Rumänischer Unabhängigkeitskrieg

Rumänischer Unabhängigkeitskrieg

Der Russisch-Osmanische Krieg von 1877–1878, auch Russisch-Türkischer Krieg (Auf Türkisch 93 Harbi (Krieg von 93)), fand zwischen zwei der europäischen Großmächte, dem Russischen Reich und dem Osmanischen Reich, statt. Er hatte seine Ursachen im russischen Bestreben, einen Zugang zum Mittelmeer zu erlangen und die orthodoxen slawischen Völker des Balkans (Serben, Bulgaren) von der Herrschaft des islamischen Osmanischen Reiches zu befreien (Panslawismus). Diese Nationen, die im Zuge des Krieges zum ersten Mal seit Jahrhunderten ihre Unabhängigkeit wiedererlangten, betrachten dieses Ereignis heute als die zweite Geburt ihrer nationalen Geschichte. In der bulgarischen Geschichtsschreibung spricht man offiziell vom Russisch-Türkischen Befreiungskrieg und dem Ende der Periode der Bulgarischen Wiedergeburt. Der Krieg bot auch Rumänien die Gelegenheit, seine volle Unabhängigkeit zu erklären. Obwohl es im Gegensatz zu anderen Gebieten des Balkans nie unmittelbarer Teil des Osmanischen Reiches war, stand es offiziell unter dessen Suzeränität. In der rumänischen Geschichte wird der Krieg daher als Rumänischer Unabhängigkeitskrieg bezeichnet.

In der westeuropäischen Geschichtswahrnehmung ist dieser Krieg weit weniger bekannt als der vorhergehende Krimkrieg. Bekannter als der Russisch-Türkische Krieg von 1877/78 ist der Berliner Kongress, der kurz nach Kriegsende abgehalten wurde, und auf dem ein Teil der russischen Eroberungen wieder rückgängig gemacht wurde, um Russlands großen Machtzuwachs und vor allem eine Kontrolle des Bosporus zu verhindern.

Die Alexander-Newski-Kathedrale von Sofia wurde im Andenken an die russische Befreiung Bulgariens errichtet

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

In Bosnien-Herzegowina ereignete sich im Sommer 1875 ein Aufstand gegen die Osmanen. Der wichtigste Grund dieser Revolte war die schwere Steuerlast, die der Bevölkerung von der finanziell am Rande des Bankrotts stehenden osmanischen Verwaltung aufgebürdet worden war. Trotz Lockerung der Steuern dauerte der Aufstand bis ins Jahr 1876 an und löste seinerseits den Bulgarischen Aprilaufstand 1876 aus. Die Spannungen in Bosnien und russische Unterstützung ermutigten die Fürstentümer Serbien und Montenegro zu einer Kriegserklärung gegen ihre nominellen osmanischen Herrscher.

Konstantin Makowski: Greueltaten der Başı Bozuk in Bulgarien, 1877,

Der Serbisch-Türkische Krieg verstärkte die imperialen Ambitionen der Großmächte Russland und Österreich-Ungarn, so dass am 8. Juli 1876 Alexander Michailowitsch Gortschakow und Gyula Andrássy die Vereinbarung von Reichstadt trafen, mit der sie den Balkan in ihre zwei Einflusssphären aufteilten. Im August 1876 wurde die serbische Armee, in der auch viele russische und bulgarische Freiwillige dienten, von der osmanischen Armee besiegt. Das war für Russland und Österreich-Ungarn die unglücklichste Variante, da sie nun keine guten Aussichten für Gebietsansprüche an das Osmanische Reich hatten.

Während des bulgarischen Aprilaufstandes 1876 kam es zum Massaker von Batak, das zum Sinnbild der Grausamkeiten an der slawischen Zivilbevölkerung wurde, die sowohl in Bulgarien als auch in Serbien von der türkischen Armee begangen wurden und die westliche Öffentlichkeit aufschreckte. Victor Hugo, Dostojewski, Aksakow, Garibaldi und weitere namhafte Persönlichkeiten protestierten.

