- Priscianus Caesariensis
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Priscianus Caesariensis oder Priscian, ein bedeutender spätantiker lateinischer Grammatiker, lebte um 500 und starb wohl zu Beginn der Herrschaft des Kaisers Justinian I. (527-565).
Leben
Dass Priscian in den Jahrzehnten um 500 wirkte, wird durch das Lobgedicht belegt, das er an den oströmischen Kaiser Anastasius (491-518) richtete, sowie durch den Umstand, dass die Manuskripte seiner Institutiones grammaticae eine Nachschrift enthalten, die mitteilt, dass das Werk 526 oder 527 von Flavius Theodorus, einem Schreiber im kaiserlichen Sekretariat in Konstantinopel, kopiert wurde. Zu dieser Zeit spielte Latein auch im Oströmischen Reich noch eine wichtige, wenn auch langsam abnehmende Rolle, und gerade für die Ausübung einer Tätigkeit in Verwaltung oder Heer war die Beherrschung des Lateinischen nach wie vor unverzichtbar, weshalb Priscians Grammatik früh weite Verbreitung fand.
Priscians Beiname Caesariensis deutet (nach Niebuhr und anderen) auf Caesarea in der Provinz Mauretania (Nordwestafrika) als Herkunftsort hin. Demnach wurde er unter Herrschaft der Vandalen, die das Gebiet zwischen 429 und 534 kontrollierten, geboren. Priscians Lehrer war Theoctistus, der ebenfalls eine Institutio artis grammaticae schrieb. Drei kleinere Abhandlungen widmete Priscian dem jüngeren Symmachus, dem Schwiegervater des Boethius. Cassiodor überschreibt einige Auszüge aus Priscian mit der Feststellung, dass er in Konstantinopel zu seiner (Cassiodors) Zeit gelehrt habe (Keil, Gr. Lat. vii. 207).
Priscians Werk wurde rasch im gesamten spätantiken und frühmittelalterlichen Mittelmeerraum rezipiert. Es wird auch noch von mehreren britischen Schreibern des 8. Jahrhunderts zitiert - Aldhelm, Beda Venerabilis, Alkuin – und wurde unter anderem benutzt von Rabanus Maurus aus Fulda und Servatus Lupus aus Ferrières.
Über viele Jahrhunderte galt Priscians Grammatik des Lateinischen als grundlegend. Es gibt kaum eine bedeutende Bibliothek in Europa, die keine Kopie seines Werkes, von dem es rund tausend Manuskripte gibt, im Bestand hat oder hatte. Der größere Teil davon besteht lediglich aus den Büchern I bis XVI (manchmal Priscianus major genannt); wenige enthalten (neben den drei Büchern Ad Symmachum) nur die Bücher XVII und XVIII (Priscianus minor); wenige beide Teile. Die frühestens Manuskripte stammen aus dem 9. Jahrhundert, nur einige Fragmente sind etwas älter. Alle hingegen stammen sie letztendlich von der Kopie ab, die Theodorus erstellte.
Die Institutiones grammaticae sind eine systematische Darstellung der lateinischen Grammatik, dem Konsul und Patricius Julian gewidmet, den manche Forscher mit dem Autor des bekannten Auszugs von Justinians Novellae (einem Teil des Codex Iuris Civilis) gleichsetzen, doch scheint dieser Jurist einige Zeit später als Priscian gelebt zu haben. Vielleicht ist daher eher jener Julian gemeint, der um 530 als Justinians praefectus praetorio Orientis amtierte und selbst als Dichter dilettierte. Die Institutiones sind in achtzehn Bücher aufgeteilt, von denen die ersten sechzehn sich hauptsächlich mit Klang, Wortbildung und Flexionen befassen, die letzten beiden, die etwa ein Drittel bis ein Viertel des Gesamtwerks darstellen, mit der Syntax.
Priscian informiert in seinem Vorwort darüber, dass er diejenigen Grundregeln der Griechen Aelius Herodianus und Apollonios Dyscolos ins Lateinische übernommen habe, die ihm angemessen erschienen, und sie um die lateinische Grammatik ergänzt habe. Er hat viele Fragmente älterer Grammatiker, die ansonsten verloren gegangen wären, überliefert, zum Beispiel von Ennius, Pacuvius, Lucius Accius, Gaius Lucilius, Cato and Varro. Die Autoren, die er am häufigsten zitiert, sind jedoch vor allem Vergil, dann Terenz, Cicero und Plautus, schließlich Lucan, Horaz, Juvenal, Sallust, Statius, Ovid, Livius und Persius.
