- Rivka
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Rebekka (hebr. רבקה, Rivkah, auch Rebecca) ist eine biblische Person des Alten Testaments. Die Bedeutung des hebräischen Namens (die Bestrickende, die Fesselnde, Verbindung Schaffende) ist sehr umstritten.
Die Geschehnisse um Rebekka stehen im Zusammenhang mit den Erzelternerzählungen im 1. Buch Mose (Genesis) 24-27 EU. Rebekka ist die Schwester Labans, Tochter des Aramäers Bethuel (Betuël; Genealogie in Gen 22,23 EU; 24,24.47 EU) und Enkelin Milkas und Nahors (Abrahams Bruder, der in Mesopotamien geblieben ist). Sie ist die Frau Isaaks, des Sohnes Abrahams und Mutter der Zwillinge Esau und Jakob.
Inhaltsverzeichnis
Biblische Erzählungen - Literarische Gestalt
In Gen 24 24 EU wird erzählt, wie Abraham seinen Knecht (vermutlich Elieser, Gen 15,2 EU) zurück in das Land seiner Verwandtschaft (damit ist die Stadt Harran in Syrien gemeint) schickt, um für seinen Sohn Isaak eine Frau zu finden. Der Knecht lagert an einem Brunnen vor der Stadt, als die Frauen heraus kommen um Wasser zu holen. Unter ihnen ist auch Rebekka. Der Knecht bittet sie um einen Schluck Wasser aus ihrem Krug, woraufhin sie auch seinen Kamelen zu trinken gibt. Dies ist das Zeichen für den Knecht, dass Rebekka die richtige Frau für Isaak ist. Im Haus Labans (Rebekkas Bruder) verkündet der Knecht seinen Auftrag und bittet Rebekka, ihm nach Kanaan zu folgen. Sie entscheidet sich dafür und wird in der neuen Heimat die Frau Isaaks, der sie lieb gewinnt.
Gen 25 EU erzählt, wie Rebekka die Zwillinge Esau und Jakob zur Welt bringt. Das Ungewöhnliche in Gen 25,22-23 EU ist, dass sie direkt das Wort an JHWH richtet und von ihm die Verheißung über eine große Nachkommenschaft empfängt. In einem Traum prophezeit ihr Gott, der ältere Esau werde dem jüngeren Jakob dienen müssen. Damit wird die Zukunft der von beiden abstammenden Völker (Gen 25,23 EU) präfiguriert. Von Esau leitet sich das Volk der Edomiter und von Jakob die zwölf Stämme Israels her.
In Gen 26 EU tritt das Motiv der Gefährdung der Ahnfrau auf, welches auch schon bei Abraham und Sara zu finden ist. Isaak verleugnet die Ehe mit Rebekka in Gerar (Philisterstadt) und gibt sie als seine Schwester aus, denn er hat Angst um ihrer Willen (wegen ihrer Schönheit) getötet zu werden. Der Betrug wird erkannt, als Abimelech, der König der Philister, durch das Fenster beobachtet, wie beide miteinander umgehen. Abimelech stellt Isaak und Rebekka wider Erwarten unter besonderen Schutz (Gen 26, 1-11 EU). Später kommt es sogar zu einem Bund zwischen beiden.
Gen 27 EU ist, wie Gen 24 EU, ein Kapitel, in welchem Rebekka als sehr aktive Frau vorgestellt wird. Sie verhilft ihrem jüngeren Sohn Jakob mit einer List dazu, den Erstgeburtssegen von seinem Vater zu erschleichen, indem er sich als sein Bruder Esau ausgibt. Sie verstößt damit gegen geltendes Recht, versucht aber auf der anderen Seite, der Verheißung JHWHs aus Gen 25 genüge zu tun.
