Radegunde

Radegunde
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der heiligen Radegundis von Thüringen, spätere Königin der Franken.
St. Radegundis, Handschrift 11. Jahrh., Stadtbibliothek Poitiers

Die heilige Radegundis (Nebenformen: Radegund, Radegunde, frz. Radegonde, von althochdeutsch rat = Rat und gund = Kampf; * um 520; † 13. August 587 in Poitiers) war die Tochter König Berthachars von Thüringen und dessen unbekannter Frau. Ihr Gedenktag ist der 13. August.

Sie ist die Schutzpatronin der Weber und Töpfer und der Stadt Poitiers.

Inhaltsverzeichnis

Die Thüringer Prinzessin Radegundis

Nachdem Radegundis vor 531 schon Vollwaise gewesen sein muss, wurde sie, mit mit mindestens zwei Brüdern, am Hof des Thüringer Königs Herminafried, ihrem Onkel, erzogen. Alles weitere, ob Herminafried ihre Eltern töten ließ oder ähnliches ist Spekulation und durch keine Quelle belegt. Sie muss am Königshof eine einer Hochadeligen würdige Ausbildung erhalten haben.

Radegundis in Frankreich

531 wurden Radegundis und ihr Bruder nach einem Überfall des Frankenkönigs Chlothar I., bei dem die Burg Scithingi (Burgscheidungen)[1] erobert wurde, nach Neustrien in die königliche villa Athies bei Péronne an der Somme verschleppt. Hier wurde Radegundis christlich erzogen, lernte die lateinische Sprache, las die Schriften der Kirchenväter und Dichter und nahm sich der Pflege, Ernährung und Unterweisung armer Kinder an.

Königin der Franken

Um 540 erzwang König Chlothar gegen ihren Willen die Heirat mit Radegundis. Er hatte davor die hinterlassenen minderjährigen Söhne seines Bruders Chlodomer eigenhändig umgebracht; auch hatte er bereits vier Frauen gehabt. Radegundis floh, wurde aber ergriffen und zurückgebracht.

Die Hochzeit fand in Vitry (Artois) statt, die Ehe blieb kinderlos. Das Paar adoptierte jedoch ein Mädchen namens Agnes und zog es auf.

Auch als Königin lebte Radegundis am Hof in Soissons ihren vitae nach wie eine Klosterfrau. Sie beschenkte die Kirche, bei Tisch ließ sie die Fleischschüsseln vorübergehen und sättigte sich mit Bohnen oder Linsen. Die Hofleute spotteten, der König habe eine Nonne zum Frau genommen. Sie bat den König auch um Begnadigung für zum Tode Verurteilte und widmete sich der Krankenpflege.

Um 550 ließ Chlothar vermutlich Radegundis' Bruder als Vergeltung für einen Aufstand der Thüringer ermorden. Das traf Radegundis so tief, dass sie sich schließlich von Chlothar trennte aber nie scheiden ließ.

Leben als Wohltäterin und Nonne

Sie floh nach Noyon, wo sie von Bischof Medardus zur Diakonin geweiht wurde. Sie überließ ihr königliches Gewand der Kirche zu Noyon und verschenkte ihren weiteren Besitz an die Armen.

Anschließend setzte sie ihre Flucht nach Saix und dann nach Poitiers fort. Der Bischof Germanus von Paris bat den König, die Verfolgung aufzugeben. Chlothar schickte den Bischof zu ihr, um sie um Verzeihung zu bitten und ließ ihr sagen, dass er ihren Plan einer Klostergründung unterstützen werde.

558 gründete Radegundis mit Unterstützung Chlothars, der bereits vergeblich erneut Radegundis gebeten hatte, zu ihm zurückzukehren, das Kloster Sainte-Marie-hors-les-Murs, das spätere Kloster Sainte-Croix in Poitiers nach der Ordensregel des heiligen Caesarius von Arles. Chlothar stellte es dauerhaft unter seinen Schutz. Zweihundert junge Mädchen folgten ihrer Aufforderung zum Eintritt. Sie setzte ihre Ziehtochter und Freundin Agnes zur Äbtissin ein. Radegundis soll sich in diesem Kloster oft die niedrigsten Dienste ausgesucht haben. Sie übernahm auch die Krankenpflege. An zwei Tagen der Woche versammelte sie Arme und Kranke im Badehaus des Klosters; auch die Aussätzigen wusch sie selbst. Sie predigte auch vor den Nonnen und übertrat damit das Predigtverbot für Frauen.

Das Kloster war in dieser Zeit das bedeutendste Frauenkloster des Frankenreiches. Radegundis stand auch in Verbindung mit dem Bischof Gregor von Tours.

Mit dem Tod Chlothars um 561 wurde das Frankenreich unter seinen vier Söhnen aufgeteilt, von denen sich Radegundis den weiteren Fortbestand des Klosters rechtlich absichern ließ. Schutz und Beistand für ihr Lebenswerk erbat sie auch von den Bischöfen Galliens, die ihr diesen Schutz um 575 zusicherten.

565 reiste der Schriftsteller, Dichter und Priester Venantius Fortunatus nach Gallien und blieb in Poitiers. Zwanzig Jahre lang lebte er hier als Radegundis' vertrauter Freund. Durch Briefe und Reisen nahm er gegenüber Königen und Würdenträgern die Interessen des Klosters wahr.