Im Dezember 1876 wurde die Konferenz von Konstantinopel abgehalten, auf der die Autonomie und die Grenzen einer oder mehrerer künftiger autonomer bulgarischer Provinzen innerhalb des Osmanischen Reiches diskutiert wurden. Die Osmanen boykottierten die Veranstaltung jedoch und lösten sie schließlich auf. Die Konferenz wurde vom türkischen Außenminister unterbrochen, der die Delegierten informierte, dass das Osmanische Reich eine neue Verfassung angenommen habe. Diese garantiere die Rechte und die Freiheiten aller ethnischen Minderheiten im Osmanischen Reich, und die Bulgaren würden die gleichen Rechte haben wie alle osmanischen Staatsbürger.

Russlands Einstellung gegenüber dem Osmanischen Reich blieb jedoch feindselig, denn die osmanische Verfassung wurde nur als vorgeschobene Scheinlösung betrachtet. Durch diplomatische Verhandlungen im Januar 1877 sicherten sich die Russen die Neutralität Österreich-Ungarns für den Fall künftiger militärischer Auseinandersetzungen. Im Gegenzug sollte Österreich-Ungarn nach diesem Krieg Bosnien und die Herzegowina besetzen dürfen.

In Großbritannien war die öffentliche Meinung hinsichtlich des Balkans gemischt. Trotz weitgehender Sympathie für den bulgarischen Freiheitskampf war Benjamin Disraeli ein erbitterter Gegner eines russischen Machtzuwachses. Er positionierte Großbritannien als Beschützer des Osmanischen Reiches, wie es bereits im Krimkrieg der Fall war. Der britische Diplomat Lord Salisbury handelte mit dem russischen Gesandten Grafen Nikolai Ignatjew allerdings ein Kompromissabkommen aus. Bulgarien sollte in eine östliche und eine westliche Provinz, Bosnien-Herzegowina in eine einheitliche Provinz umgewandelt werden und einen hohen Grad an Autonomie erhalten, darunter ein eigenes Parlament und eine eigene Polizei. Serbien wurde die territoriale Integrität garantiert und Montenegro sollte Gebiete in Nordalbanien und Bosnien behalten dürfen, die es im Krieg zuvor erobert hatte.

Die übrigen Mächte waren in ihrer Handlungsfreiheit blockiert, da es in Europa eine breite Zustimmung für ein unabhängiges Bulgarien gab bzw. weil sie mit ihren inneren Problemen beschäftigt waren. Man zweifelte allgemein an den militärischen Fähigkeiten Russlands. Im April wurde ein Übereinkommen mit Rumänien erzielt, dass Russland seine Truppen durch Rumänien marschieren lassen durfte. Das gleiche Abkommen sicherte Russland den Anschluss des südlichen Bessarabiens zu (das Gebiet war bereits 1812–1856 unter russischer Kontrolle), während Rumänien die nördliche Dobrudscha versprochen wurde.

Ausgangssituation

Nikolai Dmitriev-Orenburgsky: Russische Überquerung der Donau, 1883

Russland erklärte am 24. April 1877 dem Osmanischen Reich den Krieg. Anfangs war der Ausgang des Krieges alles andere als offensichtlich. Die Russen konnten eine Armee von 200.000 Mann aufstellen, die Osmanen hatten rund 160.000 Mann auf dem Balkan stationiert. Die Osmanen hatten den Vorteil, über befestigte Stellungen zu verfügen und hatten die (nach dem Krimkrieg zugesprochene) Kontrolle über das Schwarze Meer. Auch auf der Donau patrouillierten türkische Kanonenboote.

Aufgrund mangelnder Kampfbereitschaft konnten die Osmanen allerdings die meiste Zeit nur über 25% ihrer militärischen Ressourcen verfügen. Hinzu kam, dass die osmanische Aufklärung keinerlei Informationen über russische Pläne bekommen konnte, so dass sich die osmanische Führung über diese in völliger Unwissenheit befand. Daher zogen es die Osmanen vor, in der Nähe ihrer Befestigungen zu bleiben und auf den Gegner zu warten.

