Polnareff

Polnareff

Michel Polnareff (* 3. Juli 1944 in Nérac im Departement Lot-et-Garonne) ist ein charismatischer französischer Chansonnier, Komponist und Textautor, der das französische Chanson erneuert hat. Charakteristisch für ihn ist seine große Melodiosität, eine Stimme, die mühelos hohe Tonlangen erreicht, sowie Texte mit Witz und Wortspielen, die durchaus auch persönlich sind und auch Zeitphänomene (z. B. Aids, Internet) berücksichtigen. Polnareff genoss eine klassische Musikausbildung, öffnete sich aber, wie Serge Gainsbourg, der angloamerikanischen Popmusik unter Verwendung allerneuester technischer Möglichkeiten. Polnareff hatte bereits als junger Sänger eine große Strahlkraft. Auch in Deutschland, England und in Japan war er ein Star. Dass die Karriere des genialen Musikers 1973 schlagartig wegen eines Steuerdeliktes endete, war ein Drama, das sowohl der Künstler, als auch die französische Öffentlichkeit als ungerecht empfanden. Polnareff ging nach Los Angeles ins Exil. 2007 kehrte er nach 34 Jahren auf die französischen Bühnen zurück. Seine Konzerttournee wurde in ganz Frankreich in beispielloser Weise gefeiert. Auf Einladung von Nicolas Sarkozy trat er am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, vor 600 000 Zuschauern am Eiffelturm auf.

Michel Polnareff; 1973

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit, Ausbildung, erste Schritte

Polnareffs Vater, der Komponist und Jazzpianist Leib Polnareff (unter dem Pseudonym Léo Poll hat er u. a. Chansons für Édith Piaf komponiert) war Exilrusse, seine Mutter Simone Lane, eine Tänzerin, Bretonin. Seine Eltern erkannten schon früh die musikalische Begabung des Kindes und setzten ab dem 4. Lebensjahr alles auf eine klassische Ausbildung mit dem Schwerpunkt Klavier. In seiner 2004 erschienenen Autobiographie schildert Polnareff seine harte Kindheit unter dem Despotismus eines prügelnden Vaters, der ihm abverlangte, überall der beste zu sein, aber keinerlei Rücksicht auf seine kindlichen Bedürfnisse nahm.

Polnareff besuchte das Conservatoire National de Région de Paris, wo er im Alter von 11 Jahren im Fach Musiklehre den ersten Preis macht, um den sich sonst 17jährige Probanden bemühen. Nach dem Abitur versucht Polnareff es zunächst noch seinem Vater recht zu machen, leistet 7 Monate lang seinen Militärdienst in Montlucon ab, wo er Pauke im Orchester spielt. Danach arbeitet er in einer Versicherung und in der Bank. Dennoch nehmen die Spannungen zu, bis Polnareff 1964 seinem Elternhaus den Rücken kehrt, in Montmartre zu den Beatniks stößt, vom Klavier zur Gitarre wechselt und Straßenmusiker wird. Eine Initialzündung ist 1965 ein Wettbewerb in dem damals angesagten Lokomotivclub, den Polnareff gewinnt. Der als Preis in Aussicht gestellte Plattenvertrag mit dem bekannten Label Barclay interessiert den Künstler jedoch nicht. Er sieht sich als Komponist, nicht als Chansonnier. Erst der Rat von Paul, Mitglied der amerikanischen Band Peter, Paul and Mary bringt ihn dazu, seine Lieder selbst zu interpretieren.