Rebekka, eine historische Gestalt? - Anachronismen
Die Rebekka-Erzählung ist von Anachronismen (falsche zeitliche Einordnungen) gekennzeichnet. Das Volk der Aramäer, aus welchem Rebekka stammen soll, kann erst ab 1200 v. Chr. nachgewiesen werden. Um 1500 v. Chr., als Rebekka gelebt haben soll, gab es noch keine Aramäer. Die verwandtschaftliche Beziehung zwischen Israeliten und Aramäern ist von den Verfassern der Genesis aus der Retrospektive konstruiert worden. Ebenso ist bekannt, dass Kamele um 1500 v. Chr. noch nicht als Nutz- und Lasttiere im Vorderen Orient dienten. Ihre Domestikation erfolgte deutlich später, sodass es unmöglich erscheint, dass Rebekka den Kamelen Abrahams Wasser gibt und selbst auf einem Kamel reitet. Unwahrscheinlich erscheint außerdem, dass sich Abrahams Knecht am Brunnen niederließ und eine Frau ansprach. Nach den geltenden gesellschaftlichen Regeln trafen sich Männer am Stadttor und die Frauen am Brunnen. Es war unüblich, diese geschlechtsspezifischen Regelungen aufzubrechen. Rebekka hätte auf dieses Verhalten des Knechtes hin weggehen müssen, da sie jegliches Gespräch mit einem fremden Mann entehrt hätte (Gen 24,17-25 EU). Doch die Erzählung berichtet ein völlig entgegengesetztes Verhalten Rebekkas, welches den Duktus der Erzählung zwar voranbringt, aber als „tatsächliches Ereignis“ eher schwer vorstellbar ist.
Eine programmatische Erzählung - Intentionen
Aus den oben genannten Gründen ist davon auszugehen, dass die Erzählung um Rebekka aus der Retrospektive verfasst wurde. Man geht davon aus, dass sie im babylonischen Exil oder in der frühen nachexilischen Zeit verfasst wurde (587–450 v. Chr.). Sicher ist, dass Gen 24 bis 27 keine historische Abbildung der Geschehnisse sind, es ist vielmehr anzunehmen, dass in diesen Erzählungen Modellfiguren, theologische Bilder und Aussagen tradiert werden sollten. Von der Annahme aus betrachtet, dass sich die israelitische Identität, sowie die monotheistische JHWH–Verehrung in erster Linie in der Exilszeit herausgebildet haben, sind die in der Genesis beschriebenen Erzeltern als programmatische Modellfiguren zu verstehen und bilden das grundlegende Fundament israelitischer Identität. Bezüglich der Erzählung um Rebekka ist daher auffallend, wie JHWH sie als Frau Isaaks auswählt und im Folgenden das Geschehen lenkt. Hierbei soll programmatisch deutlich werden, dass JHWH die Geschichte seines auserwählten Volkes Israel selbst gestaltet, sie kein Produkt des Zufalls ist.
Parallelen zu anderen Personen
Rebekka – das feministische Pendant Abrahams?
Im Vergleich mit der Abrahamserzählung fällt auf, dass in Gen 24 bis 27 ähnliche Motive verwendet werden. So wie Abraham die Modellfigur des Gottesvertrauens und des Gehorsams darstellt, indem er auf Befehl JHWHs in ein ihm noch unbekanntes Land aufbricht, nimmt auch Rebekka die Herausforderung der Ehe mit einem Mann an, den sie noch nicht einmal kennt. Ebenso wie Abraham direkt von Gott erwählt wurde, wurde auch Rebekka direkt von Gott am Brunnen erwählt. Ihre Entscheidungsfreiheit und die damit verbundene bewusste Entscheidung lassen Rebekka zum weiblichen Pendant Abrahams werden. In beiden Erzählungen sind die Motive des Aufbruchs in die Ungewissheit, das Verlassen alter Bindungen, das Vertrauen auf die Führung Gottes und der Weg in ein neues Land zentral. Rebekka wird dadurch ebenso wie Abraham zur Identifikationsfigur des israelitischen Volkes in der Exilszeit.
