Runenalphabet

Runenalphabet

Runen sind die ältesten Schriftzeichen der Germanen. Sie waren vor allem vom 2. bis zum 12. Jahrhundert für geritzte und gravierte Inschriften auf Gegenständen und auf Steindenkmälern in Gebrauch. Ihre Verbreitung zeigt von Anfang an einen deutlichen Schwerpunkt in Südskandinavien (einschließlich Jütlands). In allen anderen Siedlungsräumen germanischsprachiger Völker ist nur eine dünne Streuüberlieferung zu finden, die außerdem mit dem jeweiligen Einzug des Christentums zu ihrem Ende kommt.

Die nominelle Christianisierung Nordeuropas hatte grundsätzlich den Wechsel zur lateinischen Schrift zur Folge. Die Verwendung von Runen endete mithin in Mitteleuropa vor 700 n. Chr. und in England im 10. Jahrhundert. Nur in den nordischen Ländern hielt sich der Gebrauch der Runenschrift deutlich länger, in einzelnen Regionen bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Der weitaus größte Teil der etwa 6500 erhaltenen Runeninschriften stammt aus dem Skandinavien der Wikingerzeit. Die ältesten Inschriften datieren aus dem 2. Jahrhundert und stammen aus Moorfunden in Schleswig, in Jütland und Fünen in Dänemark sowie in Südschweden. Als älteste Runeninschrift gilt derzeit der Name harja auf dem Kamm von Vimose, der in die Zeit 150–200 datiert wird.

Älter ist zwar die Fibel von Meldorf (Schleswig-Holstein) von etwa 50–100 n. Chr., doch besteht die vierbuchstabige Inschrift nicht sicher aus Runen (lateinisch?); ihre Lesung ist deshalb umstritten, könnte aber eine Vorstufe der Runen sein. Etwas jünger ist die auf einer eisernen Speerspitze eingeritzte Beschwörung raunijaR (der Stamm „raun“ = „prüfen“). Die Spitze wurde in einem Grab aus der Zeit um 200 n. Ch. in Øvre Stabu (Oppland) Norwegen gefunden.

Die Verwendung der Schrift war vor der Christianisierung in den germanischen Kulturen, die Runen gebrauchten, nicht tief verwurzelt; Schriftkulturen waren sie allenfalls ansatzweise. Schrift- und lesekundig war nur eine kleine Elite von Schreibern. Die Runenschrift entwickelte sich daher auch später nie zu einer Buch- und Urkundenschrift und erfasste niemals so weite Bereiche der Alltagskommunikation und des kollektiven Gedächtnisses wie die lateinische Schrift in Antike und Mittelalter. Literatur, Liturgie, Geschichte und Recht wurden zunächst mündlich, später lateinschriftlich überliefert. Runen wurden vor allem für Inschriften zum Gedenken an Verstorbene oder an besondere Ereignisse, zur Weihe oder zum Verschenken von Gegenständen, als Besitzerangaben und als Münzinschriften verwendet. Nur im hochmittelalterlichen Skandinavien bildete sich, in Konkurrenz zur lateinischen Schrift, eine Art Gebrauchsschriftlichkeit in Runen aus.

Der Runenstein von Rök (Südschweden), 9. Jahrhundert

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnungsherkunft

Die Etymologie des Wortes neuhochdeutsch Rune mit der Bedeutung 'Schriftzeichen aus der den Germanen eigenen Schrift' ist nicht endgültig geklärt. Entweder ist es zu einer Wurzel urgermanisch *rūn- (u.a. fortgesetzt in gotisch runa; verwandt damit sind auch die deutschen Wörter raunen und Geraune) mit der Bedeutung 'Geheimnis' zu stellen oder es gehört zu einer homonymen Wurzel *rūn- 'Einritzung'. Das neuhochdeutsche Wort Rune stellt eine gelehrte Entlehnung aus der 2. Hälfte des 17. Jh.s aus dänisch rune ‚Buchstabe im alten Alphabet der Germanen’ dar (bei einer direkten Fortsetzung des Wortes wäre im Neuhochdeutschen die Lautung **Raune zu erwarten gewesen). Dennoch ist die Bezeichnung der germanischen Schriftzeichen mit dem urgermanischen Wort *rūnō- bereits alt; sie findet sich schon in der Runeninschrift auf dem Stein von Einang (ca. 350-400) als akk.sg. runo. Außerhalb der Runeninschriften findet sich das Wort latinisiert in einem Gedicht (um 565) von Venantius Fortunatus (Carmina VII, 18), der im fränkischen Merowingerreich mit Runen in Berührung gekommen sein könnte: Barbara fraxineis pingatur rhuna tabellis / quodque papyrus agit virgula plana valet („Die Rune der Barbaren mag man auf eschene Tafeln zeichnen; was der Papyrus vermag, tut der geglättete Zweig“). Von den Buchenstäben, auf die die Runen geritzt wurden, leitet sich das Wort Buchstabe ab.

Ursprung

Die Runen sind vermutlich weder unabhängig entstanden, noch sind sie von den Germanen als fertiges Schriftsystem übernommen worden, sondern wurden weitgehend eigenständig nach Vorbildern südeuropäischer Schriften entwickelt. Sie treten allerdings schon sehr früh als komplettes Alphabet mit 24 Buchstaben auf. Vor allem die lateinische Schrift, aber auch die zahlreichen vom Lateinischen verdrängten und untergegangenen Schriften des keltisch-alpin-italischen Raums kommen als Vorbilder in Betracht. Die Runen gehen damit – sowohl in ihrem Prinzip einer Buchstabenschrift als auch in der Form vieler Lautzeichen – letztlich auf die große phönizisch-aramäische Familie von Alphabeten zurück, die im 1. Jahrtausend v. Chr. im Gebiet des Libanon und Syriens entstanden sind und zu denen auch alle heutigen europäischen Schriften gezählt werden.

