Rikimer

Rikimer
Libius Severus auf einem As. Auf der Rückseite ist das Ricimer-Monogram eingeprägt.

Ricimer oder Rikimer (* um 405; † 18. August 472) war Magister militum (Heermeister) des weströmischen Reichs im 5. Jahrhundert.

Leben

Flavius Ricimer war arianischer Christ, Sohn eines Prinzen aus dem Volk der Sueben und einer Tochter des westgotischen Königs Wallia. Seine Jugend verbrachte er am Hof des Kaisers Valentinian III., wo er Kampferfahrung unter Aëtius gewann, Valentinians magister militum im westlichen Teil des Römischen Reichs.

Die Ermordung von Aetius und Valentinian 454 bzw. 455 erzeugte ein Machtvakuum im Westen. Als erster versuchte der Senator Petronius Maximus die Kontrolle über den kaiserlichen Thron zu erlangen, aber er wurde getötet, als der Vandalenkönig Geiserich Rom im Mai 455 plünderte. Nun wurde auf Druck der Westgoten Avitus zum Kaiser gemacht, der bei seiner Ankunft in Ravenna Ricimer zum Kommandeur der verbliebenen Truppen des Weströmischen Reichs ernannte, das jetzt im Wesentlichen auf Italien, den Alpenraum, einen Teil des südlichen Galliens und Teile Hispaniens reduziert war, wobei dem Reich die Kontrolle über Hispanien bereits entglitt. Ricimer stellte eine neue Armee und Flotte auf, die er insbesondere aus den germanischen Söldnern rekrutierte, die für ihn greifbar waren.

Nachdem er Rom verlassen hatte, hatte Geiserich eine mächtige Flotte zurückgelassen, die die italienische Küste blockierte. Ricimer gelang es, die Vandalen 456 in einer Seeschlacht bei Korsika und einer Landschlacht bei Agrigent in Sizilien zu schlagen. Gestärkt durch die so erlangte Popularität gewann Ricimer die Zustimmung des Senats für eine Expedition gegen den in Gallien residierenden Kaiser Avitus, den er am 16. Oktober 456 in einer blutigen Schlacht bei Piacenza schlug. Avitus wurde gefangen genommen, zuerst zum Bischof von Piacenza gemacht, aber kurze Zeit später zum Tode verurteilt. Ricimer wurde daraufhin 457 von Leo I., dem neuen oströmischen Kaiser, der Titel eines patricius verliehen.

Ricimer verbrachte den Rest seines Lebens als De-facto-Regent dessen, was vom Weströmischen Reich übrig war, wobei seine Art, Macht auszuüben, ihn zu einer der kontroversesten Gestalten dieser Zeit machte. Als Germane und Arianer konnte er nicht daran denken, selbst den Titel eines Augustus (Kaisers) anzunehmen, aber seine Macht über die in Ravenna oder Rom residierenden Kaiser gab ihm Ansehen und Einfluss bei den Germanen, die Gallien, Spanien und Africa besetzt hatten. Dies ließ ihm zwei Möglichkeiten: den kaiserlichen Hof aufzulösen und offiziell als dux oder Statthalter des Kaisers in Konstantinopel zu agieren, oder eigene Figuren auf den Thron zu setzen und durch sie zu regieren. Er wählte den zweiten Weg und ging dabei so weit, seinen Namen auf die Münzen neben den des Kaisers zu setzen. Früher sah man Ricimer oft als "Barbaren", der nur seine eigenen Interessen verfolgt habe, während die neuere Forschung ihn eher als einen loyalen Diener des Reiches sieht.

457 setze Ricimer Majorian als Kaiser von seinen Gnaden ein und veranlasste auch Leo, seine Zustimmung zu geben. Majorian erwies sich als guter Regent und machte sich bald zunehmend selbstständig. Er wurde aber (möglicherweise durch Verrat) 461 in der Nähe des modernen Valencia von Geiserich geschlagen, während er versuchte, einen Feldzug gegen ihn zu organisieren, um das reiche Africa den Vandalen zu entreißen. Ricimer betrieb nun seine Absetzung und veranlasste seine Ermordung am 7. August 461.

Der von Ricimer ausgesuchte Nachfolger war der Senator Libius Severus, der sich fügsamer als Majorian zeigte, sich aber der Missbilligung durch Leo im Osten und der Rivalität von Aegidius in Gallien gegenübersah. Er wurde niemals von Ostrom als legitimer Kaiser des Westens anerkannt. Nach dem Tod des Libius Severus 465 – eventuell durch von Ricimer verabreichtes Gift – regierte der Kaisermacher über 18 Monate ohne einen Kaiser.

Schließlich, nach einer längeren Debatte, in der er und sein Feind Geiserich versuchten, Leo ihre eigenen Kaiserkandidaten aufzudrängen, akzeptierte Ricimer schließlich Leos Vorschlag Anthemius, der gemeinsam mit oströmischen Truppen 467 nach Italien kam. Er heiratete Anthemius’ Tochter und lebte eine Zeit lang friedlich mit ihm zusammen.

Ricimer kommandierte einen großen Teil der römischen Streitkräfte in einem Feldzug, den Leo und Anthemius gegen Geiserich 468 anstrengten. Dabei war sein Verhalten geeignet, den Verdacht zu erzeugen, dass Ricimer im Geheimen das Scheitern der Expedition wollte, was schließlich auch eintrat. Andererseits hatte Ricimer kein Interesse an einem Sieg Geiserichs, so dass kaum zu klären ist, was wirklich geschah. Als Anthemius aber nach der Niederlage versuchte, gegen Ricimers Freund und Verwandten, den Westgotenkönig Eurich, vorzugehen und Gallien wieder unter römische Kontrolle zu bringen, scheint es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen Kaiser und Heermeister gekommen zu sein.

471/72 eskalierte der Konflikt, Ricimer zog nach Mediolanum, um Anthemius den Krieg zu erklären. Epiphanius (* 438/439, † 496), der Bischof von Pavia, vermittelte einen kurzzeitigen Waffenstillstand, nach dessen Ende Ricimer mit seiner Armee aber wieder vor Rom stand, wo Anthemius residierte. Er proklamierte Olybrius zum Kaiser, den Kandidaten, den er (und Geiserich?) schon vor Jahren favorisiert hatten, und eroberte die Stadt nach dreimonatiger Belagerung am 1. Juli 472. Anthemius wurde getötet und Rom wurde zur Beute für Ricimers Soldaten. Er selbst starb aber nur zwei Monate später am Fieber. Der Titel des Patricius ging auf seinen Neffen Gundobad über.

Siehe auch

Literatur

  • John B. Bury: History of the Later Roman Empire. From the death of Theodosius I. to the death of Justinian, Bd. 1, New York 1958 (Nachdruck der Ausgabe von 1923).
  • Felix Dahn: Rikimer. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 615 f.



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