Rossmy

Rossmy

Tilman Rossmy (* 7. August 1958 in Essen) ist ein Songwriter, Folk- und Country-Liedermacher aus Deutschland. Einen Namen machte er sich sowohl mit seiner Punk-beeinflussten Band Die Regierung Anfang der Neunziger als auch als Solokünstler ab 1995. Sein wohl bekanntester Song, „Loswerden“, wurde sowohl von den Lassie Singers als auch der Alternative Country-Band The Walkabouts gecovert.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Als Sohn eines Chemikers und einer Lehrerin in bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, verbrachte der spätere Musiker und Songwriter seine Kindheit, Jugend sowie die ersten zehn Jahre seiner musikalischen Laufbahn in Essen. Rossmys erste Band, Die Regierung, begann 1982 als Ein-Mann-Projekt: Die ersten Demo-Tapes wurden lediglich mit Rhythmusmaschine und Synthesizer aufgenommenen, erzielten jedoch eine lobende Erwähnung im britischen Melody Maker. Die weiteren Mitglieder der Band fanden sich über die Vermittlung Arthur Schilms vom Bochumer Stadtmagazin Marabo ein.

„Loswerden“: Die Regierung und Hamburger Schule

Nach zwei Studio-Anläufen für die erste Platte „Supermüll“, Selbstfinanzierung auf eigenem Label und dem Versand einiger Promo-Exemplare an Zeitschriften wie Spex, Musikexpress und Marabo löste Rossmy seine Band auf. Der Anlass – eine kompliziert verlaufene Liebesgeschichte – führte einerseits zu einer fast achtjährigen musikalischen Pause. Rückblickend gesehen gab diese allerdings den Anstoß zu dem wohl erfolgreichsten und meistgecoverten Rossmy-Titel, „Loswerden“. Die autobiografisch gefärbte Entstehungsgeschichte integrierte Rossmy in eine „Long Version“ des Songs, welche 15 Jahre später auf der CD „Reisen im eigenen Land“ erschien.

1990, nach acht Jahren relativem Abstand vom Musikbusiness, formierte Tilman Rossmy Die Regierung neu. Die zweite Platte „So allein“, die ebenfalls floppte, wurde von Alfred Hilsberg, Begründer des Deutschpunk-Pionierlabels ZickZack veröffentlicht. Bei Hilsbergs neuem Label Scratch'n'Sniff wegen des Flopps rausgeschmissen, stand die neuformierte Regierung – bestehend aus Tilman Rossmy (git, voc), Robert Lipinski (b), Thomas Geier (dr) und Armin Hess (key) – wieder ohne Label da. Nach dem Einstieg von Thies Mynther (key, piano) sowie einem Vertrag mit dem Vorzeige-Label der sogenannten Hamburger Schule, L'age d'or, änderte sich die Lage allerdings grundlegend. Der dritten CD „So drauf“ von 1992, war – im Vergleich zu den Vorgängern – halbwegs erfolgreich. Im selben Jahr erfolgte auch der Ortswechsel von Essen nach Hamburg. Drei Songs aus „So drauf“ – „Loswerden“, „Ich erinnere mich“ und der Titeltrack – wurden in den folgenden Jahren von anderen Künstlern gecovert. „Loswerden“, interpretiert von den Walkabouts und den Lassie Singers, entwickelte sich mit den Jahren zum Publikumshit sowie zu Rossmys bekanntestem Song. Der stark Punk-beeinflusste Sound der Band sowie die deutschen Texte führten seitens der Musikkritik zu einer stilistischen Verortung im Umfeld der Hamburger Schule. Zur erfolgreichsten Regierungs-CD wurde schließlich die vierte und letzte: „Unten“, 1994 ebenfalls bei L'age d'or verlegt.

„Nenn mich Survivor“: Solokarriere und Tilman Rossmy Quartett

Mit Songwriter-geprägtem Alternative Country konzentrierte sich Rossmy ab Mitte der 1990er Jahre auf eine Karriere als Solosänger. „Willkommen zuhause“ enthielt mit „Bodycount T-Shirt“ einen veritablen Independent-Hit, brachte gute Kritiken im deutschen Ableger der US-Musikzeitschrift Rolling Stone sowie in anderen Musikmagazinen und wurde Rossmys bislang meistverkaufte CD. Zusammen mit dem Hamburger Sänger, Gitarristen und Entertainer Bernd Begemann führte das neu aufgestellte Tilman Rossmy Quartett eine erfolgreiche Tour durch, die von Nick Cavacas, einem Urgestein der deutschen und britischen Independent-Szene, gemanagt wurde. Die gemeinsame Tournee mit Bernd Begemann begründete in der Folge auch die enge Zusammenarbeit mit dem Country-Gitarristen Folke Jensen. Problemlos gestaltete sich der Wechsel von L'age d'or zum neuen Label Glitterhouse.

