Raketenunfall

Raketenunfall
A4 (National Air & Space Museum, Washington)
Start einer Saturn V mit Apollo 8 an der Spitze
Aufstieg des Space Shuttles Atlantis
Sojus-FG startet das bemannte Raumschiff Sojus TMA-5

Eine Rakete (von ita. rocchettaSpindel“) ist ein Flugkörper mit Rückstoßantrieb (Raketenantrieb), der von der Umgebung unabhängig ist und daher auch im luftleeren Raum beschleunigen kann.

Raketen, die eine sehr umfassende Eigensteuerung haben und z. B. beweglichen Zielen folgen, werden auch als Lenkflugkörper eingeordnet. Im Gegensatz zu Geschossen haben Raketen lange Beschleunigungsphasen. Wegen der dadurch deutlich geringeren Belastungen kann die Struktur der Rakete sehr leicht gehalten werden. Bei Raketen reichen die Größenordnungen von Feuerwerksraketen bis hin zu der riesigen Energija oder der Saturn V, die im Apollo-Programm - dem bemannten Flug zum Mond - eingesetzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte der Raumfahrt Der erste überlieferte Raketenstart fand 1232 im Kaiserreich China statt. Im Krieg gegen die Mongolen setzten die Chinesen in der Schlacht von Kaifeng eine Art Rakete ein: Dabei schossen sie eine Vielzahl simpler, von Schwarzpulver angetriebener Geschosse auf die Angreifer ab. Die Raketen sollten weniger den Gegner verletzen, als die feindlichen Pferde erschrecken. In Europa fand der erste dokumentierte Start einer Rakete 1555 im siebenbürgischen Hermannstadt statt. Der Flugkörper verfügte bereits über ein Drei-Stufen-Antriebssystem.

1804 stellte der Engländer William Congreve mit der von ihm entwickelten und nach ihm später benannten Raketenwaffe, eine Art Brandrakete, erste größere Versuche an; die Waffe wurde 1806 bei Boulogne, 1807 beim Bombardement von Kopenhagen, 1809 beim Angriff auf die französische Flotte bei Île d’Aix und bei der Beschießung von Vlissingen und 1813/1814 vor Glückstadt eingesetzt. Während der Befreiungskriege schickten die Engländer ihren Verbündeten Raketenbatterien, die 1813 bei den Belagerungen von Wittenberg und Danzig sowie in der Völkerschlacht bei Leipzig zum Einsatz kamen. Congreves Raketen wurden ferner im Krieg von 1812 gegen die Amerikaner eingesetzt.

Nach genauem Studium der englischen Raketenwaffen führte in Folge der österreichische Freiherr Vincenz von Augustin diese neue Waffe in der österreichischen Armee ein. Augustin war ab 1814 Chef der Kriegsraketenanstalt und hatte als Kommandant bis 1838 das in der österreichischen Artillerie neuerrichtete Raketenkorps (Feuerwerkskorps) in Wiener Neustadt unter sich.

1926 testete Robert Goddard in den USA erfolgreich seine selbst entwickelte Rakete mit Flüssigtreibstoff. Bei Opel beginnt 1927 die Raketenforschung mit einem eigens konstruierten Prüfstand zur Messung der Schubkraft der Raketen. Auch Max Valier und Friedrich Wilhelm Sander sind dabei. Am 11. April 1928 steuert Kurt C. Volkhart das erste Ergebnis von Opels Forschung auf der Werksrennbahn: Das Raketenauto RAK1. Fritz von Opel absolviert im September 1929 auf dem Frankfurt-Rebstock den wohl ersten bemannten Raketenflug der Welt. Er wurde mit dem Opel-Sander RAK-1-Flugzeug 150 km/h schnell. 1931 gelang Johannes Winkler, Gründer des VfR (Verein für Raumschiffahrt), der erste Start einer Flüssigkeitsrakete in Europa. In der Sowjetunion wurden 1935 die Raketen GIRD-09 und GIRD-X gestartet. Beide Raketen wurden von der GIRD (Gruppe zum Studium der rückstoßgetriebenen Bewegung), einer Unterorganisation der OSSOAWIACHIM, entwickelt. 1942 hob die erste gesteuerte und flugstabilisierte Großrakete, das deutsche Aggregat 4, in Peenemünde ab und leitete damit die Nutzung von Raketen als Massenvernichtungswaffen ein. Den ersten bemannten senkrechten Raketenstart führte 1945 Lothar Sieber durch, in einer Ba 349 Natter aus. Der Flug endete mit einem tödlichen Absturz. 1957 verließ eine modifizierte sowjetische Interkontinentalrakete vom Typ R-7 die Erdatmosphäre und brachte den Satelliten Sputnik 1 in eine Umlaufbahn um die Erde.

