Rhönisch

Rhönisch

Rhöner Platt (auch Rhönerisch oder Rhönisch) ist die Mundart, die in der Rhön gesprochen wird. Während in den nord- und mitteldeutschen Sprachgebieten die Mundart als Plattdeutsch bezeichnet wird, bevorzugt der süddeutsche Sprachraum die griechischstämmige Bezeichnung Dialekt. Zusätzlich ist die wissenschaftliche Bezeichnung für Mundart = Dialekt und so kommt es oftmals zu Verwechslungen mit dem niederdeutschen „Plattdütsch“, wenn in den Mitteldeutschen Regionen die gesprochene Mundart als Platt bezeichnet wird. Es ist allgemein üblich, Orts-, Landschafts-, oder Regionsbezeichnungen vor das Wort -Platt zu setzen, um die eigene Mundart näher zu bezeichnen.

Beispiele: Sälzenger Platt, Herschfäller Platt, Rhöner Platt, Henneberger Platt, Föller Platt, Deedeschhüüser Platt, Hinterländer Platt

Die Rhön erstreckt sich über die drei Bundesländer Bayern, Hessen und Thüringen. Man kann danach grob den Rhöner Dialekt untergliedern. Allerdings unterscheidet sich die Mundart oft auch schon von Dorf zu Dorf.

Inhaltsverzeichnis

Regionale Besonderheiten

Rhöner Dialekt in Thüringen und Hessen

Das „Rhöner Platt“ Thüringens, genauer Südthüringens und Hessens, teilt sich in zwei deutlich voneinander abzugrenzende Sprachgebiete. Die Grenze verläuft durch die gesamte Rhön aus Süd-West nach Nord–Ost und grenzt den mainfränkischen von einem osthessischen Teil ab. Diese Tatsache hat zur Folge, dass man sehr starke osthessisch-fränkische Parallelen auf einer Linie von Fulda über Tann nach Bad Salzungen erkennen kann, währenddessen südlich dieser Sprachgrenze in Hessen, Bayern und Thüringen ostfränkische Mundarten des Hennebergischen bzw. Grabfeldischen gesprochen werden.

Grundsätzlich kann man eine starke ostfränkische Prägung der gesamten Rhön nicht verleugnen. Die gesprochenen Dialekte verdeutlichen die Besiedlungsgeschichte der Rhön und ihrer angrenzenden Territorien maßgeblich, welche noch in die Zeit Karls des Großen zurückgehen dürfte und sich in mehreren Etappen vollzog. Abgesehen von der keltischen Urbesiedlung wurden die ersten germanischen Siedlungen vermutlich von Chatten, Hermunduren und später von Thüringern gegründet.

Es ist auch zu vermuten, dass Alemannen dieses Gebiet durchzogen und zum Beispiel Orten mit -ingen und -ungen ihre Namen gaben (Beispiele: Meiningen, Salzungen, Breitungen, Behrungen, Fladungen …). Der Dialekt südlich des Salzbogens hat sich aus dem Mainfränkischen entwickelt. Nach der Eroberung des Thüringer Reiches vom 5.–8. Jh. drängten fränkische Siedler die einst bis an den Main siedelnden Thüringer bis über den Rennsteig zurück. Im Wesentlichen entspricht das thüringische Franken territorial dem ehemaligen Bezirk Suhl, also der fränkischen Grafschaft Henneberg. Da es im Gebiet um Bad Salzungen immer wieder zu erbitterten Machtkämpfen um die existierenden Salzquellen kam, entstand hier ein Mischdialekt aus mainfränkischen, osthessischen und westthüringischen Mundarten, was den ständigen Wechsel der hiesigen Machtverhältnisse verdeutlicht.