Erfolgsjahre

Seinem Klassenkameraden Gérard Woog verdankt Polnareff schließlich den Kontakt zu Lucien Morisse, dem Programmchef des Radiosenders Europe 1, der ihn dazu bringt einen Vertrag mit dem Schallplattenverlag Disc’AZ zu unterschreiben. Morisse wird sein Manager und ermöglicht es Polnareff seine erste Platte La poupée qui fait non aufzunehmen. Allerdings soll er seinen Namen amerikanisieren. Polnareff lehnt ab. Darüber hinaus besteht er - wegen der technischen Möglichkeiten - auf einem Studio in London, und bekommt es. Unter den Musikern ist auch Jimmy Page (Yardbirds, Led Zeppelin), John Paul Jones und Big Jim Sullivan. Die Platte, die am 26. Mai 1966 herauskommt, ist ein fulminanter Erfolg. Im gleichen Jahr erscheint seine zweite Single, die deshalb ungewöhnlich ist, weil sie die übliche Länge französischer Schlager übersteigt und mit einem überlangen, klassischen Klavier-Intro beginnt: Love me, please love me. Noch mehr Aufmerksamkeit erregte die Rückseite: L’amour avec toi wird in den Radiostationen erst nach 22 Uhr gespielt, weil es ein Tabuverstoß ist, Sexualität offen anzusprechen. 1967 steht Polnareff, zusammen mit Big John Sullivan, als Vorgruppe der Beach Boys zum ersten Mal auf der Bühne des legendären Olympia. In Deutschland ist er Vorgruppe vor der englischen Sängerin Marianne Faithfull, durch die er Mick Jagger kennen lernt. In Belgien tritt Polnareff mit Jeff Beck auf. In diesem Jahr entstehen weitere wichtige Titel, wie Âme Caline, dessen Melodie er einem Vogel abgelauscht hat. 1968 nimmt Polnareff nicht an den Studentenprotesten teil. Es entstehen die neoromantische Ballade Le Bal des Laze (stilistisch Ähnliches machen Procol Harum und The Moody Blues) und das fetzige Country und Western-Stück Y’a qu’un ch’veux. Gleichzeitig bittet der berühmte französische Theatermann Jean-Louis Barrault Polnareff um Musik für sein Rabelais-Stück, das als bestes Stück der Saison gilt. In diesem Jahr begegnet Polnareff auch der Produzentin Annie Fargue, die das Musical Hair nach Paris gebracht hat. Sie wird seine Mentorin und Geschäftspartnerin bis auf den heutigen Tag. 1970 ist ein problematisches Jahr für Polnareff. Er steht nun selbst mit eigener großer Show auf der Bühne des Olympia und geht im Anschluss auf Tournee durch Frankreich. In Rueil-Malmaison wird er am 4. Juni auf offener Bühne körperlich angegriffen, was ihn in eine schwere Depression stürzt. Polnareff, der überarbeitet ist, macht eine Schlafkur in einer Klinik in Beaumont-sur-Oise. Ein weiterer schwerer Schlag ist der Selbstmord seines Managers Lucien Morisse am 11. September 1970. Ihm widmet er sein chanson Qui a tué Grand' Maman? Mit seinem Lied je suis un homme tritt Polnareff selbstbewußt und humorvoll den kursierenden Gerüchten entgegen, er sei homosexuell.

Exil in Los Angeles

Bis in die 70er-Jahre hinein verkauft Polnareff Millionen Platten. Dann endet die Karriere abrupt: Wegen erheblicher Steuerschulden sah sich der Künstler 1973 gezwungen, sich in die USA abzusetzen. Polnareff hatte die finanzielle Seite seiner Karriere einem Manager übertragen und ist offensichtlich betrogen worden. Lange Jahre kämpfte er vor französischen Gerichten, um einen Freispruch zu erlangen, was schließlich gelingt. Über 30 Jahre lang wurden seine Songs gecovered, die Person blieb - aus europäischer Sicht - die meiste Zeit verschollen. 1985 kehrt er für einige Jahre nach Frankreich zurück, zunächst in das kleine Dorf Fontenay-Trésigny (Seine-et-Marne), dann in das Pariser Hotel Le Royal Monceau, wo er sein Album Kama-Sutra produziert und 800 Tage lang keinen Fuß vor die Tür setzt. Ein Comeback-Versuch mit dem Album Incognito bleibt relativ erfolglos, weil die Vertriebswege seiner Plattenfirma bestimmten Einschränkungen unterliegen. Im Jahr 2004 wird der Sänger von der französischen Zeitschrift Paris Match in der Nähe von Los Angeles gefunden. Er lebt dort zurückgezogen und anonym, tritt jedoch 1995 im legendären The Roxy in Los Angeles auf. Von diesem Konzert liegt ein Mitschnitt vor. Polnareff hatte früh begriffen, welchen Wert es hat, ein normales Leben fernab der Öffentlichkeit führen zu können. Dennoch ist er weiterhin ununterbrochen musikalisch aktiv, produziert und steht im Kontakt mit den wichtigen Musikern seiner Zeit, auch privat: So war er, wie er selbst schreibt, in den früheren Jahren in Los Angeles Mittelstürmer in einer Hobby-Soccer-Mannschaft, in der auch Rod Stewart und Elton John mitspielten. Polnareff, der immer sehr körperbetont war und einen Hang zu exzentrischer Kleidung hatte, darüber hinaus phasenweise, während Produktionen, auch Nacht und Tag vertauschte und dann viel Alkohol trank, hat auf der anderen Seite auch immer wieder ein starkes Fitnessprogramm als Ausgleich befolgt, angefangen von Tischtennis über Karate bis hin zum Bodybuilding. In Frankreich und auch in Deutschland wird die französische Popmusik der 60er-Jahre heute wieder modern. Der französische Künstler Pascal Obispo nahm 2003 eine Polnareff gewidmete Doppel-CD (Studio und live) mit dem Titel Fan auf, welche Coverversionen von bekannten Polnareff-Songs enthielt. Davon profitiert auch Polnareff: Seine Stücke werden wieder gespielt. Im Jahr 2006 veröffentlichte "Star Academy", das französische Pendant zu Deutschland sucht den Superstar oder "Popstars", eine CD mit 14 Polnareff-Titeln.

Heute

Michel Polnareff ist 2007 für eine Tournee nach Frankreich zurückgekehrt und feierte, nach 34 Jahren Abwesenheit, ein triumphales Comeback mit ausverkauften Konzerten in ganz Frankreich und Belgien. Am 7. Dezember 2007 erschien der Mitschnitt eines der Konzerte in Bercy. Die CD war sofort Platz eins auf der französischen Bestsellerliste. Im Jahr 2007 ist der Künstler der mit Abstand Bestverdienenste in Frankreich.