Der Ursprung der Runenschrift ist zeitlich und räumlich kaum zu erhellen, weil die ältesten Belege eben bereits einen etablierten Satz von Zeichen präsentieren. Das erste gesicherte Auftreten von Runen, und zwar auf der Halbinsel Jütland (südlich bis ins heutige Schleswig-Holstein) sowie in Schweden, fällt in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts (Gegenstände wie z. B. Waffen aus Mooropferplätzen in Jütland wie Vimose, Illerup Ådal, Nydam, Thorsberg). Vorstufen der Schrift, an denen ihre Entstehung nachzuvollziehen wäre, konnten nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Das äußerliche Charakteristikum der Runen ist die Vermeidung waagrechter und gebogener Linien, was früher immer wieder die Vermutung aufkommen ließ, dass es sich um eine Buchstabenumformung handelt, die dazu geeignet sein sollte, vor allem in hölzernes Material geritzt zu werden. Man nahm folglich an, dass Vorstufen der Runen nur deshalb nicht bewahrt sind, weil ihr mutmaßlicher Träger Holz sich schlechter als Metall erhalten hat. Neuere Funde (z. B. Moorfunde von Illerup Ådal, Dänemark) zeigen jedoch auch gerundete Formen (z. B. bei der Odal-Rune) auf metallenen Waffenteilen.

Es werden drei Thesen zur Entstehung der Runenschrift vertreten:

Italisch-etruskische These

Das Vorbild der Runen soll ein nordetruskisches Alphabet sein bzw. aus dem Kreis der zahlreichen verschiedenen Alphabete Norditaliens und des Alpenraums (4. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) genommen sein. Alle diese Alphabete sind, wie auch die lateinische Schrift, ihrerseits Abkömmlinge des westgriechischen Alphabets (griechischer Kultureinfluss durch Händler und Kolonien in Italien ab dem 7. Jahrhundert v. Chr.).

Besonders der Helm von Negau (Abb.) wurde zur Unterstützung dieser These herangezogen. Der Helm mit einer teils frühgermanischen Namensinschrift (harigasti…) in einem norditalischen Alphabet soll den Ursprung einiger Runenzeichen aus den norditalischen Varianten der griechischen Schrift belegen. Die Deutung der Inschrift bleibt jedoch umstritten, zumal der Helm aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. stammt und die Inschrift selbst erst später (3./2. Jahrhundert v. Chr.?) angebracht wurde.

Das stärkste Argument für die italisch-etruskische These sind die Buchstabenformen, der Schreibduktus und das Verfahren der Worttrennung durch Punkte. In keiner anderen Schrift finden sich so viele Übereinstimmungen mit einzelnen Runenzeichen. Von kulturgeschichtlicher Seite ist diese These jedoch schwer zu untermauern, denn sie impliziert, dass die Runenschrift sich im norditalienischen, westalpinen oder norischen Raum im 1. Jahrhundert v. Chr. oder im 1. Jahrhundert n. Chr. herausgebildet haben müsste (wo es jedoch keine Spuren von ihr gibt) und dann bis gegen 200 n. Chr. bis in den Norden Germaniens verbreitet worden wäre, wo sie zuerst ins Licht der Geschichte tritt.

Der Altertumswissenschaftler Jürgen Zeidler (siehe Weblinks) hat jedoch versucht, im Bereich der keltischen La-Tène-Kultur eben jenes fehlende Zwischenglied (zwischen 100 v. und 100 n. Chr.) nachzuweisen.

Für diese These könnte auch sprechen, dass in den Runen, wie auch im Etruskischen und den Alpenschriften, homorgane Nasallaute vor Verschlusslauten oft nicht geschrieben werden. Außerdem lässt sich das rätselhafte Formelwort alu mit etruskisch alu identifizieren, dem Verbalsubstantiv Präsens Aktiv oder Passiv zu al(i)- „geben, weihen“; alu lässt sich also als „wer gibt/weiht, Geber/Weihender“ bzw. „gegeben/geweiht werdend, (Weihe-)gabe“ übersetzen, was passend erscheint.

Lateinische These

Die lateinische Schrift ist eine Schwesterschrift der italischen Alphabete und weist daher einige übereinstimmende Buchstabenformen auf. Im Gegensatz zu den Regionalschriften setzte sie sich mit der Großmacht Rom überregional durch und wurde als Verwaltungsschrift bis in alle Winkel des römischen Imperiums verbreitet. Somit hätten germanische Stämme selbst im abgelegenen südskandinavischen Raum, der selbst nie zum römischen Reich gehörte, durch Kontakte mit der römischen Kultur (über Händler, Geiseln, Söldner, Besucher etc.) die lateinische Capitalis Monumentalis der Kaiserzeit kennenlernen und davon angeregt eine eigene Schrift entwickeln können. Für diese These sprechen einzelne Übereinstimmungen von Zeichenformen (unzweifelhaft sind F, R und B). Viele Runologen gehen heute von der Lateinthese aus.