Im Rätselraten über die russischen Pläne machte das osmanische Kommando in Istanbul einen strategischen Fehler: In der Annahme, dass die Russen zu „faul“ wären, die Donau weit entfernt vom Delta zu überqueren und stattdessen den kürzesten Weg über das Donaudelta nehmen würden, obwohl dieses stark befestigt war, stationierten sie die meisten Garnisonen in diesem Gebiet. Im Landesinneren hatten sie an der Donau lediglich eine gut bemannte Festung in Widin, deren Besetzung mit den Truppen von Osman Pascha nur dem Umstand zu verdanken war, dass diese Truppen erst vor kurzem am Krieg gegen Serbien beteiligt waren.

Kriegsverlauf

Kaukasus-Front

Britische Propaganda: Russland ist bereit seine Kriegshunde auf das Osmanische Reich los zulassen. Österreich steht hinter dem Zaun.

Die Kampfhandlungen des Russisch-Türkischen Krieges begannen zuerst am Kaukasus, wo die russischen Truppen bereits im April 1877 angriffen. Den russischen Kaukasustruppen (100.000 Mann) unter dem Oberkommando von Großfürst Michail Nikolajewitsch standen 90.000 Osmanen unter dem Oberkommando von Mukhtar Pascha gegenüber.

Der russische General Michail Loris-Melikow überschritt mit seinen Truppen die Grenze zum Osmanischen Reich am 24. April 1877 bei Alexandropol. Ihnen gelang die Einnahme von Bajaset (russ. Баязет, türk. Doğubeyazıt) und die Belagerung von Kars. Am 25. Juni wurden sie jedoch zurückgeworfen und waren gezwungen zur Verteidigung überzugehen. Bei der Belagerung von Bajaset musste sich die kleine russische Garnison 23 Tage in der Festung von Bajaset gegen die osmanische Armee verteidigen. Die russische Garnison (1.650 Kämpfer) widerstand den Angriffen der Osmanen (12.000 Kämpfer) vom 6.–28. Juni 1877. Viele der Soldaten wurden später mit der Medaille „für die heldenhafte Verteidigung von Bajaset 1877“ ausgezeichnet.

Der Gegenangriff der Türken wurde erst am 15. Oktober gestoppt – in der Schlacht bei dem Gebirge Aladscha (russ. Аладжа; Aladschahöhen) (September/Oktober 1877). In der Schlacht von Aladscha standen 56.000 Russen (mit 200 Kanonen) unter Großfürst Michail Nikolaewitsch 38.000 Osmanen (mit 74 Kanonen) unter Mukhtar Pascha gegenüber. Die Osmanen hatten gut befestigte Verteidigungsstellungen bezogen und versperrten den Russen den weiteren Zugang zur Festung Kars. Die ersten russischen Frontalangriffe auf die türkischen Stellungen (20. bis 22. September 1877) endeten erfolglos mit 3.700 gefallenen Russen und 4.700 gefallenen Türken. Trotz seiner erfolgreichen Position beschloss Muchtar Pascha sich wegen des bevorstehenden Winters mit seinen Truppen zurückzuziehen und die besser befestigte Winterstellung in Kars zu beziehen. Als sich der Rückzug der osmanischen Truppen abzeichnete, begann die russische Führung am 27. September sofort mit der Planung eines erneuten Angriffs. Diesmal wurden die russischen Frontalangriffe mit tiefen Vorstößen an den Flügeln kombiniert. Unter der Führung von General Lasarew (russ. Иван Данилович Лазарев, 1821–1879) stießen die Russen am 3. Oktober tief in die Flanken der osmanische Verteidigung vor. Er drang in die rückwärtigen Gebiete der Osmanen ein und nahm Awlijar (russ. Авлияр) im Sturm. Das spaltete die osmanischen Truppen in zwei Teile. Ihr rechter Flügel war eingekesselt und ihr linker Flügel begann einen ungeordneten Rückzug nach Kars. Die Türken verloren fast die Hälfte ihrer Truppen (5.000–6.000 Tote und Verwundete; 8.500 Gefangene; 3.000–4.000 Deserteure). Die Russen verloren bei ihrem zweiten Sturm 1.500 Soldaten. In der Schlacht von Aladscha nutzten die Russen erstmals den breiten Einsatz von Telegrafen um ihre Truppen zu führen. Für diese Schlacht erhielt Großfürst Michail Nikolaewitsch den Orden Hl. Georg 1. Klasse.

