Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (kurz PAK oder aus dem Englischen PAH = Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) bilden eine Stoffgruppe von organischen Verbindungen, die aus mindestens zwei und mehreren miteinander verbundenen (anellierten) Benzolringen bestehen. Man spricht auch von kondensierten Ringsystemen.

Diese ringförmigen Kohlenwasserstoffe können zudem zusätzlich mit Substituenten (häufig Methylgruppen) versehen sein. In weiterem Sinn werden auch Derivate mit Heteroatomen (vorrangig Sauerstoff und Stickstoff) in Form von Aldehyd-, Keto-, Carboxyl- und Nitrogruppen, aber auch Heteroaromaten zu den PAK gezählt[1]. Dadurch ergibt sich ein großer Variantenreichtum innerhalb der Gruppe der PAK: Es sind mehrere hundert PAK bekannt.

Naphthalin, der einfachste PAK

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

PAK sind überwiegend neutrale, unpolare Feststoffe. Viele zeigen Fluoreszenz. PAK sind nur sehr gering wasserlöslich; mit zunehmender Anzahl kondensierter Ringe nehmen Flüchtigkeit und Löslichkeit (auch in organischen Lösungsmitteln) ab.

Zahlreiche PAK sind nachweislich karzinogen (krebserregend), da sie bei der Metabolisierung im Körper epoxidiert (zu Epoxiden oxidiert) werden und diese Epoxide in einer nucleophilen Ringöffnungsreaktion mit der DNA reagieren können. Das ist nicht zu verwechseln mit der Einschiebung planarer hydrophober Moleküle zwischen wasserstoffverbrückte Basenpaare der DNA (Interkalation).

Wegen der unterschiedlichen toxikologischen und physikalisch-chemischen Eigenschaften ist eine Einteilung in niedermolekulare PAK (2–3 Ringe) und höhermolekulare PAK (4–6 Ringe) sinnvoll.

Verbindungen

Naphthalin, ein farbloser Feststoff, ist der einfachste PAK, der aus zwei anellierten Benzolmolekülen besteht. Weitere wichtige PAK sind Anthracen und Benzopyren. Darüber hinaus zählt man Acenaphthylen, Acenaphthen, Fluoren, Phenanthren, Fluoranthen, Pyren, Benzanthracen, Coronen, Ovalen, Tetracen, Pentacen und Chrysen zu dieser Stoffgruppe. In den letzten Jahren war es möglich sogenannte „Superacene“ zu synthetisieren und charakterisieren. Diese Verbindungen bestehen aus einer Vielzahl anellierter Benzoleinheiten, sind sehr stabil, haben einen extrem hohen Schmelzpunkt und stellen quasi eine Vorstufe des Graphits dar.

Eigenschaften verschiedener PAK sind der Liste zu entnehmen.

Name Summenformel Molmasse [g/mol] Smp. [°C] Sdp. [°C] Dichte [g/cm³]
Naphthalin C10H8 128,17 80 218 1,03
Fluoren C13H10 166,22 116–117 295 1,2
Anthracen C14H10 178,23 216 340 1,28
Phenanthren C14H10 178,23 101 340 0,98
Tetracen C18H12 228,29 357 440 1,35
Chrysen C18H12 228,29 256 441 1,27
Pyren C16H10 202,26 150 395 1,27
Perylen C20H12 252,32 273–278 350–400 subl.[2] 1,35
Pentacen C22H14 278,35 <300 subl.
Pentaphen C22H14 278,35 264
Hexacen C26H16 328,41 380 zers.
Heptaphen C30H18 372,42 473
Heptacen C30H18 372,42  ?
Coronen C24H12 300,36 438 525
Trinaphthylen C30H18 378,47 392

Vorkommen

PAK sind natürlicher Bestandteil von Kohle und Erdöl. Der bei der Verkokung von Steinkohle anfallende Teer enthält hohe Anteile an PAK. Daher ist seine Verwendung im Straßenbau und z. B. als Dachpappe in der BRD seit etwa 1970 verboten. Im Gegensatz dazu enthält das bei der schonenden Destillation von Erdöl entstehende Bitumen nur geringe Spuren an PAK. Mit Steinkohleteer behandelte Produkte, z. B. teergebundener Asphalt aus der Zeit vor 1970, Teerpappe oder Teerimprägnierungen (für Telegrafenmasten oder Eisenbahnschwellen), enthalten daher viel PAK. In Otto- und Dieselkraftstoff bzw. Heizöl findet man ebenfalls Spuren von PAK. Des Weiteren kommen sie in Tabakrauch, Gemüse sowie geräucherten, gegrillten und gebratenen Fleischprodukten vor. In Gebäuden sind sie oftmals in Teer und pechhaltigen Klebstoffe und Farben unter Holzparkett, als Beschichtung von Trinkwasserleitungen sowie bei alten Fußbodenbelägen mit teerhaltigem Asphalt zu finden. In den 1990er Jahren stellte sich beispielsweise heraus, dass die Parkettfußböden in den von den alliierten Truppen übergebenen Wohnungen im Rhein-Main-Gebiet und in Heilbronn mit einem Klebstoff auf Teerbasis verlegt waren, der stark PAK-haltig war. Sämtliche Wohnungen mussten mit großem finanziellen Aufwand saniert werden. Bei verkehrsreichen Straßen kann man PAK auch im Hausstaub finden.