Griechische These

Nur mehr wissenschaftsgeschichtlich relevant sind mehrere Versuche, die Entstehung der Runen den Goten im Schwarzmeergebiet (heutige Ukraine) zuzuschreiben. Vorbild soll hier entweder im 2./3. Jahrhundert n. Chr. eine ostgriechische Minuskelschrift oder ein archaisches griechisches Alphabet des 6. Jahrhunderts v. Chr. (!) gewesen sein. Diese Thesen sind weitestgehend aufgegeben worden, denn die ältesten skandinavischen Runendenkmäler sind nach archäologischer Datierung bereits entstanden, bevor die Goten in Kontakt mit dem römischen Weltreich kamen. Auch aus sprachhistorischen (linguistischen) Gründen scheidet diese Auffassung aus: die älteste Runenreihe reflektiert eindeutig nordgermanische bzw. noch gemeingermanische und keine bereits ausdifferenzierten ostgermanischen Lautverhältnisse.

Runenreihen

Das ältere Futhark: Die älteste Runenreihe

Das ältere Futhark

Die älteste überlieferte Runenreihe (nach den ersten sechs Buchstaben fuþark genannt) bestand aus 24 Zeichen, die in drei Abschnitte (später im Altnordischen als aettir bezeichnet) eingeteilt waren. Sie war anfangs nur bei nordgermanischen Stämmen, in der Völkerwanderungszeit vereinzelt auch bei Ostgermanen (vor allem Goten, ab 3. Jahrhundert?) und Westgermanen (ab 5. Jahrhundert) in Benutzung. Etwa 350 Inschriften in dieser ältesten Runenreihe wurden bislang entdeckt. Alle jüngeren Runenreihen ab etwa 700 leiten sich vom älteren Futhark ab.

Jedes Graphem (Buchstabe) entspricht einem Phonem (Laut). Für das ältere Futhark besteht vor ca. 550 bis 650 eine bemerkenswert gute Übereinstimmung zwischen dem Zeicheninventar und dem Phoneminventar der damit geschriebenen gemeingermanischen bzw. runennordischen Sprache oder Sprachen. Nur die Verdoppelung der I-Rune ( Eis und Eibe) muss ein Relikt einer früheren Sprachstufe sein und ist wohl ein Beweis dafür, dass das 24-buchstabige Futhark bereits einige Zeit vor den ersten überlieferten Inschriften entstand. (* Sonderzeichen unlesbar?)

Rune Name (rekon-
struiert)
Laut-
wert
Rune Name (rekon-
struiert)
Laut-
wert
Rune Name (rekon-
struiert)
Laut-
wert
fehu („Vieh“) f / haglaz („Hagel“) h teiwaz, tīwaz („Himmelsgott, Tyr“) t
ūruz („Ur, Auerochse“) u naudiz („Not“) n berkanan, berk(a)nō („Birkenzweig“), berkō („Birke“) b
þurisaz („Riese“) þ (engl. th / Theta) eisa-, īsan („Eis“) (ei), i ehwaz („Pferd“) e
ansuz („Ase“) a jēran („(gutes) Jahr“) j mann- („Mensch“) m
raidō („Ritt, Wagen“) r ī(h)gwaz („Eibe“) i laguz („Wasser, See“) oder laukaz („Lauch“) l
kaunan (?) („Geschwür“) k perþō? perþrō? pezdō? p (extrem seltener Laut) ingwaz („Gott Ing“) ng
gibō („Gabe“) g algiz (?) („Elch“) -z, -R (Endungs- konsonant) dagaz („Tag“) d
wunjō („Wonne“ ?) w / sōwulō („Sonne“) s ōþalan („Stammgut, Landbesitz“) o

Hinweis zur Tabelle: Namen sind in gemeingermanischem, so nirgends belegtem Lautstand rekonstruiert. Vokale mit Balken bezeichnen lange Vokale, alle anderen Vokale sind kurz.

Älteste Runenreihe („futhark“) (eu (?) = ei)

Ein Charakteristikum der germanischen Runenschrift ist, dass jede Rune einen Namen trägt, gewöhnlich ein bedeutungsvolles Wort, das mit dem jeweiligen Laut beginnt; so hieß die Rune für f Fehu, das heißt „Vieh, beweglicher Besitz, Reichtum“. Für das älteste Futhark sind diese Runennamen nicht überliefert. Sie können erschlossen werden, weil die Namen sich weitgehend übereinstimmend bei allen jüngeren Runenreihen der germanischen Stämme finden; Wulfila, der Schöpfer der gotischen Schriftsprache im 4. Jahrhundert, übertrug sie möglicherweise sogar auf die gotische Schrift, die keine Runenschrift war. Im 9. und 10. Jahrhundert, als Runen außerhalb Skandinaviens überhaupt nicht mehr im Gebrauch waren, zeichneten klösterliche Gelehrte sowohl in England wie auf dem Kontinent mehrfach die verschiedenen Runenreihen mit Namen (Übersicht) oder in Form von Runenmerkversen auf. Aus diesen Quellen werden die Runennamen des ältesten Futhark rekonstruiert; nicht alle Formen sind jedoch unumstritten.

Bis zum 7. Jahrhundert hatten sich die Lautsysteme in den germanischen Einzelsprachen deutlich verändert. Zuvor unterschiedene Laute fielen zusammen, neue Vokale bildeten sich. Dies führte zwangsläufig dazu, dass die Laut-Buchstaben-Zuordnung des älteren Futhark nicht mehr stimmig war. So entwickelten die einzelnen Sprachen und Dialekte jeweils eigene Runenreihen, das sogenannte jüngere Futhark.

Angelsächsische Runenreihe (f u þ o r k …) auf einem in der Themse gefundenen Sax. Am Schluss steht der Name des Runenmeisters Beagnoþ.

