Pulmonalembolie

Pulmonalembolie
Klassifikation nach ICD-10
I26 Lungenembolie
O88 Embolie während der Gestationsperiode
O08.2 Embolie nach Abort, Extrauteringravidität und Molenschwangerschaft
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Eine Lungenembolie, auch Lungenthrombembolie oder Pulmonalarterienthrombembolie genannt, entsteht durch die Verstopfung eines Blutgefäßes in der Lunge mit einem Blutpfropfen (Blutgerinnsel), dem so genannten Thrombus, oder durch Gasbläschen, beispielsweise bei einem Tauchunfall.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Der die Lungenembolie auslösende Thrombus entsteht bis zu 80 % in den tiefen Bein- oder Beckenvenen und gelangt über die untere Hohlvene, den rechten Vorhof und Ventrikel des Herzens in die Pulmonalarterie. Dort bleibt der Thrombus stecken und verschließt das Gefäß. Je größer der Thrombus, desto größer ist das nicht mehr durchblutete Areal oder die Lungenembolie. Oft handelt es sich um mehrere Thromben, die gleichzeitig oder auch in zeitlichem Abstand Lungengefäße ganz oder teilweise verstopfen. Auch können bei einem Patienten beide Lungenflügel betroffen sein.

Die Lungenembolie gehört zu den am häufigsten übersehenen und falsch diagnostizierten Todesursachen.[1].

Folgen

Der Embolus verstopft die Gefäße und verhindert die Versorgung der dahinterliegenden Gefäße mit Blut. Dadurch kommt es insbesondere zum Ausfall von Lungengewebe hinter dem Thrombus, wodurch die sauerstoffaustauschende Fläche der Lunge verkleinert wird. Bevorzugt sind die rechte Lunge sowie die Unterfelder von einem Thrombus betroffen. Besonders problematisch und symptomatisch ist der sofortige Blutstau vor dem Thrombus, der zu einer mehr oder weniger starken Druckerhöhung im sogenannten kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) führt. Dadurch kommt es zur Überlastung des rechten Herzens, das nun gegen einen erhöhten Widerstand arbeiten muss. Akutes Herzversagen, aber auch Sauerstoffmangel (Hypoxie) aller Organe, insbesondere des Gehirns (mit hypoxischem Hirnschaden) stehen im Vordergrund. Ansonsten führt eine nachfolgende Infektion des nicht mehr ausreichend versorgten Lungengewebes in Folge regelmäßig zu einer akuten, schwer beherrschbaren Infarktpneumonie (Lungenentzündung) mit insgesamt infauster Prognose, insbesondere bei der fulminanten Lungenembolie.

Bei einer großen (fulminanten) Lungenembolie kann im Extremfall der Ausfluss aus dem rechten Herzen blockiert werden, was zu akutem Rechtsherzversagen führt. Unbehandelt hat das akute Rechtsherzversagen bei einer großen Lungenembolie eine schlechte Prognose, das heißt, die Sterblichkeit ist hoch. Aber auch kleinere Lungenembolien können zu Rechtsherzproblemen führen. Hier ist die Drucksteigerung im kleinen Kreislauf nicht so schwerwiegend, die akute Überlebensrate der Patienten meist auch viel höher. Die Thromben werden in den meisten Fällen abgebaut und das Gefäßsystem wird wieder frei. Trotzdem kann sich im weiteren Verlauf bei einigen Patienten (vor allem mit immer wiederkehrenden kleineren Lungenembolien) ein chronischer Lungenhochdruck entwickeln.

