Preußisches Staatstheater Berlin

Preußisches Staatstheater Berlin
Entwurfszeichnung von Karl Friedrich Schinkel für das Königliche Schauspielhaus

Das Schauspielhaus steht als zentrales Gebäude auf dem Gendarmenmarkt im Berliner Ortsteil Mitte. Das klassizistische Bauwerk ist eines der Hauptwerke des Architekten Karl Friedrich Schinkel. Es wurde 1821 als Königliches Schauspielhaus eröffnet, war von 1919 bis 1945 Preußisches Staatstheater, erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden und wurde nach Rekonstruktion und Umbauten 1984 wieder eröffnet. Seiner jetzt grundsätzlich veränderten Nutzung entsprechend erhielt es 1994 den Namen Konzerthaus Berlin.

Inoffizielle, aber seit dem 19. Jahrhundert bis heute vorwiegend verwendete Bezeichnungen für das Gebäude sind: Schauspielhaus, Schauspielhaus Berlin oder Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Als Schauspielhaus ist es in der Berliner Denkmalliste aufgeführt (OBJ-Dok-Nr.: 09065015).

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Der Theaterbau 1815 (rechts)
Das Schauspielhaus um 1825
Das Schauspielhaus, das heutige Konzerthaus, 2008


Friedrich der Große befahl in den 1770er Jahren die Umgestaltung des Gendarmenmarktes. Nachdem die Pferdeställe des Reiterregiments „Gens d’armes“ beseitigt waren, erbaute Johann Boumann hier bis 1776 das Französische Komödienhaus. Von 1778 bis 1786 stand das Haus leer, dann eröffnete darin eine königlich privilegierte deutsche Schauspielertruppe das so genannte Nationaltheater, das 1787 in Königliches Nationaltheater umbenannt wurde. 1801 wurde Carl Gotthard Langhans von Friedrich Wilhelm III. mit einem Neubau für dieses Theater beauftragt, er sollte das architektonische Ensemble des Platzes vervollständigen, auf dem inzwischen die Prachtbauten des Deutschen und des Französischen Domes entstanden waren. Der schlichte, rechteckige Baukörper – der König sprach von einem „kahlen Kasten“ - war 1802 fertiggestellt. Am 29. Juli 1817 brannte er vollständig aus.

Königliches Schauspielhaus

Das Bauwerk

Vorbedingungen

Am 19. November 1817 vergab der König den Auftrag für einen Neubau an Karl Friedrich Schinkel, der schon im April des nächsten Jahres seine Pläne präsentierte; am 4. Juli 1818 wurde der Grundstein gelegt. Bei der Planung musste der Architekt zahlreiche Auflagen berücksichtigen. Alle wieder verwendbaren Teile des abgebrannten Theaters sollten genutzt werden, also die gesamten Fundamente, Teile des Mauerwerks sowie die Säulen des Portikus vor dem Haupteingang. Der Langhans-Bau hatte 2000 Zuschauerplätze gehabt; das neue Theater, als bürgerliches Schauspielhaus konzipiert, sollte nur 1200 Zuschauern Platz bieten, um der königlichen Hof-Oper mit ihren 3000 Plätzen auch nicht annähernd vergleichbar zu sein. Die für den eigentlichen Theaterbetrieb notwendigen Räume – Bühne und Zuschauerraum, Magazine, Werkstätten, Garderoben und Proberäume – sollten ergänzt werden durch einen Konzert- und Ballsaal, der auch privat angemietet werden konnte, durch Restaurant und Küche, um möglichst ökonomisch wirtschaften zu können und so das Königshaus bei den laufenden Kosten zu entlasten. Auf wirksamen Brandschutz war besonders zu achten - durch Wasserreservoirs, Wasserhebemaschinen und sichere Feuerstellen zur Beheizung der großen Räume.

