- Ausbruch des Mount St. Helen 1980
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Der Ausbruch des Mount St. Helens im Süden des US-Bundesstaates Washington am 18. Mai 1980 war einer der stärksten Vulkanausbrüche des 20. Jahrhunderts. In geringer Tiefe unterhalb des Mount St. Helens eindringendes Magma verursachte eine Auswölbung und ein Netz von Rissen auf der Nordseite des Berges – was bereits vor dem eigentlichen Ausbruch eine Serie von Erdbeben und explosionsartigen Dampfaustritten bewirkte. Am 18. Mai 1980 rutschte infolge eines solchen Erdbebens um 8:32 Uhr (alle Zeiten sind als Ortzeiten in pazifischer Zeit angegeben) die gesamte Nordflanke des Berges lawinenartig ab. Hierdurch wurde das mit Gas und komprimiertem Dampf angereicherte Magma des Vulkans plötzlich einem stark verringerten Umgebungsdruck ausgesetzt. Die Folge war die Freisetzung eines pyroklastischen Stroms – ein Gemisch gasreichen, flüssigen Magmas – der sich schnell genug in Richtung des nahegelegenen Spirit Lake bewegte, um die Gerölllawine binnen kürzester Zeit zu überholen und verheerende Schäden in der Umgebung zu verursachen. Mit 1,2 Kubikkilometern ausgeworfenem Material und einem Wert von 5 auf dem Vulkanexplosivitätsindex war dieser Ausbruch größer als der des kalifornischen Lassen Peak 1915, reicht jedoch nicht an jenen des Novarupta in Alaska 1912 heran, die stärkste jemals in den Vereinigten Staaten verzeichnete Eruption.
Die beim Ausbruch entstandene und hoch in die Atmosphäre emporgestiegene plinianische Säule aus Vulkanasche verteilte Asche über elf US-Bundesstaaten. Zur gleichen Zeit schmolzen auf dem Berg Schnee, Eis und sogar vollständige Gletscher und lösten vulkanische Schlammströme – die so genannten Lahare – aus, die bis in den über 50 km entfernten Columbia River reichten. Die folgenden Eruptionen waren weitaus weniger stark, jedoch fanden im Laufe des Jahres noch weitere größere Ausbrüche statt. Obschon zuvor eine Sicherheitszone um den Vulkan errichtet worden war, starben durch den Ausbruch des 18. Mai insgesamt 57 Menschen und tausende Tiere, zudem verwandelten Asche und Lahare hunderte Quadratkilometer in Ödland. Der Gesamtschaden betrug mehr als eine Milliarde US-Dollar.
Für die Vulkanologie war und ist der Ausbruch des Mount St. Helens von großer Bedeutung: Er ereignete sich in einem gut zugänglichen Gebiet und in einem Land, das über ausreichend finanzielle Mittel und wissenschaftliche Ressourcen verfügte, um den Vulkan bereits nach ersten Anzeichen vulkanischer Aktivitäten von einem Team qualifizierter Wissenschaftler beobachten und analysieren zu lassen. Die Eruption des Mount St. Helens zählt deshalb zu den am besten erforschten Eruptionen eines Vulkans.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte des Vulkanausbruchs
Die ersten Erdbeben – Vorboten der kommenden Eruptionen
Am 16. März 1980 kam es in dem Gebiet des Mount St. Helens zu einer Reihe schwacher Erdbeben. Wissenschaftler deuteten bereits diese Erdbebenserie als Anzeichen, dass es unterhalb des Mount St. Helens zu Magmabewegungen gekommen war. Am 20. März um 3:47 Uhr bestätigte ein schwaches Erdbeben der Stärke 4,2 auf der Richterskala, dessen Epizentrum unterhalb der Nordflanke des Mount St. Helens lag, diesen anfänglichen Verdacht. In den nächsten Tagen wurden die das Gebiet überwachenden Seismographen von einer allmählich beschleunigenden Welle von Erdbeben regelrecht übersättigt.
Gegen Mittag des 25. März erreichte die Welle der Beben einen ersten Höhepunkt: In den folgenden zwei Tagen wurden 174 Erdstöße der Stärken 2,6 oder höher gemessen. Im Zeitraum bis zum 18. Mai wurden zunehmend auch stärkere Erdstöße von 3,2 und mehr auf der Richterskala gemessen. Lag die Anzahl der Beben einer Stärke von mindestens 4 Anfang April bei etwa fünf pro Tag, stieg dies langsam bis auf acht tägliche Beben eine Woche vor Ausbruch des Vulkans an. Anfänglich zeigten sich keine Zeichen eines drohenden Ausbruchs, jedoch lösten die Beben immer wieder Eis- und Schneelawinen aus.
