Roggenmehl

Roggenmehl
Roggen
Roggen (Secale cereale)

Roggen (Secale cereale)

Systematik
Unterklasse: Commelinaähnliche (Commelinidae)
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Unterfamilie: Pooideae
Gattung: Roggen (Secale)
Art: Roggen
Wissenschaftlicher Name
Secale cereale
L.
Roggenfeld
Roggenähre
Roggen mit Mutterkorn verunreinigt
Roggenkörner
Winterroggengarben

Roggen (Secale cereale), ist eine in gemäßigten Breiten verbreitete Getreideart. Es gibt Sommer- und Winterroggen, wobei in Mitteleuropa fast ausschließlich Winterroggen angebaut wird. Winterroggen kann die Winterfeuchtigkeit besser nutzen und übersteht eine Frühjahrstrockenheit leichter und ist deshalb im Kornertrag überlegen. Die Sommerform findet sich nur in Lagen mit Spätfrostgefahr und auf exponierten Berglagen. Winterroggen benötigt zur Überwindung der Schosshemmung eine Vernalisation wie alle Wintergetreidearten. Um von der vegetativen Wachstumsphase in die generative Phase zu gelangen, ist ein Kältereiz (Dauer und Temperatur sind relevant) notwendig. Nach der Abreife auf dem Halm hat der Roggen nur eine sehr kurze Keimruhe. Bei regnerischer Erntezeit besteht die Gefahr, dass die Körner schon in der Ähre auskeimen und die Ernte nur noch als Futtergetreide verwandt werden kann.

Roggen ist besser an kühle und trockene Klimate angepasst als Weizen, und ist deshalb das Getreide der Regionen mit verbreiteten Sandböden. Roggen ist ein Lichtkeimer und stellt deshalb besondere Anforderungen an Saat, Saatbett und Säzeitpunkt. Männliche Pollen und weibliche Blüte werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aktiv, daher ist Roggen in aller Regel ein Fremdbefruchter (im Gegensatz zu anderen Getreidearten wie Gerste oder Weizen, bei denen die Selbstbefruchtung die Regel darstellt). Gezüchtet werden Hybridsorten und Populationssorten. [1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Es ist keines der klassischen Getreide der Antike. Man vermutet seinen Ursprung vor 2000 bis 3000 Jahren als „Unkraut“ in Weizenfeldern Kleinasiens, wo es im Mischanbau verbreitet wurde.
Seit den 1980er Jahren werden neben den klassischen Populationssorten auch Hybridsorten gezüchtet, die eine bessere Krankheitsresistenz, höhere Erträge (Heterosis-Effekt) und eine geringere Auswuchsneigung aufweisen. Diese Hybridsorten sind allerdings wegen der geringeren Pollenausschüttung anfälliger für Mutterkorn. [2]

Verwendung

Roggen wird besonders in Mittel- und Osteuropa als Brotgetreide verwendet (siehe Roggenbrot). Darüber hinaus ist Roggen aber kaum verbreitet, so dass der Anteil von Roggen an der Weltgetreideerzeugung bei nur einem Prozent liegt.

In Deutschland wird Roggen vor allem in der Tierernährung als Futter-, Brotgetreide und neu als nachwachsender Rohstoff eingesetzt. Hier wurden im Jahr 2006 von 539.000 ha 2,6 Mio. t Roggen geerntet [3]. Davon wurden u.a. 900.000  t für die Vermahlung eingesetzt.

Roggen wird seit langem auch zur Alkoholherstellung verwendet. Beispielsweise werden die besseren Wodka-Sorten aus Roggen hergestellt. Der in Norddeutschland häufig getrunkene „Korn“ wird ebenfalls meistens aus Roggen hergestellt. Früher wurde Roggen verbreitet auch zur Bierherstellung verwendet, was dann aber verboten wurde, um den wertvollen Roggen zum Brotbacken aufzusparen. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ist in Deutschland wieder kommerziell hergestelltes Roggenbier erhältlich.

Schließlich ist Grünroggen das erste Grünfutter in Kuhhaltungsbetrieben im Frühling und kann Winterroggen auch als Gründüngung eingesetzt werden.