Bauausführung

Schinkel erfüllte alle Forderungen und schuf dabei ein ästhetisch überzeugendes und richtungsweisendes Gebäude. Sein Konzept enthielt, in seinen eigenen Worten, „1. alles das, was zum Theater und der Scenerie gehörte, 2. alles das, was zur Theater-Oeconomie gerechnet werden konnte, 3. alles das, was das Concert- und Festlokal bilden sollte“.[1] Die Dreiteilung der Aufgaben fand sich im Gebäude wieder. Den mittleren Abschnitt des bisher streng in Nord-Süd-Richtung angelegten Hauses erweiterte Schinkel nach Osten und Westen und brachte darin den Theatersaal unter; den Gesamteindruck, auch die Wirkung in Hinblick auf die städtebauliche Situation, verstärkte er durch einen Oberbau mit einem zweiten Giebel. Die beiden Flügel des Gebäudes, genau auf den alten Fundamenten errichtet, enthielten links den Konzert- und Ballsaal, rechts die Wirtschaftsräume.

Als Vorbild für die Gestaltung der Fassade diente das Thrasyllos-Monument in Athen, das 320 v. Chr. erbaut wurde, um an die Erfolge des Musikers Thrasyllos im musischen Wettstreit zu erinnern. Schinkel schrieb darüber: „Ueber den Styl der Architektur, welchen ich dem Gebäude gab, bemerke ich nur im Allgemeinen, daß ich mich […] den griechischen Formen und Constructionsweisen anzuschließen bemühte. Alle Gewölbe in Bogenlinien sind im Aeußeren sowohl als in den Haupträumen des Inneren vermieden…“ und „Die Construction der Pilaster […] schien mir dem Charakter eines öffentlichen Gebäudes mehr zu entsprechen und mit dem Peristyl der Hauptfacade mehr in Harmonie zu treten, als gewöhnliche Fenster, wozu noch der Vortheil entstand, daß mehr Licht für das, wegen seiner bedeutenden Tiefe sonst sehr schwer im Innern zu beleuchtende Gebäude gewonnen wurde“. [2] Nach diesen Prinzipien entstand eine Netzstruktur mit großen Fensterflächen, die von Zeitgenossen als „eigentümlich“ bezeichnet wurde, seit dem frühen 20. Jahrhundert aber von funktional denkenden Architekten als Vorläufer der modernen Architektur betrachtet wurde.

Die für den Bau verwendeten Säulen waren aus Sandstein; für die ganze Fassade wäre das Material zu teuer gewesen, da es in der Nähe Berlins keine geeigneten Steinbrüche gab. Also wurden Backsteine verarbeitet und hell verputzt, dabei jedoch Fugen frei gelassen, um ein edleres Material vorzutäuschen. Diese Oberfläche war so witterungsempfindlich und damit kostspielig in der Instandhaltung, dass die Fassade 1883/84 nachträglich mit Sandstein verblendet wurde.

Skulpturenschmuck

Reliefs und Skulpturen von Tieck über dem Haupteingang
Skulptur von Tieck am Haupteingang

Das Bildprogramm für den reichen skulpturalen Schmuck des Schauspielhauses entwickelte Schinkel seit 1819 in enger Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Christian Friedrich Tieck, den er dazu eigens aus Italien zurückgerufen hatte. Grundlagen waren die Funktion des Gebäudes und die Vorstellungswelt der klassischen Antike. Die vier Giebelreliefs zeigen über dem Portikus die Gruppe der Niobiden, im Giebel darüber Sinnbilder der Bühnenkunst, auf der Nordseite ein Bacchanal, auf der Südseite Orpheus und Eurydike. Dazu kam eine Vielzahl von einzelnen Statuen und Gruppen für innen und außen. Insgesamt arbeitete Tieck mit Unterbrechungen über 30 Jahre lang an der Ausgestaltung des Schauspielhauses, der Bildhauer Johann Balthasar Jacob Ratgeber setzte manche seiner Stuckmodelle in Sandstein um. Tiecks letzte Arbeiten an diesem Projekt waren zwei Bronze-Skulpturen, die zu beiden Seiten der großen Freitreppe vor der Hauptfassade stehen und die Macht der Musik symbolisieren: Löwe und Panther tragen musizierende Figuren auf ihren Rücken.