Auch das Segens- und Verheißungsmotiv stellt eine Fortführung der Abrahamserzählung dar: Nachdem Rebekka JHWH um Rat bezüglich der sich im Mutterleib streitenden Zwillinge fragt, erhält sie die Verheißung einer reichen Nachkommenschaft (Gen 25,23 EU). Die Segnung, die Abraham direkt von JHWH erfährt (Gen 22,17 EU), wird Rebekka stellvertretend durch ihre Familie zuteil:
- Du, unsere Schwester, werde zu tausendmal Zehntausenden, und deine Nachkommen mögen das Tor ihrer Hasser in Besitz nehmen! (Gen 24,60 EU)
Dadurch ist eine klare Verbindung zwischen beiden geschaffen. Rebekka wird zur einzigen weiblichen Trägerin einer Gottesverheißung.
Im Eingreifen in Rebekkas Unfruchtbarkeit wird, ähnlich wie bei Abrahams Frau Sara, deutlich, wie JHWH helfend bei ihr ist. Insgesamt wird an beiden bildhaften Erzählungen ein gleiches Gottesbild tradiert: JHWH ist einerseits der, der zum Aufbruch drängt, andererseits aber auch der, der in der Ungewissheit seinen Segen bereitet. Allgemeiner formuliert heißt das: JHWH ist zugleich fordernder aber auch helfender, segnender Gott.
Besonderheiten Rebekkas im Vergleich zu den Erzmüttern Sara und Rahel
Auffällig ist, dass Rebekka in der literarischen Endgestalt der Erzählung mehr Sprechanteile hat als die beiden anderen Erzmütter in den jeweiligen Texten. Ihr steht frei, ob sie mit dem Knecht gehen und Isaak heiraten möchte. Sie wird als gastfreundlich, hilfsbereit, tüchtig, ausdauernd (Wasserschöpfen am Brunnen) und gutherzig beschrieben. Keiner der anderen beiden Frauen werden so viele Attribute zu Teil. Weiterhin zeichnet sich Rebekka durch ihre Klugheit und Schlauheit aus, welche allerdings im Zuge des Betrugs um den Erstgeburtssegen in ein negatives Licht gerückt wird. In den Erzählungen wirkt Isaak im Vergleich zu seiner Frau passiv, während sie aktiv ihren Willen durchsetzt. Es wird explizit berichtet, dass Isaak seine Frau lieb hat (Gen 24,67 EU).
Martin Noth behauptet in seinem Buch „Überlieferungsgeschichte des Pentateuch“: „Frauen dienen bloß als Staffage, weder ihr Handeln zählt, noch das Handeln Gottes an ihnen; als Persönlichkeiten sind sie ausschließlich auf die Männer hin zu sehen, in den Traditionen des Glaubens Israel sind sie bedeutungslos!“ Bei genauerer Betrachtung trifft dies allerdings nicht auf Rebekka zu, denn sie sorgt aktiv dafür, dass Gottes Verheißung über ihre Söhne erfüllt wird (Gen 25,23 EU): Sie sorgt für die Segnung des jüngeren Jakob und damit für seinen Vorrang über seinen älteren Bruder. Weiterhin verhilft sie Jakob zur Flucht, der ohne diesen Rat vielleicht durch seines Bruders Hand den Tod gefunden hätte.
Ebenso wie Sara und Rahel zählt Rebekka zu den Erzmüttern des Volkes Israel. Die in allen drei Erzählungen stets herrschende Spannung zwischen Unfruchtbarkeit und Nachkommenschaftsverheißung wird durch göttliche Gnade aufgehoben. Alle unfruchtbaren Frauen werden somit zu bedeutsamen Gestalten. Sie werden durch JHWHs direktes Eingreifen jeweils geheilt (s. auch Unfruchtbare im Neuen Testament).