Vorbereitet wurde das Comeback auf ungewöhnliche Weise: Michel Polnareff, immer schon begeistert von neuester Technik, fand in Los Angeles den nötigen Rückhalt seiner noch immer existierenden französischen Fangemeinde via Webseite [1], die u. a. aus dem Fanblog Le Mur (dt: Die Mauer) besteht. Hier kommuniziert Polnareff, der sich als Admiral (frz.: Amiral) eines Schiffes begreift, das auf der Suche von Polnaventures (Polnareff-Abenteuern) das Internet durchquert, mit seinen Fans, den Moussaillons (Schiffsjungen). Der Ernst, mit dem Polnareff den Kontakt zu seinen Anhängern pflegt, zu denen er sich bekennt, die er in Konzerten begrüßt und die er ohne Allüren und stets mit großem Respekt behandelt, ist außergewöhnlich in der Musikszene und wird ihm mit großer Zuneigung gedankt.

Markenzeichen von Michel Polnareff ist neben der Lockenfrisur unter anderem das Tragen einer weißen Sonnenbrille. Die Brille war zunächst wegen seines starken Augenleidens notwendig geworden, entwickelte sich dann aber zu Polnareffs Markenzeichen. Erst 1994 unterzog er sich einer gefährlichen Operation, die ihm das Augenlicht rettete. Das Markenzeichen ist dennoch geblieben und war auch auf der Tournee 2007 als Kennzeichen auf allen Merchandising-Produkten zu sehen. Auf Fantreffen tragen alle seine Anhänger blonde Lockenperücken und diese weiße Brille.

Bekannte Songs von Michel Polnareff

  • Ballade pour toi
  • Chère Véronique
  • [J'aimerais simplement faire] l'amour avec toi (der Titel verursachte 1966 einen enormen Skandal, weil es den damaligen Moralvorstellungen zuwiderlief, so etwas offen auszusprechen)
  • Dans la maison vide
  • Tous les bateaux, tous les oiseaux
  • Goodbye marylou
  • Je suis un homme
  • Jour après jour
  • Y'a qu'un cheveu
  • Ame caline
  • Ta ta ta ta (# 33 in Deutschland) (1967)
  • Je t'aime
  • Kama sutra
  • L'oiseau de nuit
  • La fille qui rêve de moi
  • La poupée qui fait non (# 15 in Deutschland) (1966)
  • Meine Puppe sagt non (Deutsche Version, # 38 in Deutschland) (1966)
  • No, No, No, No, No (Englische Version) (1966)
  • La vie, la vie m'a quitté
  • Le bal des Laze
  • Love me, please love me (# 21 in Deutschland) (1966)
  • Love me, please love me (Deutsche Version) (1967)
  • L'homme qui pleurait des larmes de verre (1974)
  • Fame à la mode (1975)
  • Coucou me revoilou (1978)
  • Mes regrets
  • Nos mots d'amour
  • Qui a tué Grand' Maman?
  • Tout, tout pour ma chérie
  • On ira tous au paradis
  • Lettre à France

Diskographie

  • 1966 Michel Polnareff (mit 'Love me please love me' etc.)
  • 1968 Le bal des Laze
  • 1969 Disques d'or des disque d'or (best of)
  • 1971 Polnareff's
  • 1971 La folie des grandeurs (Soundtrack)
  • 1972 Disques d'or des disque d'or No. 2 (best of)
  • 1972 Polnarevolution (Live)
  • 1974 Michel Polnareff (mit 'I love you because', 'Tibili'...)
  • 1975 Fame à la mode
  • 1976 Lipstick (Soundtrack)
  • 1978 Coucou me revoilou
  • 1981 Bulles
  • 1984 La vengeance du serpent à plumes (Soundtrack)
  • 1985 Incognito
  • 1990 Kâma-Sûtra×
  • 1996 Live at the Roxy (Live)
  • 1999 Je rêve d'un monde... (single)
  • 1999 Nos mots d´amour (Best of)
  • 2003 Passé Présent (Best of mit 41 neu gemischten Titeln, 2 CDs)
  • 2004 Passé simple (Best of mit 19 Titeln)
  • 2006 Les 100 plus belles chansons (Best of mit einem neuen Lied 'Ophélie flagrant des lits', 5 CDs)
  • 2007 Ze(Re)Tour 2007 (Live, 2 CDs)

Literatur

  • Michel Polnareff: Polnareff par Polnareff. Paris 2004 (Grasset) (Autobiographie)
  • Christophe Lauga: Polnareffmania. Paris 2004 (Éditions Scali) (Ein Fanbuch)
  • Benoît Cachin: Polnaculte : Michel Polnareff vu par ses auteurs et par lui-même. o.0. 2007 (Mascara)
  • Rémi Bouet: Polnareff: Au fond des yeux. o.0. 2007 (Arthéléna Editions) (hauptsächlich Fotos)
  • Philippe Margotin : Polnareff. Polnaréfernces. Editions de la Lagune, 2007 – (Sehr gute Darstellung der Entstehung der einzelnem Musiktitel)

Weblinks


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