Zusammenhängende Groß-Sprachräume Deutschlands
Deutsche Sprachräume mit Mischzonen

Auch wenn das Territorium der thüringischen Rhön, nördlich des Salzbogens, heute dem westthüringischen Sprachraum zugeordnet wird (vgl. Thüringisches Wörterbuch), sucht man die für Thüringen sprachlich charakteristischen Eigenschaften, wie die dafür typische Sprachmelodik hier vergebens. Sprachforschungen haben im Vergleich ausgewählter Begriffe zu der heutigen Einordnung geführt. Betrachtet man jedoch die Sprache der Rhön im Zusammenhang, kann man kaum thüringisch-obersächsiche Parallelen feststellen und der „Uiswäardije“ wird meinen er sei schon in Hessen oder Franken. Eventuell war vor 130 Jahren auch mehr der Wunsch der Vater des Gedanken, um den fränkischen Süden mental an Thüringen zu binden.

Deshalb werden in diesem Artikel für diese Dialektbetrachtung die ausgesuchten Wörter der Sprachforschung, wie z.B. Apfel, Wein, Mann etc., bewusst nicht einbezogen, da man damit das Gesamtbild einer Sprache, gerade in Grenzregionen und Übergangsbereichen, fast vollständig verzerrt.

In einem Wörterbuch oder beim Festlegen von Dialektgrenzen, wären eventuell die Eigenheit des „B“ für „W“ bei Fragewörtern oder die Bezeichnung für Gestern „Nächde“ ein entscheidendes Kriterium Sprachgrenzen festzulegen. Rhöner, die des Dialekts noch mächtig sind, haben ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer näheren Sprachregion, als zu wissenschaftlich festgelegten Grenzen, welche kaum nachzuvollziehen sind.

Um den Kindern Schwierigkeiten in der Schule und insbesondere im Deutschunterricht zu ersparen, sprachen ihre Eltern mit ihnen spätestens seit den 1970er Jahren meist nur noch Hochdeutsch, was dazu führte, dass man die Mundart auf den Dörfern heute nur noch selten hört. Die Generation der heute 25- bis 35-Jährigen versteht die Mundart zwar noch, spricht sie aber – da in aktiver Anwendung kaum mit ihr vertraut – nicht mehr. Die ältere Generation (ab 50 etwa) wechselt fließend je nach gerade angesprochenem Gesprächspartner. Nur für die über 70-Jährigen scheint das Rhöner Platt die vertrautere und bevorzugte Sprache zu sein.

Wortschatz, Grammatik

Beispiele aus der Thüringischen Rhön und Vorderrhön

Charakteristisch für die gesamte Rhön und das Henneberger Land ist, bei Fragewörter wird der Anlaut W, zu einem B. Aus wie wird bie, was – boas, warum – boarümm und so weiter.

Beispiel: „Wer es nicht glaubt, soll es mauern.“ – Baers ned glaid, d’r müerds.

Eine weitere Besonderheit ist die Verwendung des Vollverbs im endungslosen Infinitiv plus ge- nach der Verwendung der Hilfsverben „können“ und „mögen“.

Beispiel: „Dou konnst jetz net nuisgegeh!“ oder „Dou konnst mich moa hoggel getroar!“

Fränkisch ist z.B. die Bezeichnung für Hausflur, welcher fast überall (Hus-;Huis-) Earrn genannt wird. Auch der/das Weck oder das Weckle (Weag/Weagle/Weagje) sind noch zu finden, obwohl sich oftmals das Brötchen durchsetzt.

Wie unsere germanischen Vorfahren bezeichnet der Rhöner die Tage vor dem Heute noch immer als Nächde. Diese zählten nicht die Tage sondern die Nächte, welche vergangen sind. Außer in der Rhön und im Hennebergischen hat sich diese Bezeichnung nur noch in einigen Gebieten Österreichs erhalten.

