Quadrophonie

Quadrophonie

Quadrofonie (auch: Quadrophonie oder Vierkanalstereofonie) ist eine in den 1970er Jahren entwickelte Form der Mehrkanalaufzeichnung und -wiedergabe, die vor allem zwischen etwa 1969 und 1980 anzutreffen war. Sie erreichte zwar keine große Verbreitung, ist jedoch bedeutend als Vorläufertechnik der heutigen Dolby-Surround-Technik und ihrer Nachfolger, sowie auch Surround-Sound 5.1.

Schematische Darstellung der Quadrofonie

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zeichen für Quadrophonie (4.0 Sound)

Mitte der 1960er Jahre begann sich Stereo langsam gegen Mono durchzusetzen. Die Firma Philips entwickelte die ersten Compact-Cassetten-Geräte als Diktiergeräte. Die ersten Geräte für Musik waren ebenfalls in Mono, bald setzte sich analog zur Schallplatte bei den Kassettenrekordern rasch Stereo durch. Viele Platten erschienen noch parallel in Stereo und Mono. Anfang der 70er Jahre lief die Zeit der Mono-Schallplatte im Konsumentensektor langsam aus. Im Bereich der Radiosender hielt sich die Mono-Seite auf Promo-Pressungen noch bis Mitte der 1980er.

Der Markt war vor allem im HiFi-Bereich auf der Suche nach etwas Neuem. Dieses wurde in der Quadrofonie gefunden, so war man überzeugt. Das Problem dabei war die Übertragbarkeit vom Studio zum Endkonsumenten. Während bei den Tonbändern die Mehrkanalfähigkeit durch Hinzufügen weiterer Spuren einfach realisiert werden konnte und nur durch die Breite des Bandes ihre Grenzen fand, war dieses bei der Schallplatte mit ihren nur zwei Flanken der Rille schwierig. Aber auch die 4-Spur-Tonbänder für den Heimbereich waren bei 4-kanaliger Bespielung unpraktischerweise nur noch in einer Richtung abspielbar.

Falsche Annahme

Alle Quadrofonie-Systeme basieren auf der falschen Annahme, dass ein Klangfeld durch Aufnahme von vier Kanälen und Wiedergabe über vier Lautsprecher in 90°-Anordnung zueinander reproduziert werden könne. Bei einer solchen Anordnung entstehen jedoch Lücken im Klangfeld. Bessere Aufzeichnung und Reproduktion eines räumlichen Schallfeldes erreicht man mit anderen Aufnahmetechniken, wie z. B. dem Ambisonics-System, das 1972 von Michael Gerzon vorgeschlagen wurde, bis heute jedoch keinen nennenswerten wirtschaftlichen Erfolg bringen konnte.

Quadrofonie basiert auf dem Effekt der Phantomschallquelle. Sitzt man in einem gleichseitigen Dreieck mit zwei Lautsprechern, funktioniert die Phantomschallquelle. Dreht man sich mit dem Rücken zu den Lautsprechern, ist die Lokalisation der Schallquelle deutlich schlechter. Dreht man sich nun gar zur Seite, versagt der Effekt vollends.

Bei Quadrofonie mischt man nun Phantomschallquellen für vier im Quadrat, also mit einem Winkelabstand von jeweils 90° zueinander angeordneten Lautsprechern zwischen jeweils benachbarte Lautsprecher. Daraus ergibt sich, dass der Zuhörer zwangsläufig ein Paar Lautsprecher im Rücken hat, und jeweils ein Paar zu den Seiten. Da man weiß, dass Phantomschallquellen aber nur von vorn (und streng genommen nur bei einem Winkelabstand der Lautsprecher von maximal etwa 60°) funktionieren, ist offensichtlich, dass Quadrofonie nicht funktionieren kann.

Technische Verfahren und deren Verbreitung

Echte Quadrofonie (System 4-4-4)

Die vier Audiokanäle bleiben auf dem gesamten Signalweg getrennt. Für jedes Tonträgerformat werden quadro-fähige Abspielgeräte benötigt: CD4-Verfahren für Plattenspieler (s. u.), 8-Spur-Kassettendecks, Tonbandgeräte mit vier Köpfen. Eine 4-kanalige Übertragung im UKW-Rundfunk ist nicht möglich.

