Autonome Pfälzische Republik

Autonome Pfälzische Republik

Mit Autonome Pfalz werden die Versuche bezeichnet, nach dem Ersten Weltkrieg auf dem Gebiet der linksrheinischen Pfalz einen autonomen, von der zuständigen Regierung Bayerns unabhängigen Staat zu etablieren. Während der Zeit der französischen Besetzung nach dem Ersten Weltkrieg entwickelten sich separatistische Tendenzen zunächst mit dem Ziel eines eigenständigen Staates im Verband des Deutschen Reiches, später auch zur Schaffung eines an Frankreich angelehnten vom Reich unabhängigen Staates.

Inhaltsverzeichnis

Pfälzische Republik

Eberhard Haaß

Schon im Herbst 1918 gründete der Chemiker Eberhard Haaß in Landau den „Bund Freie Pfalz“. Unterstützt wurde Haaß durch den französischen General Gérard. Im Mai 1919 forderte Haaß den Regierungspräsidenten der Pfalz, Theodor von Winterstein, auf, die Führung der separatistischen Bewegung zu übernehmen. Da dieser sich verweigerte, wurde er von den Besatzungsbehörden aus der Pfalz ausgewiesen. Daraufhin rief Haaß am 1. Juni 1919 die „Pfälzische Republik“ aus und versuchte, allerdings vergeblich, das Regierungspräsidium in Speyer zu besetzen. Der Zeitpunkt für den Putsch war äußerst ungünstig gewählt, denn für den gleichen Tag war in Speyer eine von den Besatzungsbehörden genehmigte Demonstration für den Verbleib bei Bayern angesetzt, an der mehr als 10.000 Menschen teilnahmen. Wenig später verlor Haaß mit der Abberufung General Gérards seinen wichtigsten Unterstützer, der „Bund Freie Pfalz“ war damit gescheitert.

Reaktionen Bayerns

Um den Separatismus zu bekämpfen und die Verbindung zur pfälzischen Verwaltung zu halten, gründete die bayerische Regierung die Zentralstelle für pfälzische Angelegenheiten und die Haupthilfsstelle für die Pfalz, die ihren Sitz beide zunächst in Mannheim und später in Heidelberg hatten und damit knapp außerhalb des französischen Besatzungsgebiets angesiedelt waren. Beide Einrichtungen übernahmen auch einen Teil der Aufgaben der legitimen pfälzischen Regierung, Kernziel war aber die Abwehr des pfälzischen Separatismus durch Presse- und Propagandaveröffentlichungen, durch die Kontaktaufnahme zu pfälzischen Persönlichkeiten und Einrichtungen und auch durch Erhebung von nachrichtendienstlichen Informationen. Gleichzeitig wurde bei der bayerischen Regierung der Posten eines Staatskommissars für die Pfalz geschaffen. Erster Amtsinhaber war von Winterstein.

Autonome Pfalz

Ursachen

Verwaltung bzw. Besatzung der westdeutschen Gebiete, Ende 1923

Die französische Ruhrbesetzung nach der zweiten Londoner Konferenz (1921) und die dadurch entstandenen wirtschaftlichen Probleme (insbesondere die Inflation) standen am Anfang der zweiten Phase des pfälzischen Separatismus.

Johannes Hoffmann

Im Oktober 1923 waren es zunächst einige pfälzische Sozialdemokraten unter Johannes Hoffmann, die – unterstützt durch den Kommandeur der französischen Besatzungsmacht, General de Metz – einen selbstständigen pfälzischen Staat im Verband des Deutschen Reiches schaffen wollten, bis sie am Widerstand von Behörden und Parteien – vor allem Hoffmanns Sozialdemokraten verweigerten sich einem Schulterschluss – scheiterten.

Franz Josef Heinz (Heinz-Orbis)

Im Gegensatz dazu verfolgte Franz Josef Heinz (Heinz-Orbis) wesentlich radikalere Ziele: die Schaffung eines an Frankreich angelehnten, vom Reich unabhängigen Staates. Mit Hilfe seines „Pfälzischen Corps'“ erlangte er zwischen dem 6. und 10. Oktober 1923 die Kontrolle über die pfälzischen Städte Kaiserslautern, Neustadt an der Haardt und Landau. Nach der Kapitulation der pfälzischen Regierung und des Kreistages rief Heinz am 12. November 1923 in Speyer die Autonome Pfalz im Verband der Rheinischen Republik aus. In den nächsten Wochen fielen den Separatisten immer mehr pfälzische Städte zu, so etwa Edenkoben in der Nacht des 18. November.

