Queer nationalism

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Queer Nationalism ist eine Strömung innerhalb der Lesben-_und_Schwulenbewegung. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, die Homosexuellen seien nicht nur eine Gruppe mit abweichenden Sexualpraktiken, sondern bildeten aufgrund ihrer besonderer Kultur, ihrer Sitten und Gebräuche ein Volk.

Inhaltsverzeichnis

Queer Nation

Die Ursprünge der schwulen Identitätsbildung gehen im Wesentlichen auf den deutschen Juristen Karl Heinrich Ulrichs, der bereits 1867 die Einführung der urnischen Ehe forderte und die Schaffung eines Urningen-Bundes vorschlug.

Die Vorstellung des Andersseins wird von vielen Schwulen und Lesben als selbstverständlich empfunden, bedingt durch die Erfahrungen der gesellschaftlichen Ausgrenzung und den natürlichen Hang von Minderheiten, Schutz und Unterstützung unter ihresgleichen zu suchen. Die Abschaffung der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexuellen hat in vielen Ländern zur Entstehung einer lebhaften Subkultur geführt, wohingegen die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung nicht in gleichem Maße verwirklicht werden konnte. Dies führte zu einem zunehmenden Gefühl der Frustration und dem Wunsch nach einer weitestgehenden Abgrenzung von der als feindselig empfundenen heterosexuellen Mehrheit. Dieses Gefühl fand 1990 seinen Ausdruck in der Entstehung der Queer Nation, einer radikalen Organisation mit der Kampfparole "I hate Straights" (in etwa "Ich hasse Heten").

Ein Nationalstaat für Homosexuelle wurde unter anderem von William S. Burroughs vorgeschlagen, der seine Meinung später zugunsten einer organisierten Gemeinschaft, nach dem Vorbild der chinesischen Minderheit, änderte.

Ein erster Versuch, einen territorialen Anspruch zu erheben, wurde von einer Gruppe australischer Aktivisten am 14. Juni 2004 unternommen, die eine winzige Koralleninsel namens Cato besetzt und das Gay & Lesbian Kingdom of the Coral Sea Islands ausgerufen hat. Der neue "Staat" stellte sich ziemlich rasch als eine Mikronation unter vielen heraus, denn weder der Imperator Dale Parker Anderson noch sonst jemand war bereit, sich auf Cato dauerhaft niederzulassen. Die Unstimmigkeiten innerhalb der Führungsriege führten zur Zersplitterung in mehrere Gruppen.

Die argumentative Linie der schwul-lesbischen Nationalisten besteht darin, dass die UN in ihrer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

  • im Artikel 15 das Recht auf eine freie Wahl der Volkszugehörigkeit garantieren und
  • im Artikel 16 das Recht zu Heiraten, unabhängig von der Volkszugehörigkeit garantieren;

Eine formale Anerkennung durch die UN als Volk würde in den Unterzeichner-Staaten mit großer Wahrscheinlichkeit zur Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe und Beseitigung jeglicher Diskriminierung führen.

Die sich formierende schwul-lesbische nationale Bewegung weist Parallelen zu der Judenemanzipation auf und orientiert sich bewusst an den Vorstellungen von Theodor Herzl.

Die von den "separatistischen" Gruppen vorgeschlagene Emanzipation durch nationale Identitätsbildung findet in der offiziellen (integrativen) Queer-Theory bislang wenig Beachtung, dagegen befasst sich die Nationalismusforschung mit diesem Thema ausführlich.

Nationalismus-Forschung

Als erste betrachten Bérubé (1991) und Chee (1991) die Queer Nation als eine neue Form des Nationalismus.

Eine weitergehende Untersuchung wurde 1996 von Brian Walker in seinem Artikel „Social Movements as Nationalisms, or, On the Very Idea of a Queer Nation“ veröffentlicht, in dem er auf das Vorhandensein wesentlicher Merkmale der nationalistischen Identitätsbildung hingewiesen hat. Walker ordnet das Gay Nationalism in den Bereich der „neuen“ kulturellen Nationalismen, die er von den „alten“ ethnischen und religiösen Nationalismen unterscheidet, wie sie von Kymlicka, Margalit und Raz beschrieben wurden. Nach Walkers Analyse erfüllt die schwul-lesbische Kultur viele Kriterien, um als Volk wahrgenommen zu werden. Walker argumentiert wie folgt:

  • Alle Nationalismen begannen als soziale Bewegungen von Gruppen, die sich von der diskriminierenden Mehrheitsgesellschaft abzusetzen suchten.
  • Die homosexuelle Gemeinschaft hat ihre eigenständige Kultur, mit einer Vielzahl an Diskussionsgruppen, Buchhandlungen, Bars, Kleintheatern etc.,
  • hat eine eigene Geschichte, die zumindest bis in die Antike nachverfolgt werden kann,
  • hat eine eigene Literatur,
  • sucht den Zugang zu wesentlichen Elementen der staatlichen Kontrolle, um ihr eigenes Überleben (u.a. gegen Angriffe von religiösen Gruppen) zu sichern, wobei sie sich in hohem Maße politisch organisiert, z.T. suchen sie das Nationalgefühl zu erwecken.

Walker sieht vor allem das Internet als eine Chance für den globalen kulturellen Zusammenschluss der schwul-lesbischen Diaspora zu einem nicht-territorialen, aber weitestgehend staatsähnlichem Gebilde.

Diese These wird von Paul Treanor unterstützt, der eine andere als die existierende nationalistische Weltordnung für denkbar hält, nämlich die Organisation der Welt in anderen Strukturen als Territorialstaaten. In diesem Zusammenhang führt er die schwul-lesbische Community als ein Beispiel der nicht-territorialen nationalistischen Bewegungen an.

Kritik

Die Kritiker des Konzeptes führen zum einen an, die sexuelle Orientierung eigne sich nicht als Basis für eine nationale Identität, zum anderen sei die Aufklärung der Gesellschaft und die Integration der Homosexuellen der Selbstausgrenzung vorzuziehen. Die Gay Nationalists halten dem entgegen, daß die von den Opponenten vorgeschlagene "Integration" in Wahrheit mit der Assimilation unter Aufgabe der eigenen Identität gleichbedeutend sei, weil impliziert werde, die Homosexuellen sollen sich "anpassen". Die Behauptung der mangelnden Volkseigenschaft wird mit Verweis auf die Willkürlichkeit der Definition eines Volkes entkräftet.

Literatur

  • Bérubé, A. & Escoffier, J. (1991), Queer/Nation, Out/look, Winter, S. 12 - 14.
  • Chee, A. (1991) 'Queer Nationalism', Out/look, Winter, S. 15-19.
  • Brian Walker, "Social Movements as Nationalisms or, On the Very Idea of a Queer Nation" in Rethinking Nationalism, University of Calgary Press, 1998.

Weblinks


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