PAK sind ein wichtiger Bestandteil interstellarer Materie und werden mit den Methoden der Infrarotastronomie in vielen Gebieten unserer Milchstraße und anderer Galaxien nachgewiesen.

Entstehung

PAK entstehen bei der Pyrolyse (unvollständige Verbrennung) von organischem Material (z. B. Kohle, Heizöl, Kraftstoff, Holz, Tabak) und sind deswegen weltweit nachzuweisen. Der überwiegende Anteil der PAK stammt heute aus anthropogenen Prozessen, sie können aber auch natürlichen Ursprungs sein (Waldbrände). Ein wichtiger Prozess in Hinblick auf die Altlastenproblematik ist die Gewinnung von Koks und Gas aus Steinkohle. Abfallprodukte von Kokereien und ehemaligen Gaswerken (Teer) sind nicht selten Ausgangspunkt schwerwiegender Grundwasserverunreinigungen. PAK werden außerdem durch Kondensations-Reaktionen aus Huminsäuren gebildet. In der Natur beobachtet man die Produktion von biologisch aktiven PAKs durch Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren.

Verwendung

Nur wenige PAK-Einzelverbindungen werden gezielt hergestellt und finden als End- oder Zwischenprodukt Verwendung. Naphthalin dient in der chemischen Industrie als Zwischenprodukt hauptsächlich für Azofarbstoffe, Insektizide, Stabilisatoren, Pharmaka, Kosmetikzusätze und Weichmacher. Es wurde in geringem Umfang auch als Mottenbekämpfungsmittel verwendet. 1-Methylnaphthalin dient zur Herstellung des Phytohormons 1-Naphthylessigsäure. In der Textilindustrie wurde ein Isomerengemisch aus 1- und 2-Methylnaphthalin als Lösungsmittel verwendet. Anthracen ist ein Zwischenprodukt bei der Farben- und Plastikherstellung. Einige Perylenderivate werden als hochwertige Pigmente verwendet.

PAK-haltige Mineralöle werden auch in Kautschukprodukten als Weichmacher eingesetzt. Sie finden sich hier am häufigsten in schwarz eingefärbten Erzeugnissen, vor allem in Fahrzeugreifen, aber auch z. B. in Gummigriffen von Werkzeugen. Massivparkette, insbesondere Mosaik-, Hochkantlamellen- und Stabparkette, aber auch Holzpflaster, wurden in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit teer- oder bitumenhaltigen Klebern auf Zement- oder Asphaltestriche verklebt, diese Kleber sind meist mit PAK belastet.

PAK als Umweltschadstoffe

Wegen ihrer Persistenz, ihrer Toxizität und ihrer ubiquitären Verbreitung haben PAK eine große Bedeutung als Schadstoffe in der Umwelt. Bereits in den 1980er Jahren hat die amerikanische Bundesumweltbehörde (USEPA) aus den mehrere hundert zählenden PAK-Einzelverbindungen 16 Substanzen in die Liste der „Priority Pollutants“ aufgenommen. Diese 16 „EPA-PAK“ werden seitdem hauptsächlich und stellvertretend für die ganze Stoffgruppe analysiert. Es sind: Naphthalin, Acenaphthylen, Acenaphthen, Fluoren, Phenanthren, Anthracen, Fluoranthen, Pyren, Benzo(a)anthracen, Chrysen, Benzo(b)fluoranthen, Benzo(k)fluoranthen, Benzo(a)pyren, Dibenzo(a,h,)anthracen, Indeno(1,2,3-cd)pyren und Benzo(g,h,i)perylen.

PAK gelangen überwiegend bei der Verbrennung fossiler Energieträger mit den Abgasen in die Luft. Mit der Deposition werden sie auf und in den Boden eingetragen, wo PAK flächendeckend nachweisbar sind. Lokal von Bedeutung als PAK-Emittenten sind Altlasten, z. B. ehemalige Gaswerke und Kokereien, oder Altablagerungen mit PAK-haltigen Abfällen (z. B. Aschen, Altöl).

Höhermolekulare PAK mit vier und mehr Ringen liegen in der Luft und im Boden überwiegend partikelgebunden vor. Niedermolekulare PAK mit zwei und drei Ringen liegen in der Luft hauptsächlich gasförmig vor, im Untergrund gelöst im Sicker- oder Grundwasser.

