René Rilke

René Rilke
Rainer Maria Rilke, Foto, um 1900
Widmungsgedicht (1896)

Rainer Maria Rilke (* 4. Dezember 1875 in Prag; † 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux, Schweiz; eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke) war einer der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache. Daneben verfasste er Erzählungen, einen Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen von Literatur und Lyrik unter anderem aus der französischen Sprache. Sein umfangreicher Briefwechsel bildet einen wichtigen Bestandteil seines literarischen Schaffens.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

1875–1896: Kindheit und Ausbildung

Rilke wurde als René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke am 4. Dezember 1875 in Prag geboren, das damals wie ganz Böhmen zu Österreich-Ungarn gehörte. Der Vater, Josef Rilke (1838–1906), ein charakterschwacher und unzufriedener Mensch, war nach gescheiterter militärischer Karriere Bahnbeamter geworden. Seine Mutter, Sophie „Phia“ Entz (1851–1931), eine herrschsüchtige Frau, entstammte einer wohlhabenden Prager Fabrikantenfamilie. Ihre Träume von einem vornehmen Leben fand sie in ihrer Ehe nicht erfüllt. 1884 brach die Ehe der Eltern auseinander.

Auch das Verhältnis zwischen der Mutter und dem einzigen Sohn war belastet, weil sie den frühen Tod der älteren Tochter nicht verkraftete, die 1874 – ein Jahr nach der Eheschließung – geboren wurde und nach einer Woche starb. Aus emotionaler Hilflosigkeit heraus band sie René – französisch für „der Wiedergeborene“ – an sich und drängte ihn in die Rolle seiner verstorbenen Schwester. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr fand sich Rilke so als Mädchen erzogen, frühe Fotografien zeigen ihn mit langem Haar, im Kleidchen.

Auf Druck der Eltern besuchte der dichterisch und zeichnerisch begabte Junge ab 1885 eine Militärrealschule, zur Vorbereitung einer Offizierslaufbahn. Die Zumutungen militärischen Drills und die Erfahrungen einer reinen Männergesellschaft traumatisierten den zarten Knaben nachhaltig. 1891 brach er wegen Krankheit seine militärische Ausbildung ab. Er konnte sich von 1892 bis 1895 in privatem Unterricht auf das Abitur vorbereiten, das er 1895 bestand. Im selben Jahr begann er, Literatur, Kunstgeschichte, Philosophie in Prag zu studieren, wechselte ab 1896 zur Rechtswissenschaft und setzte seine Studien ab September in München fort.

1897–1902: Entwicklungsjahre

1897 traf Rainer Maria Rilke in München die weitgereiste Intellektuelle und Literatin Lou Andreas-Salomé und verliebte sich in sie. Auch änderte er seinen Vornamen von René in Rainer, weil Lou Andreas-Salomé den Namen für einen männlichen Schriftsteller angemessener fand.

Die folgende intensive Beziehung mit der älteren und verheirateten Frau dauerte bis 1900 an. Auch nach der Trennung erwies sich Lou Andreas-Salomé bis an Rilkes Lebensende als seine wichtigste Freundin und Beraterin. Dabei werden ihre psychoanalytischen Kenntnisse und Erfahrungen, die sie sich 1912/13 bei Sigmund Freud angeeignet hatte, eine erhebliche Rolle gespielt haben. Freud berichtet, „daß sie dem großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke zugleich Muse und sorgsame Mutter gewesen war...“ (Sigmund Freuds Gedenkworte zum Tode Lou Andreas-Salomés, 1937)

Clara Rilke-Westhoff, Gemälde von Paula Modersohn-Becker, 1905

Rilke folgte Lou Andreas-Salomé im Herbst 1897 nach Berlin und bezog eine Wohnung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. In Berlin lernte Rilke das Geschwisterpaar Mathilde und Karl Gustav Vollmoeller anlässlich einer Lesung Stefan Georges im Hause des Künstlerehepaares Sabine und Reinhold Lepsius kennen. 1898 unternahm er eine erste mehrwöchige Reise nach Italien. In den beiden Jahren darauf besuchte er zweimal Russland: 1899 reiste er mit dem Ehepaar Andreas nach Moskau, wo er Lew Tolstoi traf. Mai bis August des Jahres 1900 folgte eine zweite Russlandreise mit Lou Andreas-Salomé allein, nach Moskau und Sankt Petersburg, aber auch quer durch das Land und die Wolga hinauf.