Über den Spielbetrieb

Am 26. Mai 1821 wurde die Bühne in Anwesenheit des Königs mit dem Versdrama „Iphigenie auf Tauris“ von Johann Wolfgang von Goethe eingeweiht. In der Folge wurde das Haus zwar weit überwiegend als Sprechtheater genutzt, es fanden aber immer wieder auch Konzerte und Opernaufführungen statt. So dirigierte Carl Maria von Weber hier am 18. Juni 1821 die Uraufführung seiner Oper „Der Freischütz“, 1826 gab es die Berliner Erstaufführung der Sinfonie Nr. 9 von Ludwig van Beethoven, 1829 gastierte der Violinvirtuose Niccolo Paganini, 1842 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy, 1843 gab der Komponist und Klaviervirtuose Franz Liszt ein Gastspiel. Am 7. Januar 1844 leitete Richard Wagner seine Oper „Der Fliegende Holländer“.

General-Intendant der Königlichen Bühnen in Berlin war von 1815 bis 1828 Graf Carl von Brühl. Über die Verwaltungsarbeit hinaus war er lebhaft an Fragen der Aufführungspraxis interessiert, insbesondere an der historisch korrekten Ausstattung der Stücke. Durch eigene Entwürfe sorgte er dafür, dass die Kostüme nicht aussahen „wie sie durch Zufall und Laune entstanden sind, sondern wie sie – nach den möglichst besten Quellen – wirklich seyn sollen“. Er fand, dass auch die Dekorationen „architektonisch und historisch richtig komponirt und, was die Landschaften betrifft, selbst in Bezug auf Pflanzen und Bäume nach den verschiedenen Himmelsstrichen charakteristisch dargestellt seyn“ müssten. [3] In diesem Punkt konnte er mit Schinkel rechnen, der während Brühls Intendanz über hundert Dekorationsentwürfe zu mehr als dreißig Stücken lieferte.

Königshaus und Adel intervenierten wiederholt, um das Repertoire zu beeinflussen. „Die Räuber“ von Friedrich Schiller – vom König wegen erkennbarer Kritik am Feudalsystem abgelehnt – durften zwischen 1819 und 1825 nicht aufgeführt werden. Heinrich von KleistsPrinz Friedrich von Homburg“ kam 1828 erstmals in Berlin auf die Bühne, wurde aber, obwohl schon vorsorglich gekürzt, auf Einspruch des Königs nach der dritten Aufführung wieder abgesetzt; eigenmächtiges, wenn auch erfolgreiches Handeln eines Offiziers wurde seinerzeit selbst auf der Bühne nicht akzeptiert. Der Spielplan des Jahres 1848 nennt 33 verschiedene Stücke, darunter nun doch „Die Räuber“, „Prinz Friedrich von Homburg“ und „Hamlet“ von William Shakespeare. Absolut dominierend waren jedoch triviale Lustspiele, Schwänke und Vaudevilles mit Titeln wie „Der Weg durchs Fenster“, „Der Rechnungsrath und seine Töchter“ oder „Ein Heirathsprojekt“ von Autoren wie Charlotte Birch-Pfeiffer, August von Kotzebue, Eugène Scribe und anderen. [4]

Nach diesem Muster wurden auch die Spielpläne der folgenden Jahrzehnte gestaltet. Wenigen Glanzstücken – wie den Uraufführungen des Dramas „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist 1876 und der Traumdichtung „Hanneles Himmelfahrt“ von Gerhart Hauptmann 1893 - standen viele Belanglosigkeiten gegenüber. In einer heutigen Betrachtung des Spielbetriebs heißt es: „Das Königliche Hoftheater schwankt […] zwischen bürgerlichem Geschäfts- und feudalem Staatstheater.“ Es müsse als „bevorzugte Repräsentationsstätte für die adligen und großbürgerlichen Publikumsschichten gelten“ und stütze sich „den Publikumswünschen entsprechend im wesentlichen auf dekorativ überlastete und sprechtechnisch überlebte Prunkaufführungen klassischer Werke und bringt ferner Historiendramen oder anspruchslose Konversationsstücke französischer und deutscher Provenienz auf die Bühne.“ [5] Künstlerisch maßgebliche Theater Berlins waren um die Jahrhundertwende das Lessingtheater und vor allem das Deutsche Theater unter seinen Leitern Otto Brahm und Max Reinhardt.