Das jüngere Futhark: Die angelsächsische Runenreihe

Angelsächsische Runenreihe

Die Angelsachsen erweiterten das Futhark aufgrund der reichen Entwicklung des Vokalismus im Altenglischen schrittweise auf 33 Zeichen (davon sind nebenstehend nur die auch wirklich verwendeten abgebildet). Das 33-buchstabige Futhork war in dieser Form im 9. Jahrhundert ausgebildet. Es wurde außer in handschriftlichen Aufzeichnungen auch in northumbrischen Inschriften verwendet.

Das längere Nebeneinander von Runen und Lateinschrift im 7. bis 10. Jahrhundert führte in England dazu, dass für Laute der angelsächsischen Sprache, die im lateinischen Alphabet keine Entsprechung hatten, die entsprechenden Runen quasi weiterverwendet wurden. Auf diese Weise gelangten die thorn-Rune als Schreibung für /th/ und die wen- oder wynn-Rune (Ƿ ƿ) für das bilabiale /w/ in die lateinische Schrift.

Das jüngere Futhark: Die altnordische Runenreihe

Nordische Runenreihe
Punktiertes Runenalphabet

Auch in Skandinavien war das Futhark Veränderungen unterzogen: Es wurde im 7. bis 8. Jahrhundert auf 16 Runen (f u th o r k: h n i a s: t b l m R) reduziert. Dabei mussten dann einzelne Runen zahlreiche verschiedene Lautwerte bezeichnen: die u-Rune etwa u, y, o, ö und w. Diesen Verlust an Zeichen glich man am Ende des 10. Jahrhunderts mit der Einführung von Punktierungen aus; später gab es auch noch andere Systeme, die sogar für Laute wie Q eine Rune einführten. Im hohen Mittelalter entsteht so, von Norwegen ausgehend, eine punktierte Runenreihe in alphabetischer Reihenfolge, bei der jeder lateinische Buchstabe eine Entsprechung hat. Das erste datierte Zeugnis für die Verwendung des vollständig punktierten Runenalphabets findet sich auf der kleineren Kirchenglocke von Saleby (Västergötland), deren Inschrift das Jahr 1228 angibt.

Vielleicht aufgrund der größeren Wertschätzung für die alte vorchristliche Mythologie und Überlieferung (vgl. die Edda) blieben die Runen in Skandinavien neben der lateinischen Schrift in Gebrauch. Erst im 19. Jahrhundert wurden sie endgültig verdrängt, während dieser Prozess in den anderen germanischen Gebieten teils schon im 7., teils im 11. Jahrhundert abgeschlossen war.

Schreibrichtung und Schreibbesonderheiten: Wenderunen, Sturzrunen, Binderunen

Runen wurden seit der Wikingerzeit meist rechtsläufig (von links nach rechts) geschrieben. In der frühesten Zeit war die Schreibrichtung jedoch noch nicht festgelegt, was auch bedeutet, dass die Orientierung der Runen selbst nach beiden Seiten möglich war. In linksläufigen Inschriften zeigen nämlich auch die Zweige und Haken der Runen nach links, so dass die Zeichen wie gespiegelt aussehen. Selten kommt auch die von Zeile zu Zeile abwechselnde Schreibrichtung vor, die aus altgriechischen Inschriften bekannt ist und als boustrophedon bezeichnet wird („wie der Ochse beim Pflügen wendet“). Wenn einzelne Runen gegen die Schreibrichtung der Zeile gewendet sind, nennt man sie Wenderunen, wenn sie gelegentlich auf dem Kopf stehen, heißen sie Sturzrunen.

Das Bandartige von Runenzeilen wird oft betont, indem die Zeichen zwischen zwei ununterbrochene parallele 'Führungslinien' geritzt werden (vgl. den Stein von Rök, Abb. oben). Solche Randlinien begegnen uns schon bei den ältesten Ritzungen. Seit dem 5. Jahrhundert findet man die Praxis, die Worttrennung zu kennzeichnen. Als Worttrenner und Schlussmarken dienen übereinandergestaffelte Punkte oder Strichlein (1–5), unter christlichem Einfluss auch kleine Kreuze.

Wie die lateinische Schrift kennt auch die Runenschrift Ligaturen, also Verschmelzungen zweier Buchstaben zu einem Zeichen. Diese Binderunen werden in der wissenschaftlichen Umschrift mit einem Bogen über der Zeile gekennzeichnet.

„Antiquarische“ Runenalphabete des frühen Mittelalters

„Markomannische Runen“

Schon sehr früh, nachdem sie außer Gebrauch kamen, wurden Runenreihen von lateinkundigen Kirchenmännern als enzyklopädische Kuriositäten und vermeintliche Geheimschriften gesammelt – man stellte die Runen dem griechischen, hebräischen und „chaldäischen“ Alphabet an die Seite, den Tironischen Noten und dem Phantasiealphabet des Aethicus. Besonders das Kloster Fulda mit seiner starken insularen Tradition pflegte im 9. Jahrhundert, wie es scheint, einen Forschungs- und Sammelschwerpunkt 'Runica'.

In einigen Handschriften aus dem 8./9. Jahrhundert vorwiegend aus Süddeutschland ist in einer Abhandlung „Über die Erfindung der Buchstaben“ (De inventione litterarum) ein merkwürdiges Runenalphabet in der Reihenfolge der lateinischen Buchstaben überliefert. Es stellt eine Mischung aus Zeichen des älteren Futhark mit angelsächsischen Zeichen dar und soll auf Hrabanus Maurus, den Abt von Fulda und Alkuin-Schüler, zurückgehen. Da diese Reihe (die früher irreführend als „Markomannische Runen“ bezeichnet wurde) nur in einigen Handschriften, aber nirgends inschriftlich vorkommt, dürfte sie wohl nur ein Versuch der Mönche gewesen sein, allen Buchstaben der lateinischen Schrift Runenzeichen zuzuordnen.

