Positions-Sexagesimalsystem

Positions-Sexagesimalsystem

Das Sexagesimalsystem ist ein Stellenwertsystem mit dem Wert 60 (lat. sexagesimus – der sechzigste) als Basiszahl.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Erstmalige Nachweise eines schriftlichen sexagesimalen Rechensystems, das jedoch noch ein Additionssystem war, reichen in die Zeit der Sumerer um 3300 v. Chr. zurück. Im weiteren Verlauf wurde in der babylonischen Mathematik ab ca. 2000 v. Chr. ein sexagesimales Stellenwertsystem verwendet. Die Hauptquellen zur Mathematik stammen aus der Zeit 1900 v. Chr. bis 1600 v. Chr., die ältesten Tabellentexte sind jedoch noch aus neusumerischer Zeit. Die nachalexandrinische Zeit zeigt unter den Seleukiden zunehmend griechische Einflüsse, die eine Synergie mit den babylonischen Kenntnissen eingingen, um später die gesammelten Erfahrungen der Sumerer, Akkader, Assyrer und Babylonier vollends nach Griechenland zu exportieren. Arabische Astronomen benutzten in ihren Sternenkarten und -tabellen die Schreibweise des berühmten griechischen Astronomen Ptolemäus, die auf sexagesimalen Brüchen basierte. Auch frühe europäische Mathematiker wie Fibonacci benutzten solche Brüche, wenn sie nicht mit ganzen Zahlen operieren konnten.

Als Motiv für die Einführung eines Sexagesimalsystems sehen viele Historiker in der Astronomie, da die babylonischen Jahre 12 Monate zu 30 Tagen umfassten, es gab aber auch etwa alle 3 Jahre einen zusätzlichen 13. Schaltmonat.[1] Weitere Hinweise finden sich in der frühen Zählung der Mondmonate, die bis in das Jahr 35.000 v. Chr. nachgewiesen werden können (Kalender-Stöckchen). In der Republik Tschechien wurde der Speichenknochen eines jungen Wolfes von etwa 30.000 v. Chr. entdeckt, der eine Reihe von insgesamt 55 Einkerbungen aufweist, wobei die 9., die 30. und die 31. Kerbe von oben rund doppelt so lang sind wie die anderen Kerben.[2] Weil die mittlere Periode der Mondphasen 29,53 Tage beträgt, könnten die Markierungen mit den Mondphasen in Verbindung stehen.

Andere Wissenschaftler sehen als Grund für die Wahl der Zahl 60 als Basis des Rechensystems die Absicht, möglichst viele der beim praktischen Zählen und Messen (Handel) auftretenden Teile einfach ausdrücken bzw. berechnen zu können.[3]

ein- und zweihändiges Zählen mit Fingergliedern und Fingern[4]

Im gewohnten Dezimalsystem (10er-System) zählt man mit den 10 Fingern (2 mal 5) beider Hände. In einigen Gegenden der Welt existierte aber ein Zählen mit Hilfe der Fingerglieder, das einhändig zur Zahl zwölf, zweihändig aber zur Zahl 60 führt.

einhändiges Zählen bis 12

Gezählt wird mit dem Daumen als Zeiger und den Fingergliedern der gleichen Hand als Zählobjekt.

  • Das einhändige Zählen z. B. einer Herde Tiere beginnt, indem man für das erste Tier mit dem Daumen der rechten Hand die Spitze, also das oberste Fingerglied, des kleinen Fingers der gleichen Hand, also der rechten Hand, berührt.
  • Das zweite Objekt der zu zählenden Menge, zählt man, indem man für die Zahl zwei, mit dem Daumen der rechten Hand das mittlere Fingerglied des kleinen Fingers der rechten Hand berührt.
  • Das dritte Objekt zählt man, indem man mit dem Daumen nunmehr das untere Fingerglied des kleinen Fingers berührt.
  • Nun steht kein weiteres Fingerglieder am kleinen Finger mehr zur Verfügung. Deshalb zählt man das vierte Objekt nunmehr, indem man mit dem Daumen das oberste Fingerglied des Ringfingers berührt.
  • Für das fünfte Objekt berührt man mit dem Daumen nun das mittlere Glied des Ringfingers.
  • Das sechste Objekt zählt man, indem nunmehr das unterste Fingerglied des Ringfingers berührt.
  • Da nun auch der Ringfinger erschöpft ist, zählt man die sieben, in dem man mit dem Daumen das oberste Fingerglied des Mittelfingers berührt.
  • Die Acht zählt man nunmehr in dem man das mittlere Fingerglied des Mittelfingers berührt.
  • Die Neun zählt man, indem man das unterste Fingerglied des Mittelfingers berührt.
  • Die Zehn zählt man, indem man das oberste Fingerglied des Zeigefingers berührt.
  • Die Elf zählt man, indem man das mittlere Fingerglied des Zeigefingers mit dem Daumen berührt.
  • Die Zwölf zählt man, indem man das unterste Fingerglied des Zeigefingers mit dem Daumen berührt.

