Robin von Locksley

Robin von Locksley
Robin-Hood-Denkmal vor dem Schloss in Nottingham

Robin Hood [ˌrɒbɪn hʊd] ist der zentrale Held mehrerer mittelalterlicher bis neuzeitlicher englischer Balladenzyklen, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu der heutigen Legende formten. Die Handlungen der Balladen wurden fortwährend umgedichtet, weiterentwickelt, miteinander verschmolzen und neue Balladen wurden dazuerfunden. So wird Robin Hood in den ältesten schriftlichen Quellen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts noch als gefährlicher, blutrünstiger Wegelagerer geschildert, der vorzugsweise habgierige Geistliche ausraubt. Später wird aus Robin Hood in der Dichtung ein enteigneter angelsächsischer Adeliger und ein gegen die Normannen kämpfender angelsächsischer Patriot. Schließlich wandelt sich die Figur im 19. und 20. Jahrhundert zum Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Die Existenz Robin Hoods als reale historische Figur ist nicht belegt.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Entwicklung der Legende

Robin Hood war im 13. Jahrhundert ein in England gebräuchlicher Spitz- oder Beiname, der synonym für „Gesetzesbrecher“ benutzt wurde. In den Jahren von 1261 bis 1296 taucht dieser Beiname im ganzen Land sieben Mal in verschiedenen Quellen auf. Darin sieht die heutige Forschung einen Beleg, dass Balladen über die Taten Robin Hoods bereits seit Mitte des 13. Jahrhunderts im Volk verbreitet waren. Der älteste schriftliche Hinweis auf die Existenz solcher Balladen stammt aus einer um das Jahr 1377 von William Langland verfassten Sammlung volkstümlicher Gedichte mit dem Titel The Vision of Piers Plowman. In einem der Gedichte brüstet sich ein gewisser Sloth, dass er sich zwar kaum an das Vaterunser erinnern kann, dafür aber Verse über Robin Hood auswendig kennt:

I kan nought parfitly my Paternoster as the preest it singeth
but I kan rhymes of Robyn hood and Randolf Earl of Chestre

In drei mittelalterlichen schottischen Geschichtswerken finden sich Hinweise auf Robin Hood und seinen Gefährten Little John. Andrew Wyntoun erwähnt in seiner um 1420 verfassten Chronik die beiden Geächteten unter den Jahren 1283-1285, Walter Bower in seiner in den 1440-Jahren entstandenen und auf John Forduns Werk aufbauenden Scotichronicon unter dem Jahr 1266. Schließlich verlegt John Major in seiner Historia majoris Britanniae (1521) die Notiz über Robin Hood in die Zeit der Gefangenschaft des englischen Königs Richard Löwenherz von 1192 bis 1194 beim deutschen Kaiser Heinrich VI.

Quellenlage

Die Forschung kann sich nur auf folgende authentische Quellen stützen: Aus dem Jahr 1450 stammt die älteste, nur in Fragmenten erhaltene Ballade Robin Hood and the Monk (Robin Hood und der Mönch). Die älteste vollständig erhaltene Ballade Robin Hood and the Potter (Robin Hood und der Töpfer) wurde etwa um das Jahr 1500 niedergeschrieben. Anerkannt wichtigster Quellentext für die heutige Forschung ist die erstmals etwa 1500 bis 1510 in Antwerpen gedruckte und später auch in England aufgelegte Ballade A Gest of Robyn Hode (Die Geschichte von Robin Hood), von denen drei Exemplare im Original erhalten geblieben sind. A Gest of Robyn Hode geht auf ältere Vorlagen zurück, deren Datierung nicht sicher ist; vermutet werden Zeiträume um das Jahr 1400 bis 1450, wobei das spätere Datum als wahrscheinlicher gilt.