Beginn des Abecedarium Nordmannicum


feu forman
ur after
thuris thritten stabu
os is th(em)o oboro …

Vieh zuerst,
Ur danach,
Thurse als dritten Stab,
Ans ist rechts davon …

In derselben Alkuin-Handschrift, in der sich ein gotisches Alphabet und gotische Textbeispiele aufgezeichnet finden (Wien, Ms. 795, spätes 8. Jahrhundert?), ist auch ein 28-buchstabiges angelsächsisches Futhark mit Runennamen überliefert.

Daneben existiert eine Reihe von Gedichten, in denen die Reihenfolge, die Namen und die Bedeutung der Runen in eine memorierbare Form gebracht waren: Das so genannte Abecedarium Nordmannicum (9. Jahrhundert, Handschrift Walahfrid Strabos) in einem Gemisch von Niederdeutsch, Hochdeutsch, Angelsächsisch und Nordisch, das angelsächsische Runengedicht in 94 Stabreimversen, ein norwegisches und ein isländisches Runengedicht (13. und 15. Jahrhundert), sowie in der Edda die Rúnatal („Runenrede“) in der Sigrdrífomál und die Rúnatals Þáttr Óðins („Odins Runenmagie“) in den Hávamál.

Verwendungen der Runen

Runen als Begriffszeichen

Stentoften-Stein

Neben dem normalen Lautschreibungsprinzip (Rune steht für einen Laut) konnte das einzelne Runenzeichen im Sinne seines „Namens“ auch wie eine Art ideographisches Symbol verwendet werden. Das Einzelzeichen o konnte also für „Erbbesitz“ stehen. Man spricht in diesem Fall von Begriffsrunen. Ein Beispiel für den Gebrauch von Begriffsrunen ist die Zeile „Hathuwolf gab j“ auf dem sog. Stentoften-Stein (Südschweden, 7. Jahrhundert). Die j-Rune ist hier mit ihrem Begriffswert „ein (gutes) Jahr“ zu lesen.

Diese Technik findet sich unsystematisch fortgesetzt in der Praxis mittelalterlicher Schreiber, besonders in altenglischen und altisländischen Handschriften. Dort können bestimmte Einzelrunen inmitten des lateinschriftlichen Texts wie Logogramme gebraucht werden: die M-Rune kann für altengl. man, mon („Mensch, Mann“) oder für altisl. maðr („Mensch, Mann“) stehen.

Runen als magische Zeichen

Schriftgebrauch wurde in allen archaischen Kulturen (auch) als Medium magischer Macht und Aura angesehen. Viele der alten Kulturen hielten ihre Schrift (selten aber ihre Sprache!) für die Erfindung oder das Geschenk eines Gottes. Zweifellos waren auch die Runen, zumal in ältester Zeit, mit sakralen und religiösen Zwecken verbunden (Grabinschriften, Opfer an Götter, Amulette etc.). Unter den ältesten Funden sind mehrere Ritzungen auf Lanzen- und Speerspitzen, die die Funktion dieser Waffen mit poetisch-magischen Namen beschwören: raunijaR - „Herausforderer, Erprober“ (Øvre Stabu), tilarids - „Ziel-Verfolger“ (Kowel), ranja - „Angreifer“ (Dahmsdorf) oder wagnijo - „Renner“ (Illerup). Eine magische Funktion der Runen wird schon nahegelegt durch die zahlreichen Inschriften, die die Runenreihe (f u th a r k …, oft ergänzt durch die Runenmeister-Signatur) enthalten. Einen Mitteilungswert besitzt diese Zeichenfolge nicht – sie muss als Schriftmagie und/oder als Ausdruck eines Bewusstseins, dass Schrift an sich einen Eigenwert habe, gelten. Auch der Name der Runen, der „Geheimnis“ bedeutet, bezeugt diese Aura.

Die Entstehung der Runen wird oft im Zusammenhang mit Orakelbräuchen vermutet; ein solcher Zusammenhang ist jedoch nicht gesichert. Ein frühes Zeugnis für das germanische Losorakel im 1. Jahrhundert n. Chr. ist im 10. Kapitel der Germania des Tacitus erhalten. Man streute mit „gewissen Zeichen“ (notis quibusdam) bezeichnete hölzerne Stäbchen auf ein weißes Tuch. Darauf wurden auf gut Glück drei dieser Stäbchen aufgehoben und gedeutet. Dies wurde nacheinander dreimal durchgeführt. Ob es sich bei diesen Zeichen aber schon um Vorläufer der Runenschrift oder sogar schon um eigentliche Runen handelte, ist kaum bestimmbar. Archäologische Funde haben nirgends solche Orakelstäbe zu Tage gefördert.

Brakteat mit Runeninschrift. Dargestellt ist Odin als göttlicher Heiler

Die Verwendung der Runen zu magischen Zwecken ist besonders im Norden bezeugt. Als Begriffsrunen bedeuteten z. B. Vieh, (gutes) Jahr, Gabe, Ritt einen entsprechenden Segenswunsch, umgekehrt sollten Not, Geschwür eine Befürchtung bannen oder einen Fluch aussprechen. Viele frühe Inschriften bestehen aus einem einzigen Wort wie alu, laukaz, laþu, was man meist als magische Formeln („Heil“, „Gedeihen“) versteht. Auch hier folgt die nordische Welt antiken Vorbildern, Fluchtäfelchen waren in der gesamten klassischen Antike weit verbreitet und beliebt. In den jüngeren skandinavischen Denkmälern werden Zauberrunen für bestimmte Zwecke erwähnt, so Siegrunen, Bierrunen, Bergerunen (zur Geburtshilfe), Seerunen (zum Schutz der Schiffe), Rederunen (um klug zu sprechen), Löserunen (bei Gefangenschaft), Runen zum Besprechen (Stumpfmachen) der Schwerter und dergleichen.