In diesem Fingerzählsystem ist also in der ersten Runde der Daumen der Zeiger, nicht der Zeigefinger, wie wir es gewohnt sind. Die Tatsache, dass im Deutschen alle Zahlen bis zwölf eigene Namen haben,

  • danach aber die Wörter Zahlen mit zusammengesetzten Zahlennamen (dreizehn, vierzehn …) und
  • abgeleiteten Zahlennamen (zwanzig aus zwei, dreißig aus drei, achtzig aus acht, einhundert, eintausend, …) gebildet werden, könnte die Vermutung begründen, dass dieses Zählsystem auch von früheren Sprechern des Deutschen angewandt wurde.

Zählt man so mit der Basis Zwölf kann man leicht auf den Gedanken kommen den ganzen Tag, wie es die Babylonier taten, oder den hellen Tag, wie es die Ägypter taten, in 12 Stunden einzuteilen.

Das Duodezimalzählsystem an einer Hand ist bezeugt in Indien, Indochina, Pakistan, Afghanistan, im Iran, in der Türkei, im Irak und in Ägypten.

zweihändiges Zählen bis 60

Nachdem mit Hilfe des Daumens als Zeiger mit den jeweils drei Fingergliedern der restlichen vier Finger der gleichen Hand, drei mal vier Fingerglieder das erste Dutzend, z. B. Tiere, abgezählt ist, ist die Zählkapazität der rechten Hand zunächst erschöpft.

  • Die linke Hand ist zur Faust geballt. Um sich zu merken, dass ein Dutzend gezählt wurde, streckt man nun einen Finger, z. B. den Daumen aus.
  • Nun zählt man die Zahl dreizehn, in dem man wieder mit der rechten Hand weiterzählt, also mit dem Daumen der rechten Hand das oberste Fingerglied des kleinen Fingers berührt.
  • Und so zählt man, wenn nötig, das zweite Dutzend voll.
  • Umfasst die zu zählende Herde mehr als das zweite Dutzend so streckt man, nachdem man mit der rechten Hand das zweite Dutzend gezählt hat, den zweiten Finger der linken Hand aus, z. B. nach dem Daumen den Zeigefinger.
  • Dann beginnt man erneut, das dritte Dutzend mit den Fingergliedern der rechten Hand zu zählen.
  • Mit den fünf Fingern der linken Hand kann man so fünf mal ein Dutzend abzählen, also 5 mal 12 gleich sechzig (60).
  • Nun kann man noch einmal mit der rechten Hand das nächste Dutzend zählen, also mit zwei Händen bis zu z. B. 72 Tiere zählen (5·12 an der linken Hand und 12 an der rechten Hand). Damit sind zwei Hände aber erschöpft.
  • Bei größeren Zahlen wäre es aber besser, sich nunmehr mit einem Stock oder einem Stein oder einen anderen Hilfsmittel die erste volle linke Hand, die ersten fünf mal zwölf, also sechzig zu merken.