Im Herbst 1900, unmittelbar nachdem Lou Andreas-Salomé den Entschluss gefasst hatte, sich von ihm zu trennen, hielt sich Rilke zu einem längeren Besuch bei Heinrich Vogeler in Worpswede auf. Vogeler veranstaltete im Weißen Saal seines Barkenhoffs sonntägliche Treffen, wo neben Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker, Carl Hauptmann auch die Bildhauerin Clara Westhoff verkehrte. Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke heirateten im folgenden Frühjahr. Im Dezember 1901 wurde ihre Tochter Ruth (1901–1972) geboren. Bereits im Sommer 1902 gab Rilke jedoch die gemeinsame Wohnung auf und reiste nach Paris, um dort eine Monografie über den Bildhauer Auguste Rodin zu verfassen. Die Beziehung zwischen Rilke und Clara Westhoff blieb Zeit seines Lebens bestehen, doch war er nicht der Mensch für ein bürgerliches und ortsgebundenes Familienleben. Gleichzeitig drückten ihn finanzielle Sorgen, die durch Auftragsarbeiten nur mühsam gemildert werden konnten.

1902–1910: Die mittlere Schaffensperiode

Paula Modersohn-Becker: Porträt Rainer Maria Rilke, 1906, Bremen, Sammlung Ludwig Roselius

Die erste Pariser Zeit war für Rilke schwierig, da die fremde Großstadt viele Schrecken barg. Diese Erfahrungen hat Rilke später im ersten Teil seines einzigen Romans Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge gestaltet. Zugleich aber brachte die Begegnung mit der Moderne zahlreiche Anregungen: Rilke setzte sich intensiv zunächst mit den Plastiken Auguste Rodins, dann mit dem Werk des Malers Paul Cézanne auseinander. Mehr und mehr wurde in diesen Jahren Paris zum Hauptwohnsitz des Dichters. Von 1905 bis 1906 war Rilke als Sekretär bei Auguste Rodin angestellt, der ihm gleichzeitig eine idealisierte Vaterfigur war. Das Dienstverhältnis beendete Rodin im Mai 1906 abrupt. Kurz zuvor war Rilkes Vater gestorben. Ab 1906 intensivierte sich der Kontakt Rilkes zu Mathilde und Karl Gustav Vollmoeller. Zunächst nutzte er in Abwesenheit Mathildes deren Pariser Atelier mehrmals. Gleichzeitig versuchte Rilke anlässlich seiner Italienreise 1907 Karl Gustav Vollmoeller in dessen Villa in Sorrent zu besuchen. Erst über Ostern 1908 kam es zum neuerlichen Treffen zwischen Rilke und Vollmoeller in Florenz. Rilke war hier für mehrere Tage Gast in Vollmoellers Florentiner Domizil, der Renaissancevilla Gilli - Pozzino. Anwesend waren auch der Schriftsteller Felix Salten sowie das Ehepaar Lepsius. In den folgenden Jahren trafen sich Rilke und Vollmoeller mehrfach in Paris. Die wichtigsten dichterischen Erträge der Pariser Zeit waren die Neuen Gedichte (1907), Der neuen Gedichte anderer Teil (1908), die beiden Requiem-Gedichte (1909) sowie der bereits 1904 begonnene und im Januar 1910 vollendete Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge.

1910–1919: Innere und äußere Umwälzungen

1912 erschien eine Neuausgabe der lyrischen Erzählung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke als Nummer 1 der Insel-Bücherei, einer neuen Reihe des Leipziger Insel Verlags, mit der sie hohe Auflagen und ungewöhnliche Popularität erlangte.