Das hinter dem Embolus gelegene Lungenareal kann insbesondere nach größerer Embolie mit Zerstörung eines Teils des bindegewebigen Lungengrundgerüstes zudem infarzieren. Trotz der an sich hohen Regenerationskraft des Lungengewebes sterben dahinter ganze Bereiche dauerhaft ab. Übersteht dies der Organismus, entsteht eine Lungenfibrose. Der Befall größerer Bereiche mit entsprechender Funktionseinbuße resultiert in Kurzatmigkeit, reduzierter Belastbarkeit und oft dauerhaftem Husten. Die erleichterte Invasion von Keimen in das anfangs nekrotische, danach fibrotisch veränderte – Antibiotika völlig oder zumindest weitgehend unzugängliche – Gewebe führt auch später zu gehäuften Infektionen bis zu Pneumonien. Die fibrotischen narbigen Umbauprozesse erhöhen auch das Risiko für späteren Lungenkrebs als Endzustand. Alles zusammen erklärt die sehr hohe durchschnittliche Rate der Spättodesfolgen von 25 %, die bei schweren Fällen, auch wegen dann besonders gefährlichen Remissionen, noch erheblich höher ausfällt.

Ursachen und Auslöser

Es gibt bestimmte Risikopatienten, die zu Thrombosen und damit zu Lungenembolien neigen. Dazu gehören zum Beispiel Personen mit angeborenen Störungen des Gerinnungssystems (etwa Faktor-V-Leiden-Mutation), mit malignen (bösartigen) Erkrankungen, mit einer Lungenentzündung, wie auch frisch Operierte. Auch bestimmte Medikamente wie „die Pille“ bei gleichzeitigem Nikotin-Missbrauch erhöhen das Risiko.

Bei entsprechender Prädisposition kann dann jede Immobilisierung, besonders der unteren Gliedmaßen, zum Auslöser werden die durch Stase des Blutes das Anwachsen eines Thrombus (ähnlich „Kondensation“) begünstigen: Blutstauung bei lange angewinkeltem Knie, etwa bei langen Busfahrten oder beim Langstreckenfliegen, Touristenklasse-Syndrom, nach Brüchen und Verstauchungen sowie Bettlägerigkeit jeder Art. Bei Personen, die an Herzrhythmusstörung leiden, können Blutgerinnsel im rechten Herzen entstehen, die dann ebenfalls eine Lungenembolie verursachen können.

Den Zeitpunkt des akuten Eintritts bestimmt dagegen erst das spätere Ablösen eines Thrombus und dessen Wandern, hier bis zum Erreichen der Lunge. Das geschieht typisch durch Mobilisierung nach dem Ruhen, also teilweise deutlich nach dem Aufstehen, beim Pressen (Stuhlgang) und anderen ersten körperlichen Anstrengungen danach. Ihnen allen ist die plötzliche Blutdruckänderung im venösen System mit einer Dilatation der Gefäße nach Inaktivität gemeinsam.

Symptomatik

Die typische Symptomatik einer Lungenembolie ist eine akute Luftnot bei bestehender tiefer Beinvenenthrombose. Weitere häufige Symptome sind thorakaler (evtl. atemabhängiger) Schmerz, Tachykardie („Herzrasen“) und Hypotonie (Schock), Tachypnoe (überhöhte Atemfrequenz), Zyanose (Blaufärbung der Haut) und Husten.

Schweregradeinteilung nach Grosser

Schweregrad I Schweregrad II Schweregrad III Schweregrad IV
Klinik diskret, in 80 % klinisch stumm Akute Dyspnoe, Tachypnoe, thorakaler Schmerz, Angst, Hämoptysen, Fieber, Pleuraerguss Zusätzlich Schocksymptomatik
Blutdruck normal evtl. leicht erniedrigt erniedrigt stark erniedrigt
PA(Pulmonalarterien)-Mitteldruck (mmHg) normal (<20) meist normal 25-30 >30
PaO2 (mmHg) >75 evtl. erniedrigt <70 <60
Gefäßverschluss periphere Äste Segmentarterien PA-Ast oder mehrere Lappenarterien Ein PA-Ast und mehrere Lappenarterien

Diagnostik

Lungenembolie mit Nachweis eines großen Thrombus innerhalb der rechten Pulmonalarterie

Bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie kann die Diagnose am schnellsten mit einer kontrastmittelverstärkten Computertomographie gesichert werden.

Rechtsherzbelastungszeichen als indirekte Zeichen einer Lungenembolie lassen sich im EKG (sog. SIQIII-Typ) und in der Echokardiographie nachweisen. In der Blutgasanalyse zeigt sich ein vermindertes pO2 bei einem gleichzeitig vermindertem pCO2 als Folge der Hyperventilation bei Hypoxämie.

