Prinzip von d'Alembert

Prinzip von d'Alembert

Das d’Alembertsche Prinzip (nach Jean Baptiste le Rond d'Alembert) der klassischen Mechanik ermöglicht häufig das Aufstellen von Bewegungsgleichungen für Systeme der klassischen Dynamik, die Zwangskräften \vec{Z}_i unterworfen sind. Es überträgt das Prinzip der virtuellen Arbeit der Statik[1]:

 \sum_{i=1}^N \vec{F}_i \delta \vec{r}_i = - \sum_{i=1}^N \vec{Z}_i  \delta \vec{r_i} = 0

auf die Dynamik. Dabei denkt man sich das System in N Teilchen zerlegt (Index i), auf die die Zwangskräfte und die „eingeprägten“ äußeren Kräfte \vec{F}_i wirken (z. B. die Schwerkraft). Beim Übergang zur Dynamik betrachtet man formal das Kräftegleichgewicht:

\sum_{i=1}^N \left( m_i \ddot{\vec{r}}_i - \vec{F}_i - \vec{Z}_i \right) = 0

und bildet das Produkt mit den virtuellen Verschiebungen[2] \delta \vec{r}_i, wobei berücksichtigt wird, dass die Zwangskräfte selbst keine virtuelle Arbeit verrichten (das Skalarprodukt von Zwangskräften und virtuellen Verschiebungen also in diesem Fall verschwindet). Man erhält so das d’Alembertsche Prinzip (in der Formulierung von Lagrange):

 {\sum_{i=1}^N \left( m_i \ddot{\vec{r}}_i - \vec{F}_i \right) \delta \vec{r}_i = 0 .}

In der Gleichung treten die Zwangskräfte nicht mehr auf – nur die äußeren Kräfte und die Trägheitskräfte. Die Zwangsbedingungen verstecken sich noch in den virtuellen Verschiebungen, was u. a. zur Folge hat, dass im Allgemeinen nur die Summe verschwindet und nicht jede Komponente der obigen Gleichung.

Um daraus Bewegungsgleichungen zu gewinnen, geht man bei \,k (holonomen) Zwangsbedingungen zu (bei N „Teilchen“) n = 3 N – k unabhängigen Koordinaten \,q_i(t), i = 1,2 ..., n über und drückt alles durch diese neuen Lagekoordinaten aus („generalisierte Koordinaten“). Da die neuen Koordinaten sich unabhängig variieren lassen, ergeben sich die Bewegungsgleichungen aus dem Verschwinden der Koeffizienten von \,\delta q_i(t),i = 1,2 ..., n in den transformierten Gleichungen. Für holonome Zwangsbedingungen und konservative Kräfte (die sich aus einer Potentialfunktion ableiten lassen) ist das d’Alembert-Prinzip dann äquivalent zu den Lagrangegleichungen erster Art (siehe dort).

Gelegentlich wird behauptet, das d’Alembertsche Prinzip wäre nur eine Umformung der Newtonschen Bewegungsgleichungen. Das übersieht aber wesentliche Vereinfachungen durch das Prinzip (wie die Elimination von Zwangskräften, die keine virtuelle Arbeit leisten) und kommt in den Worten von Georg Hamel fast einer Beleidigung von d’Alembert gleich[3].

Literatur

  • Friedhelm Kuypers Klassische Mechanik, VCH, 5. Auflage 1997, ISBN 3-527-29269-1
  • Georg Hamel Theoretische Mechanik, Springer 1967

Anmerkungen

  1. verwendet wird dabei, dass die Summe der Kräfte (aus Zwangskräften und äußeren Kräften) in der Statik verschwindet
  2. Infinitesimale Verschiebungen heissen virtuell, wenn sie mit den Zwangsbedingungen verträglich sind. Außerdem sollen sie instantan erfolgen (zu einer festen Zeit).
  3. Hamel Theoretische Mechanik, Springer 1967, S.220

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Prinzip von d'Alembert — Prinzip von d Alembert. Es dient zur Aufstellung der Bewegungsgleichungen eines materiellen Systems. Dieses bestehe aus den n Massen mi in den Punkten mit den Koordinaten xi yi zi, an welchen Kräfte Pi mit den Komponenten Xi Yi Zi angreifen.… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Prinzip der Bewegung des Massenmittelpunktes (Schwerpunktes) — Prinzip der Bewegung des Massenmittelpunktes (Schwerpunktes). Werden die Bewegungsgleichungen eines Massensystems, wie sie sich aus dem Prinzip von d Alembert ergeben, durch das ganze System für jede Koordinatenrichtung summiert, so erhält man… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Prinzip des kleinsten Zwanges — (Gaußsches Prinzip). Es lautet: Die Bewegung eines Systems materieller Punkte mit beliebigen Bedingungen geschieht in jedem Augenblick in möglichst großer Uebereinstimmung mit der freien Bewegung oder unter möglichst kleinem Zwange, wobei als Maß …   Lexikon der gesamten Technik

  • Alembert — Jean Baptiste le Rond d Alembert (Maurice Quentin de La Tour) Jean Baptiste le Rond, genannt d’Alembert (* 16. November 1717 in Paris; † 29. Oktober 1783 ebenda) war einer der bedeutendsten Mathematiker und Physiker des 18. Jahrhunderts und ein …   Deutsch Wikipedia

  • Prinzip des kleinsten Zwanges — (auch gaußsches Prinzip des kleinsten Zwanges) ist ein von Carl Friedrich Gauß 1829 aufgestellter und von Philip Jourdain ergänzter Satz der klassischen Mechanik, wonach ein mechanisches System sich so bewegt, dass der Zwang zu jedem Zeitpunkt t… …   Deutsch Wikipedia

  • Alembert —   [alã bɛːr], Jean Le Rond d , französischer Philosoph, Mathematiker und Literat, * Paris 16. 11. 1717, ✝ ebenda 29. 10. 1783, Sohn der Marquise de Tencin und des Offiziers L. Destouches; von der Mutter auf den Stufen der Kirche Saint Jean Le… …   Universal-Lexikon

  • Alembert — (spr. alangbǟr), Jean Lerond d , Philosoph und Mathematiker, geb. 16. Nov. 1717 in Paris, gestorben daselbst 29. Okt. 1783, Sohn der Frau v. Tencin und des Ingenieuroffiziers Destouches (Bruders des Dichters), trat, 12 Jahre alt, in die… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • D'Alembert — Jean Baptiste le Rond d Alembert (Maurice Quentin de La Tour) Jean Baptiste le Rond, genannt d’Alembert (* 16. November 1717 in Paris; † 29. Oktober 1783 ebenda) war einer der bedeutendsten Mathematiker und Physiker des 18. Jahrhunderts und ein …   Deutsch Wikipedia

  • D’Alembert — Jean Baptiste le Rond d Alembert (Maurice Quentin de La Tour) Jean Baptiste le Rond, genannt d’Alembert (* 16. November 1717 in Paris; † 29. Oktober 1783 ebenda) war einer der bedeutendsten Mathematiker und Physiker des 18. Jahrhunderts und ein …   Deutsch Wikipedia

  • Jean-Baptiste le Rond d'Alembert — (Maurice Quentin de La Tour) Jean Baptiste le Rond, genannt d’Alembert (* 16. November 1717 in Paris; † 29. Oktober 1783 ebenda) war einer der bedeutendsten Mathematiker und Physiker des 18. Jahrhunderts und ein …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”