Rationalistisch

Rationalistisch

Der Rationalismus (von lateinisch ratioVernunft) ist eine philosophische Annahme, derzufolge der Verstand vermag, die objektive Struktur der Wirklichkeit zu erkennen, und zwar sowohl auf physikalischem, metaphysischem wie moralischem Gebiet. Ein Gegenbegriff ist "Empirismus", womit die Auffassung gemeint ist, dass alle Erkenntnis allein auf sinnlicher Wahrnehmung beruhe. Den klassischen Rationalismus lässt man üblicherweise mit René Descartes beginnen und kennzeichnet Gottfried Wilhelm Leibniz und dessen Rezipienten (Meier, Baumgarten, Wolff u.a.) als Hauptvertreter.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Die Gegenüberstellung von Rationalismus und Empirismus entstammt dem 19. Jahrhundert. Oft formuliert man sie wie folgt: Ein Rationalist legt seiner philosophischen Welterklärung vor allem rationale Schlussfolgerungen zu Grunde, während ein Empirist nur Hypothesen akzeptiert, die sich auf sinnliche Wahrnehmung zurückführen lassen. Nicht gemeint ist also, dass Rationalisten die sinnliche Erfahrung als Erkenntnisquelle generell ablehnen würden - und Empiristen die Vernunft. Tatsächlich sind in den Texten rationalistischer Philosophen auch empiristische Elemente zu finden und umgekehrt.

Historische Entwicklung

Der Rationalismus knüpft in vielem an die Begrifflichkeit und Methode der lateinischen Scholastik an, propagiert andererseits aber einen selbständigeren Neuansatz, der einem vor allem in Frankreich im 17. Jahrhundert sich ausbreitenden Unmut über angebliche "unfruchtbare Spitzfindigkeiten" scholastischer Debatten begegnet. Diese würden, so ein in diesem Kontext häufiger formulierter Vorwurf, lediglich dem Skeptizismus den Weg bereiten.

Als Begründer des Rationalismus gilt vor allem René Descartes, der dabei wichtige Anregungen von seinem älteren Freund Marin Mersenne erhielt. Descartes veranschaulichte seine Auffassung von Wissenschaft und Philosophie anhand der Geometrie. Demnach lassen sich die universellen Grundsätze einzig mit Hilfe des Verstandes erschließen. Alle übrigen Fragen der Philosophie und Naturwissenschaften werden durch Deduktion beantwortet. Er behauptete, dass jene Grundsätze nicht mit Hilfe der Sinneswahrnehmung erschließbar seien.

Andere Denker, zum Beispiel der niederländische Philosoph Baruch Spinoza und der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz, entwickelten den cartesianischen Rationalismus weiter. Er stand im Gegensatz zu den Konzepten der britischen Empiristen John Locke und David Hume, die der Meinung waren, dass die Sinne grundlegende Erkenntnis lieferten. Zudem standen sie den Skeptikern entgegen, die das Erlangen sicherer Erkenntnis für unmöglich hielten.

Der erkenntnistheoretische Rationalismus fand auch in anderen Bereichen der Philosophie Anwendung. Er war der Auffassung, dass sich die elementaren Grundsätze menschlicher Moral aus der reinen Vernunft ergäben. Siehe hierzu auch: Naturrecht.

Der Deismus, der rationalistische Ansätze hat, beeinflusste die Religionsphilosophie und ging von der Existenz fundamentaler religiöser Prinzipien aus, welche eine Offenbarung sinnlos machen.

Siehe auch

Literatur

  • Guy Longworth: Rationalism and Empiricism, Ersch. vorauss. 2008 in: S. Chapman, C. Routledge (Hgg.): Key Ideas in Linguistics and the Philosophy of Language, Edinburgh: Edinburgh University Press.
  • R. Specht (Hg.): Rationalismus (Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung (hg. Rüdiger Bubner), Bd. 5), Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1979; Neuausgabe 2002. Auswahl repräsentativer Quellentexte mit einführenden Erläuterungen

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