Den zurückweichenden türkischen Truppen setzte der russische General Heiman (russ. Гейман) mit seinen Truppen nach und fügte ihnen am 23. Oktober 1877 bei Debe-Bojnu (russ. Деве-Бойну) eine Niederlage zu. Daraufhin zogen sich die türkischen Truppen nach Erzurum zurück.

Danach ergriffen die Russen wieder die Initiative und konnten in der Schlacht von Kars am 17. November 1877 die türkische Festung Kars im Sturm einnehmen. In den darauffolgenden Wochen griffen sie Richtung Erzurum an. Bevor sie die Stadt erreichten, war der Krieg jedoch zu Ende. Entsprechend dem Friedensvertrag mit den Türken zogen die Russen im Februar 1878 in Erzurum ein, mussten jedoch die Stadt nach dem Berliner Kongress wieder räumen.

Erste Kämpfe auf dem Balkan

Swischtow an der Donau – Nikopol an der Donau – Plewen in Nordbulgarien

In der Anfangsetappe des Krieges hatten die russischen Truppen einen Erfolg nach dem anderen zu verzeichnen. Am Anfang des Krieges versenkte Russland relativ leicht die türkischen Kanonenboote an der Donau und verminte den Fluss, um sicher zu sein, dass keine neuen Schiffe aus dem Schwarzen Meer eindringen können und die Überquerung an jedem beliebigen Punkt möglich ist. Paradoxerweise wurde das türkische Kommando durch diese Aktion nicht alarmiert und blieb weiterhin bei seinen bisherigen Vorstellungen. Im Juni überquerte eine kleine russische Einheit die Donau in der Nähe des Deltas und marschierte nach Russe. Das machte die Osmanen noch sicherer, dass eine große russische Streitmacht bald direkt durch die Mitte starker osmanischer Befestigungen marschieren würde.

Nikolai Dmitriev-Orenburgsky: Türkische Kapitulation in Nikopol, 1883

Währenddessen bauten die Russen bei Zimnicea (rumänische Seite)/Swischtow (bulgarische Seite) unbehindert eine Pontonbrücke über die Donau und begannen unter General Michail Skobelew am 27. Juni 1877 mit der Überquerung. Es wurden sehr schnell Truppen und Material auf das rechtsseitige, bulgarische Donauufer überführt. Die Militäroperation verlief für die russische Seite ausgesprochen erfolgreich und Swischtow wurde schnell eingenommen.

In der Umgebung befanden sich keine bedeutenden osmanischen Verbände. Das Kommando in Istanbul befahl Osman Pascha mit seinen Truppen aus Widin in diese Richtung zu marschieren und die in der Nähe liegende Festung Nikopol zu besetzen. Auf dem Weg dorthin erfuhr Osman Pascha, dass die Festung bereits von den Russen besetzt worden war, und drehte nach Plewen ab.

Mit dem Einmarsch der Russen kam es zu massenhaften Erhebungen der Bulgaren gegen ihre türkischen Herren, nachdem es bereits während des Aprilaufstandes zu Aufständen der Bulgaren gekommen war. Diese wurden mit aller Härte von den Türken niedergeschlagen. Bereits vor Kriegsbeginn und im weiteren Kriegsverlauf schlossen sich viele bulgarischen Freiwillige (bulg. опълченци – Opalchentsi, Opoltschenie) der russischen Seite an.