Schloss Duino

Nach Erscheinen der Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge begann für Rilke eine tiefe Schaffenskrise, die erst im Februar 1922 mit dem Abschluss der bereits 1912 begonnenen Duineser Elegien endete. Dieser Gedichtzyklus verdankt seinen Namen dem Aufenthalt Rilkes auf dem Schloss Duino der Prinzessin Marie von Thurn und Taxis bei Triest in der Zeit von Oktober 1911 bis Mai 1912.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges überraschte Rilke während eines Deutschlandaufenthaltes. Nach Paris konnte er nicht mehr zurückkehren; sein dort zurückgelassener Besitz wurde beschlagnahmt und versteigert. Den größten Teil der Kriegszeit verbrachte Rilke in München. Von 1914 bis 1916 hatte er eine stürmische Affäre mit der Malerin Lou Albert-Lasard. Die Freundschaft zwischen Rilke und Vollmoeller intensivierte sich während des 1. Weltkriegs, als sich beide auch in Gegenwart von Lou Albert-Lasard sowohl in Berlin als in München trafen. Rilke nutzte Vollmoellers Beziehungen zum deutschen Generalstab, um ihn bei der Fahndung nach einem vermissten Vetter einzusetzen. Wie der unveröffentlichte Briefwechsel (DLA, Marbach) ausweist, war Vollmoeller erfolgreich und konnte Rilke und dessen Familie mit den gewünschten Informationen versorgen.

Anfang 1916 wurde Rilke eingezogen und musste in Wien eine militärische Grundausbildung absolvieren. Durch Fürsprache einflussreicher Freunde wurde er zur Arbeit ins Kriegsarchiv überstellt und am 9. Juni 1916 aus dem Militärdienst entlassen. Die Zeit danach verbrachte er wieder in München, unterbrochen durch einen Aufenthalt auf Hertha Koenigs Gut Böckel in Westfalen. Das traumatische Erlebnis des Kriegsdienstes – als Erneuerung der in der Militärschulzeit erfahrenen Schrecken – ließ ihn als Dichter nahezu völlig verstummen.

1919–1926: Das späte Werk

Rainer Maria Rilke nach einer Zeichnung von Emil Orlik (1917)

Am 11. Juni 1919 reiste Rilke von München in die Schweiz. Äußerer Anlass war eine Vortragseinladung aus Zürich, eigentlicher Grund aber der Wunsch, den Nachkriegswirren zu entkommen und die so lange unterbrochene Arbeit an den Duineser Elegien wieder aufzunehmen. Die Suche nach einem geeigneten und bezahlbaren Wohnort erwies sich als sehr schwierig. Rilke lebte unter anderem in Soglio, Locarno und Berg am Irchel. Erst im Sommer 1921 fand er im Schlossturm von Muzot (frz. Chateau de Muzot) in der Nähe von Sierre im Kanton Wallis eine endgültige Wohnstätte. Im Mai 1922 erwarb Rilkes Mäzen Werner Reinhart (1884-1951) das Gebäude und überließ es dem Dichter mietfrei.

In einer intensiven Schaffenszeit vollendete Rilke hier innerhalb weniger Wochen im Februar 1922 die Duineser Elegien. In unmittelbarer zeitlicher Nähe entstanden auch die beiden Teile des Gedichtzyklus Sonette an Orpheus. Beide Dichtungen zählen zu den Höhepunkten in Rilkes Werk.

Rilkes Grab auf dem Friedhof in Raron

Seit 1923 musste Rilke mit großen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kämpfen, die mehrere lange Sanatoriumsaufenthalte nötig machten. Auch der lange Paris-Aufenthalt von Januar bis August 1925 war ein Versuch, der Krankheit durch Ortswechsel und Änderung der Lebensumstände zu entkommen. Dennoch entstanden auch in den letzten Jahren zwischen 1923 und 1926 noch zahlreiche wichtige Einzelgedichte (etwa Gong und Mausoleum) und ein umfangreiches und in seiner Bedeutung noch immer nicht angemessen gewürdigtes lyrisches Werk in französischer Sprache.