Dieses Fingerzählsystem existiert noch in Teilen der Türkei, des Irak, in Indien und Indochina.

vierhändiges Zählen bis 600

  • Statt Stöcken oder Steinen konnte man beim Zählen einer großen Herde auf die zwei mal fünf, also zehn Finger eines zweiten Menschen, z. B. eines zweiten Hirten zurückgreifen.
  • Hat der erste Hirte an seiner linke Hand die fünf Dutzend, also sechzig, voll gezählt, so streckt der zweite Hirte, der bisher seine zwei Hände zur Faust geballt hat, an der ersten Hand einen Finger aus.
  • Sind die zweiten 60 beim zählenden ersten Hirten gezählt, streckt der zweite Hirte den zweiten Finger aus.
  • Das machen die beiden so weiter, bis die zehn Finger des zweiten Hirten für 10 mal 60, also 600 gezählte Tiere, voll sind.
  • Genau so gut, kann natürlich der zweite Hirte alle Finger zunächst strecken und dann für jedes volle 60 einen Finger krümmen.

Das Sexagesimalsystem der Sumerer

  • Bei den Sumerern trug die 60 den Namen Gesch.
  • 120: gesch-min (60 × 2)
  • 180: gesch-esch (60 × 3)
  • 240: gesch-limmu (60 × 4)
  • 300: gesch-iá (60 × 5)
  • 360: gesch-asch (60 × 6)
  • 420: gesch-imin (60 × 7)
  • 480: gesch-ussu (60 × 8)
  • 540: gesch-ilummu (60 × 9)
  • 600: gesch-u (60 × 10)
  • Nun zählten die Sumerer nicht in 60er-Schritten (gesch-Schritten) weiter, sondern im 600 (gesch-u-Schritten) und zwar sechs mal 600, also bis 3.600, das schàr genannt wurde.
  • Die 3.600 wurden dann wieder zehn mal gesteigert bis schàr-u (3.600 × 10) 36.000.
  • Die 36.000 wurden sechs mal gezählt bis 216.000 schàr-gal, wörtlich das große 3.600 (also 60 × 60 × 60).
  • Die 216.000 wurde zehn mal gezählt bis 2.160.000 schàr-gal-u (=(60 × 60 × 60) x 10)
  • Da schàr-gal-u wurde zunächst fünf mal vervielfacht. Die sechste Vielfache 12.960.000, also 60 x *60 × 60 × 60) erhielt wieder einen eigenen Namen schàr-gal-shu-nu-tag (dem großen schàr übergeordnete Einheit)

Das Sexagesimalsystem in der babylonischen Verwendung

Die Sumerer verwendeten vor den keilschriftlichen Zeichen für die Zahlen 1 und 60 jeweils unterschiedlich große Halbellipsen und für die Zahlen 10 und 3600 = 60² jeweils unterschiedlich große Kreise, die mit zylinderförmigen Griffeln in Tontafeln gedrückt wurden. Aus diesen Zeichen wurden noch die Zeichen für 600 = 10·60 und 36000 = 10·60² entsprechend kombiniert. Daneben gab es auch noch ein anderes System mit einer dezimalen Stufung 1, 10 und 100, sowie ein drittes System in akkadischer Zeit. Bis zur spätsumerischen Zeit veränderten die einzelnen Zeichen zwar ihre Form, behielten jedoch ihren individuellen Charakter und bildeten ähnlich den römischen Zahlen ein Additionssystem. Erst mit dem späteren babylonischen Sexagesimalsystem lag ein echtes Stellenwertsystem mit nur zwei Individualzeichen vor: Bild:Fleygletur a 01.png für 1 und Bild:Fleygletur a 10.png für 10. Mit diesen konnten additiv die Zahlen 1 bis 59 gebildet werden, die wiederum ihren tatsächlichen Wert wie die Ziffern im Dezimalsystem durch ihre Position erhielten.[5]

Die Zahlzeichen

Gründe für die Verwendung des Sexagesimalsystems liegen in der effektiven Rechenmethode sowie der sehr begrenzten Anzahl von Einzelzahlzeichen, aus denen die Zahlen gebildet wurden. Einige Beispiele der babylonischen Keilschrift:

Sexagesimalsystem in Form der Keilschrift
  1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 30 40 50
  Bild:Fleygletur a 01.png Bild:Fleygletur a 02.png Bild:Fleygletur a 03.png Bild:Fleygletur a 04.png Bild:Fleygletur a 05.png Bild:Fleygletur a 06.png Bild:Fleygletur a 07.png Bild:Fleygletur a 08.png Bild:Fleygletur a 09.png Bild:Fleygletur a 10.png Bild:Fleygletur a 11.png Bild:Fleygletur a 12.png Bild:Fleygletur a 13.png Bild:Fleygletur a 14.png Bild:Fleygletur a 15.png Bild:Fleygletur a 16.png Bild:Fleygletur a 17.png Bild:Fleygletur a 18.png Bild:Fleygletur a 19.png Bild:Fleygletur a 20.png Bild:Fleygletur a 30.png Bild:Fleygletur a 40.png Bild:Fleygletur a 50.png

Weitere Zahlenbeispiele:

Bild:Fleygletur a 01.pngBild:Fleygletur a 02.png = 62, Bild:Fleygletur a 02.pngBild:Fleygletur a 02.png = 122 und Bild:Fleygletur a 02.pngBild:Fleygletur a 09.png = 129.

Die Zahlzeichen setzten sich aus nur zwei Einzelzahlzeichen zusammen. Insofern war die Anzahl der eigentlichen Zahlzeichen nicht begrenzt, obwohl nur auf zwei Einzelzahlzeichen Bezug genommen wurde, die – je nach Bedarf – in den Größen verändert wurden. Es gibt dennoch immer wieder Probleme bei der Lesung, da die Stellen einer Zahl, die sich meist aus dem Zusammenhang ergaben, nicht eindeutig waren: z. B. konnte Bild:Fleygletur a 30.png 30, 30·60 oder 30/60 usw. bedeuten. Ebenso gab es keine Null, so dass gelegentlich eine Stelle fehlte – was jedoch sehr selten vorkam – und unterschiedliche Zahlen gleich geschrieben wurden. Später wurde manchmal bei einer fehlenden Stelle eine Lücke gelassen, ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. kam ein Leerzeichen mit dem Wert Null als weiteres Zahlzeichen auf. Den Babyloniern gebührt damit der Rang als Erfinder der schriftlichen Verwendung des Wertes Null, der aber keinen direkten Eingang in die Rechenoperationen fand. Die Inder ordneten dagegen als erste Kultur dem Leerzeichen später einen mathematischen Wert Null als geschriebene Zahl zu.

Sexagesimalzahlen werden durch arabische Ziffern wiedergegeben, in dem man zwischen zwei einzelne Sexagesimalstellen ein Komma schreibt. Die ganzen Sexagesimalstellen trennt man dagegen durch ein Semikolon von den gebrochenen ab und bei fehlenden Stellen bzw. Leerzeichen schreibt man eine „0“ (das ist dann jedoch Interpretation): so bedeuten z. B. 30,0 = 30·60 und 0;30 = 30/60.

Die Rechentechnik

Addieren und Subtrahieren

Durch das Stellenwertsystem konnte, wie bei unserem Dezimalsystem, die vorangehende Stelle um jeweils 1 erweitert oder reduziert werden. Durch die Form der Keile war das Sexagesimalsystem leichter, da nur die Keile zusammengesetzt werden mussten. Als Fachausdrücke für die Addition und die Subtraktion wurden „Vermehren“ bzw. „Wegziehen“ verwendet (die mathematischen Symbole + und – führte erst Johannes Widmann im 15. Jahrhundert n.Chr. ein). Eine negative Differenz zweier Zahlen drückte man mit Subtrahend „geht darüber hinaus“ aus. Das Addieren und Subtrahieren funktioniert ebenso wie heute im Dezimalsystem.

Beispiel einer Addition:

\begin{array}{rr}
    59&\\
 +\ 11&\\
 +\ 20&\\
 \hline
  1,30&(= 90),
\end{array}
Bild:Fleygletur a 01.pngBild:Fleygletur a 30.png in Schreibweise des Sexagesimalsystems. Die 1 vor dem Komma gibt den Wert 1·60 an, zu dem die Zahl 30 nach dem Komma addiert wird.

Beispiel einer Subtraktion:

\begin{array}{rl}
    4,40&(= 280)\\
 -\ 1,40&(= 100)\\
 -\ 1,50&(= 110)\\
 \hline
    1,10&(= 70),
\end{array}
Bild:Fleygletur a 01.pngBild:Fleygletur a 10.png in Schreibweise des Sexagesimalsystems. Die 4 und die 1 vor dem Komma geben die Werte 4·60 sowie 1·60 an, dazu wird jeweils die Zahl 40, 50 bzw. 10 nach dem Komma addiert.