Weiterhin kämpften auf russischer Seite Rumänen, sowie lokale georgische und armenische Milizen. Gegen Kriegsende griffen auch noch serbische Truppen in die Kämpfe ein.

Schlacht von Plewen

Zeitgenössische deutsche Karte zur Schlacht von Plewen

Osman Pascha konnte sich gerade noch in Plewen (damals eher unter dem russischen Namen Plewna bekannt) verschanzen, als eine russische Streitmacht unter der Führung des charismatischen „Weißen Generals“ Michail Skobelew eintraf und zum Angriff auf die Stadt überging. Osman Pascha organisierte die Verteidigung der Stadt jedoch sehr geschickt und konnte zwei russische Großangriffe mit hohen Verlusten auf der russischen Seite abwehren. Osman Pascha ließ seinerseits die günstige Gelegenheit zu einem Gegenangriff verstreichen, der die entmutigte russische Armee an die Donau hätte zurückwerfen können.

Da die Russen die starke Festung Plewen nicht im Sturm einnehmen konnten, entschieden sie sich für die Belagerung, an der auch rumänische Truppen teilnahmen. Die Russen und die Rumänen schnitten der türkischen Garnison in der Stadt alle Versorgungswege ab und hungerten die osmanischen Soldaten aus. Ende November unternahmen diese einen Ausbruchsversuch in Richtung Opanez. Doch dieser scheiterte und führte letztlich zur Kapitulation der osmanischen Garnison.

Nikolai Dmitriev-Orenburgsky: Die Eroberung des Grivitza-Redout bei Plewen, 1885

Den Russen unter Feldmarschall Josef Gurko gelang die Eroberung der Pässe der Stara Planina, die für militärische Manöver eine außerordentliche strategische Bedeutung hatten. Die nächsten großen Kämpfe fanden am wichtigen Schipkapass statt, an dem insgesamt vier Schlachten stattfanden. In der ersten Schlacht gelang es den Russen, den Schipka-Pass einzunehmen. In den nächsten zwei Schlachten konnten die zahlenmäßig unterlegenen russischen Verteidiger erbitterte türkische Erstürmungsversuche unter großen Verlusten für die Türken abwehren. In der letzten Schlacht von Schipka konnte Gurko die verbliebenen türkischen Kräfte mit einer eigenen Offensive zerschlagen. Die verlustreichen osmanischen Stürme gegen den Schipkapass werden als einer der größten Fehler des Krieges gewertet. Zudem war eine große Anzahl türkischer Truppen an der Schwarzmeerküste stationiert, fast ohne an irgendwelchen militärischen Operationen beteiligt zu sein.

Das Monument für die Einnahme von Plewen in Moskau

Auf der russischen Seite kämpften neben den Rumänen auch ein starkes finnisches Bataillon, weil Finnland zu dieser Zeit in Personalunion ein Teil Russlands war. Weiterhin nahmen über 12.000 bulgarische Freiwillige teil, die sich immer mehr aus den Bewohnern befreiter Gebiete rekrutierten.

Weliko Tarnowo

[[Pavel Kovalevsky: ]]Der Kampf in der Nähe von Iwanowo-Tschiflik, 1877

Das Balkangebirge (oder kurz Balkan genannt, dann aber evtl. auch mit der Bedeutung Balkanhalbinsel) erstreckt sich 600 km in Ost-West-Richtung durch Bulgarien (und Serbien) und teilt Bulgarien in Nordbulgarien und Südbulgarien. Für einen Feldzug gegen die Hauptstadt des Osmanischen Reiches mussten die russischen Truppen unbedingt die Balkanpässe überqueren.