Weiterhin finden sich Parallelen zwischen Sara und Rebekka in der Gefährdung der Ahnfrau (Gen 12 EU; 20 EU; 26 EU). Beide stehen in der Gefahr von anderen Männern geheiratet zu werden, weil ihre Ehemänner, die fürchten aufgrund der Schönheit ihrer Frauen getötet zu werden, sie als Schwester ausgeben. Beide werden als sehr schöne Frauen beschrieben. JHWHs helfendes Eingreifen wird in beiden Gefährdungserzählungen deutlich (Gen 12,10 – 20 EU; 26,1-11 EU).
Es handelt sich bei allen drei Erzelternpaaren um endogame Eheschließungen, denn die Frauen stammen aus der gleichen Sippe. Sara kam mit Abraham aus Ur, Rebekka und Rahel stammen aus dem aramäischen Harran. Allerdings haben Abraham, Isaak und Jakob jeder mehr als eine Frau, die nicht dieser Sippe angehörten. Das Schema von Rebekkas Geburtserzählung entspricht dem gleichen Muster wie dem der anderen Erzmütter: Schwangerschaft, Ankündigung einer Geburt oder deren nähere Umstände und Geburt des Kindes. Auffällig ist auch, dass alle drei Erzmütter nur Söhne gebären und sich ihre Kinderzahl auf maximal zwei beschränkt. Ebenso erfolgt eine Schwangerschaft erst, nachdem der Mann für seine unfruchtbare Frau zu Gott gebetet hat und dieser seinen Zuspruch erteilt. Dies sind typische Elemente für das Motiv der Ahnfrau, die einerseits in der Erzählung Spannung erzeugen, andererseits die direkte Bindung der Erzeltern an JHWH vor Augen führen.
Darstellungen Rebekkas
Folgende Angaben zu den Darstellungen Rebekkas in Musik und Kunst finden sich im "Lexikon der biblischen Personen" von Martin Bocian.
in der Musik
Die Erzählungen über Rebekka wurden oft vertont. 1761 entstand ein erstes Oratorium in London, welches von C. Smith komponiert wurde. Man nimmt an, dass er Händels Musik mit dem Text verband, denn er war dessen Nachfolger am Hofe. Weitere Vertonungen folgten 1865 durch B. Pisani mit seiner Oper „Rebekka“ in Mailand; 1883 entstand eine dramatische Kantate in Boston von D.F. Hodges; J. Barnby schrieb das Oratorium „Rebekah“ für das Musikfest in Hereford und 1881 gestaltete César Franck eine biblische Szene.
in der Kunst
Darstellungen Rebekkas existieren oft in den Jakob-/Esau-Zyklen. Es werden beispielsweise die Begegnung mit dem Knecht am Brunnen, das Anbieten des Trankes, das Tränken der Kamele, die Rückreise oder die Begegnung mit Isaak dargestellt. Raffaels vier Fresken des Isaak-Zyklus in den Loggien des Vatikans zeigen Rebekka stets bei ihrem Lieblingssohn.
Literatur
- Angelika Berlejung: Art. Erstgeburt/Erbe. HGANT, S. 163-164.
- Dies.: Art. Sozialstatus/Gesellschaft und Institution. HGANT, S. 53-57.
- Martin Bocian: Lexikon der biblischen Personen. Stuttgart 1989.
- Karl Cramer: Art. Rebekka. Bo Reicke, Leonhard Rost (Hg.): Biblisch-Historisches Handwörterbuch, Göttingen 1994, S. 1558.
- Irmtraut Fischer: Art. Rebekka. LThK, S. 869.
- Christian Frevel: Art.: Frau/Mann. HGANT, S. 188-190.
- Kurt Hennig (Hg.): Jerusalemer Bibellexikon. Neuhausen-Stuttgart 1989.
- Fritz Rienecker, Gerhard Maier (Hg.): Lexikon zur Bibel. Wuppertal 2003.
- Silvia Schroer: Art. Erotik/Liebe. Bibel. Altes Testament.. In: Gössmann, Elisabeth u.a. (Hg.): Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 2002, S. 112-113.
Weblinks
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