In dem 1765 veröffentlichten Werk Zeugen altenglischer Dichtung überlieferte sein Autor, der irische Bischof Thomas Percy (1729–1811), drei weitere und möglicherweise ins 15. Jahrhundert zu datierende Balladen mit den Titeln Robin Hoode his Death (Robin Hoods Tod), Robin Hood and Guy of Gisborne (Robin Hood und Guy von Gisborne) sowie die Ballade Robin Hood and the Curtal Friar (Robin Hood und der Mönch mit kurzer Kutte).

Die Legende in der Neuzeit

Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts wurden zu den oben genannten ursprünglichen Balladen immer weitere frei hinzugedichtet, bis das Gesamtwerk auf etwa 40 Balladen angewachsen war. Der Antiquar Joseph Ritson (1752–1803) sammelte Ende des 18. Jahrhunderts alle ihm bekannten Balladen und gab sie im Jahr 1795 als Anthologie heraus, die unter heutigen Historikern zwar nicht als Standardwerk gilt, aber das populäre Bild von Robin Hood und die Bildung der Legende um Robin Hood nachhaltig prägte und bis heute prägt. So beeinflusste Ritsons Buch maßgeblich auch den 1819 veröffentlichten Roman Ivanhoe von Walter Scott (1771–1832). Darin nimmt Robin Hood zwar nur eine Nebenrolle ein, aber Scott schafft mit seinem Roman das Bild Robin Hoods, an dem sich fast alle nachfolgenden Autoren orientieren werden und das bis heute Bestand hat.

Umformungen der Legende

Die neuzeitliche Legende enthält im Vergleich zu den frühen Quellen eine Reihe verfälschender Überformungen: So tauchen weder Richard Löwenherz noch dessen Bruder Prinz John, eigentlich Johann Ohneland, in den frühen Balladen auf. Auch als angelsächsischer Widerstandskämpfer gegen die Normannen wird Robin Hood in keiner Zeile geschildert.

Im 15. Jahrhunderts fanden die Balladen über Robin Hood Eingang in die englischen Traditionen des Maifestes. Deren Bestandteil war auch eine Art von volkstümlichem Tanztheater. Darin vermischte sich die Figur Robin Hoods mit anderen Charakteren, so zum Beispiel auch Bruder Tuck, der in den frühen Balladen noch nicht vorkommt.

Die Namen der beiden Hauptdarsteller (Maikönigin und Maikönig) wurden im Laufe der Zeit schließlich mit Marian und Robin festgelegt. Vorbild war hier wohl die französische Hirtenromanze Robin et Marion, verfasst um das Jahr 1283 von Adam de la Halle. Die Erzählung wurde schließlich auch in England populär, und um das Jahr 1500 vermischte der englische Dichter Alexander Barclay die Handlung um den französischen Robin endgültig mit den englischen Balladen über Robin Hood.

In den frühen Balladen wird der soziale Status von Robin Hood als bäuerlich beschrieben; er ist yeoman (Freisasse). Um die Mitte des 16. Jahrhunderts machte ihn der Antiquar John Leland zum Adligen. In der elisabethanischen Ära identifizierte ihn Anthony Munday in seinen Dramen The Downfall and Death of Robert, Earle of Huntington (1601) mit dem im Titel genannten Grafen. Walter Scott macht Robin Hood in seinem Roman Ivanhoe zu dem Adeligen Robert von Locksley, der gleichsam als romantisch verklärter Sozialrevolutionär die Reichen beraubt und die Armen beschenkt.

Dass Robin Hood noch im Sterben einen Pfeil abschoss, um so die Stelle zu markieren, an der er begraben werden wollte, ist eine Erfindung des 18. Jahrhunderts.

Zusammenfassung der Gest of Robin Hood

Darstellung des Sheriffs von Nottingham aus dem Jahr 1912; Buchillustration

Die Gest of Robin Hood ist der längste und anerkannt zuverlässigste Quellentext. Unterteilt ist die Gest in acht „fyttes“, was etwa mit „Liedern“ zu übersetzen ist; sie besteht aus 456 vierzeiligen Strophen.