Die vordersten russischen Truppen, die von General Gurko kommandiert wurden, hatten die Aufgabe die Stadt Weliko Tarnowo einzunehmen. Diese Stadt hatte eine strategische Schlüsselposition, da sie im mittleren Teil Nordbulgariens lag und nördlich des Balkangebirges in der Nähe der Balkanpässe (des mittleren Balkangebirges). Gurkos Truppen bestanden aus 12.500 Soldaten mit 40 Geschützen. Sie wurden von bulgarischen Freiwilligen unterstützt. Nachdem die russischen Truppen den Sturm auf Weliko Tarnowo begannen, gaben die osmanischen Truppen am 7. Juli 1877 überraschend die Stadt auf. Mit der Einnahme von Weliko Tarnowo sicherten sich die russischen Truppen einen wichtigen Stützpunkt für ihre weiteren Angriffe.

Stara Sagora

Stara Sagora in Südbulgarien – Weliko Tarnowo in Nordbulgarien – dazwischen der Schipkapass im Balkangebirge (rotes Viereck)

Alle größeren und wichtigeren Pässe des Balkangebirges wurden von osmanischen Truppen bewacht. Deshalb beschloss General Gurko mit seinen Truppen über den kleineren, unbewachten Balkanpass Chainboas (bulg. Хаинбоаз) seinen Weg nach Stara Sagora – südlich des Balkangebirges – fortzusetzen. Am 22. Juli nahmen die russischen Truppen unter General Gurko Stara Sagora ein. Die Stadt wurde jedoch am 31. Juli von den Türken zurückerobert – nach schweren, blutigen Kämpfen unter dem türkischen Feldherren Süleimann Pascha. Süleimann Pascha setzt mit seinen Truppen den geschlagenen und sich zurückziehenden russischen Truppen nach. Nach der Einnahme von Kasanlak am 18. August und des Dorfes Schipka am 19. August, wandten sich die türkischen Truppen von Süleimann Pascha dem nahegelegenen, strategisch wichtigen Balkanpass – Schipkapass – zu, um das Balkangebirge Richtung Norden zu überqueren.

Schlacht am Schipkapass

Schipkadenkmal am Schipkapass im Balkangebirge
W. W. Wereschtschagin: Schlachtfeld nahe Schipka

Der Schipkapass war jedoch bereits von kampfbereiten russischen Truppen, die von bulgarischen Freiwilligen verstärkt wurden, besetzt. Den russischen Truppen war die große Bedeutung des Schipkapasses bewusst. Der Schipkapass war der größte und wichtigste Zugang nach Südbulgarien und weiter zum Bosporus – dem Hauptziel der Russen sowie der Hauptstadt des Osmanischen Reiches – Konstantinopel (heute Istanbul).

Nach der Einnahme des Dorfes Schipka am 19. August machten sich die türkischen Truppen unter Süleimann Pascha auf den Weg zum 5 km entfernten Schipkapass. Die ersten Kampfhandlungen fanden am 21. August 1877 statt. Die Türken hatten nach ihrem Sieg in Stara Sagora keinen größeren Widerstand mehr erwartet und wollten ohne größere Anstrengungen die höchsten Punkte des Schipkapasses besetzen – die beiden Gipfel Hl. Nikola (Sweti Nikola – bulg. Св. Никола; heute: Stoletow, 1.327 m) und den Gipfel Schipka (Шипка). Danach sollte der Angriff auf Nordbulgarien beginnen.

Auf russischer Seite wurde der Schipkapass von 10 Rotten des 36. Orlower-Infanterieregiments, 4 Kosaken-Hundertschaften, sowie 5 Abteilungen (дружины) bulgarischer Freiwilliger verteidigt. Das ergab auf russischer Seite insgesamt 6.000 Kämpfer und 25 Kanonen. Sie wurden am zweiten Tag der Kämpfe durch Truppen aus dem 35. Brjansker-Infanterieregiment verstärkt. Die Verteidigung des Schipkapasses wurde von General Stoletow (Николай Григорьевич Столетов, 1834–1912) kommandiert.

