Rhetorical Structure Theory (RST)

Rhetorical Structure Theory (RST)

Die Theorie rhetorischer Strukturen oder oft noch englisch Rhetorical Structure Theory ist eine Theorie zur Darstellung der rhetorischen Struktur in Texten. Sie wurde von William Mann, Sandra Thompson u. a. im Rahmen von Studien zur automatischen Textgenerierung am Information Science Institute der University of Southern California 1983 entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

Annahmen

Die RST ist eine deskriptive Theorie, durch welche die hierarchische Struktur eines Textes beschrieben werden kann, wobei dies weniger im Hinblick auf die Prozesse der Produktion und Perzeption geschieht, sondern eher bezüglich der Kohärenz eines Textes und der Frage, welche Funktion die einzelnen Einheiten im Text haben. Denn eine der grundsätzlichen Annahmen der RST ist, dass jeder Teil eines kohärenten Textes eine Funktion hat und dass für seine Existenz im Text plausible Gründe gefunden werden können (vgl. Mann, RST Web Site).

Kohärenz

Die Kohärenz eines Textes wird zurückgeführt auf das Vorhandensein sogenannter rhetorischer Relationen, welche zwischen zwei sich nicht überschneidenden Einheiten eines Textes bestehen und funktional definiert sind. Sie beziehen sich auf den Effekt, den der Produzent eines Textes bewirken wollte, indem er die betreffenden Einheiten nebeneinander platzierte; die jeweils bestehende rhetorische Relation ist also abhängig von der Intention des Produzenten und weniger von bestehenden syntaktischen Formen.

Bestandteile

Einheiten

Die Länge der Texteinheiten ist nicht festgelegt, aber die Einteilung eines Textes in Einheiten sollte so gewählt sein, dass diese eine eigenständige Funktion haben. Die Autoren wählen in ihren Analysen Sätze bzw. Satzteile und deren Kombinationen - beispielsweise im Falle restriktiver Relativsätze - als kleinste Einheiten eines Textes.

Relationen

Neben der jeweiligen Beziehung zwischen zwei Einheiten verdeutlichen die rhetorischen Relationen auch, welche der beiden Einheiten bezogen auf die Absicht des Produzenten eine zentralere Rolle spielt. In diesem Konzept der nuclearity gibt es die möglichen Einheiten Silbenkern (Nukleus) und Satellitenphonem. Der Nukleus ist dabei die Texteinheit, welche die Hauptaussage transportiert, also wichtiger ist, während der Satellit eine auf den Nukleus bezogene Information beinhaltet oder Funktion innehat und vom Nukleus abhängig ist, nicht jedoch umgekehrt. Mann und Thompson gehen davon aus, dass die Mehrheit der natürlich-sprachlichen Texte durch Nukleus-Satellit-Relationen strukturiert ist.

Die rhetorischen Relationen werden definiert durch vier Felder:

  1. die Bedingungen für den Nukleus,
  2. die Bedingungen für den Satelliten,
  3. die Bedingungen für die Kombination von Nukleus und Satellit und
  4. den Effekt der Relation.

Hinzu kommt noch der locus of effect, der verdeutlicht, ob der Effekt sich auf den Nukleus oder den Satelliten bezieht.

Jedes dieser Felder definiert spezielle Entscheidungen, die während des Aufbaus der RST-Struktur getroffen werden müssen (vgl. Mann/Thompson 1988:245), wobei sich diese Entscheidungen mehr auf die Plausibilität einer Relation beziehen, da die Intention eines Produzenten zumeist nicht bekannt ist, sondern nur vermutet werden kann. Dabei stellt der zu jeder Relation definierte Effekt die Entscheidungsgrundlage dar, da er dem unangemessenen oder fehlerhaften Gebrauch von Relationen entgegenwirken kann. (vgl. ebd. 1988:258).

Die RST in ihrer 1988 publizierten Form beinhaltet 23 rhetorische Relationen, die basierend auf zwei Aspekten der Textstruktur in die zwei Klassen

  • subject matter
  • presentational

unterteilt werden. Mann und Thompson definieren sie als:

Subject matter relations are those whose intended effect is that the reader recognizes the relation in question; presentational relations are those whose intended effect is to increase inclination in the reader [...] (ebd. 1988:257, Hervorhebung im Original).

Schemata

Die Relationen werden nicht direkt auf die Texte angewendet, sondern zunächst in Form von Schemata dargestellt, die zu schema applications kombiniert werden, die ihrerseits in einer hierarchischen Anordnung den Strukturbaum formen. In der RST gibt es fünf Typen von Schemata, welche - basierend auf den Relationen - spezifizieren, in welchen Kombinationen die Texteinheiten vorkommen können.

Durch die wiederholte Anwendung der Schemata entstehen komplexere Einheiten, bis alle Einheiten zu einer einzigen komplexen Einheit verbunden sind, die dann den Strukturbaum darstellt. Dies bedeutet auch – und ist eine der zentralen Annahmen der RST –, dass nahezu jeder kohärente Text durch einen einzigen RST-Strukturbaum beschrieben werden kann, welcher nur eine Wurzel hat, die alle Einheiten - ob komplex oder einfach - umfasst, denn kohärente Texte sind typischerweise hierarchisch strukturiert und funktional organisiert (vgl. Mann/Thompson 1988:259). Die Analysen der Autoren und anderer haben jedoch auch ergeben, dass für bestimmte Textsorten, wie Gesetzestexte, Verträge, Poesie u. ä., keine RST-Strukturen erstellt werden können (vgl. ebd.).

Bibliographie

  • Mann, W./Thompson, S. (1987): Rhetorical Structure Theory: A theory of text organization. In: Technical Reports ISI/RS-87-190
  • Mann, W./Thompson, S. (1988): Rhetorical Structure Theory: Toward a Functional Theory of text Organization. In: Text 8(3), S. 243-281
  • Mann, W./Matthiessen, C./Thompson, S. (1992): Rhetorical Structure Theory an Text Analysis.

In: Mann/Thompson 1992, S. 39-78

  • Mann, W./Thompson, S. (1992): Discourse Description. Diverse Linguistic Analysis of a Fund-Raising Text. Amsterdam-Philadelphia.

Weblinks

  • RST-Website von William Mann erstellt und regelmäßig aktualisiert

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