Pissblockade

Pissblockade
Klassifikation nach ICD-10
F40.1 Soziale Phobien
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Unter einer Paruresis versteht man eine Blasenentleerungsstörung unterschiedlichen Schweregrades – von mehr oder weniger langem Warten bis zum Beginn der Miktion, einer unvollständigen Blasenentleerung bis hin zur Unmöglichkeit überhaupt urinieren zu können – unter der Betroffene hauptsächlich auf öffentlichen Toilettenanlagen beziehungsweise außerhalb des privaten Wohnbereiches leiden und die sich meist während der Pubertät entwickelt.

Es handelt sich dabei um eine psychische Störung, nämlich eine Form der sozialen Phobien, die wiederum eine Unterform der Angststörungen darstellen. Die Bezeichnung selbst wurde 1954 von G.W. Williams und E.T. Degenhardt eingeführt.

Der Anteil betroffener Männer dürfte im mittleren einstelligen Prozentbereich liegen. Trotz der weiten Verbreitung und des teils großen Leidensdrucks ist der Begriff zumeist nicht einmal den Betroffenen bekannt. Auch gibt es in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur bis dato kaum Veröffentlichungen zum Thema. Somit verfügen selbst Ärzte und Psychotherapeuten meist über nur wenig Informationen.

Die Therapie richtet sich nach den Grundsätzen zur Behandlung sozialer Phobien. Allerdings nehmen Männer im Vergleich zu Frauen bei psychischen Problemen generell weniger Hilfe in Anspruch.

Ursachen

1. Körperliche Komponente

Paruresis gründet auf einer psychisch bedingten Anspannung der Sphinkter, die das Wasserlassen erschwert oder unmöglich macht. Diese Anspannung lässt sich auf psychische Faktoren wie Angst und Stress zurückführen. Entspannungsübungen wie autogenes Training oder Tiefenentspannung können einem Betroffenen helfen, die Kontrolle über die Blasenmuskeln zurückzugewinnen. Schwerer als die körperliche Komponente wiegt aber die psychische Ursache.


2. Psychische Komponente

Durch ein Referenzerlebnis erfährt der Betroffene zum ersten Mal eine paruretische Reaktion (oft in der Pubertät), die einen derart prägenden Eindruck hinterlässt, dass er ab dem Zeitpunkt des Erlebnisses keine Toilette mehr unbefangen aufsuchen kann. Die Ursache des Referenzerlebnisses kann mannigfaltig sein: Vom Minderwertigkeitskomplex bis hin zu Stress in der Schule oder Streit mit der Familie. Auf Grund des Referenzerlebnisses verknüpft das Unterbewusstsein die Umstände der ersten paruretischen Reaktion mit der Anspannung der Harnröhrenschließmuskeln, was in der Regel dazu führt, dass die Miktionsstörung auf die Anwesenheit anderer Personen zurückgeführt wird, obwohl die Ursache ganz wo anders liegen kann. Diesen Mechanismus bezeichnet man als Konditionierung (siehe Iwan Petrowitsch Pawlow).

Das Weltbild eines Paruresispatienten basiert auf der gefühlten Gewissheit, dass ihn andere Menschen auf der Toilette beobachten und bewerten und sich – im Falle des Versagens - über ihn lustig machen. Bei männlichen Patienten ist zu beobachten, dass diese ihre Männlichkeit oft an der Fähigkeit, am Pissoir Wasser lassen zu können festmachen.

Betroffene sprechen in den seltensten Fällen über ihre Krankheit, da die Schamgrenze zu hoch ist. Befürchtungen, verspottet oder nicht ernst genommen zu werden, sorgen für die zunehmende soziale Isoliertheit eines Patienten.

Patienten wollen ihre Paruresis vor anderen Menschen (Freunde, Familie, Bekannte, etc.) verbergen, was dazu führt, dass Paruresis ein Schattendasein fristet. Ein offenerer Umgang damit würde über kurz oder lang zur gesellschaftlichen Toleranz führen, wie es beispielsweise bei Klaustrophobie der Fall ist.

Literatur

  • Philipp Hammelstein: Lass es laufen! Ein Leitfaden zur Überwindung der Paruresis, ISBN 3-89967-221-6
  • Steven Soifer u.a.: Shy Bladder Syndrome (nur auf englisch verfügbar), ISBN 1-57224-227-2

Weblinks

Allgemein:

  • paruresis.de die deutsche Seite zum Thema Paruresis inkl. Forum
  • Deutsche Seite der European Paruresis Association
  • Therapieprojekt unter Leitung von Dr. Dipl.-Psych. Philipp Hammelstein vom Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf
  • Fachzeitschrift Psychotherapeut PDF-Datei, Beitrag von Dr. Dipl.-Psych. Philipp Hammelstein u.a.


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