Seit 2004/05 wird Roggen auch als Energieträger angebaut. Im Getreidewirtschaftjahr 2006/07 wurden ca. 500.000 t zu Bioethanol verarbeitet. Vorteile von Roggen sind hier vor allem der im Verhältnis zur Ethanolausbeute günstige Preis. Ein weiterer stark boomender Bereich ist die Verwendung als Biogassubstrat. Hauptsächlich wird Roggen als Ganzpflanzensilage (GPS) eingesetzt. Auch in Form von geschroteten Körnern wird Roggen in den Gärbehältern der Biogasanlagen eingesetzt. Vorteile sind vor allem der kostengünstige Anbau, die hohen Trockenmasseerträge pro Hektar und die hohe Ertragssicherheit (LOCHOW-PETKUS, 2006)

Eine neuzeitliche Verwendung findet Roggen als Grundstoff der Dämmstoffindustrie; seit einigen Jahren wird aus Roggen eine Dämmstoffschüttung hergestellt, die auch alle bauaufsichtlichen Vorschriften (bauaufsichtliche Zulassung als Dämmstoff durch das Deutsche Institut für Bautechnik; DIBT) als auch die Anforderungen an einen Naturbaustoff (natureplus-Prüfung) erfüllen.

Backeigenschaften

Die Backeigenschaften des Roggenmehls sind grundsätzlich verschieden zu denen des Weizenmehls. Dies liegt hauptsächlich daran, dass im Roggenteig die Glutenmoleküle durch die Anwesenheit von Pentosanen (Schleimstoffe) kein Klebergerüst zur Gashaltung aufbauen können. Diese Schleimstoffe haben beim Roggen etwa die gleiche Funktion wie der Kleber beim Weizen. Sie sind wichtig für das Wasserbindungs- und Wasserhaltungsvermögen der Mehle während der Teigführung und des Backvorgangs (Reiner et al., 1979, Winterroggen aktuell). Roggengebäcke zeichnen sich im Gegensatz zu Weizengebäcken durch einen dunklen, festen und aromatischen Teig aus, dem aber das "luftige" des Weizenteiges fehlt. Ein Roggenbrot besteht hauptsächlich aus verkleisterter Stärke. Daher sind Roggenteige dichter und enthalten weniger "Luftblasen". Oft werden aus Roggenmehl daher Mischbrote und Brote aus Vollkorn hergestellt. In feuchten Erntejahren besteht häufig die Gefahr des "Auswachsens" der Körner auf dem Halm. Dabei werden Amylasen gebildet, die die Stärke abbauen. Um trotzdem zu verkaufsfähigen Produkten zu kommen, müssen die Roggenmehl-Teige auf jeden Fall gesäuert werden, das heißt, sie müssen einer Sauerteig-Führung (siehe auch Physiologie) unterworfen werden. Reines Roggenbrot ist Pumpernickel, das aus Roggenschrot hergestellt und mehr gedämpft als gebacken wird. Pumpernickel ist eine westfälische Brotsorte. Im Kanton Wallis ist das Roggenbrot eine bekannte Spezialität, das Walliser Roggenbrot.

Physiologie

Der vergleichsweise hohe Lysinanteil macht Roggen zu einem wichtigen Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Ernährungsphysiologisch und backtechnisch interessant ist Roggen in der menschlichen Ernährung vor allem durch die so genannten Pentosane (vgl. Hemicellulose). Verschiedenen, z. T. widersprüchlichen Untersuchungen zufolge, sollen die Pentosane und die damit längere Verweildauer des Nahrungsbreis im Verdauungsapparat, eine antikarzinogene Wirkung haben.

Die Pentosane (Arabinoxylate) stellen auch ein Problem bei der Schweinefütterung dar. Neben ihnen enthält der Roggen weitere relativ hohe Anteile an solchen „Nicht-Stärke-Polysacchariden (NSP)“ wie Zellulose, Beta-Glucan, Pektine usw. Die Pentosane quellen und stören den Nahrungstransport. Erst im Dickdarm werden diese „NSP-Substanzen“ durch dort ansässige Mikroben gespalten, was aber nicht mehr zur Energieversorgung des Schweines beiträgt, sondern zu erhöhtem Gasausstoß führt.

Weiterhin sollen phenolische Stoffe (Alkylresorcine) appetitdämpfende und direkt toxische Effekte bewirken. Sie lösen bei empfindlichen Personen eine Dermatitis aus. Die Alkylresorcine befinden sich vor allem in den Randschichten von Roggen- und Weizenkörnern, werden aber durch Backvorgang und Sauerteigführung fast vollständig abgebaut.