Gendarmenmarkt mit Schauspielhaus und Französischem Dom um 1910

Varia

  • Im Revolutionsjahr 1848, als der Gendarmenmarkt ein wichtiger Schauplatz der politischen Ereignisse war, tagte die Preußische Nationalversammlung von September an für mehrere Wochen im Großen Saal des Schauspielhauses.
  • Theodor Fontane war seit dem 17. August 1870 bei der liberal bürgerlichen „Vossischen Zeitung“ als Theaterkritiker speziell für die Aufführungen des „Königlichen Schauspielhauses“ angestellt, verfolgte sie von seinem Eckplatz Nr. 23 im Parkett aus und machte sich mit seinen kritischen Texten im Theater keine Freunde. „Schlecht ist schlecht, und es muss gesagt werden“ war sein journalistisches Motto. [6]

Persönliche Urteile

1840 äußerte sich Karl Gutzkow, Schriftsteller und Journalist, kritisch über das Gebäude: „ … mögen die Kenner über den äußern architektonischen Wert des Schauspielhauses entscheiden! Das Innere […] hat ganz jenen gedrückten Miniatur- und Privatcharakter, den ein Haus, das früher Nationaltheater hieß, nicht haben sollte. Es wäre vielleicht nicht nötig gewesen, dies Theater größer als für 1200 Menschen zu bauen; aber warum dieser wunderliche Charakter der Isolierung in der Anlage des Ganzen? Ein Rang ist dem andern unsichtbar. Das Parterre und die Parkettlogen sehen nichts von den Rängen. […] Man kann Bruder und Schwester im Theater haben und sieht sie nicht…" [7]

Der einflussreiche Theaterkritiker Alfred Kerr schrieb in seinen „Berliner Briefen“ am 20. Januar 1895 über das „Königliche Schauspielhaus“: „Die jungen Mädchen sind hier am holdesten, zahlreichsten und dümmsten. Sie werden in dieses Theater lieber als in irgendein anderes geführt, weil es am tugendlichsten ist. Und sie bewundern schwärmerisch und verehren, ohne es allzu sehr merken zu lassen, den kompakten Gliederbau des hübschen Herrn Matkowsky. Der Rest ist ein Milieu von militärischen und rustikalen Elementen, versetzt mit Beamtentum und abonnierten reichen Spießbürgern“. [8]

Preußisches Staatstheater

Nach dem Ende der Monarchie begann für das Theater eine Zeit neuer künstlerischer Qualität, die – in zwei sehr unterschiedlich geprägten Phasen – bis 1944 anhielt. Das ehemals Königliche Schauspielhaus am Gendarmenmarkt erhielt im Oktober 1919 den Namen „Preußisches Staatstheater“ und eine eigenständige Intendanz, die nur noch der Form nach der Generalintendanz der staatlichen Bühnen unterstellt war. 1923 kam das Schillertheater in Berlin-Charlottenburg als zweite Spielstätte hinzu; 1932 wurde es wieder reprivatisiert.

Intendanz Jessner

Erster Theaterleiter wurde Leopold Jessner – SPD-Sympathisant, Jude und rigoroser Erneuerer der Klassiker-Regie. Mit ihm geriet sein Theater ins Zentrum heftiger öffentlicher Kontroversen. Jessner bevorzugte einen Regie-Ansatz deutlicher politischer Zeitbezüge. Sein Ziel war zunächst die Abrechnung mit dem untergegangenen Kaisertum und den noch immer einflussreichen alten Eliten. Formal benutzte er für seine Aufführungen klassischer Stücke auch Elemente des expressionistischen Theaters: radikale Zuspitzung auf einen bestimmten Ideengehalt, expressiven Sprechgestus und ausdrucksstarke Bewegungen. Jessner polarisierte sein Publikum, die Reaktionen waren entweder Skandal oder Begeisterung. Schon seine erste Premiere im Dezember 1919 verursachte Tumulte im Theater. Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ hatte er als modernes Freiheitsdrama aufführen lassen, ohne jede Alpendekoration auf einer weitgehend kahlen, abgestuften Bühne, der bald so genannten „Jessner-Treppe“. Nachwuchsdramatiker wie Ernst Barlach, Arnolt Bronnen, Hans Henny Jahnn und Carl Zuckmayer fanden am Staatstheater Gelegenheit, ihre Stücke aufzuführen.

