Rudolf Goclenius d. Ä.

Rudolf Goclenius d. Ä.
Rudolf Goclenius d. Ä. (aus Jean-Jacques Boissards Bibliotheca chalcographica, 1652-1669)
Tuschezeichnung Rudolf Goclenius als Marburger Professor nach einem Stich aus dem 16. Jahrhundert

Rudolf Goclenius der Ältere (* 1. März 1547 als Rudolf Gockel (oder Göckel) in Korbach, Grafschaft Waldeck; † 8. Juni 1628 in Marburg) war Professor für Philosophie, Logik, Metaphysik und Ethik an der Philipps-Universität Marburg. Auch als Hexentheoretiker trat er in Erscheinung.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

1547 wurde er als Rudolf Gockel (oder Göckel) in Korbach geboren. Hier besuchte er zunächst die Stadtschule (bis 1564). Sein Studium absolvierte er in Erfurt (ab 1564), Marburg (ab 1567) und später in Wittenberg. Ab 1568 unterrichtete er als Lehrer an seiner früheren Schule in Korbach. Am 9. April 1570 heiratete er Margaretha Emmerich, die er möglicherweise bereits aus seiner Kindheit her gut kannte. Wann genau er anschließend nach Wittenberg gegangen ist, ist nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass er hier am 13. März 1571 den Grad eines Magisters erwarb und bis 1573 Vorlesungen hielt. Danach kehrte er erneut in seine Heimatstadt Korbach zurück und war von 1573 bis 1575 als Leiter der Stadtschule tätig.

Inzwischen muss er sich einen beachtlichen Bekanntheitsgrad verschafft haben, denn 1575 berief ihn Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel als Rektor an das Kassler Pädagogicum. Mittlerweile gab er seinen Namen als Goclenius an, der latinisierten Form von Gockel - dies entsprach der damaligen Mode unter Gelehrten.

Jetzt wandte sich Rudolf Goclenius d. Ä. der nach Petrus Ramus benannten philosophischen Richtung des Ramismus zu, ohne dabei den Melanchthonianismus, den er in seiner Schul- und Studienzeit kennen gelernt hatte, völlig zu verwerfen. Dies ist wohl auch der Grund, warum die Korbacher ihn 1580 erneut nach Korbach locken wollte, wo gerade das Korbacher Gymnasium neu eröffnet worden war und man sich zum Ziel gesetzt hatte, die Lehren des Petrus Ramus zu unterrichten.

Allerdings wollte der hessische Landgraf seinen Gelehrten nicht verlieren und erlaubte ihm den Fortgang nicht, willigte jedoch in seine Berufung an die Philipps-Universität Marburg ein. 1581 nahm Goclenius den Ruf als Professor der Philosophie an. Ab 1589 lehrte er als Professor für Logik und Mathematik, ab 1603 lehrte er Logik und Ethik. Bis zu seinem Tode am 8. Juni 1628 war er als Professor tätig. Sein Ruhm zog viele Studenten an, er verlieh an die 600 Magistertitel. Gemeinsam mit dem Juristen Hermann Vultejus nahm er maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Universität Marburg. Beide berieten den Landgrafen Moritz von Hessen. 1618 sandte Moritz Goclenius und drei Theologen zur Dordrechter Synode.

Rudolf Goclenius war insgesamt dreimal verheiratet und hatte vier Kinder. Sein ältester Sohn Rudolf Goclenius der Jüngere erlangte später ebenfalls Bekanntheit als Marburger Universitätsprofessor.

Gelehrter

Während Rudolf Goclenius in seiner Zeit ein überaus bekannter Mann war, wovon so ruhmvoll klingende Beinamen wie etwa Marpurgensem Platonem oder christlicher Aristoteles zeugen, wäre er heute fast vergessen, wenn er nicht - fast zufällig - der erste gewesen wäre, der erstmalig den Begriff Psychologie, den Philipp Melanchthon in einer seiner Vorlesung eingeführt hatte, in Buchform gebraucht und erklärt hätte. Gewisse Beachtung findet er heute auch noch dadurch, dass er der erste war, der die Ontologie von der speziellen Metaphysik trennte, was sich nach ihm als gängige Lehrpraxis im Bereich der Philosophie durchsetzte.