Der Gott des Runenwissens und der Runenmagie ist Odin. Ein Götterlied der Lieder-Edda (Hávamál) erzählt, wie Odin sich selbst opferte und neun Tage kopfüber in der Weltesche Yggdrasil hing, bevor er Kenntnis von der Macht der Runen gewann und sich befreien konnte. Im weiteren Verlauf des Liedes werden magische Kräfte der Runen beschrieben und schließlich 18 Zaubersprüche genannt. Ein anderes Lied der Edda, Skirnirs Fahrt, illustriert einen profaneren Einsatz von Zauberrunen: den Widerstand einer sich verweigernden Frau zu brechen. Als Brautwerber für den Gott Freyr droht Skírnir der Riesentochter Gerd mit immerwährender Verfluchung, falls sie sich mit dem Gott nicht einlassen wolle. Dazu ritzt er am Ende seiner eindrucksvollen Drohrede einen Thursen (d.h. die schadenbringende th-Rune) und der Runen drei: Argheit und Unrast und Irresein, und daraufhin willigt Gerd in ein Stelldichein mit Freyr ein.

In der Egils saga wird die Wirkung der Runen im Zusammenhang mit einer Krankheit beschrieben:

„Og er þeir Egill sátu og mötuðust, þá sá Egill, að kona sjúk lá í þverpallinum; Egill spurði Þorfinn, hver kona sú væri, er þar var svo þunglega haldin. Þorfinnur segir, að hún hét Helga og var dóttir hans - ‚hefir hún haft langan vanmátt‘, og það var kröm mikil; fékk hún enga nótt svefn og var sem hamstoli væri. ‚Hefir nokkurs í verið leitað‘, segir Egill, ‚um mein hennar?‘ Þorfinnur segir: ‚Ristnar hafa verið rúnar, og er sá einn bóndason héðan skammt í brott, er það gerði, og er síðan miklu verr en áður, eða kanntu, Egill, nokkuð gera að slíkum meinum?‘ Egill segir: ‚Vera kann, að ekki spillist við, þó að eg komi til.‘ Og er Egill var mettur, gekk hann þar til, er konan lá, og ræddi við hana; hann bað þá hefja hana úr rúminu og leggja undir hana hrein klæði, og nú var svo gert. Síðan rannsakaði hann rúmið, er hún hafði hvílt í, og þar fann hann tálkn, og voru þar á rúnarnar. Egill las þær, og síðan telgdi hann af rúnarnar og skóf þær í eld niður; hann brenndi tálknið allt og lét bera vind í klæði þau, er hún hafði haft áður. Þá kvað Egill:

Skalat maðr rúnar rísta,
nema ráða vel kunni,
þat verðr mörgum manni,
es of myrkvan staf villisk;
sák á telgðu talkni
tíu launstafi ristna,
þat hefr lauka lindi
langs ofrtrega fengit.

Egill reist rúnar og lagði undir hægindið í hvíluna, þar er hún hvíldi; henni þótti sem hún vaknaði úr svefni og sagði, að hún var þá heil, en þó var hún máttlítil“

„Als Egil und die Seinen sich gesetzt hatten und aßen, da sah Egil, dass ein Mädchen krank auf dem Querbett lag. Egil fragte Thorfinn, wer das Weib sei, das dort so krank liege. Thorfinn meinte, sie heiße Helga und sei seine Tochter – ‚sie hat schon lange krank gelegen. Sie litt an Auszehrung. Keine Nacht schlief sie und war wie wahnsinnig.‘ ‚Habt ihr irgendwelche Mittel gegen die Krankheit angewendet?‘ fragte Egil. Thorfinn sprach: ‚Runen sind geritzt worden, und ein Bauernsohn ganz in der Nachbarschaft ist's, der dies tat. Es steht aber seitdem viel schlimmer als vorher. Kannst du, Egil, etwas wider solches Übel tun?‘ Egil meinte: ‚Möglich, dass es nicht schlechter wird, wenn ich mich daran mache.‘ Als Egil gegessen hatte, ging er dorthin, wo das Mädchen lag, und sprach zu ihr. Er bat, sie von dem Platz zu heben und reines Zeug unter sie zu legen. Das geschah. Darauf durchsuchte er den Platz, auf dem sie gelegen hatte und fand dort ein Fischbein, auf dem Runen geritzt waren. Egil las sie. Darauf schabte er die Runen ab und warf sie ins Feuer. Er verbrannte das ganze Fischbein und ließ das Zeug, das das Mädchen gehabt hatte, in den Wind tragen. Dann sprach Egil:

Runen ritze keiner
Rät' er nicht, wie's steht drum!
Manches Sinn schon, mein ich,
Wirren Manns Stab irrte.
Zehn der Zauberrunen
Ziemten schlecht dem Kiemen:
Leichtsinn leider machte
Lang des Mädchens Krankheit.

Egil ritzte Runen und legte sie unter das Polster des Lagers, auf dem das Mädchen ruhte. Ihr deuchte da, als ob sie aus dem Schlafe erwache, und sie sagte, sie sei gesund, wenn auch noch schwach.[1]

Egils saga Kap. 73. In der Übersetzung von Felix Niedner Kap. 72.