Aufbau

Jede Rakete besteht aus den folgenden Baugruppen:

Die Baugruppen werden durch die Hülle zusammengehalten. Dabei können einzelne Baugruppen auch mehrfach vorkommen (Mehrstufenrakete).

Triebwerk

Für eigenstartfähige Flugkörper werden wegen des hohen Beschleunigungsbedarfs chemische Raketentriebwerke verwendet. Bereits erprobte Kernenergieraketentriebwerke wurden aus Sicherheits- und Umweltschutzgründen nicht eingesetzt. Elektrische Raketentriebwerke funktionieren nur im Vakuum und werden nur für bereits gestartete Raumsonden und Satelliten verwendet (Ionenantrieb).

Steuer und Lenkeinrichtungen

Ungelenkte Raketen

Ungelenkte Raketen werden durch den Abschusswinkel ausgerichtet und während des Fluges lediglich aerodynamisch stabilisiert. Dies erfolgt durch Drall, einen Stabilisierungsstab oder Leitwerke, wobei auch Leitwerke Drall erzeugen können. Die Leitwerke befinden sich dabei stets am hinteren Ende der Rakete, hinter dem Schwerpunkt. Beispiele hierfür sind Feuerwerksraketen, Modellrakete, kleinere Höhenforschungsrakete, wie die MMR06-M, zahlreiche militärische Raketen kürzerer Reichweite, wie die Katjuscha, einfache Boden-Boden-, Boden-Luft-Raketen oder Geschosse von Raketenpistolen und Raketengeschützen

Gelenkte Raketen

Gelenkte Raketen unterliegen während des Fluges einer Kursüberwachung und haben die Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren. Dabei kann die Kurskorrektur autonom oder durch eine wie auch immer geartete Leitstation erfolgen.

Die Kurskorrektur wird meist durch ein die Raumlage überwachendes Kreiselsystem eingeleitet, auch inertiales Navigationssystem genannt. Es wird heute z. B. durch GPS-Steuerung ergänzt. Dies kann durch folgende Steuerglieder erfolgen:

  • Leitwerke wirken auf die umgebende Luft und können damit bei Flügen in der Atmosphäre auch nach Brennschluss genutzt werden.
  • Strahlruder wirken direkt im ausgestoßenen Gasstrom.
  • Schwenkbare Expansionsdüsen, oder gas-dynamic-steering.
  • Steuertriebwerke, die seitlich von der Längsachse wirken.

Im militärischen Bereich werden gelenkte Raketen als Flugkörper bezeichnet.

Beispiele hierfür sind militärische Raketen größerer Reichweite - die erste in Serie gebaute ballistische und gesteuerte Rakete war die A4, außerdem Flugabwehrraketen und Panzerabwehrraketen, größere Höhenforschungsraketen und Trägerraketen.

Hülle

Die Hülle von Raketen muss zugunsten des Treibstoffes und der Nutzlast möglichst leicht sein. Um nach Abbrand einer gewissen Treibstoffmenge möglichst wenig Totlast mitzuführen, werden größere Raketen mehrstufig ausgelegt, d.h. nach Brennschluss einer Stufe wird diese abgetrennt und die nächste Stufe zündet. Die Abtrennung erfolgt meist durch Absprengen (Pyrobolzen), kann aber auch durch Zündung der nachfolgenden Stufe erfolgen.

Für Flüge in der Atmosphäre muss die Hülle aerodynamisch geeignet ausgelegt sein, weiterhin kann es zu erheblichen thermischen Belastungen durch Luftreibung kommen. Bei manchen Raketen, wie der amerikanischen Atlas-Rakete, wird die Hülle durch einen erhöhten Innendruck gehalten.

Träger- und Höhenforschungsraketen

Raketenunfälle

Hauptartikel: Katastrophen der Raumfahrt

Obwohl sich bei der Entwicklung und Erprobung von Raketen viele Explosionen ereigneten, gab es nur wenige Raketenunfälle mit Personenschaden, da im Regelfall sehr strenge Sicherheitsmaßnahmen angewandt wurden.