Die ersten Eruptionen
Am 27. März um 12:36 warfen ein oder zwei annähernd gleichzeitige phreatische Eruptionen – explosionsartige Dampfaustritte des Grundwassers – Asche und Geröll aus dem Inneren des Gipfelkraters und erzeugten neben einer etwa 1800 m hohen Aschesäule auch einen neuen, etwa 76 m durchmessenden Krater. Zum gleichen Zeitpunkt bildete sich im Gipfelbereich ein etwa 4.900 m langes, nach Osten verlaufendes Netz aus Rissen. Weitere Erdstoßwellen und eine Reihe von Dampfexplosionen schleuderten Vulkanasche zwischen 3050 und 3350 m hoch über den Krater. Der Großteil dieser Asche ging in einem Umkreis zwischen 5 und 19 km nieder; einzelne Niederschläge wurden jedoch noch 240 km südlich in Bend (Oregon) und 285 km östlich in Spokane festgestellt. Aufgrund durch Schneeschmelze drohender Überflutung, wie auch durch Erdstöße ausgelöste Erdrutsche wurde ab dem 27. März eine Sicherheitszone von rund 25 Kilometern Umkreis um den Vulkan errichtet und die in diesem Gebiet lebenden Menschen evakuiert.
Am 29. März wurden ein zweiter, neuer Krater und eine – wahrscheinlich durch brennende Gase ausgelöste – blaue Flamme beobachtet, die zwischen den zwei Kratern hin und her tanzte. Bergab rollende Aschewolken erzeugten statische Elektrizität, die bis zu 3 km lange Blitze auslöste. Am 30. März wurden 93 verschiedene, kleinere Ausbrüche gemeldet. Nachdem am 3. April rhythmische Erdstöße die beobachtenden Geologen beunruhigten, rief die Gouverneurin des Bundesstaates Washington, Dixie Lee Ray, am 3. April den Ausnahmezustand aus. Damit wurde der Zutritt zu einem Gebiet von 13 Kilometer rund um den Vulkan eingeschränkt.
Die Auswölbung an der Nordflanke
Am 8. April bildeten beide Krater eine gemeinsame, 520 m×260 m große Mulde. Ein Team des US Geological Survey (USGS) stellte in der letzten Aprilwoche fest, dass ein 2,4 km durchmessender Abschnitt der Nordseite des Mount St. Helens um etwa 82 Meter verschoben war – eine Auswölbung, die sich bis Anfang Mai um täglich 1,5 bis 1,8 m erweiterte und Mitte Mai eine Ausdehnung von mehr als 120 m aufwies. Während sich diese Ausbuchtung nordwärts verlagerte, sank die restliche Gipfelregion schrittweise ab und bildete einen geologischen „Graben“. Die den Vulkan beobachtenden Geologen kamen am 30. April zu der Überzeugung, dass von dieser Auswölbung die größte Gefahr ausgehe. Ein Abbrechen vom restlichen Gestein würde nicht nur einen gewaltigen Erdrutsch bedeuten, sondern würde wahrscheinlich auch von einer großen Vulkaneruption begleitet werden. Etwas Vergleichbares hatte sich 1956 auf der russischen Halbinsel Kamtschatka ereignet: Dort war am 30. März 1956 eine instabile Flanke des Vulkans Besymianny abgebrochen und hatte eine horizontal gerichtete Explosion ausgelöst, die die Spitze des Berges wegsprengte und einen Krater von 1,9 Kilometer Durchmesser entstehen ließ. Ein Umkreis von 34 Kilometer wurde durch fast vier Kubikkilometer rauchender Asche und Gesteinstrümmer verwüstet.
Das Volumen des Berges vergrößerte sich bis Mitte Mai täglich um 125.000.000 m³. Dies entsprach wahrscheinlich dem Volumen des in den Vulkan eingeflossenen Magmas. Eine solche Vulkanform wird aufgrund des unter der Oberfläche verborgenen Magmas als Kryptodom bezeichnet, während ein „offener“ Vulkan einen Lavadom bildet.
Am 7. Mai erfolgten weitere Eruptionen, die jenen im März und April ähnelten. Auch während der nächsten Tage wuchs die Auswölbung an der Nordflanke weiter an. Vor dem 18. Mai wurden insgesamt etwa 10.000 Erdstöße registriert, deren Epizentren sich auf ein kleines Gebiet von weniger als 2,6 km Durchmesser unterhalb der Nordflanke des Mount St. Helens konzentrierten. Die sichtbaren Eruptionen stoppten am 16. Mai, wodurch das bis dahin intensive Medieninteresse nachließ. Zunehmender öffentlicher Druck veranlasste die Behörden, einer limitierten Zahl von Personen am 17. Mai Zutritt zu der gesperrten Zone zu gewähren, damit sie wenigstens einen Teil ihrer zurückgelassenen Habe holen konnten. Eine weitere solche Zugangsmöglichkeit war für den 18. Mai um 10 Uhr geplant.