Anfang bis Mitte der 70er Jahre wurde intensiv an der Quadrofonie-Technik entwickelt und auch an den Kunden verkauft. Die Firma JVC war in diesem Bereich an vorderster Kundenfront. JVC entwickelte für Schallplatten eine Möglichkeit, die vorderen beiden Kanäle kompatibel zu den normalen Stereo-Kanälen zu halten und nur die beiden hinteren mit Hilfe eines Konverters in den unhörbaren Bereich zu transferieren und wieder zurückzuholen.

Dieses gelang durch die Entwicklung eines speziellen Diamantschliffs beim Tonabnehmer, der auch Töne im für den Menschen unhörbaren Bereich von der Platte abnehmen konnte. Die beiden hinteren Kanäle wurden vor Produktion der Schallplatte vom normalen hörbaren Bereich von 20 Hz bis 20 kHz auf 30–60 kHz transferiert und nach dem Abtasten der Nadel durch den Konverter wieder in den hörbaren Bereich zurückgeholt. Diese Technik wurde unter der Bezeichnung CD4 und als einziges echtes Quadrofonie-Verfahren vermarktet. CD4 zählt mit den vier diskreten Kanälen damit nicht zu den üblichen "Matrixverfahren" mit nur zwei Übertragungskanälen.

JVC war zudem der größte Anbieter von Quadrofonie-Verstärkern. Die Einführung einer Quadrofonie-Compact-Cassette soll angeblich am Veto der Firma Philips, dem Patentinhaber, gescheitert sein, da zwar das Kassettenformat kompatibel zur normalen Kassette gewesen wäre, die Kassette mit damaliger Technik aber nur in eine Richtung be- und abspielbar gewesen wäre.

Für die Audio-CD wurde im Red-Book-Standard ein Quadrofonie-Format definiert, es gab jedoch nie CDs und Abspielgeräte dafür. Im Gegensatz dazu gibt es heute CDs in DTS.

Matrix-Quadrofonie (System 4-2-4)

Die vier Kanäle werden mit Hilfe komplexer mathematisch-elektronischer Verfahren unter Ausnutzung von Phasenunterschieden in zwei Stereokanäle codiert und beim Abspielen wieder decodiert. Herkömmliche stereofone Abspielgeräte können beibehalten werden, es wird lediglich ein Decoder und zugehöriger 4-Kanal-Verstärker mit Lautsprechern benötigt. Somit kann jedes stereofähige Tonträgerformat matrix-codierte Quadrofonieaufnahmen wiedergeben; einer Verbreitung im UKW-Rundfunk steht nichts im Wege. Zum Teil senden Radiosender sogar "unabsichtlich" quadrofon, wenn sie eine matrix-codierte Plattenaufnahme senden. Der Nachteil dieser Verfahren besteht darin, dass die Vor-Rück-Kanaltrennung nicht so gut funktioniert wie bei den diskreten Verfahren, und dass die Kanäle eigentlich unterdefiniert sind, wodurch Phantomsignale entstehen können. Leider entstanden auch zeitgleich mehrere, untereinander nicht kompatible Matrix-Codierverfahren. Das später im Filmbereich verbreitete Dolby-Surround-System verwendet denselben Ansatz.

Quadrofone Aufnahmen für die Matrix-Technik basieren auf der Richtungsdominanzschaltung und wurden auf sogenannten Quadroschallplatten (SQ, QS, RM), Tonband oder 8-Spur-Kassetten (Q8) aufgezeichnet.

Die Quadrofonie konnte sich aufgrund konkurrierender und nicht kompatibler technologischer Matrix-Quadrosysteme wie SQ, QS, UD4, EV4, QM, UMX usw. nie in größerem Maßstab durchsetzen.

Die Problematik der Verbreitung entstand auch durch die Tatsache, dass in den frühen 1970er Jahren, als die Quadrofonie von diversen Audioherstellern propagiert wurde, die Audioanlagen sehr teuer waren. Es war vielen Hörern nicht möglich, mit der Abfolge der erscheinenden Neuerungen mitzuhalten. Der Großteil der Aufnahmen wurde damals nur in Stereo abgemischt und war somit nicht für Quadrofonie geeignet. Die Stereo-Aufnahmen konnten nur in "Pseudoquadrofonie" wiedergegeben werden, was dem Klang abträglich war und als Effekt anzusehen ist. Das ist ähnlich, als wenn man Mono-Signale in Pseudostereofonie wandelt.

Pseudoquadrofonie (System 2-2-4)

Als Pseudoquadrofonie bezeichnet man die Wiedergabe zweikanaliger Stereo-Aufnahmen über vier Lautsprecher bzw. Lautsprechergruppen.

