Religiöser Verein

Religiöser Verein
Stadttempel in Wien
Islamisches Zentrum Floridsdorf (Wien)

Die Vielzahl der religiösen Gemeinschaften in Österreich werden rechtlich in drei Kategorien unterteilt, mit denen jeweils unterschiedliche Privilegien, Rechte und Pflichten verbunden sind. Diese sind in absteigender Reihenfolge ihres rechtlichen Status:

  1. gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften
  2. eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften
  3. religiöse Vereine

Inhaltsverzeichnis

Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften

Die gesetzliche Anerkennung geht auf ein Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 zurück, in dem unter anderem jeder anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft bestimmte Grundrechte eingeräumt werden. Wie die Anerkennung erreicht werden kann, wurde allerdings erst 1874 im Anerkennungsgesetz festgelegt. Die erste Anerkennung nach diesem Gesetz erfolgte für die altkatholische Kirche.

Mit der Anerkennung, die für jede Religionsgemeinschaft durch ein eigenes Gesetz erfolgt, gehen einige Berechtigungen der Religionen einher, wie z. B. eine Möglichkeit für Religionsunterricht in den Schulen und religiöser Beistand in Krankenhäusern. Zurzeit gibt es in Österreich 13 anerkannte Religionsgemeinschaften, welche folgende Rechte genießen:

  • öffentliche Religionsausübung
  • Ausschließlichkeitsrecht (Namensschutz, Anspruch auf exklusive religiöse Betreuung der eigenen Mitglieder)
  • selbständige Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten
  • Schutz der Anstalten, Stiftungen und Fonds gegenüber Säkularisation
  • Recht auf Errichtung konfessioneller Privatschulen
  • Erteilung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen

Die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften

Die folgende Erfassung der Konfessionszugehörigkeit war Teil der Volkszählung von 2001.

  1. Katholische Kirche (5.918.629)
    1. Römisch-Katholische Kirche (5.917.274)
    2. Griechisch-Katholische Kirche (1.089)
    3. Armenisch-Katholische Kirche (266)
  2. Evangelische Kirche (376.150)
    1. Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnisses (354.559)
    2. Evangelische Kirche Helvetischen Bekenntnisses (19.463)
  3. Altkatholische Kirche (14.621) (anerkannt seit 1874)
  4. Armenische Apostolische Kirche (1.824)
  5. Koptisch-orthodoxe Kirche in Österreich (1.623) (anerkannt seit 2003)
  6. Syrisch-orthodoxe Kirche (1.589)
  7. Griechisch-orientalische Kirche (= Orthodoxe Kirchen) (174.385)
    1. Griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur Hl. Dreifaltigkeit
    2. Griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum Hl. Georg
    3. Serbisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum Hl. Sava (74.198)
    4. Rumänisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur Hl. Auferstehung (2.819)
    5. Russisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Hl. Nikolaus (3.340)
    6. Bulgarisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Hl. Iwan Rilski (1.135)
  8. Evangelisch-methodistische Kirche (1.236) (anerkannt seit 1951)
  9. Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonentum) (2.236)
    Diese Religionsgemeinschaft wurde 1955 als Reaktion auf die Marshallplanhilfe durch den Staat Utah anerkannt.
  10. Neuapostolische Kirche (4.217) (anerkannt seit 1975)
  11. Israelitische Kultusgemeinde (8.140) (anerkannt seit 1890)
  12. Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (338.988)
    Der Islam ist in Österreich seit 1912 anerkannt, nachdem das mehrheitlich muslimische Land Bosnien Bestandteil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war.
  13. Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (10.402) (anerkannt seit 1983)
  14. Herrnhuter Brüdergemeine[1] – In Österreich gibt es heute zwar keine Kultusgemeinde mehr; die 1880 gewährte staatliche Anerkennung ist jedoch nie außer Kraft getreten.

Alle genannten Religionsgemeinschaften genießen einen erhöhten Schutz, wobei die Herabwürdigung religiöser Lehren oder Störung in der Religionsausübung als strafbar gilt. Auch die Kirchen oder dem Gottesdienst gewidmeten Räumlichkeiten oder Dinge genießen bei Beschädigung einen erhöhten strafrechtlichen Schutz.

Probleme

Einige muslimische und jüdische Gruppen sehen sich nicht von den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften vertreten.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) ist die einzige staatlich anerkannte islamische Glaubensgemeinschaft. Sie ist stark sunnitisch geprägt, soll jedoch auch Schiiten vertreten. Auch die Aleviten Österreichs bezeichnen sich als Muslime, werden jedoch von der IGGÖ nicht vertreten und haben um Anerkennung als eigene Religionsgemeinschaft angesucht.