Zur selben Zeit war eine später auf 110 Millionen Kubikmeter geschätzte Menge von Dazitmagma im Berginneren aufgestiegen. Das ansteigende Magma dehnte die Nordflanke des Mount St. Helens auf annähernd 150 m aus und erhitzte das im Berg gespeicherte Grundwasser, so dass es zu zahllosen phreatischen Eruptionen kam.
Die Nordflanke rutscht ab
Um 7 Uhr morgens lokaler Zeit des 18. Mai meldete sich per Funk der USGS-Vulkanologe David A. Johnston, der die Samstagnacht-Schicht im Observationsposten etwa 10 Kilometer nördlich des Berges übernommen hatte und gab die Resultate einiger Laservermessungen durch, die er kurz zuvor durchgeführt hatte. Die Aktivitäten des Mount St. Helens zeigten keinerlei Veränderungen gegenüber den vorherigen Tagen. Weder die Geschwindigkeit, mit der die Auswölbung an der Nordflanke zunahm, noch die Schwefeldioxid-Emissionen oder die Bodentemperaturen zeigten irgendwelche ungewöhnlichen Veränderungen, die auf die große Explosion hindeuteten, die sich kurze Zeit später ereignen sollte.
Um 8:32 Uhr erfolgte ohne Vorwarnung ein Erdbeben der Stärke 5,1 direkt unterhalb der Nordseite des Berges. Etwa 7 bis 20 Sekunden nach diesem Erdstoß – wobei 10 Sekunden die wahrscheinliche Spanne sind – löste sich die gesamte Nordflanke in einem der größten aufgezeichneten Bergrutsche vom Mount St. Helens ab. Der erste, der mit den Worten Vancouver! Vancouver! This is it! den Ausbruch vermeldete, war Johnston.
Mit einer Geschwindigkeit von 175 bis 250 km/h rutschte die in Bewegung geratene Flanke über den westlichen Ausläufer des Spirit Lake. Ein Teil des Erdrutsches traf 9,5 km nördlich auf einen 350 Meter hohen Felsgrat. Ein kleiner Teil des Erdrutsches strömte über den Felsgrat hinweg, der größte Teil wurde jedoch durch den Felsgrat abgelenkt und in das Flusstal des North Fork Toutle River gelenkt, den es auf eine Länge von 21 Kilometer bis zu 180 Meter hoch mit Geröll verschüttete. Insgesamt bedeckten die 2,9 Kubikkilometer Geröllmasse, die der Erdrutsch löste, eine Fläche von 62 Quadratkilometer.
Der größte Teil der ehemaligen Nordflanke des Berges wurde zu einem Geröllfeld von 27 km Länge, das im Mittel 47 Meter hoch war. Etwa 1,6 Kilometer unterhalb des Spirit Lake erreichte die Schuttmasse ihre größte Höhe, am flachsten war die Verschüttung an den westlichen Rändern. Der Bergrutsch verdrängte zeitweise das gesamte Wasser des Spirit Lake und erzeugte hierdurch 180 m hohe Wellen. Als das Wasser wieder in den See zurückströmte, dessen Seeboden durch den Geröllschutt um 60 Meter angehoben war, riss es Tausende von Bäumen mit sich, die der dem Bergsturz folgende pyroklastische Strom gefällt hatte.
Pyroklastische Ströme
Initiale laterale Explosion
Nachdem mit dem gewaltigen Bergsturz die Nordflanke des Mount St. Helens abrutschte, war das Dazitmagma im Berginneren einem drastisch abgesunkenen Umgebungsdruck ausgesetzt. Hierdurch explodierte das gasgesättigte, partiell geschmolzene Gestein – wie auch der unter hohem Druck stehende Dampf darüber – wenige Sekunden danach. Die Explosion stieß durch die letzten Ausläufer des Bergsturzes und schleuderte das Gestein in Richtung Norden. Der resultierende pyroklastische Strom in Form einer dunkelgrauen Wolke, die aus überhitzten vulkanischen Gasen, Asche und Bimsstein aus neuer Lava sowie pulverisiertem alten Gestein bestand, blieb hierdurch nahe der Erdoberfläche. Sie breitete sich zunächst mit einer Geschwindigkeit von etwa 350 km/h aus, die sich aber schnell auf etwa 1080 km/h erhöhte. Möglicherweise durchbrach die Ausbreitungsgeschwindigkeit des pyroklastischen Stromes kurzfristig die Schallmauer.
