt Sheerness im Südosten Englands aufgefunden. Der Mann wirkte verwirrt und sprach nicht und wurde daraufhin in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses in Dartford gebracht. Als ihm Papier und Bleistift gegeben wurden, zeichnete er darauf einen Flügel. Als man ihn zu einem Piano führte, begann er angeblich, stundenlang darauf zu spielen.

Da der stumme Klavierspieler nicht identifiziert werden konnte (auch waren sämtliche Etiketten aus seiner Kleidung herausgeschnitten), setzten sich die Ermittler mit mehreren europäischen Orchestern in Verbindung, um herauszufinden, ob er dort vermisst würde. Der Fall erregte international großes Aufsehen. Bei einer Vermissten-Hotline in England gingen mehr als 1.000 Hinweise auf die vermeintliche Identität des stummen Klavierspielers ein, welche die Ermittlungen jedoch nicht vorwärts brachten.

Mehrfach hieß es, der Mann hätte eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem tschechischen Pianisten. Eine Frau behauptete im dänischen Fernsehen, es handle sich um ihren algerischen Ehemann. Eine andere Hypothese besagte, dass es sich bei dem blonden Mann um einen Skandinavier handelte, da er auf einer Karte einmal auf Oslo in Norwegen zeigte und ein anderes Mal auf einem Blatt Papier die schwedische Flagge zeichnete. Norwegische Studenten glaubten daraufhin, in dem Mann einen Austauschstudenten aus Irland zu erkennen.

Aufgrund seines Verhaltens wurde er von Ärzten als psychisch krank eingestuft, einige hielten ihn sogar für einen Autisten.[1] Mitte August 2005 brach der Piano-Mann sein Schweigen und offenbarte einer Krankenschwester, dass er ein Deutscher sei und sich in England im Meer ertränken wollte, als die Polizei ihn am Strand von Sheppey in Anzug und Krawatte aufgriff. Der 20-Jährige stamme aus Bayern und habe im Meer Suizid begehen wollen. Laut Aussagen der Klinik habe er nach Beginn seines Sprechens von seiner Familie, deren Bauernhof und seinen zwei Schwestern erzählt.

Die Geschichte wurde vor allem von den Medien sehr hochgespielt. Während in vielen Berichten vor der Identifikation die Rede davon war, dass der Piano-Mann konzertreif Klavier gespielt hätte, soll er – entgegen der Darstellung in den Zeitungen – immer nur die gleiche Taste angeschlagen haben. In den Medien kam auch eine Diskussion auf, inwieweit man bei diesem und ähnlich gelagerten Fällen von gespielten und vorgetäuschten Erinnerungslücken ausgehen kann oder muss.

Literarisch verarbeitet wird der Fall in dem 2008 erschienenen Buch „De Pianoman“ von J. Bernlef.

Einzelnachweise

  1. Andin Tegen: Der Piano-Mann kommt aus Bayern, Die Welt, 23. August 2005

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