Eine Lungenembolie lässt sich laborchemisch bei unauffälligen Dimeren mit hoher Sicherheit ausschließen. Erhöhte D-Dimere lassen keine Aussage zu, da sie leicht falsch positiv werden. So sind die D-Dimere nach Operationen, Sport oder Unfällen oft erhöht.

Kleinere Embolien, die der CT entgehen könnten, lassen sich manchmal mittels einer Szintigrafie nachweisen. Dieses Verfahren kommt jedoch wegen der oft fehlenden klinischen Relevanz, der geringen Verfügbarkeit und der im Verhältnis zu modernen CT langen Untersuchungsdauer immer seltener zum Einsatz.

Erschwert wird die Symptombeurteilung und Diagnostik oft, weil mehrere, auch kleine Thromben beteiligt sein können.

Auch die Magnetresonanztomografie (MR) bietet die Möglichkeit zur Diagnostik der Lungenembolie. Diese kommt jedoch bei der gegenwärtigen Verbreitung geeigneter Geräte nur selten mit dieser Fragestellung zum Einsatz.

Die früher häufig durchgeführte konventionelle Angiografie der Lungenstrombahn liefert gute Ergebnisse. Sie wird jedoch wegen des damit verbundenen technischen Aufwandes, der erheblichen Belastung des Patienten und des Risikos, das mit der Einführung eines Katheters in den Lungenkreislauf des Patienten verbunden ist, seltener durchgeführt.

Differentialdiagnose

z.B.

Therapie

Eine Lungenembolie ist potenziell immer lebensbedrohlich und muss sofort behandelt werden.

Neben der Sauerstoffzufuhr wird in jedem Fall eine „Blutverdünnung“ (Antikoagulation) mit Heparin und nach Abklingen akuter Symptome zur Vermeidung erneuter Thrombosen danach längerzeitig eine Therapie mit Phenprocoumon oder Warfarin durchgeführt. Bei schweren Lungenembolien mit Schocksymptomen und beschriebener schwerer Rechtsherzbelastung, sind neben dem Versuch einer Kreislaufstabilisierung rasch „rekanalisierende“ Maßnahmen nötig. Neben einer Lysetherapie werden als akut lebensrettende Maßnahme dann kathetertechnische mechanische „Zertrümmerung“ von lokalisierten Thromben wie auch eine operative Entfernung (Embolektomie) zu erwägen sein. Bei der operativen Ausräumung des Embolie-Materials existieren Verfahren ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und solche mit deren Einsatz. Gegebenenfalls erfolgt die Operation unter andauernder Wiederbelebung des Patienten als sogenannte Ultima ratio(letzte lebenserhaltende Maßnahme).

Die gerinnungshemmenden Stoffe müssen nach einer Lungenembolie für einige Monate, in manchen Fällen (bei bestimmten angeborenen Störungen des Gerinnungssystems sowie bei rezidivierenden Lungenembolien) lebenslang genommen werden, um erneute Thrombosen und Lungenembolien zu vermeiden.

Die beste Schutzmaßnahme ist die Thromboseprophylaxe, die vor allem bei bettlägerigen Patienten und postoperativ angewendet wird. Hierbei erhält der Patient ein gerinnungshemmendes Medikament (meist ein so genanntes niedermolekulares Heparin) unter die Haut gespritzt. Auch das Tragen von Anti-Thrombose-Strümpfen hat sich bewährt. Wichtig für die Prophylaxe ist auch eine frühe Mobilisation der Patienten.

Literatur und Quellen

Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin (2005). Diagnostik und Therapie der Bein- und Beckenvenenthrombose und Lungenembolie (Deutsch). Abgerufen am 10. April 2009.


Einzelnachweise
  1. nach W. Huckenbeck Institut für Rechtsmedizin, Universität Düsseldorf, Rechtsmedizinische Aspekte der Kausalkette Thrombose – Lungenembolie – Tod [1]
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