Unter den gesellschaftlichen Bedingungen der labilen Weimarer Republik formierte sich bald Widerstand gegen Jessners Theater, das hergebrachte Autoritäten und bürgerliche Selbstzufriedenheit in Frage stellte. Wirtschaftskrisen und politische Radikalisierung vergifteten das kulturelle Klima. Bürgerlich-konservative und völkisch-nationalsozialistische Kreise machten Front gegen Jessner als Person – Antisemitismus inbegriffen -, und gegen seine Arbeit, die als Symbol für die ungeliebte sozialdemokratische Kulturpolitik in Preußen galt. Wiederholte Anfragen im Preußischen Landtag operierten mit dem Verdacht von Misswirtschaft in der Führung des Theaters. Jessner war verunsichert, machte inhaltliche und ästhetische Konzessionen, verlor damit einigen Rückhalt auch bei seinen Anhängern und zog sich 1930 enttäuscht vom Amt des Intendanten zurück. Im Theater am Gendarmenmarkt absolvierte er noch einige Regiearbeiten, bevor er 1933 ins Exil ging. Er starb 1945 in Los Angeles.

Tietjen, Ulbrich, Johst

Vorübergehend übernahm Heinz Tietjen, Generalintendant der Preußischen Staatstheater, zusätzlich die direkte Leitung des Schauspielhauses. Ihm wurden schon für das Jahr 1932 enge Arbeitskontakte zu den Nationalsozialisten, den kommenden Machthabern nachgesagt - was er in seinem späteren Entnazifizierungsverfahren bestritt.[9] Er behielt seinen Posten auch nach der „Machtergreifung“ vom 30. Januar 1933 und verkündete wenige Tage später die neuen Personalien: Intendant des Schauspielhauses wurde der politisch bislang eher neutrale Weimarer Intendant Franz Ulbrich, ihm beigeordnet als Chefdramaturg der engagierte NS-Schriftsteller Hanns Johst. Beide begannen noch im selben Jahr, das Ensemble von unerwünschten Mitgliedern im Sinne des neuen Regimes zu „säubern“. Ihr Spielplan wurde beherrscht von Gegenwartsstücken, die der NS-Weltanschauung entsprachen. Die künstlerische Substanz war unbefriedigend.

Intendanz Gründgens

Gustaf Gründgens hatte in der Saison 1932/33 in Berlin den Mephisto in Goethes „Faust“ gespielt. Der damalige Reichstagspräsident Hermann Göring sah ihn, war nachhaltig beeindruckt und protegierte Gründgens bis zum Ende des „Dritten Reiches“. In seiner späteren Funktion als Preußischer Ministerpräsident berief er ihn am 26. Februar 1934 zum Intendanten des Theaters am Gendarmenmarkt, ernannte ihn zum Preußischen Staatsrat und 1937 zum Generalintendanten aller preußischen Staatstheater. Gründgens’ künstlerische Leistung war bei Freund und Feind unbestritten, aber frühere Weggefährten machten ihm aus dem Exil oder nach Kriegsende heftige Vorwürfe, weil er sich einem extremen Unrechtssystem um der eigenen Karriere willen angepasst habe. Gründgens erklärte dazu, er habe die Kunst schützen wollen gegen die Politik. Erwiesen ist immerhin, dass er seine offiziellen Kontakte nutzte, um Ensemblemitgliedern zu helfen, die aus „rassischen“ Gründen bedroht waren.

Gründgens als "Hamlet", 1936

Kern der Erneuerung des Theaterwesens unter dem NS-Regime sollten werkgetreue Aufführungen der Klassiker sein. Der „Völkische Beobachter“ vom 26. März 1936 beschrieb rückblickend die Situation der Weimarer „Verfallszeit“, in der nicht nur die falschen Stücke, sondern auch verfehlte Inszenierungen das Theater als moralische Anstalt zerstört hätten: „Nur eine kleine Gemeinde intellektueller Snobs erfreute sich an diesem Experimentier-Kabarett … […] Verschwunden war der ehrlich kämpfende und sich dem Dichtwerk verbunden fühlende Schauspieler und Theaterleiter..“ Damit war im Wesentlichen auch Gründgens’ offizielle Einstellung beschrieben. Ein "Düsseldorfer Manifest", das er 1952 initiierte, richtete sich „gegen eine willkürliche Interpretation der Dichtung durch ungerechtfertigte Experimente, die sich zwischen Werk und Zuhörer drängen“. [10]

