Protista

Protista


Die Protisten (Protista) sind eukaryotische, ein- bis wenigzellige Lebewesen, die aber nicht näher miteinander verwandt sind. Früher wurden sie als eigenes Reich innerhalb der Eukaryoten zusammengefasst und den Pflanzen (Reich Plantae), Tieren (Reich Animalia) und Pilzen (Reich Fungi) gegenübergestellt. Diese Einteilung entspricht jedoch nicht den natürlichen Verwandtschaftsverhältnissen. In der auf Verwandtschaftsverhältnissen beruhenden Systematik der Eukaryoten gibt es die Protisten dementsprechend nicht mehr, die zu den Protisten zählenden Gruppen wurden entsprechend ihrer Verwandtschaftsverhältnisse den entsprechenden Gruppen zugeordnet. Zu den Protista zählen ein- oder wenigzellige Algen, Schleimpilze und einzellige Protozoen.

Da Pflanzen, Tiere und Pilze sich jedoch aus Protisten entwickelten und viele vielzellige Lebewesen mit ein- und wenigzelligen Protisten verwandt sind, ergab sich daraus ein unnatürliches System. Das System wurde damit begründet, dass man Mikroorganismen, also ein- und wenigzellige Organismen, von den übrigen Lebewesen trennen und in zwei Reichen (Monera und Protista) zusammenfassen wollte. Heute werden die Protisten verschiedenen Evolutionslinien zugeteilt und einige werden mit den Pflanzen oder Tieren zusammengefasst. Die zu den Protisten gehörenden Choanoflagellaten, Pilze und Tiere ergeben zusammen die Opisthokonta. Die Rotalgen (Rhodoplantae), Grünalgen und höheren Pflanzen (Viridiplantae) bilden ebenfalls eine systematische Gruppe (Plantae; siehe [1]). Unter Einbeziehung auch der vielzelligen Lebewesen dieser Entwicklungslinien, zum Beispiel der Tange, ergibt sich an Stelle der Protista ein größeres Taxon, das der Protoctisten (Protoctista, Hogg 1861, Copeland 1956) (siehe dort).

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Protisten bestehen wie alle Lebewesen aus Cytoplasma als lebender Substanz und sind außen von einer Zellmembran umgeben. Im Cytoplasma liegt meist ein Zellkern zur Steuerung der Lebensvorgänge, gelegentlich befinden sich dort auch mehrere Zellkerne; weiterhin enthält das Cytoplasma Mitochondrien und bei phototrophen Protisten ein bis mehrere Chloroplasten. Bei einigen Protisten kommen außen noch Schalenbildungen hinzu; viele können Cystenhüllen ausbilden, um ungünstige Umweltbedingungen zu überstehen. Die Zellen sind meist von sehr geringer Größe, und nur wenige erreichen einen Durchmesser von mehreren Millimetern oder gar Zentimetern.

Lebensweise

Die Fortbewegung erfolgt oft schwimmend mit Hilfe von Geißeln oder Wimpern oder kriechend, gleitend, fließend oder schreitend durch Ausbildung von Scheinfüßchen (Pseudopodien). Etliche Arten schweben auch einfach nur im Wasser, das Schweben wird oft unterstützt durch lange Zellfortsätze.

Die meisten Protisten leben im Meer, teils nahe der Oberfläche, teils schwebend im Wasser, teils auf dem Grund kriechend, teils an Steinen, Pflanzen und dergleichen festsitzend; andere findet man im Süßwasser, wenige auf dem Land. Es gibt heterotrophe, autotrophe, mixotrophe, aerobe und anaerobe Formen. Etliche Protisten leben auch parasitisch in Tieren. Viele treten in erstaunlicher Individuenzahl auf, und die unverweslichen Überreste abgestorbener Vertreter - wie die Kieselschalen der Radiolarien und Kieselalgen (Bacillariophyta) oder die Kalkschalen der Kammerlinge (Foraminifera) sind gesteinsbildend: Sie sedimentieren auf den Grund des Gewässers und werden durch Diagenese zu Gestein, zum Beispiel Kieselschiefer, Kreide, aus ihnen setzen sich oft ganze Gebirgsschichten zusammen.