Es gibt mehrere jüdische Gemeinschaften, die sich von der staatlich anerkannten Kultusgemeinde nicht vertreten fühlen, darunter die orthodoxe Gemeinde von Rabbiner Jacob Biderman (Chabad), die um Anerkennung als eigene Religionsgemeinschaft ansuchte; ebenso die liberale Gemeinde Or Chadasch.

Eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften

Im Jahr 1997 wurde zusätzlich zu staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften noch die Kategorie der staatlich eingetragene religiösen Bekenntnisgemeinschaften eingeführt. Diese besitzen zwar eine eigene Rechtspersönlichkeit, jedoch nicht die Privilegien anerkannter Religionsgemeinschaften. Nach einer etwa 10jährigen Wartefrist kann einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft vom Kultusamt (gegenwärtig im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur angesiedelt) der Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft zuerkannt werden.

Liste der eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften

  1. Bahai-Religionsgemeinschaft (760)
  2. Bund der Baptistengemeinden in Österreich (2.108)
  3. Bund Evangelikaler Gemeinden Österreichs (4.892)
  4. Die Christengemeinschaft – Bewegung für religiöse Erneuerung in Österreich (1.152)
  5. Elaia Christengemeinden[2]
  6. Freie Christengemeinde/Pfingstgemeinde (7.186)
  7. Hinduistische Religionsgesellschaft in Österreich (HRÖ) (3.629)
  8. Mennonitische Freikirche Österreich (MFÖ) (381)
  9. Pfingstkirche Gemeinde Gottes in Österreich
  10. Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten (4.220)
  11. Zeugen Jehovas (23.206)

Religiöse Vereine

Glaubensgemeinschaften, die weder die gesetzlichen Bedingungen von anerkannten Religionsgemeinschaften noch die von eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften erfüllen, haben die Möglichkeit, sich als Vereine im Sinne des Vereinsrechts zu konstituieren.

Durchsetzbarkeit der staatlichen Anerkennung

In Österreich ist es derzeit keiner nicht anerkannten Religionsgemeinschaft möglich, die staatliche Anerkennung zu erlangen.

Die historische Entwicklung

Im 19. Jahrhundert galten in Österreich neben der Katholischen Kirche die durch das Josephinische Toleranzpatent von 1781 tolerierten Evangelischen Kirchen, die Griechisch-Orthodoxe Kirche sowie die Israelitische Religionsgesellschaft als anerkannt. Anlässlich der Bildung der Altkatholischen Kirche wurde im Anerkennungsgesetz 1874 gesetzlich festgelegt, wie eine nicht anerkannte Religionsgemeinschaft den Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft erwerben konnte. Das Anerkennungsgesetz wurde von der für die Anerkennung zuständigen Kultusbehörde (beim BMUK) ebenso wie vom Verwaltungsgerichtshof so ausgelegt, dass kein Anspruch auf Anerkennung bestand. Einzelne Religionsgemeinschaften wurden durch spezielle Gesetze anerkannt. Einigen Anträgen auf Anerkennung wurde stattgegeben, indem von der Kultusbehörde per Verordnung die Anerkennung der entsprechenden Religionsgemeinschaft ausgesprochen wurde. Die Mehrzahl der eingebrachten Anträge auf Anerkennung wurde jedoch nicht einmal geprüft, sondern blieb einfach unbeantwortet. Eine Religionsgemeinschaft hatte keine Möglichkeit, eine staatliche Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten durchzusetzen.

Verfassungsgerichtshof forderte Durchsetzbarkeit

1988 stellte der Verfassungsgerichtshof jedoch fest, dass gegen die Unterscheidung von anerkannten und nicht anerkannten Religionen nur dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, „wenn diese Unterscheidung sachlich begründbar ist und wenn ferner die Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt und … auch durchsetzbar ist.“ 1992 konkretisierte der Verfassungsgerichtshof noch seine Rechtsauffassung: „Der zuständige Bundesminister hat, wenn er das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneint, über den Antrag bescheidgemäß negativ abzusprechen“; käme er jedoch zum Ergebnis, die Voraussetzungen für eine Anerkennung wären erfüllt, dann müsste eine solche auch erfolgen (VfSlg 13.134/1992). 1997 war es auf Druck des Verfassungsgerichtshofes so weit, dass sich auch der Verwaltungsgerichtshof und die Kultusbehörde der Rechtsmeinung anschlossen, dass ein Anspruch auf Anerkennung besteht; das heißt, dass Anträge auf Anerkennung zu prüfen sind, und dass je nach Ergebnis der Prüfung entweder eine Anerkennung auszusprechen oder ein abschlägiger Bescheid zu erlassen sei. Bevor der Gesetzgeber auf diese Änderung der Rechtsmeinung reagieren konnte, bestand daher 1997 während weniger Monate theoretisch ein durchsetzbarer Anspruch auf Anerkennung. In der Praxis wurde jedoch der einzige in diesem Zeitraum von der Kultusbehörde behandelte Anerkennungsantrag durch einen Bescheid abgewiesen, der - wie der Verfassungsgerichtshof 1998 feststellte - den Gleichheitsgrundsatz verletzte: die Ablehnung des Antrages war willkürlich und unsachlich begründet (VfSlg 15124/1998).

