Purwin

Purwin
„Felizitas“ Beetz, 1943 in Rom

Hilde Purwin (* 16. September 1919 in Obernissa bei Erfurt als Hildegard Gertrud Burkhardt) ist eine ehemalige deutsche Journalistin. Ihre historische Rolle als Felizitas Beetz wurde in mehreren Büchern und Filmen behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Leben bis 1945

Hilde Purwin wurde 1919 als ältestes von zwei Kindern des Ehepaares Eduard und Martha Burkhardt, geb. Bähr, geboren. Zwei Jahre später kam ihr Bruder Rolf zur Welt. Die frühe Kindheit verbrachte sie in ihrem Geburtsort Obernissa, bis die Familie ein Haus in der Belvederer Allee in Weimar bezog. Als sie vierzehn Jahre alt war starb ihr Vater, ein Lehrer und ehemaliger Fliegeroffizier des Ersten Weltkriegs.

1937 machte sie Abitur am Weimarer Realgymnasium für Jungen und nahm 1938 ihr „Haushaltsjahr“ bei der Familie Madaus in Dresden. 1939 folgte ein Sprachdiplom für Italienisch in Leipzig. 1941 wurde sie kriegsdienstverpflichtet als Übersetzerin an der deutschen Botschaft in Rom. 1943 schloss sie die Ehe mit dem Generalstabsoffizier Gerhard Beetz. Sie wurde vom Sicherheitsdienst Reichsführer-SS als Felizitas auf Außenminister Galeazzo Ciano angesetzt; die Nazis wollten auf diese Weise in Besitz dessen brisanter Tagebücher gelangen. Es wurde zu diesem Zweck eigens eine Scheinfirma für Import/Export in der Nähe der Deutschen Botschaft in Rom gegründet, da sich die Achsenmächte in einem internen Abkommen verpflichtet hatten, gegenseitig keine Spionage zu treiben. Ihre offizielle Tätigkeit wurde auch hier mit „Übersetzerin“ angegeben. Als Dolmetscherin wurde sie dem italienischen Außenminister Ciano während seines Aufenthalts in Allmannshausen zur Seite gestellt, wo sie auch dessen Frau Edda und seine Kinder näher kennenlernte[1].

Ciano wurde bei seiner Rückkehr nach Italien verhaftet und in das Gefängnis von Verona gebracht. Als Felizitas war sie die einzige Person, der ein uneingeschränkter Besuch Cianos in dessen Gefängniszelle erlaubt war. Edda sah in ihr jedoch keine Konkurrentin, sondern eher eine Verbündete, über die sie unentdeckt Briefe mit ihrem Mann austauschen konnte und mit der sie auch die Rettung der Familie und der Tagebücher plante[2]. Angesichts der lebensgefährlichen Lage, in die sie sich - mittlerweile als Doppelagentin - begeben hatte, suchte sie in Lausanne die Adresse der mit den Cianos befreundeten Susanna Agnelli auf, die dort Medizin studierte, um sich von ihr eine Kapsel mit Zyankali zu besorgen.[3]

Gemeinsam mit dem Grafen Pucci verhalf sie nach der Erschießung Cianos im Januar 1944 seiner Familie (samt Tagebüchern) zur Flucht in die Schweiz[4]. Hitler hatte noch Anfang April 1945 angeordnet, sämtliche Ciano-Dokumente zu vernichten; Hildegard Beetz vergrub jedoch ihre Durchschläge von wesentlichen aus der Anfangszeit bis 1939 stammenden Teilen im elterlichen Garten in Weimar. Es handelte sich hierbei um Cianos Aufzeichnungen über Gespräche und Korrespondenzen mit Hitler, Mussolini und dem damaligen deutschen Außenminister Ribbentrop, die 1948 in London unter dem Titel Ciano's Diplomatic Papers veröffentlicht wurden[5]. 1945 kam es auch zur Übergabe von Tagebuchnotizen Mussolinis an den OSS, die er während seiner Inhaftierung auf dem Gran Sasso geschrieben hatte, welche ihm jedoch während des Skorzeny-Coups heimlich entwendet worden waren. Im Unterschied zu den historisch bedeutsamen Aufzeichnungen Cianos beinhalteten die Mussolini-Notizen im Wesentlichen nur unbedeutende, für den Diktator typische pathetische Tiraden.

Journalistische Karriere nach dem Zweiten Weltkrieg

1946 war sie Übersetzerin bei der amerikanischen Militärverwaltung in Berlin (OMGUS). Ein Jahr später wurde ihre „Kriegsehe“ geschieden; sie erhielt eine neue Identität von den Amerikanern als Hilde Blum, geboren 1920. Kurz darauf begann ihre journalistische Laufbahn beim Berliner Telegraf. Im Anschluss an ihr Volontariat wurde sie nach Frankfurt am Main geschickt, um über den dort ansässigen Wirtschaftsrat der Bizone zu berichten.

1950 zog sie in die provisorische Bundeshauptstadt Bonn um und heiratete dort 1951 den Journalisten Carl-Heinz Purwin. 1952 kam ihr Sohn Ulrich zur Welt. Als Bonner Korrespondentin der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ) wurde Hilde Purwin fest angestellt; sie erfüllte diese Aufgabe bis zu ihrer Pensionierung. Im selben Jahr gehörte sie zusammen mit 22 weiteren Bonner Korrespondenten zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Presseclubs[6] und saß in den Folgejahren auch im Vorstand der Bundespressekonferenz[7]. Sie hatte eine Reihe von Fernsehauftritten u. a. bei Werner Höfer und Reinhard Appel und nahm auch an vielen Rundfunksendungen teil. 1970 erhielt sie durch den damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Heinz Kühn das Bundesverdienstkreuz erster Klasse.

1984 folgte die Versetzung in den Ruhestand. Sie arbeitete noch einige Jahre weiter als freie Journalistin. Ihre unveröffentlichten Memoiren[8], sowie einige Originaldokumente aus der Zeit als „Felizitas“ befinden sich seit 2007 im Archiv des DHI in Rom.

Einzelnachweise

  1. Erich Kuby: Verrat auf Deutsch. Wie das Dritte Reich Italien ruinierte. Hoffmann und Campe: Hamburg 1982, ISBN 3-455-08754-X (S.280ff)
  2. Edda Mussolini Ciano: My Truth. As told to Albert Zarca, Weidenfeld and Nicholson, London 1977, ISBN 0-297-77302-X (ins Englische übersetzt aus dem Französischen von Eileen Finletter; S.225ff)
  3. Susanna Agnelli: Wir trugen immer Matrosenkleider, Piper Verlag, München 1988, ISBN 3-492-10726-5 (S.180/181)
  4. Erich Kuby: Verrat auf Deutsch (S.379ff)
  5. Ray Moseley: Zwischen Hitler und Mussolini. Das Doppelleben des Grafen Ciano, Henschel Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-894-87311-6 (S.284ff)
  6. Heinz Murmann: Mit ‚C‘ ist es feiner. Der Deutsche Presseclub Bonn 1952 bis heute, Bouvier, Bonn 1997, ISBN 3-416-02713-2 (S.49)
  7. Gunnar Krüger: Wir sind doch kein exklusiver Club! Die Bundespressekonferenz in der Ära Adenauer, LIT-Verlag, 2005, ISBN 3-8258-8342-6 (S.48, S.142)
  8. Hans-Henning Zencke: Gnadengesuch für Bonn. Notizen über eine mühsame Politik, Econ Verlag, Düsseldorf 1984, ISBN 3-430-19934-4 (S.96)

Weblinks


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