Erst kurz vor Rilkes Tod wurde seine Krankheit als Leukämie diagnostiziert und zwar in einer damals noch wenig bekannten Form. Der Dichter starb am 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont sur Territet bei Montreux und wurde – seinem Wunsch entsprechend – am 2. Januar 1927 in der Nähe seines letzten Wohnorts auf dem Bergfriedhof von Raron im Wallis westlich von Visp beigesetzt. Auf seinem Grabstein steht der selbst ausgewählte Spruch:

Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.

Das dichterische Werk

Beeinflusst durch die Philosophen Schopenhauer und vor allem Nietzsche, deren Schriften er früh kennengelernt hatte, ist Rilkes Werk geprägt durch eine scharfe Kritik an der Jenseitsorientierung des Christentums und an einer einseitig naturwissenschaftlich-rationalen Weltdeutung.

Lou Andreas-Salomé

Zu den frühen Werken Rilkes gehören die Gedichtbände Wegwarten, Traumgekrönt und Advent. Mit dem Band Mir zur Feier (1897/98) wendet er sich zum ersten Mal systematisch einer Betrachtung der menschlichen Innenwelt zu. Die unveröffentlichte Gedichtsammlung Dir zur Feier (entstanden 1897/98) ist eine einzige Liebeserklärung an die verehrte Lou Andreas-Salomé. 1899 entstand das kurze Prosawerk Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. Das Stunden-Buch (3 Teile, entstanden 1899-1903, Erstdruck 1905), benannt nach traditionellen Gebetbüchern des Mittelalters, bildet den ersten Höhepunkt des Frühwerkes und ist Ausdruck eines pantheistischen Gottesbildes. Mit seinen kunstvoll verschlungenen Reimbändern und seinem fließenden Rhythmus ist der Gedichtzyklus eines der Hauptwerke des literarischen Jugendstils.

Nietzsches Philosophie – auch vermittelt durch beider intime Freundin Lou Andreas-Salomé – gewinnt in den Jahren um die Jahrhundertwende erheblichen Einfluss auf Rilke. Die radikale Anerkennung der Wirklichkeit ohne Jenseitsvertröstungen oder soziale Entwicklungsromantik prägt auch Rilkes Weltverständnis. Dafür stehen intensive Beobachtungen der Natur sowie des menschlichen Verhaltens und Gefühlslebens. Dies alles bildet Rilkes „Weltinnenraum“, in dem sich Außen- und Innenwelt verbinden.

Aus den Werken der mittleren Phase zwischen 1902 und 1910 sind vor allem die Neuen Gedichte und der Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge wichtig. Rilke wendet sich in diesen Werken radikal der Welt menschlicher Grunderfahrungen zu, nun aber nicht mehr in reiner Beobachtung des Innen, sondern in einer das Subjekt zurückdrängenden symbolischen Spiegelung dieses Innen in erlebten Dingen. So entstehen seine „Dinggedichte“, beispielsweise Blaue Hortensie und Der Panther (s.u. ‚Textbeispiele‘), die den literarischen Symbolismus weiterentwickeln. Dieses Welterfassen bezieht ausdrücklich auch die negativen und fremden Aspekte des Lebens ein: Hässliches, Krankheit, Trieb und Tod.

Im späten Werk (1912-22) bemüht sich Rilke darum, seiner Bejahung des Lebens in den Zyklen der Duineser Elegien und Sonetten an Orpheus poetische Gestalt zu verleihen und das ganze, Leben und Tod umgreifende Dasein zu feiern. Die Gedichte der letzten Jahre zerfallen in sehr unterschiedliche Gruppen: einerseits heiter-entspannte, oft lakonisch-pointierte Natur- und Landschaftsgedichte, andererseits poetisch kühne Experimente, die rein aus der Sprache heraus gearbeitet sind.