1998 bis 2008 keine Anerkennung möglich

Mit dem 1997 beschlossenen Bekenntnisgemeinschaftengesetz wurden zusätzliche Anerkennungsvoraussetzungen festgelegt, unter anderem muss eine Religionsgemeinschaft vor der Anerkennung „mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft“ bestehen. Da es erst seit 11. Juli 1998 die Möglichkeit gibt, als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft zu bestehen, bestand während der darauf folgenden zehn Jahre keine Möglichkeit zur Anerkennung einer Religionsgemeinschaft. Diese Frist wurde jedoch bei der Koptisch-orthodoxen Kirche nicht eingehalten.

Diese 1998 beginnende 10-Jahres-Frist trifft laut Bekenntnisgemeinschaftengesetz auch jene Religionsgemeinschaften, die schon Jahre oder Jahrzehnte zuvor Anträge auf Anerkennung einbrachten, deren Anträge aber mit der vom Verfassungsgerichtshof gerügten Vorgehensweise vom zuständigen Kultusamt einfach ignoriert wurden oder abgelehnt worden waren, ohne dass die Ablehnung korrekt begründet wurde.

Ab 2008

Eine der 1997 beschlossenen zusätzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz ist: „Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens 2 von Tausend der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung.“ Das bedeutet, dass sich derzeit über 16.000 Personen bei der Volkszählung zu einer Bekenntnisgemeinschaft bekennen müssten, damit diese Bekenntnisgemeinschaft zukünftig die Möglichkeit hat, den Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft zu erlangen. Damit ist selbst nach Ablauf der oben erwähnten 10-Jahres-Frist im Jahr 2008 eine Anerkennung für fast alle Anerkennungswerber unmöglich. Von allen nicht anerkannten Religionen in Österreich konnte bei der letzten Volkszählung nur eine einzige die für eine Anerkennung nun nötige Zahl an Bekennern aufweisen (Jehovas Zeugen). Die geforderte Zahl von 16.000 Anhängern erscheint zahlreichen Experten insbesondere deshalb als willkürlich gewählt, da a) sieben der zwölf Religionsgemeinschaften, die 1997 bereits anerkannt waren, deutlich weniger Mitglieder haben als 16.000, und b) der Gesetzgeber auch noch nach 1997 eine Religionsgemeinschaft anerkannte (Koptische Kirche, 2003), die bei der letzten Volkszählung nur 1.633 Mitglieder hatte, also nur ein Zehntel der Mitgliederzahl, die von anderen Religionen für eine Anerkennung verlangt wird. Während andere Anerkennungswerber auf die im Bekenntnisgemeinschaftengesetz vorgeschriebene 10-Jahres-Frist verwiesen wurden, ermöglichte der Gesetzgeber die Anerkennung der Koptischen Kirche durch ein 2003 eigens beschlossenes „Orientalisch-Orthodoxes Kirchengesetz“, durch das in diesem speziellen Fall die Einhaltung der von anderen Religionsgemeinschaften verlangten Anerkennungsvoraussetzungen nicht notwendig war.

Der Verfassungsgerichtshof rechtfertigt die bestehende Ungleichbehandlung von nicht anerkannten Religionen und ihren Anhängern nach wie vor damit, dass die Unterscheidung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich „sachlich begründbar ist“ und dass „ferner die Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt und … auch durchsetzbar ist.“

Ende Juli 2008 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass das österreichische Religionsrecht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.[3] Unter anderem wurde bemängelt, dass die lange Wartezeit gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstößt. Das Kultusamt lässt sich davon jedoch nicht beirren und zögert die Anerkennungsverfahren weiter hinaus.[4]

Literatur

  • Religionen in Österreich, Broschüre des Bundespressedienstes 2004 (kostenlos)
  • Kalb: Die Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich; in: Richard Potz/Reinhard Kohlhofer: Die „Anerkennung“ von Religionsgemeinschaften, Verlag Österreich, Wien 2002. ISBN 3-7046-3719-X

Einzelnachweise

  1. www.etf.cuni.cz/kat-cd/schwarz
  2. Landesschulrat für Oberösterreich
  3. Die Presse am 31. Juli 2008
  4. Wiener Zeitung am 22. Jänner 2008

Siehe auch

Weblinks


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