Am 9. Januar 1924 wurden Heinz und seine engsten Gefolgsleute (z. B. Nikolaus Fußhöller) im Gastzimmer des Speyerer Hotels Wittelsbacher Hof durch Angehörige des Bundes Wiking unter Edgar Julius Jung ermordet. Matthias Sand, der mit am Tisch saß, aber mit den Pfälzer Autonomen nichts zu tun hatte, wurde ebenfalls erschossen. Zwei der Angreifer (Franz Hellinger und Ferdinand Wiesmann) starben ebenfalls an ihren Verletzungen. Dies bedeutete das Ende der Separatisten, die in der Bevölkerung wegen ihrer Durchsetzung mit Kriminellen sowie der Nähe zum französischen Staat nie beliebt waren und aufgrund finanzieller Probleme und der Tatsache, dass die Beamtenschaft der bayerischen Regierung den Gehorsam nicht entzog, nie die Verwaltung unter ihre tatsächliche Kontrolle bekommen konnten. Die Morde wurden später von der Staatsanwaltschaft als legaler Akt der Staatsnothilfe eingestuft.

Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt

Gedenktafel für den 12. Februar 1924

Der Schlusspunkt für die Autonome Pfalz wurde mit dem – von den französischen Truppen durch anfängliches Nichteingreifen begünstigten – Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt am 12. Februar 1924 gesetzt. Alle sechzehn im – vor der Erstürmung in Brand gesteckten – Bezirksamt anwesenden Separatisten, welche die Forderung einer Menschenmenge nach Wiederherstellung der Pressefreiheit mit Schüssen und Handgranaten beantwortet hatten, fielen bei der Erstürmung des Hauses oder wurden anschließend gelyncht, unter den Angreifern gab es sechs Tote und zwölf Schwerverletzte.

Ende der „Autonomen Pfalz“

Politisch war das Ende der „Autonomen Pfalz“ schon zuvor weitgehend geklärt. Das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich hatte sich Anfang 1924 mit dem Abschluss der MICUM-Abkommen deutlich gebessert, gleichzeitig setzte die britische Regierung im Januar 1924 Frankreich durch die Entsendung einer Untersuchungskommission in die Pfalz unter Druck. Auf den Bericht dieser Kommission hin erreichte Großbritannien die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der interalliierten Rheinlandkommission, der vom 14. bis 16. Februar mit dem Kreisausschuss der Pfalz das Speyerer Abkommen aushandelte. In diesem Abkommen wurden der Abzug der Separatisten und der Übergang der Verwaltung auf die (bayerische) Kreisregierung geregelt. Auch der mangelnde Rückhalt der Separatisten in der Bevölkerung trug zum Scheitern der Autonomiebestrebungen bei.

Literatur

  • Gerhard Gräber, Matthias Spindler: Revolverrepublik am Rhein. Die Pfalz und ihre Separatisten. Band 1: November 1918 – November 1923. Pfälzische Verlags-Anstalt, Landau/Pfalz 1992. ISBN 3-87629-164-X
  • Gerhard Gräber, Matthias Spindler: Die Pfalzbefreier: Volkes Zorn und Staatsgewalt im bewaffneten Kampf gegen den pfälzischen Separatismus 1923/24. Pro Message, Ludwigshafen/Rhein 2005. ISBN 3-934845-24-X (u. a. über die Ermordung von Franz Josef Heinz und den Sturm auf das Pirmasenser Bezirkskamt 1924)
  • Günter Zerfass (Hrsg.): Die Pfalz unter französischer Besatzung von 1918 bis 1930: kalendarische Darstellung der Ereignisse vom Einmarsch im November 1918 bis zur Räumung am 1. Juli 1930. Verlag Siegfried Bublies, Koblenz 1996. ISBN 3-926584-35-1

Weblinks


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