Der pyroklastische Strom überholte die Gerölllawine, verbreiterte sich und verwüstete in Form einer Druckwelle ein fächerförmiges Areal von 37 km Breite und 30 km Länge. Insgesamt wurden in einem 13 km durchmessenden Innengebiet dieses Fächers etwa 600 km² Wald zerstört. Die Hitze vernichtete auch Bäume außerhalb der durch die Druckwelle betroffenen Zone. Während der Ausbruch des pyroklastischen Stroms am Ausbruchskanal selbst kaum länger als 30 Sekunden andauerte, expandierte dieser für etwa eine weitere Minute nordwärts.
Vom etwa 10 Kilometer nördlich liegenden Coldwater Ridge, wo der Vulkanologe Johnston postiert war, trug die Explosion das Erdreich bis auf das Grundgestein ab und fegte Bäume mit einem Stammdurchmesser von zwei Metern um. Die Leiche des Vulkanologen wurde nie gefunden.
Überhitzte Materie des pyroklastischen Stroms verdampfte Wasser des Spirit Lake und des North Fork Toutle River und erzeugte so eine Sekundärexplosion, die bis Britisch-Kolumbien, Montana, Idaho und Nordkalifornien zu hören war. Dennoch war diese Explosion in vielen, weitaus näheren Gebieten wie etwa im rund 80 Kilometer entfernten Portland (Oregon) nicht wahrnehmbar. Diese so genannte „Zone des Schweigens“ dehnte sich einige Kilometer radial vom Vulkan aus und entstand durch das komplexe Wechselspiel zwischen den Schallwellen der Eruption und den unterschiedlichen Bewegungen und Temperaturen der atmosphärischen Luftschichten. Auch die lokale Topographie spielte eine – wenngleich untergeordnete – Rolle.
Folgen der lateralen Druckwelle
In der Zone des Schweigens konnte jedoch die von der Nordseite des Mount St. Helens ausgesandte Aschewolke beobachtet werden. Die Druckwelle, die sich nahezu mit Schallgeschwindigkeit bewegte und mit vulkanischem Geröll angereichert war, richtete in bis zu 30 km Entfernung vom Vulkan weitreichende Zerstörungen an. Das betroffene Gebiet kann grob in drei konzentrische Zonen eingeteilt werden:
- Die direkte Explosionszone, der innerste Bereich im Umkreis von durchschnittlich etwa 13 km um den Mount St. Helens. Nahezu alles – natürlich oder künstlich – in dieser Zone wurde mitgerissen und zerstört. Aus diesem Grund wird die Zone auch als „Baumentfernungszone“ (engl: „tree-removal zone“) bezeichnet. In diesem Bereich wurde der pyroklastische Strom nicht durch topographische Gegebenheiten abgelenkt.
- Die kanalisierte Explosionszone, der mittlere Bereich mit einer Entfernung von bis zu 30 km vom Vulkan. Hier ebnete der Strom jedes in seinem Weg stehende Hindernis und wurde zu einem gewissen Grad von topographischen Gegebenheiten gebündelt. Die Wucht der Druckwelle wird eindrucksvoll durch große Bäume demonstriert, die ähnlich Grashalmen unter einer Sichel an ihrem Stamm abknickten und exakt parallel liegen. Diese Zone trägt auch den Namen „Baumfällungszone“ (engl: „tree-down zone“).
- Die verbrannte Zone, auch als „Zone der stehenden Toten“ (engl: „standing-dead zone“) bezeichnet, ist das Randgebiet des betroffenen Areals – ein Bereich, in dem Bäume zwar nicht mehr durch die Druckwelle umgeworfen, jedoch durch die heißen Gase der Explosion verkohlt wurden.
Spätere Untersuchungen deuten darauf hin, dass etwa 188 Millionen Kubikmeter des Stroms aus neuer Lava und der Rest aus älterem, fragmentiertem Gestein bestanden.