Rezeption

Musik

Rilkes Werke sind häufig vertont oder musikalisch bearbeitet worden. Die folgende chronologisch geordnete Übersicht listet die wichtigsten Werke der ernsten Musik auf:

  • Alma Mahler: "Bei dir ist es traut", 1900-1, (aus Fünf Lieder, no. 4.)
  • Alban Berg: "Liebe", 1904.
  • Arnold Schönberg: "Alle, welche dich suchen", op. 22 no. 2 1914
  • Franz Schreker: "Und wie mag die Liebe", 1919.
  • Julius Weismann: "So bin ich nur als Kind erwacht", op. 82,1 1921
  • Willy Burkhard: Rilke Liederzyklus I und II, op. 20,1-2 Jeweils fünf Gesänge für Bass und Sopran 1927
  • Ernst Toch: "Der Abend", op. 41,1 1928.
  • Paul Hindemith: Six Chansons, 6 Gedichte für Chor a capella nach französischen Gedichten von R.M. Rilke 1939
  • Frank Martin: "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" für Alt und Kammerorchester 1942
  • Karl Marx: "Das ist die Sehnsucht", op. 45,1 1943
  • Victor Ullmann: "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" für Sprecher und Orchester oder Klavier 1944
  • Paul Hindemith: Das Marienleben Liederzyklus für Singstimme und Klavier 1922, revidiert 1948
  • Bertold Hummel: Herbsttag für Singstimme und Klavier 1980 [1]
  • Harrison Birtwistle: '26 Orpheus Elegies' für Oboe, Harfe und Countertenor 2003-04

Jenseits des engeren Bereiches der E-Musik hat sich die englische Künstlerin Anne Clark 1998 auf ihrem Album Just After Sunset musikalisch mit dem Werk Rilkes auseinandergesetzt. Ein Jahr später gab die Chicagoer Independent Gruppe Ether Frolics auf ihrer lyrischen E-Gitarrenballade "You Who Never Arrived" den Dichter als Textautor an. Seit 2004 hat das Duo Camillo ein Programm mit vertonten Rilke-Werken im Repertoire.

Populär geworden ist vor allem die musikalische Annäherung an Rilkes lyrisches Werk durch das Rilke Projekt, das im Jahr 2001 begonnen wurde. Das Projekt versucht, Rilke neuen Generationen zugänglich zu machen. In bisher drei CD-Veröffentlichungen interpretieren bekannte zeitgenössische Schauspieler und Musiker (u. a. Mario Adorf, Iris Berben, Karlheinz Böhm, Hannelore Elsner, Nina Hagen, Xavier Naidoo, Wolfgang Niedecken, Rudolph Moshammer, Jürgen Prochnow, Katja Riemann, Otto Sander, Robert Stadlober, Peter Ustinov) Texte von Rilke. Im Jahr 2004 fand eine Konzertreise mit zahlreichen Live-Auftritten statt. Noch mehr als bei den CD-Aufnahmen trifft hier die Grenzen sprengende – teilweise als Glittershow ausgestaltete – Interpretation literarischer Kunst auf stark geteiltes Echo bei der Kritik.

Rilke heute

Rilkes Werk trifft seit einigen Jahren grundsätzlich auf eine gewachsene Aufmerksamkeit auch außerhalb literarisch gebildeter Kreise. Dies mag eine Folge des größeren Individualismus unserer Zeit sein, der in Rilkes Dichtung einen adäquaten künstlerischen Ausdruck findet. Ein materieller Grund für die breitere Darstellung von Rilkes Texten in den Medien liegt im Wegfall der Urheberrechtsbindung seines Werkes an den Insel-Verlag seit 1996, 70 Jahre nach Rilkes Tod.