Die nationalsozialistische Theaterpolitik benutzte jenseits der reinen Propaganda einen traditionellen, auf die Bedürfnisse staatlicher Repräsentation und die kulturellen Vorlieben der bürgerlichen Bevölkerungsteile zugeschnittenen „unpolitischen“ Kunstbegriff. Der „Reichsminister für Volksaufklärung und PropagandaJoseph Goebbels, früher durchaus fasziniert von agitatorischem Theater, stellte schon 1933 fest, dass weltanschaulich korrekte, aber künstlerisch dürftige Stücke dem Prestige des Regimes schaden würden. In diesem Punkt sicherte Gründgens sich besonders ab, nach einem Gespräch mit Goebbels notierte er: “Keine Tendenzstücke, sondern Dichtungen mit Tendenz. Hier stellten wir beide übereinstimmend fest, daß es im Grunde Kunst ohne Tendenz nicht gäbe“. [11] So enthielten die Spielpläne unter Gründgens zwar keineswegs vorwiegend Klassiker – dieser Eindruck ist erst im Rückblick entstanden – aber auch kaum besagte Tendenzstücke. Das Repertoire war vielseitig - mit einem großen Anteil an relativ leichter Unterhaltung -, dabei politisch möglichst indifferent, und wurde mit hochkarätigen Schauspielern in werkgetreuen Aufführungen auf künstlerisch hohem Niveau präsentiert.

Schauspieler

Bekannte Schauspieler am Preußischen Staatstheater waren: Axel von Ambesser, Charlotte Basté, Paul Bildt, Claus Clausen, Käthe Dorsch, Erich Dunskus, Karl Etlinger, Elisabeth Flickenschildt, Werner Finck, Albert Florath, Walter Franck, Käthe Gold, Otto Graf, Gustaf Gründgens, Käthe Haack, Günther Hadank, Paul Hartmann, Clemens Hasse, Paul Henckels, Marianne Hoppe, Malte Jaeger, Friedrich Kayssler, Eugen Klöpfer, Gustav Knuth, Maria Koppenhöfer, Hermine Körner, Viktor de Kowa, Werner Krauß, Wilhelm Kröger, Hans Georg Laubenthal, Albert Lieven, Theo Lingen, Bernhard Minetti, Heinz Rühmann, Hans Stiebner, Walter Tarrach, Wolf Trutz, Aribert Wäscher, Franz Weber, Pamela Wedekind, Paul Wegener, Antje Weisgerber, Walter Werner.

Rekonstruktion und neue Nutzung

Nach starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Außenarchitektur des Schauspielhauses zwischen 1979 und 1984 weitgehend originalgetreu wieder aufgebaut. Wegen der beabsichtigten neuen Nutzung als Konzerthaus musste jedoch die Raumaufteilung im Inneren grundlegend verändert werden. Am 1. Oktober 1984 wurde das Haus mit einem Festkonzert wiedereröffnet; seit 1994 trägt es die Bezeichnung „Konzerthaus Berlin“.

Literatur

  • Berger Bergmann, Gerhard Müller (Hrsg.): „Apollos Tempel in Berlin – vom Nationaltheater zum Konzerthaus am Gendarmenmarkt“. Prestel Verlag, 2009, ISBN 978-3791338743.
  • Konzerthaus Berlin – Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Das Buch über Gestern und Heute. Museums- und Galerie-Verlag, Berlin 1994.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.paun.de/archiv/bsa-schinkel-pt.pdf
  2. http://www.paun.de/archiv/bsa-schinkel-pt.pdf
  3. http://www.kleist.org/kaet/1824bruehl.htm
  4. http://www.zlb.de/projekte/theater/1848/renner.htm Aufführungen an Berliner Theatern 1848
  5. Nicola Denis: „Tartuffe in Deutschland“. Dissertation. LIT Verlag 2002, ISBN 3825860221.
  6. http://www.sueddeutsche.de/kultur/799/407575/text/
  7. Karl Gutzkow: „Berlin – Panorama einer Residenzstadt“. Morgenbuch Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-371-00380-9
  8. http://www.reffert.de/staedte/unterteilte/berlin_schsphs.html
  9. http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000002953/02_kap1.pdf
  10. http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000002953/05_kap3a.pdf
  11. http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000002953/05_kap3a.pdf

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