Wie man in Osthessen einen Hefeteig-Brot Schorrn nennt, wird in der Rhön und in den angrenzenden Gebieten der Christstollen so genannt, welcher ja aus Hefeteig hergestellt wird. Das hessische bämbeln für hängen, eiwie (allewie) für jetzt und iwes für irgend oder kutte für tauschen, hört man hier genauso wie das thüringische Kärrnje für einen kleinen Wagen, dämmeln für treten. Klöße nennt man Hütes, welche nicht durch „Drehen“ geformt werden sondern durch „Hullern“.

Einen guten Einblick in das „Platt“ der Thüringischen Rhön und Vorderrhön liefert der Dichter und Sagensammler Christian Ludwig Wucke in seinem Buch Uis minner Haimet.

Lautverschiebungen

Im Hochmittelalter vollzog sich die Wandlung der mittelhochdeutschen Langlaute í, ú, iu zur sogenannten niederhochdeutschen Diphthongierung (Umlaute) ei, au, eu. Die schriftliche Verbreitung setzte im 12. Jahrhundert aus dem südlichen Raum ein und taucht erstmals in Kärntner Urkunden auf. In einigen deutschen Mundarten blieben jedoch die alten mittelhochdeutsche Langlaute erhalten (niederdeutsche Dialekte im Norden und alemannischen Dialekte im Westen) Beispiel: mín → mein, Hús → Haus, hiut → heute, so auch im Platt der Rhön und im allgemeinem osthessischem Dialekt, wobei hier der Langlaut 'ui für ū oder iu zu finden ist. Im grabfeldisch und hennebergisch sprechenden Teil der Rhön hat sich diese Wandlung jedoch weitestgehend vollzogen.

Umlaut auui, u, ü

Beispiele:

  • Aus Haus wird Huis, Hus oder in einigen Dörfern auch als Hüüs gesprochen.
  • Wir sind aus dem Haus raus gegangen. „Mei senn uis'm Huis ruis goange“

Vorsilbe eiih

Beispiele:

  • Aus eingekauft wird ihn'käuwd; ihn'kaiwd oder südlicher ihn'köuwt.
  • Was hast du gestern eingekauft? „Boas hoast dou nächde ihn'käuft?

eingeben → inga

einschenken → inscheank

Einkommen → Inkomm

Umlaut -ei

-ei wird nicht wie im Hochdeutschen (er weiß, heiraten, …) gesprochen. Die Aussprache dieses Umlautes gleicht dem Ruf „Hey“ also einem -äj.

Der a-Laut → oa

Beispiele:

  • Aus der Zahl acht wird oacht, aus gedacht wird gedoacht, aus was wird boas.
  • Was machst du heute um acht? Boas moachst dou hitt (hütt) omm (ümm) oacht?

Achtung, Ausnahme! Aus Arbeit wird nicht Oarwed, sondern Ärrwwed.

Einzelwörter

Abendbrot Noachtässe/Oamdässe
anders onnerschd
Arbeit Ärwed
aus uis
Ausrede Uisrede'
baumeln, hängen bämbel
Bohnen Buinn
damals (dän-)sellma/sellichma (von selbmal)
Deichsel Gischel
Dorf Duurf
Essensreste (nicht verwertet) *Oads *„Oads ned so rümm!“
Essen vom Vortag (übriggebliebenes) ewwerläng's
etwa *ängst *„Weisd dous ängst bäss'r ?“
Friedhof Kehrfet/Keerfich/Gottsoagger
genügen/ausreichen *schäcken *Äs schäckt!
Großmutter Äller
Großvater Ällerfoad’r
Hausflur (Huis-)earrn
heiraten frej
irgend (igendwie) *iwes(-d) (iwesbie) *„Bann ech iwes (-d) äbbes feng!“
Junge Jong (Jöngje)/Buur
Klöße Hüt's (Hütes)
Kopf (im Sinne von Haupt) Haid
Kopf (oft im Gebrauch) Koopf
überhaupt nicht ewwrhaid ned
Kopftuch Haidleappje
Küken Liffche
Lumpen, Stofffetzen Huddel
Linkshänder Läinkdoadsch
Nacken Anke
Ohrfeige Doachtel
Pfarrer Poar
Pumpenbrunnen/Wasserpumpe Boumbelborn
rollen hullern
Schubkarren Roadbänn
Stift Schriestegge
St. Nikolaus Herrsche-Kloas/henneb. Herrsche-Robbenickel
Süßigkeiten Schnupp
Tauschen Kutten
Vogel Voil
Vogelhaus Voilcheshuis
vorhin elärt
weiter widderschd
Wort Wuurd
Zigeuner Zichiener