Multiplizieren

Auch bei der Multiplikation wurde wie im Dezimalsystem verfahren. Während man aber im Dezimalsystem das Einmaleins von 1·1 bis 9·9 im Kopf haben muss, hätten die Babylonier das Einmaleins von 1·1 bis 59·59 auswendig können müssen. Zur Erleichterung wurden Multiplikationstabellen verwendet, von denen man benötigte Produkte ablesen konnte: Jede Zeile einer Multiplikationstabelle begann mit der gleichen Kopfzahl, z. B. 2, es folgte der Ausdruck „mal“ und der Multiplikator, z. B. 1, und schließlich das Ergebnis, z. B. 2. Die Multiplikatoren gingen dabei von 1 bis 20 und danach kamen noch 30, 40 und 50.

Weil im Sexagesimalsystem 60 in 10er Schritten gestuft wurde (siehe oben unter Zahlzeichen) und im allgemeinen, täglichen Leben Dezimalzahlen viel in Gebrauch waren, wurden auch zu Kopfzahlen wie z. B. 1,40 = 100 und 16,40 = 1000 Multiplikationstabellen angelegt. Ein weiterer Grund ist das Zusammenwirken mit den Werten aus Reziprokentabellen (siehe unten unter Division). Wurden andere Werte benötigt, setzte man die Zahlen zusammen.

Die Kopfzahlen:

1,15
1,20
1,30
1,40
2
2,13,20
2,15
2,24
2,30
3
3,20
3,45
4
4,30
5
6
6,40
7
7,12
7,30
8
8,20
9
10
12
12,30
15
16
16,40
18
20
22,30
24
25
30
36
40
44,26,40
45
48
50

Beispiel einer Multiplikation:

29 \cdot 1,12 = 29 \cdot 1,0 + 20 \cdot 12 + 9 \cdot 12 = 29,0 + 4,0 + 1,48 = 34,48.

Dividieren

Die Babylonier dividierten eine Zahl a durch eine Zahl n in dem sie a mit dem Kehrwert von n multiplizierten:

a : n = a \cdot \frac{1}{n}.

Den Kehrwert einer Zahl n konnte man in einer Multiplikationstabelle mit der Kopfzahl n finden, falls n eine Potenz von 60 teilte. Denn stand dort als Ergebnis Bild:Fleygletur a 01.png, d. h. eine Potenz von 60, dann war der zugehörige Multiplikator m der gesuchte Kehrwert (m und \frac{m}{60^l} haben im babylonischen Sexagesimalsystem die gleiche Darstellung):

n \cdot m = 60^l, also \frac{m}{60^l} = \frac{1}{n}.

Die Kehrwerte (Reziproke) von natürlichen Zahlen stellte man zur Erleichterung wieder in Reziprokentabellen zusammen. Man schrieb in solchen Tabellen bei Werten, die in einer Multiplikationstabelle keinen Kehrwert hatten, „ist nicht“ an Stelle des Kehrwertes. Für diese irregulären Zahlen, die Primfaktoren ≥ 7 besitzen, wurden wie für irrationale Zahlen Näherungswerte verwandt.

Die hauptsächlich verwendete Reziprokentabelle enthält die folgenden Zahlenpaare:

n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n n 1/n
2
30
3
20
4
15
5
12
6
10
8
7,30
9
6,40
10
6
12
5
15
4
16
3,45
18
3,20
20
3
24
2,30
25
2,24
27
2,13,20
30
2
32
1,52,30
36
1,40
40
1,30
45
1,20
48
1,15
50
1,12
54
1,6,40
60
1
1,4
56,15
1,12
50
1,15
48
1,20
45
1,21
44,26,40

Aus einer Reziprokentabelle lässt sich viel ablesen, u. a. \frac{1}{3} = 0;20 oder \frac{1}{3,0} = \frac{1}{180} = 0;0,20 oder 1:0;3 = 60:3 = 20, aber auch umgekehrt ist \frac{1}{20} = 0;3 usw.

