- Protokollaussage
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Empirische Beobachtungsätze, auch Protokollsätze, werden im logischen Empirismus Aussagen genannt, über deren Gültigkeit durch sinnliche Beobachtung eine intersubjektive Übereinkunft erzielt werden kann. Sie dienen als empirische Basis zur Überprüfung von Theorien und waren Gegenstand der Protokollsatzdebatte des Wiener Kreises zu Beginn der 1930er. Bis dahin vertretene Auffassungen, dass Beobachtungssätze eine absolut gesicherte Basis bieten, wurden infolge der Debatte weitgehend aufgegeben und durch einen Fallibilismus ersetzt. Demnach kann bei solchen Sätzen durch empirische Prüfung zwar eine intersubjektive Übereinkunft im Rahmen eines Forschungkontextes erzielt werden, die aber immer insofern vorläufig ist, als sich Beobachtungssätze durch weitere Überprüfungen auch als letztlich falsch erweisen können. Die Problematik der Protokollsätze ist Gegenstand des Basisproblem der Erfahrung.
Inhaltsverzeichnis
Beobachtungssatz (M. Schlick)
Nach M. Schlick kann nur die eigene Konstatierung, in der die Berührung der Theorie mit der Wirklichkeit zustandekommt, absolute Gewissheit bieten. Ein Erfüllungserlebnis, hervorgerufen durch Übereinstimmung von Voraussage und Konstatierung, führt zur Formulierung von Beobachtungsätzen. Diese Beobachtungssätze gelten nur zum exakten Zeitpunkt der Formulierung als absolut gewiss. Nach diesem Zeitpunkt verwandeln sie sich in Hypothesen ohne zwingende Absolutheit, da dann Fehlerquellen (Erinnerungsfehler, fehlerhafte Niederschrift, usw.) vorhanden sein können.
Protokollsatz (O. Neurath)
Motiviert durch Pierre Duhems These der Theoriengeladenheit aller Beobachtungen hat Otto Neurath die Auffassung Schlicks von der absoluten Gewissheit von Beobachtungsätzen als metaphysische Scheinthese kritisiert. Theorien müssen nach Neurath mit Protokollsätzen in Übereinstimmung gebracht werden. Diese müssen intersubjektiv formuliert sein und einen Verweis auf eine (wahrnehmende) Person enthalten, beispielsweise in der Form: «Die Person X hat zur Zeit t am Ort O das und das wahrgenommen». Protokollsätze besitzen nach Neurath keine absolute Gewissheit, sondern ihre Anerkennung beruht auf Konventionen.
Beobachtungssatz (R. Carnap)
Der Unterschied zwischen singulären Sätzen, zu denen die Beobachtungsätze gehören, und Allaussagen (beispielsweise Naturgesetze) ist nach Rudolf Carnap nur graduell, sodass singuläre Sätze genauso wie Allaussagen letztlich nicht endgültig verifiziert werden können. Nach Carnap enthält die Annahme bzw. Ablehnung eines Beobachtungssatzes deshalb eine intersubjektive konventionelle Komponente, da keine allgemeine Regel für die Annahme oder Ablehnung eines Satzes existiert. Prinzipiell kann jeder Beobachtungssatz auch verworfen werden. Neben der konventionellen Komponente gibt es aber auch eine objektive Komponente, welche aus der gemachten Beobachtung resultiert. Beobachtungen können z.B. so deutlich sein, dass man praktisch nicht anders kann als einen Beobachtungssatz zu akzeptieren, auch wenn trotzdem eine Ablehnung theoretisch möglich wäre. Nach Carnap sind Beobachtungssätze also keine absolut sicheren Wahrheiten, aber auch keine reine Konventionen. Carnap unterteilte die wissenschaftliche Sprache in eine theoretische Kunstsprache und eine empirische Beobachtungsprache, zu der die Beobachtungsätze gehören.
Basissatz (K. Popper)
Kritisiert wurden die Protokollsätze von Karl Popper in der Logik der Forschung (1934). Nach seiner Auffassung kann es keine reinen Protokollsätze geben, da sie bereits Theorien voraussetzen, sie also „theoriegeleitet“ sind und bereits eine Interpretation beinhalten, z. B. die Benennung von wahrgenommenen Objekten, Identifikationen von Personen und Orten. Popper schlug stattdessen die Basissätze vor, denen kein Beweischarakter zugesprochen wird, sondern die konventionellen Charakter haben. Trotzdem gibt es eine durch vereinfachte Rezeption von Poppers Werk entstandene Abwandlung seiner Erkenntnistheorie, die auf Protokollsätze statt auf Basissätze zurückgreift und als dogmatischer Falsifikationismus bezeichnet wird. Basissätze haben bei Popper statt «Die Person X hat zur Zeit t am Ort O wahrgenommen: Der Tisch ist weiß» die Form «Zur Zeit t am Ort O ist der Tisch weiß», weil dadurch eine objektive Aussage über den Tisch selbst gemacht wird, nicht lediglich eine subjektive Aussage über den Eindruck einer Person.
Beobachtungssatz (W.V.Quine)
Die Auffassung von W.V.Quine über Beobachtungssätze ist durch seinen radikalen Empirismus, seinen Behaviorismus und seinen naturalistischen Holismus geprägt. Im Gegensatz zu Carnap hält Quine die scharfe Unterscheidung zwischen theoretischer Sprache und Beobachtungssprache für nicht möglich. Da für ihn Theorie und Sprache unauflöslich miteinander verknüpft sind ist die Grenze zwischen beiden fliessend. Trotzdem hält Quine an den Beobachtungssätzen fest, welche für ihn durch ihre Intersubjektivität und die enge kausale Verknüpfung zu den Sinnesrezeptoren von den übrigen Sätzen ausgezeichnet werden. Diese beiden Forderungen bedeuten konkret, dass Urteile über die Beobachtungssätze nur von Reizungen der Sinnesrezeptoren und nur von der gespeicherten Information abhängen welche zu ihrem Verständnis notwendig ist, sowie dass alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft zu demselben Urteil über sie gelangen, sofern sie denselben Sinnesreizungen ausgesetzt sind.
Literatur
- R. Carnap, Beobachtungssprache und Theoretische Sprache. Dialectica, 12, 236–248 (1958)
- O. Neurath, Protokollsätze. in Haller/Rutte Gesammelte philosophische und methodologische Schriften Bd.2
- W.Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie.Bd. I, Kapitel IX, ISBN 3-520-30807-X
- R. Schnell/P.B. Hill/E. Esser "Methoden der empirischen Sozialforschung" 7. Aufl. 2005:80f. Oldenbourg:München.
Siehe auch
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