Die Opfer des Ausbruchs
Insgesamt wurde ein keilförmiges Gebiet von 20 Kilometer Breite und 32 Kilometer Länge durch die Druckwelle verwüstet. Als der pyroklastische Strom auf die ersten Menschen traf, war er noch immer rund 360 °C heiß und mit erstickenden Gasen und scharfkantigen Gegenständen angereichert. In der Verwüstungszone hielten sich neben dem Vulkanologen David A. Johnston weitere 64 Personen auf – darunter Holzfäller, Camper und Wanderer. Johnston eingeschlossen starben 57 von ihnen.[1]
Ebenso wie im Falle Johnston wurden von 22 weiteren bei dem Ausbruch ums Leben gekommenen Menschen keine Leichen gefunden. Autopsien an den aufgefundenen Leichen haben gezeigt, dass die meisten nach dem Einatmen der feinen Asche an einem Pfropfen aus Schleim und vulkanischem Staub erstickten. Wären sie nicht der Erstickung zum Opfer gefallen, hätten die erlittenen Verbrennungen zum Tod geführt. Exemplarisch für die während des Ausbruchs ums Leben gekommenen Menschen sind vier Holzfäller, die sich 19 Kilometer vom Gipfel entfernt aufhielten und dort ihrer Arbeit nachgingen. Sie hörten das Donnern der pyroklastischen Woge, die durch den Wald auf sie zukam. Als sie die Männer erreichte, wurden diese zu Boden geworfen und in sengende Hitze und Dunkelheit gehüllt. Die Verbrennungen, die sie erlitten, betrafen zwischen einem Drittel und der Hälfte ihrer Hautoberfläche. Einer der Holzfäller verstarb noch am Ort. Zwei der Holzfäller verstarben in den folgenden Tagen im Krankenhaus, weil die Schädigungen der Lungen so schwerwiegend waren, dass diese versagten. Der vierte Holzfäller überlebte dank mehrerer Hauttransplantationen.
Spätere pyroklastische Ströme
Aus dem vom Erdrutsch zurückgelassenen Durchbruch strömte im Folgenden primär neues magmatisches Gestein aus. Die resultierenden Ablagerungen bildeten ein fächerförmiges Muster.
Dem ersten pyroklastischen Strom folgten am 18. Mai 17 weitere, wobei sie jedoch nicht mehr die Zerstörungsgewalt des ersten erreichten. Ihre Ausbreitungsrichtung entsprach der des ersten pyroklastischen Stroms.
Das von den pyroklastischen Strömen abgelagerte Material war noch zwei Wochen später zwischen 300 und 420 Grad Celsius heiß. Von dieser Hitze verursachte sekundäre Dampferuptionen schufen Krater am nördlichen Rand der Ablagerungen, am südlichen Ufer des Spirit Lake und entlang des oberen Teils des North Fork Toutle River. Diese Explosionen traten sporadisch noch Wochen und Monate nach dem 18. Mai auf. Zumindest eine Eruption erfolgte noch etwa ein Jahr später, am 16. Mai 1981.
Die Aschesäule
Während die Gerölllawine und der initiale pyroklastische Strom sich noch immer ausbreiteten, wuchs eine Aschesäule (plinianische Säule) oberhalb des Vulkans heran, die innerhalb von 10 Minuten eine Höhe von 19 km erreichte und für eine Dauer von 10 Stunden Pyroklastika – aus dem Erdinneren stammende Feststoffe – in die Stratosphäre schleuderte. Nahe dem Vulkan erzeugten die umherwirbelnden Aschepartikel durch statische Elektrizität Blitze, die ihrerseits Waldbrände verursachten. Während dieser Zeit kollabierten Teile der nun pilzförmigen Aschewolke und sandten weitere pyroklastische Ströme entlang der Flanken des Mount St. Helens. Spätere Ströme entstammten direkt dem neuen, nordwärtigen Krater und bestanden aus glühendem Bimsstein und sehr heißer Bimsasche. Einige dieser Ströme verdampften Eis und Wasser und schufen so Krater von bis zu 20 m Durchmesser, was Asche in Höhen bis zu 2 km (6500 ft) katapultierte.
Starke Höhenwinde trugen einen Großteil der Asche mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 60 km/h ostnordöstlich des Vulkans. Um 9:45 Uhr erreichte der erste Ascheregen Yakima im Bundesstaat Washington, einen Ort, der 145 Kilometer vom Vulkan entfernt liegt. Insgesamt fielen 100 bis 130 Millimeter Asche auf Yakima nieder und in einem Gebiet, das bis nach Spokane reichte, herrschte zur Mittagszeit nur noch eine Sichtweite von drei Metern. Um 22:15 Uhr ging der erste Ascheregen im westlichen Teil des Yellowstone-Nationalpark nieder. In Denver im US-Bundesstaat Colorado meldete man den ersten Ascheregen am nächsten Tag. Über die nächsten Tage wurde Ascheregen auch aus so weit entfernten Gebieten wie Minnesota und Oklahoma gemeldet. Ein Teil der Asche wurde von den Höhenwinden zwei Wochen lang um die ganze Erde getrieben.
Während der neun Stunden heftigster Vulkanaktivität verteilten sich etwa 540 Millionen Tonnen vulkanischer Asche auf einem Gebiet von mehr als 60.000 km². Das maximale Volumen der Aschewolke vor ihrer Komprimierung durch einsetzende Regenfälle lag bei etwa 1,3 Milliarden Kubikmetern – was etwa 208 Millionen Kubikmetern massiven Gesteins oder 7 % des Erdrutsches entspricht. Am 18. Mai, um etwa 17:30 Uhr fiel die Aschesäule in sich zusammen, jedoch setzten sich kleinere Eruptionen durch die gesamte Nacht und die folgenden Tage hindurch fort.