Beispiele von Divisionen:

4 : 3 = 4 \cdot \frac{1}{3} = 4 \cdot 0;20 = 1;20.
0;12 : 25 = 0;12 \cdot \frac{1}{25} = 0;12 \cdot 0;2,24 = 0;0,28,48.

Wurzelberechnung

Der antike griechische Mathematiker und Ingenieur Heron von Alexandria verwandte in seiner Metrica zur Wurzelberechnung die schon im altbabylonischen Reich bekannte Methode[6]

 \sqrt{a^2 \pm b} \approx a \pm\frac{b}{2a}.

a entnahm man dazu aus einer Quadratzahltabelle. Für die (irrationale) Quadratwurzel von 2 ergibt sich so:

\sqrt{2} = \sqrt{ 1;20^{2} + 0;13,20} \approx 1;20 + 0;5 = 1;25,

d. h.

\sqrt{2} = \sqrt{ \left(\frac{4}{3}\right)^{2} + \frac{2}{9}} \approx \frac{4}{3} + \frac{1}{12} = \frac{17}{12} \approx 1,41666667.

Auf einer babylonischen Tontafel (Yale Babylonian Collection 7289) findet sich aber auch noch ein besserer Näherungswert auf der Diagonalen eines Quadrates:

\sqrt{2} \approx 1;24,51,10 \left(= \frac{30547}{21600} \approx 1,41421296\right).

Wegen

1;25 > \sqrt{2} = \frac{2}{\sqrt{2}} > \frac{2}{1;25} \approx 1;24,42,21 (\approx 1,41176389),

liegt zwischen 1;25 und 1;24,42,21 deren arithmetisches Mittel

 (1;25 + 1;24,42,21) \cdot 0;30 \approx 1;24,51,10

näher bei

\sqrt{2} \approx 1,41421356.

Nun werden die Seitenlänge des Quadrats auf der Tontafel mit 30 und die Länge der Diagonalen mit 42,25,35 angegeben, was sich als folgende Rechnung deuten lässt:

0;30 \cdot 1;24,51,10 = 0;42,25,35.

Das Beispiel zeigt, dass die Babylonier algebraische und trigonometrische Kenntnisse hatten (hier könnte der „Satz des Pythagoras“ benutzt worden sein).

Heutige Verwendung

Das Sexagesimalsystem wird heute noch verwendet, um Winkel und geographische Längen und Breiten anzugeben. Auch im Bereich der Zeitmessung hat es sich noch erhalten. Eine Stunde hat 60 Minuten und eine Minute 60 Sekunden.

Weitere Informationen

Ein direkter Verwandter des Sexagesimalsystem ist das Duodezimalsystem mit der Basis 12.

Einzelnachweise

  1. J. P. McEvoy: Sonnenfinsternis. Berlin-Verlag, 2001, S. 43. K. Vogel, Teil II, S. 22f.
  2. K. Vogel: Vorgriechische Mathematik. Teil I: Vorgeschichte und Ägypten. Schroedel, Hannover und Schöningh, Paderborn 1958. S. 16, Abb. 11.
  3. K. Vogel, Teil II, S. 23.
  4. Georges Ifrah: Universalgeschichte der Zahlen, 1993, Campus Verlag GmbH, Frankfurt, Lizenzausgabe Zweitausendund eins, Frankfurt, ISBN 978-3-86150-704-8, Seiten 69–75 u. 90–92
  5. K. Vogel, Teil II, S. 18f.
  6. K. Vogel, Teil II, S. 34f.

Literatur

  • Robert Kaplan: Die Geschichte der Null. Gebundene Ausgabe: Campus Verlag, Frankfurt/M. 2000, ISBN 3-593-36427-1. Taschenbuchausgabe: Piper Verlag, 2003, ISBN 3-492-23918-8.
  • Richard Mankiewicz: Zeitreise der Mathematik - Vom Ursprung der Zahlen bis zur Chaostheorie. VGS Verlagsgesellschaft, Köln 2000, ISBN 3-8025-1440-8.
  • Kurt Vogel: Vorgriechische Mathematik. Teil II: Die Mathematik der Babylonier. Schroedel, Hannover und Schöningh, Paderborn 1959.

Weblinks


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