- Praesens Film
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Die Praesens-Film AG ist eine Schweizer Filmproduktionsgesellschaft und Filmverleih. Das Unternehmen wurde 1924 gegründet und feierte seine grössten Erfolge in den 1930er und 1940er Jahren. Bis zur Gründung der Gloria-Film um 1950 war die Praesens-Film die einzige grosse Filmproduktionsgesellschaft der Schweiz, die zudem auch internationale Erfolge verzeichnen konnte. Heute ist das Unternehmen die älteste noch bestehende Filmgesellschaft des Landes und vor allem als Filmverleiher eigener und anderer Filmproduktionen tätig.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Gründung
Der aus der österreichisch-ungarischen Provinz Galizien stammende Diplomingenieur Lazar Wechsler und der Schweizer Flugpionier Walter Mittelholzer gründeten die Praesens Film am 19. März 1924 in Zürich mit einem Startkapital von 10.000 Franken. Die Schweiz verfügte damals als eines der letzten Länder Zentraleuropas noch über keine leistungsfähige Filmwirtschaft. Potentielle Filmschaffende blieben entweder am Theater oder wanderten aus, vor allem in das damals grösste Filmproduktionsland Deutschland. Die Praesens-Film sollte dieser landeskulturellen Lücke bald Abhilfe verschaffen. Doch in den ersten Jahren kämpfte das junge Unternehmen noch mit wirtschaftlichen Problemen. Es wurden kurze Werbe- und Städtedokumentarfilme sowie Reklame-Dias und Flugreportagen hergestellt. Erst mit Beginn der Tonfilmära begann die Praesens-Film mit einer regelmässigen Filmproduktion. Die erste in Ton hergestellte Filmproduktion war ein Kurzdokumentarfilm mit dem Titel Hello Switzerland (1929).
Erste Tonfilme
Der erste Spielfilm der Praesens entstand im Jahr 1929 und stellte ob der Thematik und der Professionalität sogleich einen Meilenstein der Schweizer Filmgeschichte dar. Dies ist jedoch mehr einem glücklichen Zufall, oder genauer gesagt den guten Verbindungen Lazar Wechslers, als der Praesens-Film selbst zu verdanken. Dieser machte sich nämlich eine Europareise des berühmten russischen Filmpioniers Sergei M. Eisenstein zu Nutze. Er gewann ihn für das Filmprojekt, so dass Eisensteins bevorzugter Kameramann Eduard Tissé Regie führte, Grigori Alexandrow das Drehbuch verfasste und Eisenstein selbst die Produktionsleitung übernahm. Der Film wurde bereits im Vorhinein als „meistverbotener Film der Geschichte“ beworben, da er gegen das Abtreibungsverbot Stellung nahm, zugleich jedoch meinte, Gebären sei die bessere Alternative.
Erstmals im Ausland von sich reden machte die Praesens-Film, als sie den deutschen, sozialistischen Film Kuhle Wampe (1931/32) der gerade eben Pleite gegangenen Prometheus Film fertig stellte. Bis Mitte der 30er Jahre stellte Wechsler ein begabtes Team von Filmschaffenden für jeden wichtigen Posten einer Filmproduktion, das als Stammteam in den folgenden Jahren viele der Praesens-Filme gemeinsam herstellten. Am bedeutendsten von diesen war zweifellos der im Jahr 1935 vom Zürcher Schauspielhaus geholte Regisseur Leopold Lindtberg, der der Praesens-Film zahlreiche Filmklassiker und auch international ausgezeichnete Inszenierungen bescherte. Des Weiteren gehörten zum Kernteam der Drehbuchautor Richard Schweizer, der Kameramann Emil Berna, der Musiker Robert Blum und der Cutter Hermann Haller.
1933 produzierte die Praesens-Film den ersten dem Genre des Schweizer Films zuzurechnenden Film. Dieser zeichnet sich durch den identitätsstiftenden Schweizer Dialekt und regionalbezogene, meist komische, Inhalte aus. Dazu zählten auch die Kabarettfilme. Lindtbergs erster Film bei der Praesens hiess Jä-soo! und wurde 1935 gemeinsam mit dem Zürcher Walter Lesch inszeniert, da der gebürtige Wiener Lindtberg dem schweizerischen noch nicht so ganz mächtig war. Jä-soo! war ein Kabarettfilm, der aufgrund der abgelesen wirkenden Dialoge und der kaum miteinander verzahnten Szenen eher eine Kabarettaufnahme als ein richtiger Film wirkte. Es folgten noch weitere Kabarettfilme, die beim Schweizer Publikum sehr beliebt waren, was zu einem Gutteil auch an der Besetzung vieler Rollen mit Mitgliedern des Cabaret Cornichons lag.