Schlammströme
Die heiße Materie zerbarst und schmolz Gletscher und Schnee des Mount St. Helens. Wie bereits bei vorigen Ausbrüchen des Vulkans entstanden hierdurch ab 8:50 Uhr große Lahare und Schlammfluten, die drei der vier Abflusssysteme des Bergs betrafen. Die Lahare bewegten sich im Gebirge mit Geschwindigkeiten von bis zu 145 km/h, verlangsamten sich in den flacheren, dafür aber breiteren Abschnitten der Flüsse bis auf etwa 5 km/h. An den südlichen und östlichen Flanken des Berges wiesen die Schlammströme etwa die Konsistenz flüssigen Betons auf, während sie den Muddy River, die Pine Creek und die Smith Creek entlangrasten. Sie flossen schließlich im Lewis River zusammen. Auf ihrem Weg rissen die Lahare Brücken an der Mündung des Pine Creek und des Swift Reservoirs mit sich, welches bis Mittag infolge der etwa 13 Millionen Kubikmeter Wasser, Schlamm und Geröll um 0,8 m anstieg.
An der Nordflanke des Bergs vermischten sich Gletscher- und Schneeschmelzen mit Pyroklastika und schufen weitaus größere Lahare. Diese Schlammströme flossen entlang der nördlichen und südlichen Arme des Toutle River und vereinten sich um 13:00 Uhr an der Einmündungsstelle des Toutle River in den Cowlitz River nahe Castle Rock in Washington. 90 Minuten nach der Eruption hatte der erste Schlammstrom 43 Flusskilometer zurückgelegt, als Beobachter am Camp Baker der Firma Weyerhaeuser eine annähernd 4 m hohe Wand aus schlammigem Wasser und Geröll passieren sahen. Nahe der Einmündung des nördlichen und südlichen Arms des Toutle Rivers am Silver Lake wurde eine Fluthöhe von 7,16 m (23 1/2 ft) gemessen.
Ein großer, aber langsamer Schlammstrom mit mörtelartiger Konsistenz setzte sich am frühen Nachmittag auf dem Nordarm des Toutle in Bewegung. Um 14:30 Uhr zerstörte der Strom das Camp Baker der Firma Weyerhaeuser und riss in den folgenden Stunden sieben Brücken mit sich. Ein Teil des Stroms floss kurz nach Einströmen in den Cowlitz River etwa 4 km zurück; der Großteil jedoch setzte seinen Weg fort. Nach weiteren 27 km flossen geschätzte 2,98 Millionen Kubikmeter Schlamm in den Columbia River ein und hoben das Flussbett über eine Strecke von 6 Kilometern um 7,6 m (25 ft) an. Die noch verbleibende Tiefe von 4 m legte diesen von Hochseefrachtern intensiv genutzten Kanal zeitweise lahm, was Portland geschätzte 5 Millionen US-Dollar kostete. Letztlich lagerten sich mehr als 50 Millionen Kubikmeter Sedimentgesteins entlang des Cowlitz- und des Columbia Rivers ab.
Nachwirkungen
Direkte Folgen
Der Ausbruch am 18. Mai 1980 war einer der tödlichsten und ökonomisch verheerendsten Vulkanausbrüche in der Geschichte der Vereinigten Staaten. In dem dünn besiedelten und zuvor evakuierten Gebiet verloren 57 Menschen ihr Leben und 200 Häuser, 47 Brücken, 24 km Eisenbahngleise sowie 300 km Highways wurden zerstört. US-Präsident Jimmy Carter erklärte angesichts der von dem Vulkan verursachten Zerstörungen, es sehe trostloser aus als eine Mondlandschaft.
Am 23. Mai wurde ein Filmteam von einem Hubschrauber am Mount St. Helens abgesetzt, um die Zerstörungen zu dokumentieren. Ihre Kompasse erwiesen sich jedoch als nutzlos, so dass sie schnell die Orientierung verloren. Eine weitere Eruption erfolgte am nächsten Tag, aber das Filmteam überlebte und wurde zwei Tage später gerettet.
Insgesamt setzte der Mount St. Helens eine Energie von etwa 350 Megatonnen TNT – etwa das 27.000-fache der Hiroshima-Atombombe – frei und warf mehr als vier Milliarden Kubikmeter Material aus. Ein Viertel dieses Materials war frische Lava in Form von Asche und Bimsstein und vulkanische Bomben, während der Rest aus fragmentiertem, älteren Gestein bestand. Der Abrutsch der Nordflanke des Berges verringerte dessen Höhe um etwa 400 Meter und hinterließ einen 2 bis 3 km breiten und 640 m tiefen Krater, in dessen Nordseite eine große Bresche geschlagen ist.
