Ritualtötung

Ritualtötung

Ein Ritualmord ist die Tötung eines Menschen als rituelle Handlung. Der Begriff kennzeichnet diese Handlung als Mord, setzt also Verhältnisse voraus, in denen Menschenopfer als religiöse Praxis abgelehnt und verurteilt werden.

Inhaltsverzeichnis

Tötung und Ritual

In der Religionswissenschaft ist „rituelle Tötung“ oft als Oberbegriff von Menschenopfer verwendet worden. Basierend auf Walter Burkerts Definition von Ritual als kommunikative Handlung[1] ist rituelle Tötung als „Tötung, die in einer besonderen Gegebenheit, in einer vorgegebenen und stereotypen Weise und mit einer kommunikativen Funktion irgendeiner Art durchgeführt wird“[2] definiert worden. Von Menschenopfer sei dagegen dann die Rede, wenn das Opfer einem übermenschlichen Wesen – oder auch einem Toten – dargeboten wird oder wenn die Tötung eines Menschen in derselben Weise, derselben Gegebenheit und mit derselben rituellen Absicht als die Tötung eines (entsprechenden) Opfertieres erfolgt[3].

Problematisch für jede Definition von ritueller Tötung und Menschenopfer ist allerdings die vielfach beobachtete Tatsache, dass in jedem Zeitalter der Geschichte und in der Gegenwart rituelle Elemente in jeder Art von Menschentötung zu finden sind: Hinrichtungen, Vergeltungsakte, Tötungen in den Kampfhandlungen usw.[4].

Vorkommen

ausführlich dazu der Artikel Menschenopfer

Rituelle Tötungen von Menschen kamen in verschiedenen archaischen Kulten und Religionen vor, z.B. bei den Azteken, in Indien bei der Verehrung der Göttin Kali, im Kult des Moloch im vorisraelitischen Kanaan u.a.. Beispiel für die rituelle Tötung eines besiegten Fremdherrschers ist die biblische Geschichte 1. Buch Samuel 15: Danach wurde der Amalekiter-König Agag gegen den Willen des israelitischen Königs Saul vom Propheten Samuel ermordet; Saul verlor wegen seiner Weigerung sein Königsamt.

Die Hypothese eines prähistorischen Ritualmords wird bei „Ötzi“, der 1991 gefundenen Gletschermumie aus der Kupferzeit, erwogen. Die Tötung scheint nicht am Fundort der Leiche stattgefunden zu haben. Doch bei ihr fand man zerbrochene Pfeile und ein wertvolles Kupferbeil als Beigaben. Man vermutet daher ein Menschenopfer als Hinrichtung und nachträgliche Ehrung eines Flüchtigen. Könnte man die Ablehnung von Menschenopfern in dieser Gesellschaft nachweisen, wäre dies der älteste bekannte Ritualmord der Geschichte.

Ritualmordlegenden

Siehe Hauptartikel: Ritualmordlegende

In der Begegnung von Kulturen mit verschiedenen Religionen und Wertsystemen kam es häufig zu Beschuldigungen von Kannibalismus und Ritualmorden, motiviert aus Xenophobie oder um zur Verfolgungen zu begründen. Im christlichen Europa waren Beschuldigungen, Juden hätten Ritualmorde an christlichen Kindern begangen, ein häufiger Vorwand für Pogrome und Justizmorde an ihnen. Angeblich von Juden getötete Kinder wurden bis in das 20. Jahrhundert in der katholischen Kirche als Selige oder Heilige verehrt, oft mit ausgeprägtem Brauchtum wie Wallfahrten und Prozessionen.

Beispiele

Von einem Ritualmord sprach man bei verschiedenen Ereignissen:

Wieweit man zeremonielle Hinrichtungen, z.B. Selbstmordanschläge, als Ritualmord bezeichnet, hängt von der Art ihrer Ausführung und dem Stellenwert ab, den man religiösen Motiven dabei zumisst.

Anmerkungen

  1. Vgl. W. Burkert, Homo necans, S. 31-39.
  2. D.D. Hughes, Human Sacrifice in Ancient Greece, S. 3 (Ü.d.V.).
  3. Vgl. ebd. S 4.
  4. Vgl. hierzu G. De Luna, Il corpo del nemico ucciso, passim.
  5. Die "Hilsneriade" 1899. Von: Radio Prag: Kapitel aus der tschechischen Geschichte, 17. April 1999.

Siehe auch

Literatur

  • Walter Burkert, Homo necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen, De Gruyter, Berlin 1972
  • Dennis D. Hughes, Human Sacrifice in Ancient Greece, Routledge, London - New York, 1991
  • Rainer Erb: Drittes Bild: Der Ritualmord. In: Julius H. Schoeps / Joachim Schlör (Hrsg.): Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus - Vorurteile und Mythen. Augsburg 1999, S. 74-79, ISBN 3-8289-0734-2.
  • Giovanni De Luna, Il corpo del nemico ucciso. Violenza e morte nella guerra contemporanea, Einaudi, Torino 2006

Weblinks


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