Fragewörter

wie ? bie ?
wer ? baa(r)?
was ? boas?
warumm? boarümm? (b'rümm?)
wohin? bohenn? (bohi?)
woher? bohaer? (buhaer?)
welcher? beller? (beanner?)
wieviel? böffel? (büffel?)

Ortsnamen

Breitungen Breidje
Dermbach Därmich
Dietlas Dädels
Dorndorf Dornef
Fischbach Füschbich
Friedelshausen Freddelshuuse
Fulda Foll
Geisa Gais
Großentaft Doft
Hilders Häldesch
Immelborn Immubuon
Kaltenborn Kalleborn
Kaltenlengsfeld Längsfd
Kaltennordheim Nurde
Kaltensundheim Soinde
Kaltenwestheim Wääsde
Pleß(berg)- Bläss(baerk)
Rippershausen Ripperschuuse
Salzungen Sälzenge
Thalau Dohle
Vacha Fach
Weilar Wiler
Wasungen Woasinge
Wüstensachsen Soarse

Satz-Beispiele

Hochdeutsch Platt Hörprobe
Wenn wir reden, versteht ihr kein Wort mehr! Boann mäi schwoaddze, foastädd äi käi wúrd mää!
Mach was Du willst! Moch bos de west!
Es regt und rührt sich nichts. 's raed uon rebbeld sech nöschd.
Wir gehen arbeiten. Mäi genn ärwed.
Halte deinen Mund! Hall’s Muill! (Moach kai geblärr!)  Anhören?/i
Gestern waren wir auf dem Friedhof. Nächde sinn mai uif’m Kerfech gewoasd.  Anhören?/i
Das war ein alter Lump! Doas woar’ a aller Huiddich!
Es gibt noch Kraut von Gestern. s gitt noach ewwerlängs Kruid vuon nächde.  Anhören?/i
Er will heiraten. e gedd off de Frejerej.
Komm einmal zu mir! Ge' ma haa!/Kömm (Kimm) moa bäi mech!
Er trinkt zuerst ein Bier. Doa pfizd e ärschd e Gaales.

Franken – Fränkisch (Bayerische Rhön/Thüringen südlich des Salzbogens)

Aussprache

Bei der Aussprache der Worte kommt es häufig zu Lautverschiebungen:

aus wird   aus wird
a o, å   e ä
i i(e), ai   o ü
u u(o), au   t d
p b   w b

Beispiele

Moggele Kalb
Hammele Lamm, Schäfchen
Hebbele Zicklein, kleine Ziege
Håsebabele Hase, Häschen
Gobbele Huhn
Gööger Hahn
Läüskaaber Lausejunge
Kaind Kind
Buu Bub, Junge
Käuzi Junge
Fraa Frau
Moo Mann
Weißbill Mädchen, junge Frau
uendisnächde vorgestern
Drabbe Treppe
äbbes etwas
Huudl Kopftuch
Oadse übriggebliebene Reste
Dambesse Kartoffelpuffer
Schoifelich Bratkartoffeln
Schdroddse Jauche, Gülle
Bås hasde gsöhd? Was hast du gesagt?
Mer sinn hemm gange. Wir sind heim gegangen.
Die Rhüe is schüe. Die Rhön ist schön.
Bu is har dann? Wo ist er denn?

Weblinks


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