569 sandte der byzantinische Kaiser Justin II. auf Radegundis Bitte einen Splitter vom Heiligen Kreuz an das Kloster. Radegundis benannte hierauf das Kloster in Abtei zum Heiligen Kreuz (Sainte-Croix) um. Fortunatus verfasste zum Dank ein langes Lobgedicht an das Kaiserpaar.

Am 13. August 587 starb Radegundis und wurde auf ihren Wunsch in der zum Kloster gehörenden Kirche bestattet, die zu ihrer Ehre Sainte-Radegonde benannt wurde

Radegundis-Verehrung

Bald nach ihrem Tod verfasste Venantius Fortunatus eine erste Lebensgeschichte von Radegundis, die auch heute noch eine wichtige Quelle ist. Eine weitere Vita entstand um 600 und wurde von der Nonne Baudonivia aus dem Kloster Sainte-Croix verfasst.

Nach ihrem Tod verbreitete sich ihr Ruf als Heilige rasch im ganzen Land. In Frankreich wurden ihr um die 150 Kirchen gewidmet, später auch in England, Österreich, Belgien, Italien, Kanada und im Kongo. Sie ist Patronin von Poitiers und des Jesus College (Cambridge).

Im Mai 1562 plünderten Hugenotten ihre Grablege (Grabschändung). Sie sprengten den Sargdeckel und verbrannten einen Teil der Gebeine. Ein Teil der Reliquien wurde gerettet und wieder in den Sarkophag eingeschlossen. Bis heute ist ihre Grabstätte ein Wallfahrtsort.

Anlässlich ihres 1300. Todestages im Jahre 1887 stiftete Papst Leo XIII eine goldene, mit Edelsteinen geschmückte Krone, die der Statue der Heiligen im Dom von Poitiers aufgesetzt wurde.

In Mitteldeutschland, ihrer Heimat, gab es nur drei Kirchen oder Kapellen mit Radegunde-Patrozinium. An der Kapelle auf der Mühlburg wurde zu ihrem 1400. Todestag eine Gedenkplatte angebracht.

Weitere Namensträgerinnen

  • Es gibt eine weitere thüringische Radegunde, nämlich die Tante der heiligen Radegundis. Sie war die Schwester ihres Vaters und mit dem Langobardenkönig Wacho verheiratet.
  • Radegund von Chelles, gest. um 680, wurde als Waise von der Frankenkönigin Balthild adoptiert; Gedenktag: 29. Januar.
  • Radegund von Wellenburg, gestorben um 1290; war Magd auf Schloss Wellenburg und pflegte Arme und Kranke im nahen Siechenhaus; Gedenktag: 18. Juli.

Siehe auch

Quellen

  1. Außer Widukind von Corvey, der 400 Jahre später davon berichtet, hat keiner den Ort der Schlacht benannt

zu 1. Der Königssitz Herminafrids war nach Reinhold Andert der Ort Herbsleben. In seiner ersterwähnten Form hieß Herbsleben „Herifridesleiban“, das heißt Eigentum, Erbe des Herminafrid, des Thüringer Hauptkönigs. (vgl. Reinhold Andert, „Die Tretenburg, Herbsleben und die Königsleutedörfer“, In: „Der Thüringer Königshort“, Dingsda-Verlag, Querfurt 1995, ISBN 3-928498-45-2 und Reinhold Andert, „Die Eroberung des Thüringer Königreiches“, In: „Der fränkische Reiter“, Dingsda-Verlag Querfurt, Leipzig 2006, ISBN 3-928498-92-4). Anderts historische Herangehensweise ist interessant, aber fachlich problematisch und genügt nur populärwissenschtlichen Standards.

Literatur

  • Michael Friese: Die heilige Radegunde von Thüringen. Verlagshaus Thüringen, Erfurt 2001, ISBN 3-89683-164-X.
  • Dorothée Kleinmann: Radegunde: eine europäische Heilige; Verehrung und Verehrungsstätten im deutschsprachigen Raum. Styria, Graz, Wien, Köln 1998, ISBN 3-222-12639-9.
  • Barbara Pischel: Radegunde: zur europäischen Volkskunde. Lang, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-631-43603-3.
  • Hardy Eidam, Gudrun Noll (Hrsg.): Radegunde – ein Frauenschicksal zwischen Mord und Askese. Ausstellungskatalog. Stadtverwaltung Erfurt 2006, ISBN 978-3-938381-08-3.
  • Reinhold Andert: Venantius Fortunatus und Radegunde. In: Der Thüringer Königshort. Dingsda-Verlag, Querfurt 1995, ISBN 3-928498-45-2.
  • Michael Friese (Hrsg.): Die heilige Radegunde von Thüringen. Grünen Reihe Thüringen Bd. 12, Verlagshaus Thüringen, Erfurt 2001, ISBN 3-89683-164-X.
  • Renate Dissertori: Berichten Frauen anders? Die heilige Radegunde von Poitiers in den Viten des Venantius Fortunatus und der Baudonivia. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-9139-6.

Weblinks


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