Im ersten Lied werden zunächst Robyn Hode (Robin Hood) und dessen Gefährten Litell Johnn (Little John), Scarlok (Will Scarlett) und Much (den Müllerssohn) vorgestellt. Bis ins zweite Lied handelt die Gest weniger von den Taten Robin Hoods, sondern dreht sich um den verarmten Ritter Richard of the Lee und dessen Auseinandersetzungen mit geldgierigen Mönchen. Robin Hood hilft Richard, indem er ihm Geld leiht, worauf sich zwischen beiden im Laufe der Dichtung langsam eine Art Freundschaft entwickelt.

Im dritten Lied wird Little John ein Diener des Sheriffs, prügelt sich betrunken mit dessen Koch und stiehlt des Sheriffs Silber. Der Sheriff verfolgt ihn in den Sherwood Forest, wo er von Robin und dessen Männern gefangen und zur Teilnahme an einem gemeinsamen Mahl gezwungen wird. Robin lässt den Sheriff schwören, dass er keinem von Robins Gefährten jemals wieder etwas antun werde.

Im vierten Lied rauben Robin Hood und Little John aus dem Hinterhalt Mönche der St.-Mary's-Abtei aus.

Im fünften Lied arrangiert der Sheriff einen Bogenschieß-Wettbewerb, um Robin in eine Falle zu locken; ein Kampf zwischen den Männern des Sheriffs und Robins Gesetzlosen bricht aus.

Im sechsten Lied unternimmt der Sheriff eine letzte Anstrengung, um Robin Hood zu fangen, indem er Richard of Lee ins Gefängnis wirft. Robin eilt zu dessen Rettung, tötet den Sheriff und befreit Richard.

Im siebten und achten Lied begibt sich König Edward selbst in einer Verkleidung in den Sherwood Forest, um Robin und Richard of the Lee zu ergreifen. Während eines Bogenschützen-Wettbewerbs gibt sich der König zu erkennen und macht Robin zu einem Mitglied seines Hofstaates.

Das Ende der Gest schildert den Verrat an Robin Hood und dessen Tod.

Theorien um Robin Hood als reale historische Person

Es kursieren mehrere Theorien um die mögliche historische Gestalt Robin Hoods, die allesamt unbewiesen sind. Es folgt eine Auswahl der vielversprechendsten Kandidaten:

  • In einer sogenannten Pipe Roll aus dem Jahr 1225, einer Art Verwaltungsakte, findet sich ein „Rob. Hod Fug.“ (Robert Hod, flüchtig) mit dem Vermerk, dass 32 Shilling von ihm eingezogen worden waren. Geburts- oder Todesdatum sind nicht überliefert. Die Eintragung des „Rob. Hod“ wiederholt sich in den nächsten sieben Jahren. So ist zum Beispiel im Jahr 1226 der Verkauf von Hods Besitz beurkundet, weitere Einträge belegen, dass Hod den Beinamen „Hobbehod“, ebenfalls ein Synonym für „Gesetzesbrecher“, trug und ein Pächter des Erzbistums York war. Einige Historiker sehen darin einen Beleg für die historische Person Robin Hood. Andere Historiker führen als Gegenargument an, dass sich im Laufe des 13. Jahrhunderts insgesamt rund ein Dutzend solcher Eintragungen mit an Robin Hood erinnernden Namen in den Pipe Rolls in ganz England finden. Als weiteres Argument wird die „Überinterpretation“ des Begriffs „fugitive“ genannt, da man zu jener Zeit schon ein flüchtiger Gesetzloser war, wenn man nicht zu einem Gerichtstermin erschien. Viele Personen ersparten sich die Kosten und Mühen der Reise, wenn der Ausgang der Verhandlung klar war.
  • Weiterer Kandidat für die historische Gestalt Robin Hoods ist Robert Fitzooth, Earl of Huntingdon (1160 – 1247). Fitzooth wurde im 12. Jahrhundert geächtet und enteignet und seine Ländereien dem Earl of Chester zugesprochen, der auch in einer der ursprünglichen Balladen über Robin Hood erwähnt wird. Zudem wurde Fitzooth in Loxley, dem in den Balladen erwähnten Heimatort Robin Hoods, geboren.
  • Der Angelsachse Robert de Kyme (etwa 1210 – 1285) wurde im Jahr 1226 wegen Diebstahls und Landfriedensbruchs geächtet, aber bereits ein Jahr später wieder begnadigt. Er soll während seiner Acht in den Sherwood Forrest geflohen sein. Als weiterer Beleg wird genannt, dass auch Robert de Kyme angeblich Ansprüche auf die Grafschaft Huntington hatte.
  • Roger Godberd terrorisierte in den Jahren nach der Montfort-Rebellion (1265) als Anführer einer Geächtetenschar die Grafschaften Nottinghamshire, Derbyshire und Leicestershire, konnte erst nach jahrelanger Verfolgung festgenommen werden und starb 1276 im Gefängnis zu Newgate. Ihm wurde unter anderem Diebstahl in einer Abtei und die Ermordung eines Mönches vorgeworfen. Godberd war laut Anklage von einem Ritter namens Richard Foliot beschützt worden, der deshalb seine Burg Fenwick übergeben musste - eine auffällige Parallele zu Richard of the Lee in der Balladenerzählung.
  • Robert Hood (1290 – 1347) wird in den Jahren 1315 und 1316 in den sogenannten „Wakefield Rolls“ erwähnt. Er war angeblich an einer Rebellion gegen König Edward II. beteiligt und wurde deshalb geächtet. Er soll sich während seiner Acht in den Barnsdale Forest geflüchtet haben.

Filme und Fernsehserien (Auswahl)

Maid Marian und Robin Hood (Enid Bennett und Douglas Fairbanks), 1922
Robin Hood im Sherwood Forest – Filmplakat zum Film von 1922

Sonstiges

Robin-Hood-Schuss
aufgeschlitzer Alu-Pfeil nach einem Robin-Hood-Schuss
  • Der Name der Umweltschutzorganisation Robin Wood ist angelehnt an die Figur des Robin Hood.
  • Einen Treffer beim Bogenschießen, welcher einen bereits in der Scheibe steckenden Pfeil „aufspießt“, nennt man „Robin-Hood-Schuss“.
  • Der Comic Robin Ausdemwald ist eine Parodie auf Robin Hood.

Literatur

  • Stephanie L. Barczewski: Myth and national identity in nineteenth-century Britain: the legends of King Arthur and Robin Hood, Oxford [u. a.]: Oxford University Press 2000, 274 S., ISBN 0-19-820728-X
  • James C. Holt: Robin Hood. Die Legende von Sherwood Forest, Düsseldorf [u. a.] 1991. ISBN 3-430-14771-9 (Sachbuch über die historische Wahrheit hinter dem Mythos)
  • Howard Pyle: Robin Hood, Bindlach 2004. ISBN 3-8112-2438-7 (Titel des 1883 zuerst erschienen Romans amerikanischen Original: „The Merry Adventures of Robin Hood“)
  • Bessenger, J. B., Jr. The Gest of Robin Hood Revisited. In The Learned and the Lewed: Studies in Chaucer and Medieval Literature. Harvard University Press, 1974.
  • Carpenter, Kevin. Robin Hood: The Many Faces of that Celebrated English Outlaw. Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, 1995
  • Child, F. J.. The English and Scottish Popular Ballads. 5 vols. Rpt. New York: Dover, 1965.
  • A Gest of Robyn Hode ("Lettersnijder" edn.). Antwerp: Van Doesbroch, ca. 1510. National Library of Scotland
  • Ritson, Joseph, ed. Robin Hood, A Collection of All the Ancient Poems, Songs, and Ballads Now extant Relative to the Celebrated English Outlaw. 2 vols. London: Egerton and Johnson, 1795.


Einzelnachweise


Weblinks


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