Die Protisten pflanzen sich gewöhnlich durch Zweiteilung ungeschlechtlich fort. Bei einigen Arten gibt es aber auch Vielfachteilungen, bei einigen kommen geschlechtliche Vorgänge vor (siehe Isogamie, Konjugation).

Aus urtümlichen Protisten sind im Laufe der Evolution alle höheren vielzelligen Organismen hervorgegangen, wahrscheinlich überwiegend über den Weg der Zellkoloniebildung, wie sie heute noch bei etlichen Algen zu beobachten ist.

Weil sich an ihnen die Zellbestandteile sowie die wichtigsten Lebensäußerungen, wie Bewegung, Reizbarkeit, Fortpflanzung, gut studieren lassen, sind Protisten ein beliebtes Objekt biologischer Forschung. Nur etwa 40 Arten rufen jedoch Protozoeninfektionen beim Menschen hervor und sind von medizinischem Interesse.

Erscheinungsformen

Die vegetative Lebensform von Protisten nennt man Trophozoit, ihr Gegenstück sind Dauerformen, sogenannte Zysten.

Systematik

Einteilung nach Adl et al. 2005 [2]:

Amöben (Amoebozoa)

Opisthokonta

Rhizaria

Archaeplastida

Chromalveolata

Excavata

In anderen Veröffentlichungen auch als Reich Plantae (Reich der Pflanzen) bezeichnet, z.B. [1]
†† auch Unterreich Rhodoplantae[1]
††† bekannter unter der Bezeichnung Viridiplantae (= grüne Pflanzen)
†††† Die Chromalveolaten-Hypothese und die Zugehörigkeit einzelner Organismen-Gruppen zu den Chromalveolaten ist Gegenstand von Diskussionen

Diese systematische Einteilung ist eine Folge von auf Basen-Sequenzen der DNA beruhenden phylogenetischen Bäumen in Kombination mit morphologischen Merkmalen, und spiegelt die natürlichen Verwandtschaften wider. Aus dieser Einteilung geht hervor, dass die Tiere, Pilze und Landpflanzen aus Protistenlinien hervorgegangen sind. Fasst man die sog. Protisten als systematische Gruppe zusammen, lässt aber Tiere, Pilze und Landpflanzen außen vor, ergibt sich eine unnatürliche Systematik.

Literatur

  • Ernst Haeckel: Das Protistenreich. Eine populäre Übersicht über das Formengebiet der niedersten Lebewesen. Mit einem wissenschaftlichen Anhange: System der Protisten, E. Günther, Leipzig 1878
  • Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-8274-1575-6.
  • Robert H. Whittaker: New Concepts of Kingdoms. In: Science. Vol. 163, 1969, S. 150-160

Einzelnachweise

  1. a b c Saunders, G. W., Hommersand, M. (2004): Assessing red algal supraordinal diversity and taxonomy in the context of contemporary systematic data. American Journal of Botany 91: 1494–1507
  2. Sina M. Adl, Alastair G. B. Simpson, Mark A. Farmer, Robert A. Andersen, O. Roger Anderson, John A. Barta, Samual S. Bowser, Guy Brugerolle, Robert A. Fensome, Suzanne Fredericq, Timothy Y. James, Sergei Karpov, Paul Kugrens, John Krug, Christopher E. Lane, Louise A. Lewis, Jean Lodge, Denis H. Lynn, David G. Mann, Richard M. McCourt, Leonel Mendoza, Øjvind Moestrup, Sharon E. Mozley-Standridge, Thoams A. Nerad, Carol A. Shearer, Alexey V. Smirnov, Frederick W. Spiegel, Max F. J. R. Taylor: The New Higher Level Classification of Eukaryotes with Emphasis on the Taxonomy of Protists. The Journal of Eukaryotic Microbiology 52 (5), 2005; Seiten 439-440

Weblinks


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