Publikumsbeschimpfung

Publikumsbeschimpfung

Publikumsbeschimpfung ist ein Sprechstück in einem Akt von Peter Handke. Es wurde am 8. Juni 1966 in Frankfurt am Main im Theater am Turm unter der Regie von Claus Peymann uraufgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Über das Stück

Handkes erstes Sprechstück ist Ausdruck seiner Ablehnung der in den 1960er Jahren vorherrschenden Theaterformen und ihrer Themen. In besonders krassem Gegensatz steht es zu Bert Brechts Epischem Theater mit seinen dokumentarisch-didaktischen Ansätzen. Handke ging es darum, Nachdenken über das Theater selbst zu fördern. Insbesondere das Geschehen zwischen Darsteller und Publikum bei einer Theatervorstellung steht im Zentrum seines Interesses. Dazu verzichtet der Autor auf im Theater übliche Elemente, bzw. kehrt sie um: Zum Beispiel betreten die Darsteller die Bühne von hinten.

Der Sprachrhythmus des Stücks, das zum Teil aus verkürzten Sätzen besteht, zeigt sich beeinflusst von der gerade aufgekommenen Beatmusik.

Inhalt

Es treten vier namenlose Personen ohne besondere Kostümierung auf und sprechen das Publikum, das im Licht sitzt, direkt an: Wir sprechen nur. Damit ist bereits gesagt, dass das Stück keine Handlung im klassischen Sinn bereithält. Es geht vielmehr darum, sich mit dem Theater auseinanderzusetzen. Die Darsteller gehen im weiteren Verlauf des Stücks zunächst auf etwaige individuelle Befindlichkeiten beim Publikum ein und sprechen es direkt an, allerdings ohne es dabei zu beschimpfen. Mit der eigentlichen Publikumsbeschimpfung, die nur den letzten Teil des Stücks bildet, soll nach vorherigem Bekunden der Darsteller eine gewisse Unmittelbarkeit hergestellt werden: Das Publikum wird mit allerlei Unerfreulichem betitelt, das zu einem nicht kleinen Teil konkret auf die jüngere deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945 anspielt, z. B. ihr Kriegstreiber, ihr Untermenschen. Nach den Beschimpfungen wird dem Publikum von den Darstellern eine gute Nacht gewünscht und lauter Beifall geklatscht.

Trivia

Handke zu seinem ehemaligen Professor Günther Winkler an der Universität Wien: „Wissen Sie, was ich von Ihnen gelernt habe? – Die Publikumsbeschimpfung!“[1]

Einzelnachweise

  1. Wiener Zeitung Online: Querdenker auf den Lehrstühlen, 2. Absatz letzter Satz.

Ausgaben

  • Peter Handke: Publikumsbeschimpfung und andere Sprechstücke. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1966. (Edition Suhrkamp 177) (Nachdruck 2004, ISBN 3-518-10177-3)

Literatur

  • Behse, G.: Über Peter Handkes Erfolgsstück „Publikumsbeschimpfung“. In: Jutta Kolkenbrock-Netz (Hg.): Wege der Literaturwissenschaft. Bonn 1985, 345-371.
  • Durzak, Manfred: Peter Handke und die deutsche Gegenwartsliteratur. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982, 79-92.
  • Mixner, Manfred: Peter Handke. Kronberg 1977.
  • Motekat, Helmut: Theater ohne Drama oder das „Sprechstück“. In: Norbert Honsza (Hg.): Zu Peter Handke: zwischen Experiment und Tradition. Stuttgart 1983, 5-11.
  • Heißenbüttel, Helmut: Peter Handke: „Publikumsbeschimpfung“. In: Manfred Brauneck (Hg.): Das deutsche Drama vom Expressionismus bis zur Gegenwart. Bamberg 1977, 327-333.
  • Hinderer, Walter: Wittgenstein für Anfänger? Anmerkungen zu Peter Handkes linguistischem Theater. In: JDSG 26 (1982), 467-488.
  • Honsza, Norbert: Publikumsbeschimpfung. In: Ders. (Hg.): Zu Peter Handke: zwischen Experiment und Tradition. Stuttgart 1983, 12-15.
  • Kraus, Dorothea: „Dies ist keine andere Welt als die Ihre“. Zu Peter Handkes Publikumsbeschimpfung“ In: Der Deutschunterricht, Bd. 60 (2008) H.1, 43-52.
  • Nägele, Rainer: Peter Handke: Aspekte eines experimentellen Theaters. In: Colloquia Germanica 1981, 220-228.
  • Neis, Edgar: Erläuterungen zu Peter Handke: Publikumsbeschimpfung, Kaspar. Hollfeld: Bange 1978. (Königs Erläuterungen und Materialien 324).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Publikumsbeschimpfung — Publikumsbeschimpfung,   Stück von P. Handke, Uraufführung 1966 im Theater am Turm, Frankfurt am Main, gedruckt gleichfalls 1966 …   Universal-Lexikon

  • Peter Handke — Peter Handke, 2006 Peter Handke (* 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten) ist ein österreichischer Schriftsteller und Übersetzer. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Peter Handke — Infobox Writer name = Peter Handke imagesize = caption = pseudonym = birthname = birthdate = Birth date and age|1942|12|06 birthplace = Griffen, Austria deathdate = deathplace = occupation = Novelist, Playwright nationality = Austrian ethnicity …   Wikipedia

  • Aulenkamp — Roswitha Aulenkamp (* 20. Juli 1946 in Schwalmstadt) ist eine deutsche Komponistin, Klavierpädagogin und Pianistin. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Veröffentlichungen 3 Auszeichnungen 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Goethe-Schiller-Gymnasium — Außenansicht des Goethegebäudes Schultyp Gymnasium Gründung 1905 Ort Jüterbog …   Deutsch Wikipedia

  • Günther Büch — (* 3. Dezember 1932 in Saarbrücken; † 26. April 1977 in Nürnberg) war ein Schauspielregisseur. Er studierte Germanistik, Philosophie, Kunst und Theatergeschichte in Wien, Paris und München. Inhaltsverzeichnis 1 Feste Theaterengagements 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Kargel — Uta Kargel (* 29. Mai 1981 in Halle/Saale) ist eine deutsche Film und Fernseh sowie Bühnendarstellerin. Nach dem Abitur absolvierte sie zunächst eine Ausbildung als Buchhändlerin. Daneben spielt sie in der Theatergruppe Grüner Hund, die sie im… …   Deutsch Wikipedia

  • Kultur in Österreich — Die Österreichische Kultur ist seit Jahrhunderten mit der europäischen Kultur verbunden und hat international bekannte Leistungen hervorgebracht. So entstanden etwa in allen Stilepochen bedeutende Bauwerke, von denen viele heute zum UNESCO… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste deutscher Dramen — Wichtiger Hinweis Beim Eintrag eines verlinkten Theaterstücks muss vorher überprüft werden, ob der Link zum Artikel über das Theaterstück oder zu einem anderen, gleichnamigen Begriff führt. Die Abkürzung „UA“ bedeutet Uraufführung. 0 9 Die 25.… …   Deutsch Wikipedia

  • Museen in Frankfurt am Main — Die Alte Oper am Opernplatz in Frankfurt am Main Das Angebot an Kultur in Frankfurt am Main ist äußerst vielseitig. Rund 20 Bühnen, 30 freie Theatergruppen und über 60 Museen sowie Ausstellungshäuser werben um ihr Publikum, und das nicht nur in… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”