Inhaltsstoffe des Roggens

Bestandteile
Wasser 9%
Eiweiß 12%
Fett 2,5%
Kohlenhydrate 65%
Ballaststoffe 9,5%
Mineralstoffe 2%
Mineralstoffe
Calcium 33 mg
Eisen 2,67 mg
Magnesium 121 mg
Phosphor 374 mg
Kalium 264 mg
Natrium 6 mg
Zink 3,73 mg
Kupfer 0,450 mg
Mangan 2,680 mg
Selen 0,035 mg
Vitamine
Thiamin 0,316 mg
Riboflavin 0,251 mg
Niacin 4,270 mg
Pantothensäure 1,456 mg
Vitamin B6 0,294 mg
Folsäure 0,060 mg
Vitamin E 1,870 mg
Alpha-Tocopherol 1,280 mg
Aminosäuren
Tryptophan 154 mg
Threonin 532 mg
Isoleucin 549 mg
Leucin 980 mg
Lysin 605 mg
Methionin 248 mg
Cystin 329 mg
Phenylalanin 674 mg
Tyrosin 339 mg
Aminosäuren
Valin 747 mg
Arginin 813 mg
Histidin 367 mg
Alanin 711 mg
Asparagin 1177 mg
Glutamin 3661 mg
Glycin 701 mg
Prolin 1491 mg
Serin 681 mg

Angaben je 100 g, Brennwert 1400 kJ

Die Zusammensetzung von Roggen schwankt naturgemäß sowohl in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen (Boden, Klima) als auch von der Anbautechnik (Düngung, Pflanzenschutz). Eine moderne Kreuzung aus Weizen und Roggen, Triticale, vereint Eigenschaften beider Arten.

Die größten Roggenproduzenten

Im Jahr 2007 wurden laut FAO weltweit 15,5 Mio. t Roggen geerntet. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die 15 größten Produzenten von Roggen weltweit, die 2007 zusammen 94 % der Gesamtmenge ernteten:

Die größten Roggenproduzenten weltweit (2007) [4]
 Rang  Land  Menge 
(in Tsd. t)
 Rang  Land  Menge 
(in Tsd. t)
   1 Russland Russland    3.910    9 Kanada Kanada    250
   2 Deutschland Deutschland    3.319    10 Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten    201
   3 Polen Polen    3.194    11  OesterreichÖsterreich Österreich    189
   4 Weißrussland Weißrussland    1.305    12 Lettland Lettland    181
   5 China China    700    13 Tschechien Tschechien    177
   6 Ukraine Ukraine    550    14 Litauen Litauen    165
   7  TurkeiTürkei Türkei    264    15 Schweden Schweden    138
   8 Spanien Spanien    258     Welt    15.515

Siehe auch: Die größten Getreideproduzenten, Die größten Weizenproduzenten, Die größten Gersteproduzenten, Die größten Reisproduzenten, Die größten Maisproduzenten, Die größten Haferproduzenten

Literatur

  • Klapp, Ernst: Lehrbuch des Acker- und Pflanzenbaus, 5. Auflage, Berlin 1958.
  • Raupp, Manfred: Was der Großvater schon wusste - Gedanken zur Entwicklung der Landwirtschaft in Staffort; verfasst zum Andenken an Gustav W. Raupp (1905-1985). Stutensee-Staffort 2005.
  • Reiner, Ludwig, et al.: Winterroggen aktuell. DLG Verlag, Erscheinungsort 1979, ISBN 3-7690-0346-2.
  • Schiemann Elisabeth: Weizen, Roggen, Gerste. Systematik, Geschichte und Verwendung. Erscheinungsort 1948.
  • Seibel, Wilfried (Hrsg.): Warenkunde Getreide - Inhaltsstoffe, Analytik, Reinigung, Trocknung, Lagerung, Vermarktung, Verarbeitung. Agrimedia, 2005, ISBN 3-86037-257-2. 

Einzelnachweise

  1. [1] Hybridroggenzüchtung (Uni Hohenheim).
  2. [2] Informationen vom Bundessortenamt
  3. [3] Internetseite des Roggenforum e.V.
  4. [4] Statistik der FAO, aufgerufen am 12. März 2009.

Weblinks

  • [5]Wissenswertes zum Thema Roggen.

Siehe auch


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