- Reaktionär
-
Reaktion war im 19. Jahrhundert der Sammelbegriff für diejenigen Kräfte, die sich der Fortführung der Französischen Revolution und der Übernahme ihrer Ideen (Bürgerliches Gesetzbuch, Parlamentarismus, Grundrechte und Verfassung, Republik usw.) in anderen Ländern widersetzten.
Seitdem ist Reaktion die Bezeichnung für antidemokratische und gegen den gesellschaftlichen Fortschritt eingestellte Kräfte bzw. eine Haltung, die rückwärtsgewandt ist. Die Rückwärtsgewandtheit setzt dabei eine lineare Geschichtsbetrachtung im Sinne des Fortschritts voraus. Was Fortschritt sei, ist in der Politik strittig, und insofern enthält die Bezeichnung „Reaktion“ eine subjektive Wertung. Konsensfähig erscheint aber die Position, dass derjenige, der hinter die Prinzipien der Französischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (liberté, égalité, fraternité) zurückgehen will, reaktionär sei.
Ein Angehöriger der Reaktion wird Reaktionär genannt. Es gibt mehr politisch aktive Persönlichkeiten, die von ihren Gegnern als Reaktionäre bezeichnet werden, als solche, die sich selbst so sehen. Das liegt zum einen daran, dass Fortschritts- und Neuerungsdenken weit verbreitet sind und daher bereits Konservative gelegentlich als Reaktionäre bezeichnet werden, die sich gegen diese Etikettierung wehren. Zum anderen gibt es Denker, denen das lineare Fortschrittsdenken fremd ist und die sich daher weder als reaktionär noch als progressiv bezeichnen wollen.
Zu den wenigen Schriftstellern, die sich selbst als „reaktionär“ bezeichnen, gehören Günter Maschke, dessen Schriften unter anderem in diversen als rechtsextrem eingestuften Zeitschriften veröffentlicht werden, und der kolumbianische Philosoph Nicolás Gómez Dávila. Auch der dem Faschismus verbundene Kulturphilosoph Julius Evola konnte dem Begriff „Reaktion“ positive Seiten abgewinnen: „Nach unserer Überzeugung ist eine wahre Reaktion gegen den liberalistisch-demokratischen Verfall nur auf der Grundlage der traditionellen Grundsätze von Hierarchie, Aristokratie und Königtum möglich.“ (Faschismus und aristokratischer Gedanke im heutigen Italien, 1932).
Im Nationalsozialismus dagegen wurde das Gedenken an die getöteten „Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen“, im Horst-Wessel-Lied zum Kult erhoben. Hier wurde also auch die nationalsozialistische Bewegung als ein Kampf auch gegen „die Reaktion“ - und daraus folgend die Gegner des Nationalsozialismus als zumindest teilweise reaktionär - dargestellt. Auch der Kommunismus sieht sich im Kampf gegen die Reaktion stehend.
Heute werden auch manche religiös-konservative Wertvorstellungen und Ideen (Sekundärtugenden) von ihren Gegnern als reaktionär bezeichnet.
Siehe auch
Weblinks
Wikimedia Foundation.