Höhenflug und internationale Erfolge
1937, als die Schweiz die Kulturoffensive „Geistige Landesverteidigung“ (GLV) ausrief, die schweizerisches Kulturschaffen stark förderte, um die nationale Einheit und das Nationalbewusstsein zu erhöhen, konnte der Schweizer Film dank der staatlichen Förderungen erstmals richtig aufblühen. Die erste GLV-Produktion stammte von der Praesens-Film und wurde von Leopold Lindtberg inszeniert: Füsilier Wipf (1938). Weitere sehenswerte Produktionen im Sinne der GLV waren Franz Schnyders Gilberte de Courgenay (1941) und Landammann Stauffacher (1941). Abgesehen von diesen lokalpatriotischen Wehr- und Erbauungsstoffen entstanden auch düstere Kriminalgeschichten mit regionalem Hintergrund und humanistisch geprägte Dramen.
Das 1944 von Leopold Lindtberg inszenierte Drama Marie Louise erhielt sogar einen Oscar für das Drehbuch Richard Schweizers. Die nächste Produktion verschaffte der Praesens-Film einen weiteren internationalen Erfolg. Es handelte sich um die Geschichte von Flüchtlingen verschiedener Ethnien und Glaubensrichtungen die während des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz Asyl suchen und nur aufgrund eines Grenzbeamten, der sich aktiv für sie einsetzt, tatsächlich die Grenze passieren dürfen. Dieser 1944 produzierte Film trägt den Titel Die letzte Chance und zählt als einer der ersten und auch einer der wenigen Schweizer Filme, die sich mit der restriktiven Schweizer Einwanderungspolitik während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt. Der Film lief im November 1945 auch in den USA an und war dort so erfolgreich, dass auch Hollywood auf Lazar Wechsler aufmerksam wurde. Der Praesens-Film standen nun einige Angebote zu internationalen Filmproduktionen ins Haus, und so wurden in den folgenden Jahren mehrere Produktionen mit ausländischen Filmgesellschaften verwirklicht.
Die erste entstand 1947 und hiess Die Gezeichneten (The Search). Es war eine Koproduktion mit der grossen US-amerikanischen Metro-Goldwyn-Mayer. Als Regisseur war Fred Zinnemann tätig. Weitere solcher international ausgerichteten und humanistisch orientierten Produktionen waren Swiss Tour (1949) und der im besetzten Nachkriegs-Wien spielende Die Vier im Jeep (1951) – beide von Lindtberg inszeniert.
Abschwung
Ab dem von den Pestalozzi-Dörfern handelnden Film Unser Dorf / The Village (1953) ging es mit der Praesens-Film jedoch allmählich bergab. Die internationalen politischen Verschlechterungen, etwa der Kalte Krieg, machten optimistische Produktionen für das Publikum unglaubwürdig und uninteressant. Zudem bereitete das Fernsehen auch in der Schweiz immer mehr Konkurrenz. Auf das veränderte Publikumsverhalten konnte man jedoch rechtzeitig mit dem Schweizer Heimatfilm reagieren. Einer der ersten Filme dieser Art war Heidi (1952). Es folgten weitere solcher leichten Unterhaltungsfilme. Unter anderem auch die Heidi-Fortsetzung Heidi und Peter welche der erste Schweizer Farbfilm war (1954). Ab den 1960er Jahren war es mit den Erfolgsproduktionen der Praesens-Film jedoch vorbei. Zudem entstanden ab 1950 auch ernst zu nehmende Konkurrenten wie die Gloria-Film. 1964 erreichte die Krise des Schweizer Films, ausgelöst durch starken Publikumsrückgang, ihren Höhepunkt, als nur eine einzige Filmproduktion fertiggestellt wurde. Viele Unternehmen schlossen für immer oder zogen sich wie die Praesens-Film 1966 aus der Filmproduktion zurück.