Werke

Gesamt- und Werkausgaben

  • Sämtliche Werke, 7 Bände, hg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 1955-1966 (Bd. 1-6), 1997 (Bd. 7)
    • auf Basis der ersten 6 Bände der Sämtlichen Werke erschienen ab 1966 mehrere Gesamtausgaben in 6 bzw. 12 Bänden; sowie (weniger umfangreiche) Werkausgaben in 3 bzw. 6 Bänden
  • Werke. Kommentierte Ausgabe, 4 Bände und ein Supplementband, hg. von Manfred Engel, Ulrich Fülleborn, Dorothea Lauterbach, Horst Nalewski und August Stahl. Frankfurt/M. und Leipzig: Insel Verlag, 1996 (Bd. 1-4), 2003 (Supplement). ISBN 978-3-458-06697-2
    • Gesammelte Werke, 5 Bände auf Basis der Kommentierten Ausgabe. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 2003. ISBN 978-3458-17186-7

Lyrik – Gedichtbände

Das Stundenbuch, 1899
  • Leben und Lieder. Bilder und Tagebuchblätter (1894)
  • Larenopfer (1895)
  • Wegwarten. Lieder dem Volke geschenkt (1896)
  • Traumgekrönt. Neue Gedichte (1896)
  • Advent (1897)
  • Mir zur Feier (1899)
  • Das Stunden-Buch (1905)
    • Das Buch vom mönchischen Leben (geschrieben 1899)
    • Das Buch von der Pilgerschaft (geschrieben 1901)
    • Das Buch von der Armut und vom Tode (geschrieben 1903)
  • Das Buch der Bilder (1902; stark überarbeitete Zweitfassung 1906)
  • Neue Gedichte (1907)
  • Der neuen Gedichte anderer Teil (1908)
  • Requiem (1909) UB Bielefeld
  • Das Marien-Leben (1912)
  • Erste Gedichte (1913; enthält unveränderte Nachdrucke von Larenopfer, Traumgekrönt und Advent) UB Bielefeld
  • Duineser Elegien (1923, geschrieben 1912-22) UB Bielefeld
  • Die Sonette an Orpheus (1923) UB Bielefeld
Gedichte in französischer Sprache
  • Vergers (1926)
  • Les Quatrains Valaisans (1926)
  • Les Roses (1927)
  • Les Fenêtres (1927)

Prosa – Lyrische Prosa

Dramatische Werke

  • Jetzt und in der Stunde unseres Absterbens (1896, Einakter)
  • Im Frühfrost (1897, Dreiakter)
  • Höhenluft (geschrieben 1897, Erstdruck 1961, Einakter)
  • Ohne Gegenwart (1897, Zweiakter)
  • Mütterchen (1898, Einakter)
  • Waisenkinder (1901, Szene)
  • Das tägliche Leben (1901, Zweiakter)

Schriften zur Kunst und Literatur

  • Moderne Lyrik (1898)
  • Worpswede (1902)
  • Auguste Rodin (1903)
  • Briefe über Cézanne (postum 1952)

Briefe

  • Umfangreicher Briefwechsel. Die wichtigsten Gesamtausgaben sind:
    • Gesammelte Briefe in sechs Bänden, hg. von Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1936-1939.
    • Briefe, hg. vom Rilke-Archiv in Weimar. 2 Bände, Wiesbaden 1950 (Neuauflage 1987 in einem Band).
    • Briefe in zwei Bänden, hg. von Horst Nalewski. Frankfurt und Leipzig 1991.
    • Briefwechsel mit Thankmar von Münchhausen 1913 bis 1925, Herausgegeben von Joachim W. Storck, Insel Verlag, 1. Auflage 2004,

Zweisprachige Ausgaben

  • "Larenopfer" zweisprachige, kommentierte Ausgabe, übersetzt von Alfred de Zayas, Red Hen Press, Los Angeles, 2005
  • "The Essential Rilke", ausgewählte Gedichte ins Englische übertragen von Galway Kinnell und Hannah Liebmann, The Ecco Press, Hopewell, New Jersey, 1999.
  • "Rilke. Selected Poems" übersetzt von C.F. MacIntyre, University of California Press, Berkeley, 1940.
  • "The Book of Images" übersetzt von Edward Snow, North Point Press, New York, 1991.
  • "The Best of Rilke" übersetzt von Alter Arndt, University Press of New England, Hanover, 1984.
  • "Selected Poems of Rainer Maria Rilke", übersetzt von Robert Bly, Harper & Row, New York 1981.
  • "Pieseň o láske a smrti korneta Krištofa Rilkeho", übersetzt von Milan Richter, MilaniuM 2006.
  • "Dunkle Klagen" Lyrische Werke in zwei Banden,Verlag "Bogdan", Ternopil,Ukraine 2007
  • "Las elegías del Duino", übersetzt von Otto Dörr, Editorial Universitaria, Santiago, Chile, 2001.
  • "Sonetos a Orfeo", übersetzt von Otto Dörr, Editorial Universitaria, Santiago, Chile, 2002.

