Promiskuitiv

Promiskuitiv

Als Promiskuität (von lat. promiscus gemeinsam, promiscere vorher mischen) wird die Praxis nicht an langfristigen Bindungen orientierter sexueller Kontakte mit verschiedenen Partnern bezeichnet; das Adjektiv promiskuitiv oder promisk wird auch verwendet für „sexuell freizügig“ oder „offenherzig“.

Im Tierreich versteht man unter Promiskuität, dass sich Weibchen und Männchen in einer Saison mit mehr als einem Geschlechtspartner paaren, wie dies bei den meisten Tierarten der Fall ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zumindest zeitweilige Promiskuität war das Merkmal von Gesellschaften mit polytheistischer Religion. Das führte, beeinflusst durch mosaische und asketische Vorstellungen, im Christentum zu einem diametralen Verhältnis zur Sexualität, das auf Monogamie oder Zölibat ausgerichtet ist. Promiskes Verhalten ist aufgrund der religiösen Einflüsse in vielen Gesellschaften unerwünscht oder verboten. Atheistische Gesellschaften sind oft der Sexualität gegenüber offener. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde erwünschtes promiskes Verhalten speziell gefördert, bei anderen Personenkreisen gezielt (und ggf. mit dem Tode) bestraft (siehe Jugendkonzentrationslager, sexuell verwahrlost). Auch in der Bundesrepublik Deutschland kam es bis in die 1970er Jahre vor, dass insbesondere junge Frauen wegen Abweichungen von sexuellen Normen zur Heimerziehung eingewiesen wurden.

In modernen westlichen Gesellschaften wird promiskes Verhalten aufgrund des Prinzips der sexuellen Selbstbestimmung nur noch selten staatlich sanktioniert. Die „Mach's mit“-Kampagne des deutschen Bundesgesundheitsministeriums, welche die Verwendung von Kondomen zur Verhinderung von AIDS-Infektionen propagiert, geht von einem gelegentlichen promisken Verhalten auch von Menschen aus, die sich nicht als promisk verstehen.

Soziologie

Die Soziologie misst promiskes Verhalten, um Teile der Gesellschaft und Gesellschaften miteinander zu vergleichen (Sozialstrukturanalyse) und zählt z. B. die Sexualpartner pro Jahr. Durch stärker verbreiteten Hedonismus und Individualismus ist promiskes Verhalten heute wieder häufiger. Auch die weite Verbreitung von Verhütungsmitteln korreliert statistisch mit dem häufigeren Vorkommen der Promiskuität in der Gesellschaft.

Das Bundesland mit der höchsten statistischen Zahl von Sexualpartnern ist Hamburg, mit durchschnittlich 10,4 Partnern im gesamten Leben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 6,3. Problematisch ist an diesen Zahlen, dass die statistische Erhebung aufgrund des Mangels an empirisch valider Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben sehr unsicher ist, zumal dabei die Prostitution nicht berücksichtigt wird. In Deutschland ist saisonal beispielsweise im Rheinland zur Karnevalszeit und in München während des Oktoberfests mit einem Anstieg von promisken Verhaltensweisen zu rechnen. In den Vereinigten Staaten bietet Spring Break Anlass, dass unter Studenten im Alter von 18 bis 21 Jahren die Häufigkeit promisken Verhaltens stark ansteigt. Von der seriellen Monogamie, eine heute in Industriestaaten weit verbreitete Verhaltensweise, bei der Personen mehrere aufeinanderfolgende monogame Beziehungen haben, die sie nach einer gewissen Zeit wieder auflösen, ist promiskes Verhalten nicht immer eindeutig zu unterscheiden.

Promiskes Verhalten kann auch ein Indiz für verschiedene Persönlichkeitsstörungen sein, beispielsweise für die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Nach Lehrmeinung kann promiskes Verhalten hierbei aber nur berücksichtigt werden, wenn die Persönlichkeit auch andere borderlinetypische Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Weiter kann promiskes Verhalten bei der Borderline-Diagnose auch nur berücksichtigt werden, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre vier oder mehr verschiedene Sexualpartner vorhanden waren. Auch Menschen mit Stimmungsschwankungen oder einer manisch-depressiven (bipolaren) Störung können sich, wenn sie sich in einem hypomanischen Zustand befinden, entgegen ihren Wertvorstellungen promisk verhalten.

Des Weiteren wird promiskes Verhalten oft auch Jahre nach einem Inzest beobachtet und kann möglicherweise als Indiz für verborgene und oft verdrängte frühkindliche Verletzungen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch und / oder Vergewaltigung sein.[1]

Polyamore Beziehungsformen und Literatur

Es gibt eine zunehmende gesellschaftliche Entwicklung, eine Mehrzahl von sexuellen Beziehungen im Kontext von Ehrlichkeit und der Praxis von Safer Sex zu akzeptieren. Dabei wird das bisherige dualistische Konzept, entweder kurzfristige sexuelle Beziehungen, oder Liebesbeziehungen haben zu können, zugunsten von Polyamory aufgegeben (wobei Polyamory im engeren Sinne allerdings langfristige mehrfache Beziehungen betont). Ein wichtiges Buch in diesem Zusammenhang ist The Ethical Slut von Dossie Easton und Catherine A. Liszt.

Analog zur englischen Bezeichnung Slut, die Easton und Liszt verwenden, bezeichnen sich lesbische nichtmonogam lebende Frauen in Deutschland im Rahmen einer als Schlampagne bezeichneten politischen Plattform als Schlampen. Diese Verwendung des Wortes stellt eine Neubewertung (reclaiming) eines herabsetzend verwendeten, ursprünglich jedoch positiv besetzten Begriffs dar. „Ähmm...: Von der Wortlosigkeit für Beziehungsgefüge[2] von Jule Blum ist ein im Rahmen dieser Plattform verfasster Artikel, der in der Graswurzelrevolution 245 im Januar 2000 erschien. Er stellt den Mangel an Worten für Beziehungsformen mit Abweichungen zu konventionellen Normen von Verbindlichkeit, Dauerhaftigkeit und Ausschließlichkeit dar.

Biologie/Chemie

Die Eigenschaft von Proteinen, neben ihrer normalen Substrate auch gelegentlich andere unnatürliche Reaktionen zu katalysieren, bezeichnet man als katalytische Promiskuität.

Sonstiges

Bei promiskem Verhalten erhöht sich das Risiko einer Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie z. B. HIV oder Hepatitis B stark, insbesondere wenn kein Safer Sex praktiziert wird.

Behauptungen, wonach gerade homosexuelle Männer stärker ein promiskes Verhalten aufweisen, konnten bisher empirisch nicht belegt werden und sind daher als nicht zu begründende Vorurteile zu betrachten.

Siehe auch

Literatur

  • Dossie Easton und Catherine A. Liszt, The Ethical Slut, Greenery Press, San Francisco, 1997, ISBN 1-890159-01-8
  • Tim Birkhead, Promiscuity, Faber and Faber, London, 2000, ISBN 0-571-19360-9

Fiktionale Literatur

  • Larry Kramer, Faggots, Avalon Travel Publishing, Reprint 2000. ISBN 0802136915 (erstmals 1978 erschienener, literaturgeschichtlich wichtiger Roman, der bereits vor Aids die Promiskuität in der schwulen Szene in New York City kritisiert) (engl.)

Weblinks

  • Sexual Freedom (englisch)

Quellen

  1. Anke Lehmann: Inzest - sexueller Missbrauch innerhalb des Familiensystems, TU Dresden 2005, Kapitel 3
  2. Siehe http://www.graswurzel.net/245/wortlos.shtml

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