Roman Opalka

Roman Opalka
Roman Opalka

Roman Opalka (* 27. August 1931 in Abbeville) ist ein polnisch-französischer Künstler, der sich in seinem Werk insbesondere mit der Frage der Zeitlichkeit künstlerisch auseinandergesetzt hat. In der Kunstwissenschaft wird seine Arbeit in der Regel der Konzeptkunst zugeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der im nordfranzösischen Abbeville gebürtige Pole Roman Opalka kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie nach Polen zurück, wo er zunächst eine Ausbildung als Druckgraphiker erhielt. Von 1949-1956 besuchte er dann die Kunstschule in Łódź und ab 1951 die Kunstakademie in Warschau. Zu seinen Lehrern gehörte noch der Maler Wladyslaw Strzeminski, der den jungen Opalka mit der zeitgenössischen avantgardistischen Kunst vertraut machte. Mitte der 60er Jahre begann er mit „1965 / 1–∞“ eine in dieser Form einzigartige künstlerische Arbeit, die vollkommen synergetisch zu seiner Lebenszeit entstehen sollte. Mit dieser Arbeit war Opalka, der seit Ende der 70er Jahre in Bazérac / Südwestfrankreich lebt, auf zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten, u.a. 1977 auf der „documenta 6“ in Kassel.

Werk

Nach einigen Versuchen, die in der Tradition des Konstruktivismus und der abstrakten Malerei der 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts standen, fand Roman Opalka als Antwort auf das Grundproblem der modernen künstlerischen Avantgarde (Wiedervereinigung von Kunst und Leben) eine Lösung in einer Arbeit; die er „1965 / 1–∞“ nannte.

"1965 / 1–∞"

Mit bloßen Augenmaß schrieb Opalka im Jahr 1965 mit titanweißer Farbe und dem kleinsten verfügbaren Pinsel auf dunklem Grund die Zahl „1“ in die linke obere Ecke einer eigens dafür vorbereiteten Leinwand und begann so, nach der Gewohnheit unserer abendländischen Schrift von links nach rechts und weiter von oben nach unten in Richtung unendlich zu zählen. Die Größe der Schrift korrespondiert vor allem mit dem Ausmaß und der Beschaffenheit der Leinwand. Auf diese entscheidende Komponente – die einzelne Leinwand, die Opalka fortan gemäß seiner Konzeption als „Detail“ bezeichnet – legte der Künstler zu Beginn seines Vorhabens großen Wert. Nachdem er konstant gleich große Leinwände (196 x 135 cm) zunächst mit unverändert dunkelgrauem Grund benutzte, begann er, ab 1972 den Untergrund von „Detail“ zu „Detail“ durch die Zugabe von jeweils 1% mehr Weiß aufzuhellen. Auf diese Weise gelingt es ihm über das fortlaufende Zählen hinaus das progressive Moment seines künstlerischen Handelns zu verstärken: Nicht nur die Zahlwerte werden in Opalkas Werk immer höher, auch die Bilder werden immer heller.

Tonbandaufzeichnungen

Ein ganz entscheidende Dimension gewann die Opalkasche Arbeit, als der Künstler damit begann, die jeweils geschriebene Zahl auch zu sprechen und sein Sprechen auf einem Tonträger aufzuzeichnen. Das Sprechen und Schreiben erfolgt völlig simultan, wobei dem Künstler die Tatsache entgegenkommt, dass seine polnische Muttersprache die Zahlen exakt in der Reihenfolge ihrer Schreibweise wiedergibt. Diese Aufzeichnungen haben vor allem in späterer Zeit an Bedeutung gewonnen, da, die Leinwände auf denen Opalka mit weißer Farbe seine Zahlen schrieb immer heller und die Zahlen dadurch mehr und mehr unsichtbar wurden.

Selbstporträts

Sehr früh begann Opalka damit, am Ende eines jeden Arbeitstages ein photographisches Selbstportrait anzufertigen: In immer gleicher Kleidung – der Künstler trägt dabei ein einfaches weißes Oberhemd –, unter immer gleichen Lichtverhältnissen, mit immer gleichem, möglichst „neutralem“ Gesichtsausdruck photographiert er sich mit einer mit einem Selbstauslöser ausgestatteten Kamera vor der Leinwand, an der er gerade gearbeitet hat.

