Rauhnächte

Rauhnächte

Rauhnächte (auch Raunacht oder Rauchnacht) sind einige Nächte um den Jahreswechsel, denen im Brauchtum vor allem des alten Stammesherzogtums Bayern (im wesentlichen Bayern, Österreich, Südtirol) besondere Bedeutung zugemessen wird.

Die zwölf Nächte (auch Zwölfte oder Glöckelnächte) sind die zwölf Nächte, in verschiedenen Gegenden zwischen dem Heiligen Abend (24. Dezember) und dem Fest der Erscheinung des Herrn (6. Januar), aber auch andere Zeiträume, beispielsweise zwischen dem Thomastag und Neujahr.

Es gibt Unterschiede in der Anzahl der Rauhnächte, zwischen drei und allen zwölf Nächten, je nach Region:
Als die vier wichtigsten Rauhnächte werden bezeichnet:

In manchen Gebieten wird die Thomasnacht nicht hinzugezählt.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Der Name leitet sich nicht von dem Adjektiv rauh (uneben) ab, und auch nicht von Rauch, wobei hier Fehlinterpretationen, dass das Ausräuchern der Ställe durch den Pfarrer oder den Bauern (oft mit Hilfe von Weihrauch) gemeint ist, in der Literatur durchaus verbreitet sind. Vielmehr geht die Bezeichnung auf das mittelhochdeutsche Wort rûch (haarig) zurück, und ist in der Kürschnerei als Rauhware für Tierfell noch in Verwendung. Die Nächte stehen in enger Verbindung mit Ritualen rund um das Nutzvieh, aber auch Verwandlungen zwischen Tieren und Menschen oder haarigen mythischen Wesen.

Kalendarische Grundlagen

Seinen Ursprung hat der Brauch vermutlich in der Zeitrechnung nach einem Mondjahr. Ein Jahr aus zwölf Mondmonaten umfasst aber nur 354 Tage. Wie alle einfachen, nicht-interkalierenden Lunisolarkalender (also alle Mondkalender, die keine Schaltmonate einschieben, um mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bleiben), werden die auf die 365 Tage des Sonnenjahres fehlenden elf Tage – beziehungsweise zwölf Nächte – als tote Tage (das sind Tage außerhalb der Zeit) eingeschoben. Von solchen Tagen wird in Mythologien weltweit verbreitet angenommen, dass die normalen Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt sind, und daher die üblichen Grenzen zu gewissen anderen Welten fallen. In vielen Kulturen, die so ein Kalendersystem verwenden, sind in dieser Zeitspanne mythische und magische Rituale üblich, und solche auf germanische oder auch vorgermanische Wurzeln zurückgehende Bräuche haben sich im Brauchtum bis heute erhalten – welcher der Bräuche wie alt ist, lässt sich im allgemeinen nicht mehr genau feststellen.

Mythologie und Brauchtum

Die Rauhnächte sind eine Zeit, die für Geisteraustreibung oder -beschwörung, den Kontakt mit Tieren oder wahrsagerische Praktiken geeignet sein soll.

Zur Mitte der Zwölfnächte, nämlich zu Silvester, sollte Wotan mit den Toten zur wilden Jagd aufbrechen. In dieser Zeit steht nach altem Volksglauben das Geisterreich offen, und die Seelen der Verstorbenen sowie die Geister haben Ausgang. Dämonen können Umzüge veranstalten oder mit der wilden Jagd durch die Lande ziehen. Bis in die jüngere Zeit war in weiten Teilen Europas der Glaube verbreitet, dass sich zauberkundige Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten, zu dieser Zeit in Werwölfe verwandelten und in dieser Gestalt Mensch und Vieh bedrohten (etwa im Baltikum, in Westdeutschland, speziell in der Eifel und den benachbarten Ardennen, oder in Bulgarien und Griechenland). Diese Vorstellung spiegelt sich in den Perchtenläufen des Alpenraums wider. Auch der Brauch, zu Silvester Lärm zu erzeugen, soll die Unholde fernhalten. In Norddeutschland ist bis heute das Rummelpottlaufen verbreitet. Auch die Bräuche um die Winterauskehr am Ende des Faschings stehen in diesem Kontext: Die Geister, die sich doch eingenistet haben, können dann endlich und endgültig vertrieben werden.