Sein Fleiß bei der Sammlung von Formen und Beispielen ist groß und methodisch. Seine lateinischer Stil ist ohne Schnörkel, er schreibt eine klare, leicht verständliche Fachsprache.
Die Mängel seiner Arbeit können in vier Hauptpunkten zusammengefasst werden:
- Priscian behandelt eingestandenermaßen griechische Autoren und griechische Grammatik als oberste Autoritäten und berücksichtigt zu wenig, dass jede Sprache, auch die lateinische, eine eigene Geschichte und eine eigene Gesetzlichkeit hat.
- Es gab keine systematische Untersuchung der Phonetik, und folglich werden die Veränderungen in den Sprachen rein mechanisch behandelt: zum Beispiel i verändert sich zu a, wie in genus, generis, generatum; zu o, wie in sasi, saxosus; q wird zu s, wie in torqueo, torsi, etc.
- Die Auflösung eines Wortes in Wurzel oder Stamm und ungebeugte oder abgeleitete Affixe war ein in der Antike völlig unbekannter Gedanke, und die Formregeln basieren oft auf unwichtigen Phänomenen: zum Beispiel sollte Venus wie andere Eigennamen auf us den Genitiv Veni haben, doch hat es, so als sei es ein Verb, Veneris. Ador hat keinen Genitiv aufgrund eines Regelkonflikts; zumal Neutra auf or eine kurze vorletzte Silbe haben (zum Beispiel aequor, aequoris), und adoro, wovon es abgeleitet ist, eine lange.
- Die praktische Bedeutung der Flexionen wird nicht erkannt, und ihr syntaktischer Gebrauch wird behandelt, als sei er willkürlich oder zufällig. Dies als allgemeine Regel für deklinierbare Wörter niedergelegt, die, wenn sie sich auf ein und die gleiche Person beziehen, den gleichen Kasus, Genus und Numerus haben müssen, wird bei Priscian ergänzt um die Aussage, dass bei transitiven Wörtern verschiedene Numeri benutzt werden können, zum Beispiel doceo discipulos, docemus discipulum.
Oft gibt Priscian eine Regel zu allgemein oder zu eingeengt an und sucht dann nach Einschränkungen beziehungsweise Erweiterungen. Seine "Etymologien" sind selbstverständlich manchmal äußerst gewagt bzw. abwegig: zum Beispiel caelebs von caelestium vitam ducens, b statt eines konsonantischen u, weil ein Konsonant nicht vor einem anderen stehen kann; deterior vom Verb detero, deteris, potior (als Adjektiv) von potior, potiris; arbor von robur; verbum von verberatus aeris etc. Auch in griechischen Usancen liegt er nicht immer richtig.
Für Studenten der Romanischen Philologie sollen die 18 Bände seiner Grammatik sukzessive auch auf deutsch erscheinen. Bisher liegt das 14. Buch über die Präposition in kommentierter deutscher Übersetzung vor (in: Axel Schönberger: "Priscians Darstellung der lateinischen Präpositionen: lateinischer Text und kommentierte deutsche Übersetzung des 14. Buches der Institutiones Grammaticae", Frankfurt am Main: Valentia, 2008, ISBN 978-3-936132-18-2, S. 17-98).
Priscians drei kurze, Symmachus gewidmete Abhandlungen befassen sich mit Maßen und Gewichten, den Metriken bei Terenz und einigen rhetorischen Elementen (übersetzten Übungen von Hermogenes). Er schrieb auch De nomine, pronomine, et verbo (eine Kurzfassung von Teilen seiner Institutiones) und eine interessante Probe des Grammatikunterrichts in Schulen in Gestalt einer vollständigen Syntaxanalyse durch Frage und Antwort zu den ersten zwölf Zeilen der Aeneis (Partitiones xii. versuum Aeneidos principalium). Die Metrik wird zuerst besprochen, jeder Vers wird untersucht, und jedes Wort gründlich und lehrreich begutachtet. Auch eine Abhandlung über Betonungen wurde früher Priscian zugeschrieben, was aber von heutigen Gelehrten aufgrund des Themas und der Sprache zumeist zurückgewiesen wird.
Priscian schrieb auch zwei lange, literarisch nicht weiter bemerkenswerte Gedichte, nämlich die bereits erwähnte (und nur historisch interessante) Lobschrift auf Kaiser Anastasius in 312 Hexametern mit einer kurzen jambischen Einleitung und eine wortgetreue Übersetzung in 1087 Hexametern von Dionysios’ Periegesis, einem geographischen Überblick über die Welt.
Weblinks
- Priscian. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Literatur von und über Priscian im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten NAME Priscian ALTERNATIVNAMEN Priscianus Caesariensis KURZBESCHREIBUNG lateinischer Grammatiker
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