Runen als Schrift

Runenkästchen von Auzon (spätes 7. Jahrhundert) mit altenglischen Stabreimversen in Runen, vordere Tafel: Szene aus der Wieland-Sage

Zu zusammenhängender Schrift sind die Runen von den Germanen des Kontinents nur in geringem Umfang gebraucht worden. Runensteine gibt es in Mitteleuropa nicht. Die einzigen dort erhaltenen Runenritzungen finden sich auf Schmuck, Waffen und (seltener) auf Gebrauchsgegenständen. Auch in England war die Verwendung von Runen zu diesem Zweck nicht häufig: Das umfangreichste Denkmal, die Inschrift auf dem Kreuz von Ruthwell, stammt bereits aus christlicher Zeit. Die Runenschnitzerei auf dem Walbeinkästchen von Auzon (auch: Franks Casket) gibt altenglische Stabreimverse wieder, die frühesten überhaupt überlieferten. Dieses in Nordengland um 650 entstandene Stück gehört zu den eindrucksvollsten kunsthandwerklichen Schöpfungen der germanischen Zeit.

Ein profaner Gebrauch war aber gerade in der Frühzeit gleichsam als Markenzeichen auf Gegenständen üblich. Formeln wie „(Name) machte …“ sind nicht selten. Damit kann ebenso der (Kunst)handwerker wie der Runenritzer seine Leistung bezeichnen. Ein besonderes Fundstück dieser Art ist eine Holzplatte aus dem Bootsgrab der Wurt Fallward (Cuxhaven). Dendrochronologisch ließ sich das Holz, das vermutlich als Oberteil eines Schemels diente, auf das Jahr 431 datieren. Der Besitzer, der möglicherweise in römischen Diensten stand, ließ auf der Kante die Inschrift ksamella lguskathi anbringen (scamella, lat. für Schemel). Kämme wurden gern als Kämme und Hobel als Hobel gekennzeichnet, was vielleicht einen spielerischen Umgang mit Schriftkultur bezeugt.

Die Runen in Mitteleuropa

In Mitteleuropa tauchen die ersten Runen erst ab der Mitte des 6. Jahrhunderts, dann jedoch regional und zeitlich stark gehäuft, auf. Vor allem bei den Alemannen und am Mittelrhein (heutiges Südwestdeutschland) und Südbayern finden sich relativ viele Runenritzungen. Charakteristisch ist, dass Runen nur dort vorkommen, wo germanisch sprechende Menschen lebten (im Westen bis Charnay, Burgund, vgl. Burgunden). Auch sind die Inschriften, soweit sie deut- und lesbar sind, immer in germanischer Sprache gehalten. Bisher kennt man ca. 80 Inschriften, die fast ausschließlich von Gegenständen aus Gräbern stammen. Zumeist handelt es sich dabei um Schmuck der Frauen (Fibeln, „Sicherheitsnadeln“, ursprünglich zum Verschließen von Gewändern) oder, weit seltener, Gürtel- und Waffenteile bei den Männern. Daneben gibt es auch sehr selten organische Gegenstände aus Holz und Bein. Da fast sämtliche Runenfunde aus Gräbern stammen und sich dort Metallgegenstände weit besser erhalten als z. B. Holz, darf man daraus nicht unbedingt schließen, dass bevorzugt Metallgegenstände mit Runen beritzt wurden. Auch die deutliche Überzahl von Frauengräbern mit Runengegenständen dürfte auf den Umstand zurückzuführen sein, dass sich Ritzungen besonders gut bei Edel- und Buntmetallschmuckstücken erhalten und entdecken lassen, besser als dies bei den viel stärker korrodierten eisernen Waffen- und Gürtelteilen der Männer der Fall ist.

Der Gebrauch der Runen war in Mitteleuropa aber nur von kurzer Dauer, denn spätestens nach der Mitte des 7. Jahrhunderts finden sich keine Runen mehr. Besonders zahlreich treten Runenritzungen zwischen 550 und 600 n. Chr. auf.

Inhalte

Die Inschriften sind kurz, häufig nur ein Wort, manchmal nur eine einzelne Rune. Die längsten Inschriften (Neudingen, Pforzen) sind gerade einmal ein bis zwei Sätze lang. Häufig sind die Inschriften nicht deutlich erkennbar oder lesbar. Neben den Einzelrunen gibt es „falsch“ geschriebene Runen und Pseudorunen (ein Versuch zu schreiben, ohne es wirklich zu können?).

Selbst wenn die Inschrift gut zu erkennen und länger ist, gibt es unter den Wissenschaftlern oft kaum eine einhellige Meinung zu einer Übersetzung des Inhaltes. Deutlicher ist z. B. der Holzstab (Teil eines Webstuhls) aus Neudingen (Baden-Württemberg): „lbi (ergänzt zu leub/liubi): imuba: hamale: blithguth uraitruna“ (Liebes der Imuba: (von) Hamale: Blithgund ritzte/schrieb die Runen) oder die Fibel von Bad Krozingen (Baden-Württemberg) „Boba leub Agirike“ („Boba ist lieb dem Agerich“ oder „Boba wünscht Liebes dem Agerich“).

Magische Runen?

Anders als bei den skandinavischen Funden lässt sich im mitteleuropäischen Raum kaum eine Inschrift als magisch oder Zauberformel deuten. Es handelt sich meist um eher profane private Vermerke, Liebesbezeugungen oder Schenkungswidmungen. Nicht wenige der Ritzungen tragen die Signatur einer Frau.