Heute ist die Praesens-Film nicht mehr als Filmhersteller tätig. Es werden nur noch die Erfolgsproduktionen früherer Jahre verwertet sowie Filme anderer Gesellschaften verleihen und vertrieben.
Auszeichnungen
Die Praesens-Film sorgte, hauptsächlich zwischen Ende der 1930er Jahre und etwa 1950, für einige der grössten Erfolge der Schweizer Filmgeschichte. Neben Auszeichnungen an allen wichtigen Filmfestivals konnte die Praesens-Film auch vier Oscars für sich und seine Mitarbeiter verbuchen.
Auswahl der Auszeichnungen für Filmproduktionen der Praesens-Film:
1940 Die missbrauchten Liebesbriefe
- ausgezeichnet mit dem Pokal der Biennale Venedig 1940
1944 Marie Louise
- Oscar für das beste Drehbuch von Richard Schweizer
1945 Die letzte Chance
- Golden Globe
- Internationaler Friedenspreis (1946)
1948 Die Gezeichneten(bis heute der Schweizerfilm mit den meisten Auszeichnungen)
- Oscar for the best motion picture story
- Oscar-Nomination für das beste Drehbuch
- Oscar-Nomination für Fred Zinnemann
- Golden Globe (1948)
- Grosser Preis der Vereinten Nationen (1948)
- An 3. Stelle unter den 10 besten Filmen, ausgewählt durch die New Yorker Filmkritiker sowie Dutzende von Preisen aus der ganzen Welt
1950/51 Die Vier im Jeep
- Oscar-Nomination
- Goldener Bär der Stadt Berlin
- Grosser Preis der Vereinten Nationen
- Silberlorbeer des Internationalen Selznick-Preises
- One World Award New York für ausserordentliche Leistungen
1952 Heidi
- 1. Preis des Internationalen Jugendfilmfestivals an der Biennale Venedig
- Preis des Jugendfilmfestivals Triest (1953)
1952/53 Unser Dorf
- Silberlorbeer des Internationalen Selznick-Preises
- Bronzener Bär der Stadt Berlin
1958 Es geschah am hellichten Tag
- 4 erste Preise der Filmkritiker von Barcelona als bester Film des Jahres.
- Von den Schweizer Filmjournalisten als viertbester Film des Jahres gewählt.
- Filmpreis der Stadt Zürich
Filmografie
Stummfilme:
- Bern (1926, Dokumentarkurzfilm)
- Zürich und der Zürichsee (1927, Dok.-Kf.)
- Basel (1927, Dok.-Kf.)
- Die Uhrenfabrikation (1928, Dok.-Kf.)
Tonfilme:
- Hello Switzerland (1929, Kf.)
- Frauennot – Frauenglück (1929, Dok.)
- Feind im Blut (D/CH 1931, Dok.)
- Kuhle Wampe (D/CH 1931/32)
- Jä-soo! (1935)
- Füsilier Wipf (1938)
- Wachtmeister Studer (1939)
- Fräulein Huser (1940)
- Landammann Stauffacher (1941)
- Gilberte de Courgenay (1941)
- Gespensterhaus (1942)
- Wilder Urlaub (1943)
- Marie Louise (1943)
- Die letzte Chance (1944/45)
- Die Gezeichneten (1947)
- Ein Seemann ist kein Schneemann / Swiss Tour (1949)
- Die Vier im Jeep (1950)
- Heidi (1952)
- Unser Dorf (Sie fanden eine Heimat; The Village) (1953)
- Heidi und Peter (1954)
- Der Prozess der Zwanzigtausend (1954)
- Es geschah am hellichten Tag (CH/D/ESP 1958)
- Eichmann und das Dritte Reich (1961, Dok.)
- Ein Dach überem Chopf (1961/62)
- Der 42. Himmel (1962)
- Schneewittchen und die sieben Gaukler (CH/D 1962)
- Angeklagt nach § 218 / Der Arzt stellt fest (CH/D 1965)
Literatur
- Felix Aeppli: Der Schweizer Film 1929-1964: Die Schweiz als Ritual, 2 Bände, Limmat Verlag, Zürich 1981 ISBN 3-85791-034-8
Siehe auch
Weblinks
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