Nach „Willkommen zuhause“ gelang Rossmy zeitweilig der Sprung ins Lager der professionellen Musiker. Die Folge-CD von 1997, „Selbst“, enthielt mit „Maria“ zwar einen weiteren potenziellen, auch als Single ausgekoppelten Hit. Verkaufstechnisch gesehen konnte „Selbst“ „Willkommen zuhause“ jedoch nicht mehr übertreffen. Seine Erfahrungen mit dem Musikbusiness thematisierte der Sänger, Gitarrist und Songwriter 1998 auf „Passagier“ lakonisch-selbstreflektiert in den beiden Stücken „15 Jahre“ und „Der 251. Song“. Musikalische Experimentierfreude sowie teilweise abrupte Schlenker – einerseits hin zu den Punk- und Rock'n'Roll-Roots der Anfangszeit, andererseits hin zu anspruchsvolleren Chanson- und Jazz-Elementen – prägten auch die Veröffentlichungen und Konzerte der folgenden Jahre. Die CD „Reisen im eigenen Land“ (2002) ließ nicht nur den rauhen, ungeschliffenen Punk-Sound der Regierung-Ära wieder auferstehen, sondern enthielt auch 15 Neueinspielungen von Regierungs-Stücken. Die andere Seite mit melancholischen, fast chansonhaften Songs zelebrierte der selbsternannte „Survivor“ der deutschen Independent-Musikszene 2003 auf dem Nachfolger „Seitdem man mich…“.

Rossmys bislang letztes Album, „Alles muß gehen“ (2004), ging den Weg des Vorgängers noch ein Stück weiter und vertonte unter anderem Übersetzungen persischer Dichter aus dem späten Mittelalter. Als Gegenpol zu der eher ruhigeren, songorientierten Arbeit mit dem Tilman Rossmy Quartett führte der Künstler bereits 2005 eine Tournee unter dem Etikett „Rock'n'Roll Tour 2005“ durch. Anfang 2006 versuchte Rossmy, für Live-Auftritte eine neue Regierung zusammenzustellen und kündigte mit ihr bereits einen Auftritt auf dem Immergut Festival an.

Seit 2001 lebt Tilman Rossmy, im Ausbildungsberuf seit 1999 diplomierter Physiker, in München. Er arbeitet als freier Programmierer für unterschiedliche Firmen. Die letzten drei CDs werden, obwohl Glitterhouse weiterhin als Label fungiert, in Eigenregie vertrieben. Um seine Unabhängigkeit zu pflegen, entzieht er sich dem Business-Betrieb mitunter durch längere Reisen oder Auslandsaufenthalte. Zusätzlich entstanden sind in den Jahren zahlreiche Einspielungen für diverse Sampler-Projekte wie zum Beispiel die bei Trikont erschienene und von dem Schriftsteller Franz Dobler zusammengestellte Tribute of Johnny Cash-Compilation „A Boy named Sue“ oder etwa die 2006 von neuen deutschsprachigen Künstlern eingespielte Hildegard Knef-Reminiszenz „Ihre Lieder sind anders“.

Stil und Kritiken

Stilistische Verortung

Im Verlauf seiner Karriere changierte der gebürtige Essener konsequent zwischen den Polen Country, Jazz, Chanson und Rock'n'Roll. Seine Songs, die meist aus skizzenhaft hingeworfenen Reflexionen oder Alltagsgeschichten mit meist offenem Ausgang bestehen, erzielen eine Betroffenheit, welche durch die völlig unironische, ehrliche und selbstentblößende Art ihrer Darbietung zusätzlich verstärkt wird. Rossmys Spezialität ist es, in Drei-Minuten-Stücken auf den Punkt zu kommen. Die stark vom Alternative Country beeinflusste, manchmal jedoch auch rockend in die Vollen gehende Musik schafft im Grunde lediglich den Rahmen für diese Geschichten. Die Texte selbst enthalten zwar durchaus gesellschaftskritische Untertöne, geben allerdings keine tagespolitischen Statements ab, sondern konzentrieren sich – ähnlich wie die Stücke des Liedermachers Funny van Dannen oder auch der Alternative-Deutschrockband Lassie Singers – auf das Alltägliche. Starke Ähnlichkeiten weist die Musik von Tilman Rossmy schließlich auch auf mit derjenigen des Alternativrock-orientierten Songwriters Tom Liwa und seiner ehemaligen Band Flowerpornoes.