Süleiman Pascha bot gegen die Verteidiger des Passes 49 Bataillone, 1.300 Mann Kavallerie und 2 Gebirgsbatterien auf. Die türkische Seite hatte damit insgesamt 27.000 Kämpfer und 60 Kanonen, wobei ihre Waffen moderner waren.

Der erste türkische Angriff begann am 21. August 1877. Die russischen Verteidigungsstellungen wurden aus zwei Stoßrichtungen angegriffen – von Norden und von Süden. Bis zum Abend wurden 12 Angriffe durchgeführt, die aber alle ohne Erfolg blieben. Am 22. August versuchten die Türken die Stellungen der Russen zu umgehen. Aber auch die danach folgenden Angriffe blieben ohne Erfolg für die Türken. Der 23. August war der entscheidende Tag für die Verteidigung des Schipkapasses. Süleiman Pascha warf alle seine Reserven in den Kampf. Seine Angriffspläne wurden von seinen britischen Militärberatern ausgearbeitet. Süleiman Pascha war entschlossen den Gegner spätestens bis zum nächsten Tag zu vernichten und befahl deshalb ununterbrochene Angriffe. Die Aufmerksamkeit der Russen sollte durch Scheinattacken abgelenkt werden. Der Plan schlug jedoch fehl. Die darauffolgende Nacht markierte den Wendepunkt der Schlacht. Die Verteidiger hielten in erbitterten und verlustreichen Kämpfen stand, obwohl sie nicht genügend Munition und Lebensmittel hatten und sich ihre Reihen immer mehr lichteten. Gegen 17 Uhr traf auf russischer Seite ein Bataillon zur Verstärkung ein.

Frieden von San Stefano

Nach dieser Entscheidungsschlacht am Schipkapass konnte nichts mehr den Siegeszug der russischen Truppen aufhalten. Ende Januar 1878 bat das Osmanische Reich um den Abschluss eines Friedensvertrages. Am 3. März 1878 wurde in dem Städtchen San Stefano der Friedensvertrag von San Stefano unterzeichnet. Mit dem Vertrag wurden Bulgarien alle Territorien zugesprochen, in denen Bulgaren lebten. In diesem Vertrag wurde das Osmanische Reich zu großen Zugeständnissen gezwungen. Es musste die Unabhängigkeit Rumäniens, Serbiens, Montenegros und Bulgariens anerkennen. Ferner trat es die Provinz Kars an das Russische Reich ab.

Seekrieg

Die russische Flotte unter Makarow und Roschestwenski war mit ihren Minenlegern aktiv und engte die nach außen mächtig wirkende türkische Flotte in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Einige russische Angriffe an der Donau und an der Kaukasusküste lähmten das osmanische Flottenkommando. Die türkischen Schiffe wurden letztlich zum Bosporus zurückgezogen.

Einmischung der europäischen Mächte

Karte von Bulgarien – 1878 – Grenzen nach dem Frieden von San Stefano (3. März 1878) und dem Berliner Kongress (Juni 1878).

Wie schon im Russisch-Türkischen Krieg 1828–1829 eroberten die Russen Edirne und marschierten diesmal direkt auf Konstantinopel zu. Die Perspektive der Eroberung der Meerengen durch die Russen beunruhigte die Briten sehr stark. Die Briten entsandten ihre Flotte an den Bosporus und drohten Russland mit einer Kriegserklärung, falls sie ihre Offensive weiter fortsetzen. Geschwächt durch den Krieg, konnte sich Russland keinen Fortsetzungskrieg gegen die Briten leisten. Die Russen stoppten ihre Offensive in San Stefano (heute Yeşilköy, ein westlicher Vorort Istanbuls am Marmarameer).

