Psychrotoleranz

Psychrotoleranz
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Psychrophil (griech. psychros = kalt, philos = Freund) sind kälteliebende Mikroorganismen. Sie gedeihen normalerweise bei −5 bis +20 °C.

Inhaltsverzeichnis

Übersicht über die Temperaturansprüche bei Bakterien

Psychrophile Bakterien haben ein Wachstumsoptimum bei 15 °C, können aber auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt leben. Psychotolerante Mikroorganismen dagegen tolerieren niedrige Temperaturen, unterhalb 3–5 °C können sie aber nicht mehr wachsen. Sie spielen für viele biotechnologischen Fermentationsprozessen eine wichtige Rolle (siehe unten). In der Tabelle sind die ungefähren, sich überlappenden Temperaturbereiche aufgeführt, die man in verschiedene Klassen teilen kann:[1][2][3]

Gruppe Temperaturen [°C]
Minimum Optimum Maximum
Psychrophil −5 bis +5 12 bis 15 15 bis 20
Psychrotolerant 3 bis 5 20 bis 30 30 bis 35
Mesophil 10 bis 15 30 bis 40 35 bis 47
Thermophil 40 bis 45 55 bis 75 60 bis 90
Hyperthermophil 70 bis 80 80 bis 90 90 bis 110

Vorkommen

Psychrophile Mikroorganismen findet man oft in der Arktis (Grönland) bzw. Antarktis, wo sie eingeschlossen im Eis in winzigen Flüssigkeitsbläschen leben, die kaum größer sind als sie selbst. Außerdem leben diese in tiefen, kalten Wasserschichten von Ozeane und sind damit gleichzeitig barophil. Zu den Mikroorganismen zählen häufig Bakterien (Flavobacterium islandicum[4]; Photobacterium profundum[5]; Shewanella benthica[6]; Gallionella) und selten Archaea (Methanogenium frigidum), aber auch Pilze und Mikroalgen (Chlamydomonas nivalis). Letztere ist als Schneealge bekannt und färbt den Schnee bzw. Gletscheroberflächen durch seine rote Sporen (Blutschnee).

Beispiel: Chryseobacterium greenlandensis

Ein Beispiel für gleichzeitig psychrophile und barophile Bakterien wurde im Inlandeis von Grönland entdeckt. Der weniger als 0,2 µm große Organismus ist in der Lage, lange Zeiträume in Habitaten mit niedrigen Temperaturen, hohem Druck und niedrigem Sauerstoff- und Nährstoffgehalt zu überdauern. Er hat mehr als 120.000 Jahre in einer Tiefe von rund 3.000 Metern überlebt.[7]

Das Bakterium wurde an der Pennsylvania State University entdeckt und von Jennifer Loveland-Curtze und Kollegen erstmals auf der Jahresversammlung der American Society for Microbiology am 3. Juni 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt.[8] Sie ordnen es der Familie Flavobacteriaceae im Stamm Bacteroidetes zu und schlagen „Chryseobacterium greenlandensis“ als Namen vor.

Anpassung

Meistens sind die Enzyme psychrophiler Mikroorganismen ähnlich wie bei den thermophilen Mikroorganismen speziell diesen Lebensbedingungen angepasst. Im Vergleich zu den psychrotoleranten Organismen, die bei niedrigen Temperaturen - bei verlangsamtem Wachstum - überleben können, können sich psychrophile Organismen unter diesen Bedingungen auch vermehren.

Hierbei enthält die Zellmembran dieser Organismen einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit verkürzter Kettenlänge und zunehmender Verzweigung. Dies soll gewährleisten, dass die Membran bei niedrigen Temperaturen ausreichend fluide ist und nicht erstarrt. Zudem sind die Enzyme bei niedrigen Temperaturen ausreichend flexibel und thermolabil. Schließlich muss das Cytoplasma jener Psychophilen flüssig bleiben und das Ausbilden von Eiskristallen verhindern. Bei Algen ist ein solches „Frostschutzmittel“ beispielsweise Glycerin.[9]

Biotechnologische Bedeutung

Psychophile bzw. psychotolerante Mikroorganismen (Brochothrix thermosphacta; Pseudomonas fragi) können ein Problem bei der Lagerung gekühlter Lebensmittel darstellen. Diese können trotz niedriger Temperaturen entscheidend zum Verderben beitragen. Yersinia enterocolitica, Listeria monocytogenes, Clostridium botulinum bzw. Bacillus cereus sind zudem humanpathogen.

Andererseits wird Bier sowie viele Molkereiprodukte (Käse, Joghurt) und psychotoleranten Mikroorganismen hergestellt. Diese spielen daher für die biotechnologische Fermentation eine wichtige Rolle.

Einzelnachweise

  1. Johannes Krämer: Lebensmittelmikrobiologie, 5. Auflage, Eugen Ulmer Verlag Stuttgart, 2007, ISBN 9783825214210; S. 143
  2. K. Munk, a. a. O, S.452ff.
  3. W. Fritsche, a. a. O.; S. 364
  4. Zakaria, MM. et al. (1998): Optimization for beta-mannanase production of a psychrophilic bacterium, Flavobacterium sp.. In: Biosci Biotechnol Biochem. 62(4); 655-660; PMID 9614696; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)
  5. Vezzi, A. et al. (2005): Life at depth: Photobacterium profundum genome sequence and expression analysis. In: Science 307(5714); 1459–1461; PMID 15746425; doi:10.1126/science.1103341
  6. Kato, C. und Bartlett, DH. (1997): The molecular biology of barophilic bacteria. In: Extremophiles 1(3); 111–116; PMID 9680316; doi:10.1007/s007920050023
  7. "A Survivor in Greenland: A Novel Bacterial Species is Found Trapped in 120,000-Year-Old Ice", physorg.com, 3. Juni 2008
  8. „Bakterienart überlebt 120.000 Jahre im Grönlandeis“, pressetext.austria, 4. Juni 2008
  9. Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): Allgemeine Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 561

Literatur

  • Wolfgang Fritsche: Mikrobiologie. Spektrum Akademischer Verlag; 3. Auflage 2001; ISBN 3-8274-1107-6; S. 362f.
  • Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart 2008; ISBN 978-3-13-144861-3; S. 452ff.
  • Bartlett, DH. (1999): Microbial adaptations to the psychrosphere/piezosphere. In: J Mol Microbiol Biotechnol. 1(1); 93–100; PMID 10941790; PDF (freier Volltextzugriff, engl.)

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