Dass er dennoch insgesamt so wenig Wirkung in der Geschichte der Wissenschaft hinterlassen hat, liegt mit großer Sicherheit daran, dass er zwar als unglaublich belesen und vielseitig gelten muss (s. Physicae…), dass allerdings zurecht eine gewisse Selbständigkeit im Denken bemängelt wird. Oftmals wirken seine Darstellungen zu allgemein und nebulös, anstatt die Wissenschaft vorantreibend. Er gefiel sich allzu oft in gelehrten Spielereien.

Der Mondkrater Goclenius hingegen ist nicht nach ihm, sondern nach seinem Sohn Rudolf Goclenius dem Jüngeren benannt.

Hexentheoretiker

Was für seinen wissenschaftlichen Ruhm im Allgemeinen gilt, gilt auch für seine Wirkung als Hexentheoretiker im Speziellen. Hier erlangte er gewisse Bedeutung durch seine Schrift Oratio de natura sagarum in purgatione & examinatione per Frigidam aquis[!] innatantium, eine zunächst gehaltene Rede, die 1590 im Druck erschien. Hierin setzt er sich mit der Lehre der Wasserprobe auseinander. Das alte Gottesurteil der Wasserprobe war als Hexenbad im Zuge der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung wieder vermehrt durchgeführt worden und nun entstand ein Gelehrtenstreit um die Rechtmäßigkeit ihrer Durchführung. Goclenius schaltete sich mit seiner Schrift in diesen Streit ein, wobei er vor allem gegen den vehementen Verfechter der Rechtmäßigkeit der Wasserprobe bei dem Delikt der Hexerei, Wilhelm Adolf Scribonius, argumentierte. Deutlich wird in seiner Schrift, dass er Anhänger der Hexenlehre war und den Ausführungen des Hexenhammers voll zustimmte.

Veröffentlichungen

  • Psychologia: hoc est, De hominis perfectione, animo et in primis ortu hujus, commentationes ac disputationes quorundam theologorum & philosophorum nostrae aeatis, Marburg 1590
  • Oratio de natura sagarum in purgatione examinatione per Frigidam aquis innatantium, Marburg 1590.
  • Problematum logicorum, 1590
  • Partitio dialectica, Frankfurt 1595
  • Isagoge in peripateticorum et scholasticorum primam philosopiam, quae dici consuevit metaphysica, 1598
  • Institutionum logicarum de inventione liber unus, Marburg 1598
  • Isagoge in Organum Aristotelis, 1598
  • Physicae completae speculum, Frankfurt 1604
  • Dilucidationes canonum philosophicorum, Lich 1604
  • Controversia logicae et philosophiae, ad praxin logicam directae, quibus praemissa sunt theoremata seu praecepta logica, Marburg 1604
  • Conciliator philosophicus, 1609
  • Lexicon philosophicum, quo tantam clave philosophiae fores aperiuntur, 1613
  • Lexicon philosophicum Graecum, Marburg 1615

Literatur

  • Franz Gundlach: Catalogus Professorum Academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität in Marburg von 1527 bis 1910, Marburg 1927.
  • Diana Kremer: "Von erkundigung und Prob der Zauberinnen durchs kalte Wasser". Wilhelm Adolph Scribonius aus Marburg und Rudolf Goclenius aus Korbach zur Rechtmäßigkeit der "Wasserprobe" im Rahmen der Hexenverfolgung, in: Geschichtsblätter für Waldeck, Bd. 84, 1996, S. 141–168.
  • Rudolf Schmitz: Die Naturwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg 1517 - 1927, Marburg 1978, S. 15 f.
  • Friedrich Wilhelm Strieder: Grundlage zu einer hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte. Seit der Reformation bis auf gegenwärtige Zeiten, 4. Band, Göttingen 1784, S. 428 ff.
  • Jakob Freudenthal: Goclenius, Rudolf. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 308–312.

Weblinks


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