Altem Volksglauben zu Folge seien die Rauhnächte des Weiteren für das Durchführen von Orakeln sehr geeignet. Im Silvesterbrauchtum wird dieser Glaube - wenngleich in erster Linie aus Geselligkeit - in Form des Bleigießens bis heute weiter gepflegt. Der Zwiebelkalender dient der Wetterprognose.

Tiere im Stall sollen um Mitternacht die menschliche Sprache sprechen und über die Zukunft erzählen. Wer die Tiere allerdings sprechen höre, sterbe unmittelbar danach.

Die vier genannten Rauhnächte galten mancherorts als derart gefährlich, dass sie mit Fasten und Beten begangen wurden. Im Haus durfte keine Unordnung herrschen, keine weiße Wäsche auf der Leine hängen (welche die Reiter stehlen würden, um sie dann im Laufe des Jahres als Leichentuch für den Besitzer zu benützen). Es durften keine Wäscheleinen gespannt werden, da sich in diesen die "Wilde Jagd" verfangen könnte. In einer anderen Version ist dies besonders (jüngeren) Frauen verboten. Durch das Aufhängen von weißer (Unter-) Wäsche würde die „Wilde Jagd“ angelockt und dann über diese Frauen „herfallen“. Frauen und Kinder sollten nach Einbruch der Dunkelheit auch nicht mehr alleine auf der Straße sein. Andererseits galten die Rauhnächte für unverheiratete Frauen als eine Gelegenheit, um Mitternacht an einem Kreuzweg oder einem anderen magischen Ort ihren künftigen Bräutigam zu sehen. Seine Gestalt erschien dann und ging schweigend vorüber, und das Mädchen durfte sie weder ansprechen noch ihr nachschauen, weil dies den Tod bedeutet hätte (Bretagne, Wales, Schottland).

Kinder, die an einem Samstag während dieser zwei Wochen geboren wurden, besaßen nach Auffassung der meisten europäischen Völker magische Kräfte. Wer tagsüber geboren wurde, konnte Geister und wiederkehrende Tote sehen und bekämpfen, musste aber auch die Verstorbenen auf den Friedhof schleppen und ihnen ihr künftiges Grab zeigen. In Westeuropa stellte sich unter christlichem Einfluss ein Wandel ein, nachdem der höchste Feiertag der Woche vom jüdischen Sabbat auf den Sonntag verschoben worden war. Daher sprach man von Sonntagskindern, die geistersichtig waren, in die Zukunft schauen konnten und Glück brachten. Im orthodoxen Raum spricht man heute noch vom Samstagskind (serbisch: subotnik oder griechisch: sabbatianos). Sie sind in den Sagen Südosteuropas die Vampirjäger, während die zum Dasein als wiederkehrender Untoter verdammten Menschen meistens in einer Nacht zwischen dem 21. Dezember und dem 6. Januar (nach orthodoxer Zeitrechnung) geboren wurden. Besonders gefürchtet war die Geburt eines Kindes am Weihnachtsabend, weil dies als Verhöhnung der Geburt Christi betrachtet wurde.

Vom österreichischen Schriftsteller Richard Billinger gibt es ein Drama "Rauhnachtl" (1931).

Christliche Überlagerung der Bräuche

Erst Karl der Große machte in Mitteleuropa um 800 das Weihnachtsfest zum Kirchenfest; wer die alten Riten feierte, wurde mit dem Tod bestraft.

Zumindest an den vier besonders wichtigen Rauhnächten (21. Dezember, 24. Dezember, 31. Dezember und 5. Januar) werden im Volksbrauchtum Haus und Stall vom Hausvater mit Wacholder, später mit Weihwasser und Weihrauch gesegnet, Kerzen entzündet und Gebete gesprochen. Es handelt sich hierbei um christliches Brauchtum, und der Gebrauch von Weihrauch oder Kerzenrauch wurde als Erklärung für die Bezeichnung Rau(c)hnächte herangezogen, was sich angesichts der phonetischen Ähnlichkeit anbot.

Siehe auch

Links

Rauhnächte - Die Schrecken der 12 Rauhnächte

Literatur

  • Hanns Bächtold-Stäubli (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin 1927-1942 (Nachdruck Berlin 2000)
  • Herbert Kleist: Volksglaube und Volksbrauch während der Zwölften im ostdeutschen Landschaftsraum. Greifswald 1938
  • Peter Kremer: Draculas Vettern. Auf den Spuren des Vampirglaubens in Deutschland. Düren 2006

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