Mehr als 9,44 Millionen Kubikmeter (4 Milliarden board feet) Nutzholz[1] wurden vor allem durch die initiale Eruption und die folgende, lateral verlaufende Druckwelle zerstört. Zumindest ein Viertel des beschädigten Holzes wurde nach dem September 1980 geborgen. In Windrichtung des Vulkans wurden vor allem landwirtschaftliche Betriebe durch den Aschenregen wirtschaftlich stark geschädigt. Vernichtet wurde unter anderem die Weizen-, Apfel-, Kartoffel- und Luzerne-Ernte. Etwa 1.500 Hirsche und 5.000 Rehe verendeten. Zerstört wurden auch die Brutstätten von geschätzt etwa 12 Millionen Junglachsen. Geschätzte weitere 40.000 Junglachse starben in den Turbinen der hydroelektrischen Generatoren, als man in den Stauseen entlang des Lewis Rivers die Wasserstände absenkte, um auf die kommenden Schlamm- und Wasserfluten vorbereitet zu sein.
Ausgrabungen
Der Ascheregen schuf temporäre, aber dennoch gravierende Probleme für Transport-, Abwasserbeseitigungs- und Wasseraufbereitungssysteme. Die Asche reduzierte die Sichtweite so stark, dass Straßen und Highways zeitweise stillgelegt werden mussten, so etwa die Interstate 90 von Seattle bis Spokane, deren Betrieb für etwa eine Woche ruhte. Der Luftverkehr wurde für einige Tage bis hin zu zwei Wochen gestört, denn viele Flughäfen mussten im östlichen Washington aufgrund schlechter Sicht und großer Ascheansammlungen schließen. Insgesamt wurden über Tausend kommerzielle Flüge aus diesen Gründen abgesagt. Die feine Asche schuf zudem gravierende Probleme in Verbrennungsmotoren und anderen mechanischen oder elektrischen Geräten, indem sie Ölsysteme kontaminierte, Luftfilter verstopfte und bewegliche Oberflächen zerkratzte. Die feineren Aschepartikel bewirkten Kurzschlüsse in Transformatoren und zogen so Stromausfälle nach sich.
Die Beseitigung und Lagerung der Asche war für einige Gemeinden im östlichen Washington eine große Aufgabe. Die zuständigen Behörden schätzten, dass über 1,8 Millionen Kubikmeter Asche – etwa 900.000 Tonnen Gewicht – von den Highways und Flughäfen Washingtons entfernt wurden. Diese Beseitigung kostete insgesamt 2,2 Millionen US-Dollar und erstreckte sich in Yakima über einen Zeitraum von zehn Wochen. Die Notwendigkeit, zunächst die Transportwege und Baustellen von der Asche zu befreien, erzwang hierbei nicht selten die Auswahl geeigneter Lagerstätten. Manche Städte nutzten alte Quarzminen und bereits existierende Mülldeponien, während andere diese an jeweils sinnvoller Stelle schufen. Um eine erneute Aufwirbelung der Asche durch Wind zu verhindern, wurden zahlreiche Deponien mit Erde aufgefüllt und mit Gräsern bepflanzt.
Kosten
Frühe Abschätzungen der durch die Eruption verursachten Kosten beliefen sich auf 2 bis 3 Milliarden US-Dollar. Eine verfeinerte Schätzung, auf Anfrage des US-Senats von der internationalen Handelskommission durchgeführt, ermittelte 1,1 Milliarden US-Dollar. Zusätzlich genehmigte der Kongress 951 Millionen US-Dollar Beihilfe, deren größter Anteil an die Small Business Administration, das United States Army Corps of Engineers und die FEMA verteilt wurde.
Zudem existieren indirekte und immaterielle Folgen. So stieg die Arbeitslosigkeit in der Region um den Mount St. Helens infolge der Eruption zeitweise auf annähernd das Zehnfache, um dann nach Wiederaufnahme der Nutzholzgewinnung wieder annähernd auf das Ausgangsniveau zurückzufallen. Nur ein kleiner Anteil der Bewohner dieser Region verließ diese aufgrund entstandener Arbeitslosigkeit dauerhaft. Einige Monate nach dem 18. Mai berichteten einzelne Anwohner jedoch von Stress und emotionalen Problemen, obschon sie die Krise ursprünglich gut handhaben konnten. Landkreise dieser Region forderten finanzielle Unterstützung für die Behandlung dieser Probleme an.
