Pulsus Paradoxus

Pulsus Paradoxus
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In der Medizin beschreibt der Puls (v. lat.: pellere = schlagen, klopfen; PPP pulsum) überwiegend qualitativ die mechanischen Auswirkungen von Herzaktionen auf die direkte Umgebung oder deren Fortleitung in entferntere Regionen des Körpers durch das Gefäßsystem. Als Puls bezeichnet man sowohl die Pulsfrequenz (Zahl der Impulse pro Minute; zum Unterschied dieser Pulszahl zur Herzfrequenz vgl. Pulsdefizit) als auch die Qualität dieser Impulse (z. B. „weicher“, „schwacher“ oder „schwirrender“ Puls).

Inhaltsverzeichnis

Pulsarten

Man unterscheidet eine retrograde (rückwärts, gegen den Blutstrom) von einer anterograden (vorwärts, mit dem Blutstrom) Fortleitung der Herzaktion in den Gefäßen. Die retrograde Fortleitung bestimmt den Venenpuls (siehe unten), die anterograde Fortleitung den arteriellen Puls. Der arterielle Puls findet in der Medizin mehr Beachtung als der venöse Puls. Der Puls gibt Aufschluss über die Effektivität der Herzaktion, ihre Regelmäßigkeit, die Druckanstiegsgeschwindigkeit in den herznahen Gefäßen während der Systole, den absoluten Druck und das Füllungsvolumen der Gefäße.

Pulsvariationen

Ruhepuls

Die Herzschlagfrequenz in Ruhe beträgt bei einem gesunden Menschen 50 bis 100 Schläge pro Minute. Manchmal ist der peripher getastete Puls langsamer als die Herzfrequenz im EKG. Das hängt mit früh einfallenden Extraschlägen zusammen, die zu einer mechanisch unwirksamen Herzaktion führen. Man spricht dann von einem Pulsdefizit. Am besten misst man den Ruhepuls morgens.

Der Ruhepuls eines trainierten Ausdauersportlers beträgt meistens zwischen 32 und 45 Schlägen pro Minute. Seltener ist ein Ruhepuls von weniger als 30 Schlägen pro Minute. Das Schlagvolumen und meist auch das Lungenvolumen dieser Sportler sind dabei erhöht.

Durchschnittlicher Ruhepuls:

  • bei Foeten: ca. 150/min
  • bei Säuglingen: ca. 130/min
  • bei Kindern: ca. 100/min
  • bei Jugendlichen: ca. 85/min
  • bei Erwachsenen: ca. 70/min
  • bei Senioren: ca. 90/min

Paradoxer Puls

Als paradoxen Puls oder Pulsus paradoxus bezeichnet man den nicht normalen Abfall der Blutdruckamplitude um mehr als 10 mmHg bei der Einatmung. Er tritt u. a. bei größeren Perikardergüssen auf und gilt als Zeichen einer drohenden Perikardtamponade. Weiterhin findet sich ein Pulsus Paradoxus bei einem Panzerherz, Spannungspneumothorax und bei schweren Asthmaanfällen.

Venenpuls

Auch an den Venen gibt es einen schwachen Puls. Allerdings ist der Venenfluss von mehreren Faktoren abhängig, insbesondere von der Atmung, der Körperlage und der Körperaktivität und nicht so sehr vom zweigipfligen Venenpuls, der durch wechselnde Druckverhältnisse im rechten Vorhof des Herzens zustande kommt. Der Venenpuls wurde früher als Jugularvenenpulskurve aufgezeichnet und kann heute relativ leicht mit einem Dopplergerät an den verschiedensten Regionen des Körpers abgeleitet werden. Dazu muss allerdings die Dopplerfrequenz auf die niedrigen Flussgeschwindigkeiten im Venensystem umgeschaltet werden.

Die typische Venenpulskurve zeigt zwei markante Täler, die dem systolischen und diastolischen Zustrom zum Herzen entsprechen. Nur in einer kurzen Phase kommt es zu einem kurzen Rückstrom in die Venen, was sich in der Venenpulskurve als kleiner Berg manifestiert. Dieser Rückstrom entspricht der Vorhofsystole und wird als A-Welle bezeichnet. Dieser kurze Rückstrom ist allerdings nur bei Sinusrhythmus und intakter mechanischer Vorhofaktion vorhanden. Bei einer schweren Trikuspidalinsuffizienz strömt das Blut aus der rechten Herzkammer in der Systole in erheblichem Maß zurück in den rechten Vorhof und die vorgeschalteten Venen, so dass das systolische Tal der Venenpulskurve aufgehoben oder sogar umgekehrt als Berg erkennbar ist.

Eine ganz ähnliche Venenpulskurve lässt sich mittels Transösophagealer Echokardiografie (TEE) auch aus den Lungenvenen aufzeichnen. Sie kann zur Beurteilung des Schweregrades einer Mitralklappeninsuffizienz herangezogen werden.