PAK in Verbraucherprodukten

Vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR) wurde in Zusammenarbeit mit dem ZEK (Zentraler Erfahrungsaustauschkreis) ein PAK-Dokument (ZEK 01–08) zur Untersuchung von Werkstoffen auf PAK entwickelt. Damit wird sichergestellt, dass alle diese Prüfung durchführenden Laboratorien eine einheitliche Prüfmethode zur Ermittlung des PAK Gehaltes anwenden.

Die Untersuchung auf PAK muss ab dem 1. April 2008 bei der Vergabe des GS-Zeichens (geprüfte Sicherheit) entsprechend eines Beschlusses des „Ausschusses für technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (AtAV)“ vom 20. November 2007 verbindlich für Produkte entsprechend den Anforderungen der Ziff.4.1 des PAK-Dokumentes ZEK 01–08 angewendet werden. Produkte ohne GS-Zeichen können wesentlich mehr PAK enthalten.

Es gibt Richtwerte für die maximale PAK-Konzentration in Verbraucherprodukten, aber keinen gesetzlichen Grenzwert. Der TÜV-Rheinland beklagt, dass sich daher viel Hersteller nicht an die Richtwerte halten. In einer Untersuchungsreihe im März 2009 [3] fand der TÜV alarmierend hohe PAK-Werte in Gummiprodukten wie Hammerstielen, Fahrradhupen, Badesandalen und Armbanduhren. Dabei wird das PAK über den langen Hautkontakt aufgenommen.

Ab dem 1. Januar 2010 ist die Verwendung von Weichmachern für die (Auto-)Reifenproduktion nur noch zulässig, wenn deren Gehalt folgende Grenzwerte nicht überschreitet:

  • 1 mg/kg Benzo[a]pyren
  • außerdem darf die Summe von Benzo[a]pyren und weiterer sieben gelisteter PAK nicht größer als 10 mg/kg sein

Wirkung bei Menschen

Die Aufnahme der Stoffe erfolgt durch die Nahrung und Trinkwasser sowie durch die Haut durch die Atmung der belasteten Luft über die Lunge, wobei Autoabgase und Tabakrauch für die allgemeine Bevölkerung am bedeutendsten sind.

PAK entfetten die Haut, führen zu Hautentzündungen und können Hornhautschädigungen hervorrufen sowie die Atemwege, Augen und den Verdauungstrakt reizen.

Einige PAK sind beim Menschen eindeutig krebserzeugend (z. B. Lungen-, Kehlkopf-, Hautkrebs sowie Magen- und Darmkrebs bzw. Blasenkrebs). Die Möglichkeit der Fruchtschädigung oder Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit besteht.

Zum Beispiel wird das Benzo(a)pyren bei Schornsteinfegern für den Hautkrebs verantwortlich gemacht.

Literatur

  • Karsten Strey: Die Welt der polycyclischen Aromaten Lehmanns Media 2007, Berlin, ISBN 978-3-86541-184-6
  • Maximilian Zander:„Polycyclische Aromaten – Kohlenwasserstoffe und Fullerene“ Teubner Verlag 1995, ISBN 3-519-03537-5
  • Michael Herrenbauer:Biosorption von Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) an Mikroorganismen und Liposomen. Shaker Verlag GmbH (2002), ISBN 3-8265-9903-9
  • Tilman Gocht, Peter Gratwohl: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aus diffusen Quellen. Atmosphärische Deposition und Anreicherung in Böden des ländlichen Raums. Umweltwissenschaften und Schadstoffforschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie 16(4), S. 245–254 (2004), ISSN 0934-3504
  • Ronald G. Harvey: „Polycyclic Aromatic Hydrocarbons“ Wiley VCH 1997, ISBN 0-471-18608-2
  • Ronald G. Harvey: „Polycyclic Aromatic Hydrocarbons – Chemistry and carcinogenicity“ Cambridge University Press 1991, ISBN 0-521-36458-2
  • C. Glende: „Synthese und Mutagenitätsuntersuchungen von Derivaten des Pyrens, 1-Nitropyren und 1-Aminopyrens“ Cuvillier Verlag Göttingen 2001, ISBN 3-89873-327-0
  • Andreas Luch: „The Carcinogenic Effects of Polycyclic Aromatic Hydrocarbons“ Imperial College Press 2005, ISBN 1-86094-417-5
  • A. Leger, J.L. Puget: „Identification of the 'unidentified' IR emission features of interstellar dust?“ Astronomy and Astrophysics 137, L5 (1984)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Römpp CD 2006, Georg Thieme Verlag 2006
  2. D'Ans-Lax, Taschenbuch für Chemiker und Physiker, 4. Auflage, Band 2, Springer Verlag 1982, ISBN 3-540-12263-X
  3. http://www.presseportal.de/pm/31385/1379506/tuev_rheinland_group

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