Die anfängliche öffentliche Reaktion auf den Ausbruch übte eine vernichtende Wirkung auf den Tourismus aus, der ein wichtiger Industriezweig des Staates Washington ist. Dies betraf nicht nur das Gebiet in direkter Nähe zum Mount St. Helens, sondern auch das weitere Umfeld. So wurden z.B. Kongresse und Tagungen in nicht betroffene Regionen verlagert. Die negativen Auswirkungen auf die Tourismusbranche waren jedoch nur von kurzer Dauer, da insbesondere der Mount St. Helens selbst nun eine Attraktion für Touristen darstellt und der United States Forest Service (Forstbehörde), wie auch der Staat Washington selbst, entsprechende Besucherzentren einrichteten.
Spätere Eruptionen
Der Mount St. Helens brach im Verlaufe des Jahres 1980 weitere fünf Mal aus. In den frühen 1990er Jahren erfolgten zumindest 21 Phasen eruptiver Aktivität. Der Vulkan bleibt mit kleineren Ausbrüchen bis heute (2009) aktiv.
Am 25. Mai 1980 sandte eine Eruption um 2:30 Uhr eine Aschesäule 14 km hoch in die Atmosphäre. Zuvor kündigte plötzlich ansteigende seismische Aktivität diesen Ausbruch an. Stürmische Winde des während dieser Zeit herrschenden Unwetters trugen die Asche südlich und westlich und verteilten diese über das westliche Washington und Oregon. Pyroklastische Ströme verließen die nördliche Bresche des Kraters und bedeckten die Folgen des Ausbruchs vom 18. Mai.
Am 12. Juni wogte um 19:05 Uhr eine Aschewolke über dem Vulkan. Um 21:09 Uhr sandte eine weitaus stärkere Explosion eine Aschesäule 16 km in die Höhe. Ein 60 m hoher und 365 m breiter Dazitdom entstand innerhalb einer Woche im Krater.
Am 22. Juli beendete eine Serie größerer Explosionen mehr als einen Monat dauernde Periode vergleichsweiser Ruhe. Diese Eruption wurde zuvor von einer messbaren Expansion des Gipfelbereichs, erhöhter Erdbebenaktivität und veränderter Emission von Schwefeldioxid und Kohlenstoffdioxid angekündigt. Der erste Ausbruch erfolgte um 17:15 Uhr, als eine Aschesäule 16 km in die Höhe geschleudert wurde. Dieser Säule folgte um 18:25 Uhr eine zweite, die nach nur 7,5 Minuten bereits über die Höhe der ersten hinausging. Die letzte Eruption begann um 19:01 Uhr und endete erst zwei Stunden später. Hierbei wurde der im Juni geschaffene Dom wieder gesprengt.
Seismische Aktivitäten und Gasemission stiegen Anfang August stetig an. Am 7. August um 16:26 Uhr expandierte eine Aschewolke langsam in bis zu 13 km Höhe. Kleine pyroklastische Ströme flossen durch die nördliche Bresche. Ein zweiter Dazitdom füllte binnen weniger Tage diesen Austrittskanal.
Zwei weitere Monate der Untätigkeit wurden von einer Eruption vom 16. bis 18. Oktober 1980 beendet. Dieses Ereignis zerstörte den zweiten Dom, schleuderte Asche in 16 km Höhe und erzeugte kleine, rotglühende pyroklastische Ströme. Ein dritter Dom entstand 30 Minuten nach der letzten Explosion am 18. Oktober, der binnen weniger Tage 275 m breit und 40 m hoch war. Im Jahr 1987 hatte dieser Dom bereits eine Breite von 900 m und eine Höhe von 40 m erreicht.
Veränderung der Gestalt des Mount St. Helens durch den Vulkanausbruch
Die folgende Abbildung zeigt die Veränderung des Mount St. Helens durch den Vulkanausbruch im Mai 1980:
Von der „Monitor Ridge“ aus gesehen, zeigen sich der Vulkankegel, der große, nach Norden offene Krater und der nach der Eruption gebildete Lavadom. Das kleine Foto auf der linken Seite wurde vor der Eruption vom Spirit Lake aus aufgenommen, das rechte Bild nachher, an etwa gleicher Stelle. Der Spirit Lake selbst kann auch im größeren Bild gesehen werden, ebenso wie zwei weitere Vulkane der Kaskadenkette.
Einzelnachweise
Literatur
- Stephen L. Harris, Stephen L. (1988): Fire Mountains of the West: The Cascade and Mono Lake Volcanoes, MissoMountain Press Publishing Company, Missoula 1988, ISBN 0-87842-220-X
Weblinks
- Seite des USGS Cascades Volcano Observatory über den Mount St. Helens
- USGS – Mount St. Helens: Fotostrecke
46.200288888889-122.186725Koordinaten: 46° 12′ 1″ N, 122° 11′ 12″ W
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