Reislauf

Reislauf
Eidgenössische Reisläufer beim Zug über die Alpen (Luzerner Schilling)
Niklaus Manuel d. J. in der Tracht eines eidgenössischen Reisläufers, 1553

Als Reisläufer wurden spätmittelalterliche Schweizer Söldner bezeichnet, die bis ins 17. Jahrhundert im Dienste zahlreicher europäischen Herrscher standen. Das mittelhochdeutsche Reis bedeutet hierbei den Aufbruch, das Fortbewegen oder Reisen, in diesem Zusammenhang die Kriegs-Reise, den Kriegszug.

Die grosse Zeit der Reisläufer waren die Kriege um das Herzogtum Mailand um 1500. Die Schlachten in Italien zählen zu den blutigsten, die sich Söldnerheere je lieferten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Reisläuferei

Zeitgenössische Kritik am Söldnerwesen: Links ein prosperierender eidgenössischer Reisläufer, rechts ein invalider Bettler, 16. Jahrhundert

Reisläufer wurden wegen der militärischen Erfolge der Eidgenossen in der Zeit der Burgunderkriege (1474-1477) angeworben. Sie unterstanden nicht der Gerichtsbarkeit des Kriegsherrn, sondern derjenigen ihrer eigenen Hauptleute, und damit eigenen Richtern und eigenem Recht. Übervölkerung vor allem in den Urkantonen, Abenteuerlust, Beute und Sold waren wichtige Gründe, den jeweiligen Aufgeboten der Obrigkeit Folge zu leisten oder auch auf eigene Faust auszuziehen.

Die Anzahl der eidgenössischen Reisläufer eines Kriegsherrn bestimmte seine Siegchancen. Das galt insbesondere in den italienischen Kriegen, als Papst, Heiliges Römisches Reich, Spanien und Frankreich in dem in Italien entstandenen Machtvakuum Fuss zu fassen suchten. Als wichtigstes Mittel der Anwerbung bürgerte sich das Zahlen von Pensionen an offizielle Vertreter der Kantone oder einflussreiche Persönlichkeiten wie z. B. Kardinal Matthäus Schiner ein. Nicht selten überboten sich die künftigen Kriegsgegner gegenseitig zum Vorteil der eidgenössischen Politiker, was diese, spätestens seit der Schlacht bei Marignano, in den Ruf der Korruption auf Kosten des Volkes brachte, zumal sich Fälle häuften, in denen Schweizer gegen Schweizer kämpften. Jakob Meyer zum Hasen, von 1516 bis 1521 Bürgermeister der Stadt Basel, wurde samt seinen Ratskollegen im „Pensionensturm“ 1521 seines Amtes enthoben. Das Pensionenwesen als die wirtschaftliche Seite des Reislaufs war eine der wichtigsten Triebfedern der Reformation Zwinglis.

Taktik und Kriegsführung

Die Taktik der Reisläufer bestand darin, die gegnerischen Truppen mit Gewalthaufen zu überfallen, bevor diese richtig zur Aufstellung gekommen waren. Ein Gewalthaufen war eine bis zu 50 Glieder tiefe Kampfformation. Vorne standen die Pikeniere mit ihren fünf Meter langen Spiessen, dahinter kamen die Hellebardenträger und Schwertkämpfer mit langen Zweihändern. Das erste und oft auch das letzte Glied bildeten gepanzerte Doppelsöldner, diese trugen einen Eisenhelm (Morion) und waren mit Arkebusen bewaffnet. Wenn die Spiesse und Hellebarden im Gedränge nicht mehr benutzt werden konnten, kämpfte man mit kurzen Schwertern, sogenannten Katzbalgern.