Pulsmessung (Sphygmologie)

Der Puls kann auf unterschiedliche Weise gemessen werden: Entweder man verwendet ein Pulsmessgerät, oder man führt die Messung manuell aus. Bei der Messung wird die Anzahl der Impulse pro Minute gemessen. Man kann sie auch in anderen Zeiteinheiten messen und in Impulse pro Minute umrechnen.

Es gibt verschiedene Stellen am Körper, an denen man den arteriellen Puls leicht tasten kann, z. B.:

Im Notfall sind der Femoralispuls (Leistenregion) und der Carotispuls (am Hals) am verlässlichsten tastbar, da er auch noch bis zu Blutdruckwerten um 60 mmHg systolisch nachweisbar ist, periphere Pulse bis 80 mmHg. Um bei der Messung die ganze Pulswelle zu erfassen, sollte der Puls mit drei Fingern getastet werden.

Oft wird in der Literatur angegeben, man solle den Puls nicht mit dem Daumen tasten, da dieser bei manchen Menschen selber einen fühlbaren Puls aufweise, welcher dann mit dem zu messenden Puls verwechselt werden kann. Der Daumen ist aber vor allem weniger empfindlich als die drei Finger.

Pulsqualitäten

Neben der wichtigen Aussage Puls tastbar oder Puls nicht tastbar, zum Beispiel bei einem akuten Gefäßverschluss, unterscheidet man die Pulsqualitäten:

Regelmäßigkeit: regularis (regelmäßig) irregularis (unregelmäßig) (Herzrhythmusstörung)
Frequenz: frequens (schnell) rarus (langsam)
Härte (Unterdrückbarkeit): duris (hart) mollis (weich) (bei hohem oder niedrigem Blutdruck)
Amplitude: altus (hoch) parvus (gering)
Anstiegssteilheit: celer (schnell) tardus (langsam)

Klinisch bedeutsam sind z. B. folgende Pulsqualitäten:[1]

  • Pulsus celer, altus, durus: „Wasserhammerpuls“, schnell, hoch und hart, typisch bei Aorteninsuffizienz
  • Pulsus tardus, parvus, mollis: langsam, klein und weich, typisch bei Aortenstenose
  • Pulsus bisferiens, auch Pulsus dicrotus (Dikrotie): zweigipfelig, bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie
  • Pulsus tricrotus (Trikrotie): dreigipfelig bei Dikrotie mit folgender Extrasystole
  • Pulsus alternans: Wechsel von stark und schwach, evtl. bei Herzinsuffizienz
  • Pulsus bigeminus (Bigeminie): regelmäßiger Wechsel von hart und weich, typisch für ventrikuläre Extrasystolen
  • Pulsus trigeminus (Trigeminie): zwei Sinusschläge und eine Extrasystole (oder umgekehrt)
  • Pulsus anacrotus (Anakrotie): zusätzliche Pulswelle im aufsteigenden Schenkel, typisch bei Aortenstenose
  • Pulsus vibrans: schwirrender Carotispuls, typisch bei Aortenstenose
  • Pulsus filiformis (parvus, frequens, mollis): fadenförmiger, „dünner“ Puls, z. B. bei Kollaps
  • Pulsus intermittens: Aussetzen einzelner Schläge, vgl. Pulsdefizit

Die Traditionelle Chinesische Medizin beschreibt mehr Taststellen und Pulsqualitäten (s. Pulsdiagnose).

Günstiger Trainingspuls

Für die Berechnung eines optimalen Trainingspulses existieren verschiedene Formeln. Er hängt u. a. von den verfolgten Zielen ab und liegt für Ausdauersportarten zwischen 70 % (extensives Training) und 85 % (intensives Training) des individuellen Maximalpulses. Häufig wird eine Belastung von ca. 60 % des Maximalpulses zur optimalen Fettverbrennung angegeben. Diese Angabe beruht auf einer Fehlinterpretation von Fettstoffwechseltraining. Praktisch jede sportliche Aktivität geht auch mit Fettverbrennung einher, so dass für eine Gewichtsabnahme nur die Gesamtzahl der verbrauchten Kalorien im Rahmen der Energiebilanz von Bedeutung ist.[2] Eine möglichst zuverlässige Feststellung des optimalen Trainingspulses erfolgt mit Hilfe der Ergometrie. Grobe Richtwerte für ein extensives Ausdauertraining können wie folgt ermittelt werden, sofern keine Arzneimittel wie beispielsweise Betablocker eingenommen werden:

(Maximalpuls - Ruhepuls) × 0,6 + Ruhepuls = Trainingspuls

Zur annäherungsweisen Bestimmung des Maximalpulses kann folgende Formel verwendet werden:

220 − Lebensalter = Maximalpuls

Der so ermittelte Maximalpuls ist nur ein empirischer Richtwert. Er kann individuell von Person zu Person unterschiedlich sein. Insofern ist die Bestimmung des individuellen Maximalpulses durch entsprechende Ausdauerbelastung in den meisten Fällen ratsam.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H. S. Füeßl, M. Middeke: Anamnese und klinische Untersuchung. Thieme, Stuttgart 2005.
  2. K. A. Moosburger: "Fettverbrennung" im Sport - Mythos und Wahrheit
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