Tödliche Raketenunfälle mit Opfern am Boden

Datum Unglücksort Anzahl der Todesopfer Art des Unglücks
17. Mai 1930 Berlin, Deutschland 1 Max Valier stirbt bei Brennkammerexplosion
10. Oktober 1933 Deutschland 3 Explosion in der Werkstatt von Reinhold Tiling
16. Juli 1934 Kummersdorf, Deutschland 3 Triebwerksexplosion bei Bodentest
1944? Tucheler Heide, Polen  ? Bei einem Versuchsstart stürzt eine A4-Rakete in einen Schützengraben, in dem sich mehrere Personen befinden - mehrere Tote.
28. August 1944 KZ-Nebenlager Redl-Zipf 24 Explosion eines A4-Versuchstriebwerk auf dem Raketenprüfstand „Schlier“. Unter den Toten ist die Raketentechnikerin Ilse Oberth, Tochter Hermann Oberths.
24. Oktober 1960 Baikonur, Kasachstan über 126 Explosion einer R-16 auf der Startrampe (siehe Nedelin-Katastrophe)
14. April 1964 Cape Canaveral, USA 3 Rakete zündete im Montageraum.
7. Mai 1964 Braunlage, Deutschland 3 Bei der Vorführung von Postraketen von Gerhard Zucker explodiert eine Rakete kurz nach dem Start, Trümmer treffen Menschen in der Zuschauermenge.
14. Dezember 1966 Baikonur, Kasachstan 1 (?) Fehlstart eines unbemannten Sojus-Raumschiffes. Der Rettungsturm setzt die Rakete in Brand, die daraufhin explodiert. Siehe Kosmos 133.
26. Juni 1973 Plessezk, Sowjetunion 9 Explosion einer Kosmos-3M auf der Startrampe
18. März 1980 Plessezk, Sowjetunion 48 Explosion einer Wostok-2M auf der Startrampe
14. Februar 1996 Xichang, Volksrepublik China 6 Absturz einer LM-3B-Rakete kurz nach dem Start in ein nahegelegenes Dorf.
15. Oktober 2002 Plessezk, Russland 1 Explosion beim Start einer Sojus-Rakete
22. August 2003 Alcantara, Brasilien 21 Explosion einer VLS-1-Rakete auf der Startrampe

Tödliche Raketenunfälle bei bemannten Flügen und der Raumfahrt

Datum Fluggerät Anzahl der Todesopfer Art des Unglücks
1. März 1945 Bachem Ba 349 Natter 1 Absturz nach Start. Erster bemannter Raketenflug überhaupt. Pilot: OLT Lothar Sieber. Eine Starthilfsrakete konnte nicht abgeworfen werden, was bei dem anschließenden Manöver das Auslösen des Bremsfallschirms verhinderte (die Bachem Natter hätte sich in der Schlussphase in drei Teile zerlegen sollen).
28. Januar 1986 STS-51-L (Challenger) 7 Explosion kurz nach dem Start. Aus einer undichten Starthilfsrakete austretende Abgase verursachen Explosion des Haupttreibstofftanks.
1. Februar 2003 STS-107 (Columbia) 7 Auseinanderbrechen des Shuttles beim Wiedereintritt in Erdatmosphäre. Ursache war ein beim Start durch abfallende Isolationsteile des Außentanks verursachter Defekt im Hitzeschutzmantel des Shuttles.

Physikalische Grundlagen

Obgleich es sehr unterschiedliche technische Realisierungen von Raketen gibt, beruhen alle auf der Übertragung von Impulsen auf entgegen der gewünschten Richtung der Beschleunigung der Rakete ausgeworfenen Masse.

Den Zusammenhang zwischen der Masse der Rakete und des Antriebsstoffs beschreibt die Raketengrundgleichung. Sie folgt aus der Newtonschen Mechanik und wurde 1903 von dem russischen Physiker Konstantin Ziolkowski erstmals aufgestellt.

Literatur

  • Volkhard Bode, Gerhard Kaiser: Raketenspuren. Peenemünde 1936-1996 - Eine historische Reportage mit aktuellen Fotos. Christoph Links Verlag - LinksDruck GmbH, Berlin 1996, ISBN 3-86153-112-7
  • Gerhard Reisig: Raketenforschung in Deutschland. Wie die Menschen das All eroberten. Agentur Klaus Lenser, Münster 1997, ISBN 3-89019-500-8
  • Michael J. Neufeld: Die Rakete und das Reich. Wernher von Braun, Peenemünde und der Beginn des Raketenzeitalters. Henschel Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-89487-325-6
  • Harald Lutz: Die vergessenen Raketenexperimente von Cuxhaven. Sterne und Weltraum 44(3), S. 40 - 45 (2005), ISSN 0039-1263
  • Hans Josef Werding: So flogen schon die Pharaonen, ISBN 3-9800989-5-8

Siehe auch

Weblinks


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