Alarmiert über die Vergrößerung des russischen Einflusses auf dem Balkan forderten die anderen europäischen Mächte einen Revision der Bedingungen von San Stefano. Allen voran war Österreich-Ungarn alles andere als erfreut, dass der Rivale Russland eine derartige Machtzunahme auf dem Balkan erfuhr, während es selbst leer ausging. Das kriegsmüde Russische Reich konnte sich eine politische Isolation in Europa nicht leisten und musste dem internationalen Druck nachgeben. Auf dem von Otto von Bismarck organisierten Berliner Kongress wurden neue Bedingungen ausgehandelt. Die größte Änderung betraf Bulgarien, das in mehrere Teile zerlegt wurde, was früheren Geheimvereinbarungen der Deutschen, der Österreicher, der Franzosen und der Briten entsprach, nach denen ein größerer slawischer Staat auf dem Balkan verhindert werden sollte. Der nördliche und der östliche Teil wurde in zwei Fürstentümer Bulgarien und Ostrumelien unterteilt. Die Region Mazedoniens, die an das Ägäische Meer reichte, wurde Bulgarien entzogen und wieder unter die osmanische Verwaltung gestellt.

Aus dem Kriegsausgang resultierte die rapide Verminderung der muslimischen Bevölkerung in Bulgarien. Bis 1882 flüchtete über eine halbe Millionen in das Osmanische Reich, weitere 250.000 starben.

In Russland löste die Revision des Friedens von San Stefano eine große Enttäuschung und Verbitterung aus, die vor allem gegen die Deutschen und die Österreicher gerichtet war. Man fühlte sich um die Früchte eines verlustreichen Krieges betrogen, an dem viele freiwillig für die Befreiung der Slawen und der Rückeroberung Konstantinopels für die orthodoxe Christenheit kämpften.

Kulturelle und politische Rezeption

Während des Krieges malte der an der Front anwesende russische Maler Wassili Wereschtschagin zahlreiche Bilder zum Krieg.

Mit dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877–1878 befasst sich unter anderen das Buch von Boris Akunin: Das türkische Gambit, in dem sich der junge Spion Erast Fandorin ein geheimdienstliches Duell mit dem türkischen Top-Spion Anwar Pascha liefert. 2005 wurde das Buch in Russland verfilmt.

Zar Alexander II in Sofia

Der russisch-türkische Krieg von 1877/78 beendete die 500-jährige türkische Fremdherrschaft über Bulgarien und führte zur Schaffung des Dritten Bulgarischen Staates (Трета българска държава). Er wird deshalb in Bulgarien als Befreiungskrieg von 1877/78 bezeichnet und als ein zentrales Ereignis der bulgarischen Geschichte wahrgenommen. Auf diesem Ereignis gründete sich die traditionelle Freundschaft zwischen Bulgaren und Russen, zumal beide Völker Slawen sind. Seit dieser Zeit spricht man in Bulgarien traditionell von den „Befreier-Brüdern“.

Im Zentrum von Sofia, gegenüber der Volksversammlung, steht ein Reiterdenkmal des „Befreier-Zaren“. Zu Ehren der Toten des Russisch-Türkischen Krieges von 1877–1878 wurde im Zentrum von Sofia die Alexander-Newski-Kathedrale (mit zwei goldenen Kuppeln) errichtet (Planungsbeginn 1880, Grundsteinlegung 1882, Hauptbauphase 1904–1912).

Mit dem russisch-türkische Krieg ging die Periode der Bulgarischen Wiedergeburt nach 100 Jahren, die mit dem Erscheinen des bulgarischen Geschichtsbuches Istorija Slawjanobulgarskaja von Paisi Chilendarski begann, zu Ende.

Auch in Rumänien, Serbien und Montenegro wird dieser Krieg als Befreiungskrieg betrachtet, da er auch für diese Länder die volle nationale Eigenständigkeit brachte.

Weblinks

Literatur

  • Hans-Joachim Härtel, Roland Schönfeld: Bulgarien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1998, ISBN 3-7917-1540-2
  • Ivan Parvev: Deutschland und das Problem der staatlichen Wiedergründung Bulgariens vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, in: Jürgen Plöhn (Hrsg.): Sofioter Perspektiven auf Deutschland und Europa. Berlin: LIT 2006, ISBN 3-8258-9498-3, S. 23-39

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