Oft standen den Reisläufern deutsche Landsknechte gegenüber, mit welchen es immer wieder zu blutigen Schlachten um die Gunst des Goldes der Fürsten und Kriegsherren gekommen war. Die Landsknechte selbst orientierten sich in ihrer Aufstellung stark an den Schweizer Söldnerheeren und entwickelten diese später immer weiter. Anfangs galten Landsknechte als die schlechteren Schweizer und erhielten geringeren Sold und weniger Beute. Durch verschiedene politische Ereignisse und militärische Niederlagen der Reisläufer schwand jedoch ihr Ansehen und ihre Verfügbarkeit, wodurch die deutschen Landsknechte in den folgenden Kriegen Europas die dominierenden Söldnertruppen wurden.

Ende der Reisläuferei

Preußische Werber in Neuchâtel um 1840

Noch 1814 gründete der preußische König Friedrich Wilhelm III., der zugleich Fürst des 1814 der Eidgenossenschaft beigetretenen Neuchâtel war, in Abstimmung mit dem Staatsrat des Kantons das preußische Garde-Schützen-Bataillon. Ihm sollten Neuchâteller und andere Schweizer Freiwillige angehören, für die Offiziersstellen besaß der Staatsrat von Neuchâtel ein Benennungsrecht. Allerdings waren bis 1848 nur wenige Schweizer bereit, in preußische Dienste zu treten, weshalb sich das Bataillon bald ganz überwiegend aus preußischen Freiwilligen zusammen setzte.

Die Bundesverfassung von 1848 untersagte es den Kantonen Militärkapitulationen abzuschliessen. Auch durften Mitglieder der Bundesbehörden weder fremde Pensionen noch Titel oder Orden annehmen. 1855 rekrutierte Grossbritannien 3338 Reisläufer für den Krimkrieg. Doch bevor die «British Swiss Legion» (B.S.L) gegen die russischen Truppen ins Feld ziehen konnte, wurden die Feindseligkeiten eingestellt. Während des Lombardisch-österreichischen Krieges 1859 kam es nach der Plünderung Perugias durch päpstliche Truppen, unter denen auch Schweizer Söldner waren, zu starken antischweizerischen Reaktionen in Italien.

Nach einer Meuterei unter den Schweizer Söldnern im Dienst des Königreich Neapel verbot der Bundesrat die aktive Anwerbung von Söldnern und den Eintritt von Schweizer Bürgern in fremde Dienste. Dies bedeutete das Ende des Söldnerwesens in der Schweiz. Trotzdem kämpften im spanischen Bürgerkrieg zahlreiche Schweizer für die spanische Republik. Auch in der französischen Fremdenlegion oder in der deutschen Waffen-SS dienten zahlreiche Schweizer. Nach ihrer Rückkehr wurden sie in der Schweiz strafrechtlich verfolgt.

Siehe auch

Literatur

  • Henri Ganter: Histoire des Régiments Suisses aux Service d'Angleterre, de Naples et de Rome, 1890.
  • Valentin Groebner: Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit. Universitätsverlag, Konstanz, 2000 Siehe besonders: Pensionen in Basel, September 1501 bis Oktober 1521 und für Zwinglis Kampf gegen Reislauf und Pensionen: Postskript 1: Die Reformation der gefährlichen Geschenke und die Körper der Frauen
  • Werner Meyer: Eidgenössischer Solddienst und Wirtschaftsverhältnisse im schweizerischen Alpenraum um 1500, in: Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, hgg. von S. Kroll, K. Krüger, (Herrschaft und soziale Systeme in der frühen Neuzeit Band 1), Münster-Hamburg-London 2000.
  • Christian Padrutt: Staat und Krieg im alten Bünden, in: Geist und Werk der Zeiten, Heft 11, Fretz und Wasmuth Verlag AG, Zürich, 1965
  • Johann J. Romang: Die Engl. Schweizerlegion und ihr Aufenthalt im Orient, 1857.
  • Walter Schaufelberger: Der alte Schweizer und sein Krieg. Studien zur Kriegsführung vornehmlich im 15. Jahrhundert. Europa Verlag, Zürich 1952

Weblinks


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