Aus dem heutigen Blickwinkel stellt sich diese Art der Wiedergabe als die gängigste dar. Viele Anbieter, z. B. Dual, Marantz, Pioneer und Scan-Dyna brachten "Quadro-Adapter" auf den Markt. Diese machten (im Regelfall) nicht viel mehr, als die Aufteilung des Signales auf verschiedene Lautsprecher. Marantz arbeitete sogar mit Quadrofonie-Tapedecks, die mit einem sogenannten "Panoramaregler" das Signal aufteilten und mit verschieden starken Signalen auf die Main- und Rearspeakers leiteten. Eine "echte" Quadrofonie fand somit nicht statt.

Neuere Verfahren

Quadrofonie ist eine Vorläufertechnologie des Dolby-Surround-Systems, das auf dem Matrix-Verfahren der Quadrofonie basierte, und der aktuellen digitalen 5.1-, 6.1- und 7.1-Surroundverfahren.

Diese Verfahren konnten sich jedoch erst behaupten, als der Trend sich vom "Musikgenuss" entfernte und seinen Schwerpunkt in das "Home-Cinema" verlagerte. Die Wiedergabe von Geräuschen und Stimmen unterliegt (subjektiv) einem anderen räumlichen Ortungsverhalten und ist somit "einfacher" auf mehrere Kanäle aufzuteilen.

Vergleich der Verfahren, historisch und aktuell

Die vier Kanäle der Quadrofonie basieren nicht etwa auf nur vier Aufnahmekanälen bzw. Mikrofonen, sondern es werden wie bei Stereo oder dem aktuellem Surround zunächst Rohaufnahmen auf bis zu 30 oder mehr Spuren aufgezeichnet, auf denen die diversen Instrumente oder Orchester- bzw. Gesangsgruppen aufgezeichnet sind. So kann beispielsweise in jedem Kanal eine andere Instrumentengruppe erklingen. Allenfalls im Amateurbereich werden für Quadro-Aufnahmen nur vier Mikrofone eingesetzt. Erst dann folgt der kreative Teil der Abmischung, wobei bei Stereo auf zwei und bei Quadro auf vier Kanäle abgemischt wird. Beim aktuellen Surround mit 5.1 oder mehr Kanälen wird entsprechend verfahren. Das Surround-Klangfeld der diskreten Quadrofonie ist also genauso stabil wie das des heutigen Surround. Liegen die vier diskreten Quadro-Kanäle dann vor, wird je nach System encodiert, wobei für die Matrix-Systeme (z. B. SQ und QS) auf zwei Kanäle reduziert wird (mit den darin "versteckten" andersphasigen Rückkanälen) und für das weiterhin diskrete CD4-System auf Schallplatte die Differenzsignale zu dem stereokompatiblen Gemisch im hörbaren Bereich auf einem 30-kHz-Trägersignal gespeichert werden. Decodiert wird dann durch spiegelbildliche Matrixschaltungen (Decoder) bzw. bei CD4 mit Demodulatoren, wobei eine "einfache" A/B-Matrix dann vorn und hinten auseinandersortiert. Während die Matrix-Systeme anfänglich nur eine geringe Übersprechdämpfung vorn-hinten besaßen (3–12 oder max. 20 dB), wurde bei CD4 sogleich eine Kanaltrennung von 30 dB erreicht. Diese Kanaltrennung wird heute von den volldigitalen Systemen noch übertroffen.

Die Aufteilung des Klangfeldes bei der Quadrofonie in gleiche 90°-Sektoren ermöglicht (allerdings nur theoretisch, wie oben erklärt) eine (bei diskreter Wiedergabe) homogene Klangwiedergabe als auch Ortung mit für alle Richtungen gleiche Bedingungen. Bei den eher nach vorn dominierenden neuen 5.1-oder-mehr-Klangquellen-Anordnungen liegt der Schwerpunkt eher auf der Wiedergabe von Geräuscheffekten, was mit einem homogenen bzw. gleichförmigen Rundum-Klangfeld eher wenig zu tun hat. Die Verwendung von acht oder mehr Lautsprechern wurde vorwiegend für Kinos konzipiert, in dem ja 90 % der Zuschauer nicht am akustisch optimalen Platz für Phantomklangbilder sitzen, ist also nur eine Hilfslösung. Vier Kanäle sollten genügen, um einen 360°-Raum abzubilden, jedenfalls im sogenannten "Sweet Spot".

