Reifenstein-Syndrom

Reifenstein-Syndrom

Die Androgenresistenz ist eine Erkrankung, bei der aufgrund einer Mutation im Erbgut des erkrankten männlichen Menschen der Androgenrezeptor nur unzureichend funktioniert, das heißt, genetisch ist das Individuum ein Mann (XY-Geschlechtschromosomen), die Geschlechtsorgane sind männlich ausdifferenziert, und es werden auch Androgene gebildet; der Wirkort dieser Hormone, der Androgenrezeptor, funktioniert jedoch unzureichend oder gar nicht.

Es ist eine Unterteilung der Androgenresistenz in 3 Untergruppen gebräuchlich, die die Restfunktion der vorhandenen Androgenrezeptoren beschreibt:

  1. minimale Androgenresistenz, auch als „Syndrom des unfruchtbaren Mannes“ (englisch infertile male syndrome) bezeichnet
  2. partielle Androgenresistenz, das sogenannte Reifenstein-Syndrom
  3. komplette Androgenresistenz, das Syndrom der testikulären Feminisierung

Minimale Androgenresistenz – „Syndrom des unfruchtbaren Mannes“

Dieses Ausprägungsstadium der Androgenresistenz ist durch ein normales männliches Aussehen der erkrankten Personen gekennzeichnet. Lediglich eine verminderte Bart- und Körperbehaarung sowie eventuell eine Gynäkomastie können auffällig sein und auf die Erkrankung hindeuten. Meist werden diese Personen durch einen unerfüllten Kinderwunsch auffällig. Eine hormonelle Therapie ist in der Regel nicht notwendig; der Infertilität wird durch assistierte Befruchtungsverfahren („künstliche Befruchtung“, IVF) begegnet.

Partielle Androgenresistenz – Reifenstein-Syndrom

Erwachsener Mann mit Gynäkomastie und Mikropenis

Bei dieser Erkrankungsausprägung existiert kein einheitliches klinisches Bild. Symptome wie die oben beschriebene Gynäkomastie, Hypospadie, ein kleiner Penis (Mikropenis), eine Azoospermie oder/und Lageveränderungen der Hoden (z. B. Kryptorchismus oder Leistenhoden) sind Zeichen der Erkrankung und weisen den Weg zur Diagnose. Endgültige Sicherheit bringt jedoch nur eine DNA-Analyse des Androgenrezeptors.

Komplette Androgenresistenz – Syndrom der testikulären Feminisierung

Die testikuläre Feminisierung (komplette Androgenresistenz) ist die Maximalausprägung dieser Erkrankung. Dem Individuum fehlt die Aktivität des Testosteronrezeptors vollständig; die Ausbildung männlicher Geschlechtsmerkmale (Penis, Hoden, Behaarungstypus etc.) unterbleibt vollständig, die Personen wachsen als Mädchen auf. Sie werden meist in der Pubertät auffällig, wenn das Einsetzen der sekundären Körperbehaarung und die Menarche ausbleiben. Die dann anfallenden Untersuchungen ergeben dann bei normalem weiblichen äußerem Genitale eine kurze Scheide, ein Fehlen der Gebärmutter und der Eileiter sowie ein männlicher (XY)-Karyotyp in der genetischen Untersuchung. Des Weiteren sind Hoden vorhanden, die wie bei der partiellen Androgenresistenz lageverändert sind.

Bisher existiert keine kausale Therapie der testikulären Feminisierung. Die Hoden des Mädchens sollten bis nach der Pubertät belassen werden. Hiermit wird die ausreichende Versorgung des Körpers mit (aus Testosteron gebildeten) Östrogenen, die zur Ausbildung des normalen weiblichen Erscheinungsbildes notwendig sind, sichergestellt. Nach der Pubertät sollten sie jedoch entfernt werden, da ihre Lage ein höheres Risiko einer malignen Entartung (Krebsentstehung) bedingt. Nach Entfernung muss jedoch eine Östrogensubstitution durchgeführt werden. Die Frauen können wegen der nicht vorhandenen Eierstöcke nicht schwanger werden.

Da die Patientinnen sich als Frau erfahren und auch so erzogen werden, ist die Aufklärung über die Erkrankung ein strittiges Thema. Tatsächlich stehen hier das Recht der Wahrheitsfindung der Frau über ihre Infertilität einerseits und das Problem einer schweren Identitätskrise, wenn die Frau erfährt, genetisch „eigentlich ein Mann zu sein“, in problematischem Zusammenhang.


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