Arbeitsweise

Opalka taucht seinen Pinsel – er verwendet, wie erwähnt, stets den kleinsten im Künstlerbedarf erhältlichen Pinsel (Nr. 0) – nur ein, wenn er eine Zahl zu Ende geschrieben hat. Das Ende einer Zahl, das ist sozusagen der kleinste Einschnitt, an dem sich, wie der Künstler sagt, die eine gesteigerte „Spannung“ aufbaut. Weitere Einschnitte sind die letzte Zahl eines Tages, eines „Details“ oder auch eine besonders markante Zahl (z. B. 9999). Der benutzte Pinsel wird nach Abschluss des „Details“ mit der ersten und letzten jeweils damit ausgeführten Zahl gekennzeichnet und aufbewahrt. Er ist somit nicht ein bloßes Werkzeug, sondern bestimmter Bestandteil seines Lebenswerks. Opalka lebt mit seinem Werk: das erlaubt ihm keine langfristigen Unterbrechungen seiner Arbeit, genauso wie man das Leben ja nicht wirklich unterbrechen kann. Will der Künstler auf Reisen gehen, beendet er zunächst das „Detail“, an dem er gerade arbeitet und beginnt dann eine ebenfalls in der Größe festgelegte „Reisekarte“, die er seinerseits erst beendet, um wieder mit einem „Detail“ mit fortlaufender Zählung zu beginnen. Ansonsten sucht er die Nähe zu seinem Werk. Opalka trennt Atelier und Wohnort nicht. So bleibt sein Leben in größtmöglicher Übereinstimmung mit seinem Werk.

Kataloge

  • Roman Opalka 1965/1-∞, Spur der Zeit, Hrsg. Neues Museum Weserburg Bremen, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München (1992-1993). Museum des 20. Jahrhunderts, Wien (1993), mit CD. Bremen 1992(o.P.)ISBN 3-928761-03-x
  • Roman Opalka. Zur Verleihung des Goslarer Kaiserring am 23. Oktober 1993 und zur Ausstellung im Mönchehaus-Museum für Moderne Kunst Goslar. Hrsg. vom Kulturamt der Stadt Goslar. Goslar 1993.
  • Opalka 1965/1 – unendlich. Neue Nationalgalerie und Neuer Berliner Kunstverein, 8. April - 26. Juni 1994. Hrsg. von Britta Schmitz, Berlin 1994, ISBN 3-88609-329-8

Literatur

  • Thomas Deecke, Roman Opałka – Der gelebte Augenblick – Dies Werk entsteht, um das Leben besser zu verstehen in A.E.I.U.O. periodico trimestrale diretta di Bruno Cora, Nr. 20 – 22, S. 77 ff, Rom 1987,
  • Roman Opalka, Anti-Sisyphos (Autobiographie). Mit einem kritischen Apparat von Christian Schlatter. Übers. von Hubertus von Gemmingen. Stuttgart: Cantz 1994, ISBN 3-89322-277-4.
  • Thomas Deecke, „Ich gestalte die Zeit, nicht den Augenblick!“. In: Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Bd. 15. München: Kindl 1991.
  • Friedhelm Mennekes / Franz Joseph van der Grinten (Hrsg.), Kontemplation und Abstraktion. Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst. Stuttgart: KBW 1987, ISBN 3-460-32471-6, S. 133-147.
  • Marco A. Sorace, Zeitlichkeit und Affektivität. Die Kunst Roman Opalkas in lebensphänomenologischer Perspektive. In: Günter Funke / Rolf Kühn / Renate Stachura (Hg.), Existenzanalyse und Lebensphänomenologie. Berichte aus der Praxis (Seele, Existenz und Leben 3), Freiburg/München: Alber 2006, ISBN 978-3-495-48162-2, S. 109-131.

Weblinks


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