Beachtet man jedoch die ausführlichen Vergleiche der verschiedenen Mehrkanalsysteme, wie sie Wendy Carlos (früher als Walter Carlos bekannt geworden durch elektronische Adaptionen klassischer Werke und ein Pionier der Quadrofonie) auf ihrer Homepage erläutert, wird klar, dass die Limitationen der 4-Kanal-Technik der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts nicht nur durch die am weitesten verbreitete Matrixtechnik entstanden (ein Trennen der Kanäle bei der Wiedergabe war mit der Analogtechnik der Zeit unzureichend, denn aufgrund der Phasenbeziehungen der Kanäle zueinander waren keine Phantomklangbilder zwischen den hinteren Lautsprechern und zwischen hinten und vorn möglich), sondern auch durch die bereits erwähnte falsche 90°-Aufstellung der Lautsprecher. Denn: Das Ohr ist konstruktiv für räumliche Wahrnehmung von vorn und von der Seite ausgelegt (man beachte die Ausrichtung der Ohrmuschel). Will man Effekte wie Klang genau hinter dem Kopf oder sogar darin erzeugen, muss man sich psychoakustischer Techniken bedienen (sozusagen Virtual Surround mit vier oder mehr Kanälen).

Es hat sich gezeigt, dass dieses am besten (auch bei alten diskreten Quadroaufnahmen) funktioniert, wenn die vorderen Lautsprecher wie bei Stereo üblich mit etwa 60° Winkelabstand zueinander und die Surroundlautsprecher seitlich zum Ohr (also mit wiederum etwa 60° Winkelabstand zu den vorderen Lautsprechern) aufgestellt werden, und zwar alle etwa in derselben Entfernung zum Hörer. Dann verschwinden die räumlichen Lücken im vorderen bzw. seitlichen Bereich und der Raum hinter dem Hörer wird durch psychoakustische Effekte erzeugt.

Zusammenfassend betrachtet gab und gibt es eine Vielzahl matrixbasierter und diskreter Mehrkanalsysteme, die zum Ausgleichen ungünstiger räumlicher Bedingungen und Hörpositionen im Laufe der Zeit um weitere Lautsprecher erweitert wurden. Zur Wiedergabe eines akustischen 360°-Raumes bedarf es mindestens vier gleichwertiger (!) Lautsprecher, wobei die "hinteren" tatsächlich seitlich des Hörers platziert werden sollten. Zu bevorzugen sind auf alle Fälle diskrete Klangquellen, klassisch CD4, Q8, Spulentonbänder, modern DVD-A, SACD und DTS. Dolby Digital ist für reine Audiowiedergabe konzeptionell unterlegen, da es für das Kino entwickelt wurde. Alle Matrixsysteme arbeiten mit Phasenverschieben und Zusammenmischen der Ausgangskanäle, die danach nur mit gehörigem Aufwand wieder zu trennen sind. Hier gibt es allerdings auch beachtliche Weiterentwicklungen wie DTS Neo:6 oder Dolby ProLogic II, die sich zur Dekodierung eines digitalen Klangprozessors bedienen. Theoretisch ist so ein Prozessor auch für alte matrixcodierte Quadrofonieaufnahmen denkbar, der Aufwand steht aber in keinem Verhältnis zum Nutzen, da inzwischen dank der weiten Verbreitung von Mehrkanalanlagen viele historische quadrofonische Aufnahmen durch Wiederveröffentlichungen auf modernen Tonträgern wiederbelebt werden.

Bekannte Quadrofoniealben

Zwischen 1970 und 1980 erschienen immer wieder komplette Alben in Quadrofonie, vor allem Wiederveröffentlichungen schon erfolgreicher Alben bekannterer Künstler. Die nachfolgende Liste ist nicht vollständig, sondern zeigt nur einen Ausschnitt aus einem, unabhängig vom Verfahren, schmalen Programm.

Literatur

  • Michael Dickreiter: Handbuch der Tonstudiotechnik. 6. Auflage, K.G. Saur Verlag KG, München, 1997, ISBN 3-598-11320-x
  • Thomas Görne: Mikrofone in Theorie und Praxis. 8. Auflage, Elektor-Verlag, Aachen, 2007, ISBN 978-3-89576-189-8
  • Peter M. Pfleiderer: HIFI auf den Punkt gebracht, Wiedergabetechnik für unverfälschtes Hören. 1. Auflage, Richard Pflaum Verlag, München, 1990, ISBN 3-7905-0571-4
  • Thomas Görne: Tontechnik. 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, Leipzig, 2006, ISBN 3-446-40198-9

Siehe auch

Weblinks


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