Kritiken

Anlässlich von „Alles muß gehen“ charakterisierte das Online-Portal Tonspion.de Rossmys Musik als „erwachsenes Songwriting für Thirty-Somethings“ und präzisierte weiter: „In seinen Songs singt der ehemalige Frontmann von Die Regierung offen und ehrlich über seine Erfahrungen und die sind nunmal die eines 40 jährigen, der schon so einiges gesehen hat in seinem Leben. Zum Beispiel, wie schwer es ist, im Musikbiz mit Würde zu überleben oder wie einfach es ist, auch als nicht kommerziell arbeitender Musiker seine Brötchen zu verdienen, indem man sich eben ein paar Programmiersprachen beibringt.“ Und: „Damit dürfte er den Nerv einer Generation treffen, die früher auch einmal das ‚gute wilde Leben‘ gelebt hat, die sich's mittlerweile aber auch gerne mal ein bisschen ‚leichter‘ macht.“

Ulrich Kriest auf der Tilman Rossmy-Homepage über die letzte CD „Alles muß gehen“: „Dadurch, dass Rossmy sich den Dingen des Lebens ohne den Schutz der Ironie nähert, rückt er in die Nähe von Tom Liwa, dessen Hoher Ton ja manchem auch kitschig und uncool erscheint. Wer dieses Problem mit sich selbst klärt, bekommt ein großes, ja, klassisches Album zu hören.“

Besetzungen

Die Regierung

Die Besetzung für die Einspielung von „Ganz unten“:

  • Tilman Rossmy (voc, git)
  • Herman Herrmann (git)
  • Robert Lipinski (b) (spielt jetzt in der Band ANDAS)
  • Thies Mynther (key, pia)
  • Thomas Geier (dr; spielt nunmehr in der Essener Elektronikrockband Festland)

Tilman Rossmy Quartett

  • Tilman Rossmy (voc, git)
  • Folke Jensen - (git; Ex-Ledernacken; auch Produzent des Tilman Rossmy Quartetts)
  • Ralf Schlüter - (key + b; gleichzeitig)
  • Rob Feigel - (dr; Ex-Jeremy Days)

Diskografie

Die Regierung

  • Supermüll (1984; Elfmeter Records)
  • So allein (1990; Scratch'n'Sniff)
  • So drauf (1992; L'age d'or)
  • Unten (1994; L'age d'or)

Tilman Rossmy Quartett

  • Willkommen zuhause (1996; L'age d'or)
  • Selbst (1997; Glitterhouse)
  • Passagier (1998; Glitterhouse)
  • Reisen im eigenen Land (1/2002; Folke Jensen Musikproduktion/Glitterhouse)
  • Seitdem man mich... (1/2003; Folke Jensen Musikproduktion/Glitterhouse)
  • Alles muß gehen (2004; Folke Jensen Musikproduktion/Glitterhouse)
  • In einem fremden Land (2008)

Singles

  • Komm zusammen (1992)
  • Willkommen zuhause (1996)
  • Maria (Maxi; 1996)

Einspielungen auf Compilations

  • Sturm und Twang („Alles gar nicht wahr“)
  • A Boy named Sue – Johnny Cash revisited (Trikont; „Orange Blossom Special“)
  • Paradies der Ungeliebten („Grosser schwarzer Vogel“)
  • Out of the blue („Ich lass mein Licht scheinen“)
  • Strom und Gitarre (Popappeal/Broken Silence; „Filmstar“)
  • Müssen alle mit (Tapete Records/Indigo; „Augen nicht auf“)
  • Hildegard Knef – Ihre Lieder sind anders („In dieser Stadt“)

Cover-Versionen von Rossmy-Stücken

  • Lassie Singers: „Loswerden“ (1992)
  • The Walkabouts: „Loswerden“ (1996)
  • Bernd Begemann: „Ich erinnere mich“ (1994)
  • Alexandra Gilles Videla: „So drauf“ (1994)
  • Virginia Jetzt!: „Das Mädchen das jeder will“ (2003)
  • Jens Friebe: „Es hat keinen Namen“ (2005)

gecoverte Stücke von Tilman Rossmy Quartett

  • „Orange Blossom Special“ (Johnny Cash)

Weblinks


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