Textbeispiele

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(1902, aus: Das Buch der Bilder)



Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

(1902/03, aus: Neue Gedichte)

Die Liebenden

Sieh, wie sie zu einander erwachsen:
in ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache, und sieh: sie bekommen zu sehn.
Laß sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.

(1908, Paris)



Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Aus: Das Buch der Bilder')

Siehe auch

Literatur

Gesamtdarstellungen

  • Jean-François Angelloz: Rainer Maria Rilke: Leben und Werk. Übertr. aus dem Franz. von Alfred Kuoni, Nymphenburger Verl.-Handlung, München 1955
  • Manfred Engel, Dorothea Lauterbach (Hrsg.): Rilke Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Metzler, Stuttgart/Weimar 2004, ISBN 3-476-01811-3
  • Ralph Freedman: Rainer Maria Rilke. 2 Bde. Aus dem amerikanischen Englisch von Curdin Ebneter. Frankfurt/M./Leipzig 2001, 2002. ISBN 3-458-17124-X
  • Wolfgang Leppmann: Rilke. Sein Leben, seine Welt, sein Werk. München 1993. ISBN 3-492-22394-X
  • Gunter Martens/Annemarie Post-Martens: Rainer Maria Rilke. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-499-50698-7
  • Ingeborg Schnack: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes. Frankfurt/M. 1996. ISBN 3-458-16827-3

Einzelaspekte

  • Dieter Bassermann: Der andere Rilke: gesammelte Schriften aus dem Nachlass. Hrsg. von Hermann Mörchen, Gentner, Bad Homburg vor der Höhe 1961
  • Dieter Bassermann: Rilkes Vermächtnis für unsere Zeit. Berlin [u.a.], 1947
  • Dieter Bassermann: Der späte Rilke. Leibniz-Verlag, München 1947
  • Manfred Engel, Dieter Lamping (Hrsg.): Rilke und die Weltliteratur. Artemis und Winkler, München 1998, ISBN 3-538-07084-9
  • Ulrich Goldsmith: Rainer Maria Rilke, a verse concordance to his complete lyrical poetry. Leeds: W.S. Maney, 1980.
  • Gisela Götte, Jo-Anne Birnie Danzker (Hrsg.): Rainer Maria Rilke und die bildende Kunst seiner Zeit. München, 1996. ISBN 3-7913-1750-4
  • Horst Nalewski: Kennst du Rainer Maria Rilke? Der schwere Weg zum großen Dichter. Bertuch, Weimar 2005. ISBN 3-937601-25-2
  • Donald A. Prater: Ein klingendes Glas. Das Leben Rainer Maria Rilkes. Carl Hanser, München/Wien 1986. ISBN 3-446-13362-3
  • Günther Schiwy: Rilke und die Religion. Frankfurt/M. 2006, ISBN 3-458-17331-5.
  • Paris tut not - Briefwechsel Rilke - Mathilde Vollmoeller. Wallstein, Göttingen 2001
  • Marek Zybura: Hundert Jahre polnische Rilke-Rezeption. In: Zybura: Querdenker, Vermittler, Grenzüberschreiter. Dresden 2007. ISBN 978-3-934038-87-5
  • Rilke-Studien. Zu Werk und Wirkungsgeschichte, Red.: Edda Bauer, Aufbau-Verlag, Berlin [u.a.] 1976f

Weblinks

Gesamtdarstellungen
Textsammlungen
Nachlass
Bibliographische Nachweise
Linksammlungen

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