Auf den Brakteaten von Hüfingen (Baden-Württemberg) finden sich die Formelwörter „alu“ (Ale/Bier = Gesundheit/Schutz?) und „ota“ (Schrecken/Abwehr?), die auch aus dem Norden bekannt sind. Möglicherweise handelt es sich hierbei um magische Formelwörter, die Unheil abwehren und Gedeihen herbeiwünschen sollen.

Auf der Fibel von Beuchte (Niedersachsen, 6. Jahrhundert) finden sich zwei Inschriften (1. Buirso, wohl der Name des Runenmeisters, 2. die Futhark-Reihe von f bis r, erweitert um z und j), wobei die eine im Gegensatz zur Fibel keine Abnutzungsspuren aufweist und womöglich erst nach dem Tode der Trägerin eingeritzt worden war (die Futhark-Reihe, also die ersten acht Zeichen, als „Alphabet“-Zauber, die quasi als magische „Formel“ gilt?). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Inschrift zur Abwehr eines „Wiedergängers“ gedacht war.

Auf dem silbernen Scheidenmundblech aus dem Männergrab 186 von Eichstetten (Baden-Württemberg) wurde die Inschrift (erster Teil nicht sinnvoll lesbar) „muniwiwoll“ eingeritzt. Dies wird als „mun(t) wi woll“ gelesen und mit „Schutz (Munt/Mund bedeutet Schutz und steckt heute noch in Wort „Mündel“ (Schützling)) wie Wohl“ oder einfach „Guter Schutz/Schutz wie vortrefflich“ übersetzt. Scheinbar erhoffte sich der Besitzer durch die Runen Schutz im Kampf.

Religion

Auf der Fibel von Nordendorf (bei Augsburg, Ende 6. Jahrhundert) wird eine Göttertrias genannt: „Logathore, Wodan, Wigi-Thonar“ (Wigi-Thonar = Weihe-Donar/Thor). Es würde sich um die aus späteren Quellen bekannten germanischen Götter Donar/Thor und Wodan/Odin handeln. Logathore könnte ein dritter, lokaler Gott gewesen sein (Loki/Loge?).

K. Düwel liest logathore jedoch als „Ränkeschmiede/Zauberer“ und deutet die Inschrift als „Ränkeschmiede/Zauberer (sind) Weihe-Donar und Wodan“. Dies wäre dann eine Verdammung der alten Götter und ein Bekenntnis der Trägerin zum neuen christlichen Glauben. U. Schwab hingegen liest „Zauberer/zauberhaft (im positiven Sinne) (sind) Weihe-Donar und Wodan“, womit die Trägerin dem alten Glauben angehangen haben würde.

In einigen Fällen sind Formeln bezeugt, die nicht anders als Abwendung von heidnischen Gottheiten gelesen werden können. Auf der Scheibenfibel von Osthofen ist mit der Inschrift „Gott mit dir, Theophilus (=Gott-Freund)“ die Wendung zum Christentum deutlich vollzogen. In einem Kirchengrab in Arlon (Belgien) fand sich eine christliche (Kreuzdarstellung) Amulettkapsel mit Runen, die recht eindeutig die dort bestattete Tote als Christin ausweist. In einem reich ausgestatteten Frauengrab von Kirchheim unter Teck (Baden-Württemberg) war (Ende 6. Jh.), neben der großen Runenfibel, ein Goldblattkreuz mit beigegeben worden, was zumindest auf eine Annäherung an christliches Gedankengut schließen lässt.

Beginn und Ende der Runenritzungen

Warum der Brauch, Runen zu ritzen, in Mitteleuropa im 7. Jahrhundert ausstarb, ist nicht geklärt. Dass die römische Kirche aktiv gegen den Runengebrauch vorging, ist wenig wahrscheinlich. Weder ist ein solches Verbot überliefert, noch scheinen christlicher Glaube und Runen unverträglich gewesen zu sein. Einige mit Runengegenständen Bestattete waren anscheinend schon Christen (Arlon, Kirchheim). Zudem arrangierte sich die Kirche in England und Skandinavien recht zwanglos mit Runen als Schrift. Dennoch dürfte die vom Frankenreich ausgehende Christianisierung mit einem Wandel vieler Bräuche und einer latenten Romanisierung (abzulesen z. B. am Lehnwortschatz) einhergegangen und somit indirekt auch für das Erlöschen der Runenkultur verantwortlich gewesen sein.

Da die Runen nur für einen recht kurzen Zeitraum in Gebrauch waren (ca. 100 bis 150 Jahre) und die Inschriften oftmals eine unsichere Hand verraten, war die Kenntnis vermutlich nie sehr verbreitet oder fest verwurzelt. Viele Inschriften machen einen ausgesprochen „privaten“ Eindruck. Etwas, das der skandinavischen Runenmeisterkultur mit ihrer Traditionsbildung entsprach, existierte in Mitteleuropa offenbar nicht. Statt dessen wechselte man, wohl unter dem mittelbaren Einfluss der Kirchen und Klöster, auf die gebräuchlichere, „internationalere“ und prestigereichere lateinische Schrift über.

Interessanter ist die Frage, warum die Germanen Mitteleuropas überhaupt erst fast 400 Jahre, nachdem die ersten Runen in Skandinavien benutzt wurden, dieses Schriftsystem übernahmen und sich nicht gleich (oder früher) der lateinischen Schrift der benachbarten römischen Gebiete bedienten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Runen hier erstmals auftauchen, als die Gebiete in das Frankenreich eingegliedert wurden (Alemannen 496/506/535, Thüringer 529/532) und Bajuwaren (Mitte 6. Jh.). Eine These lautet, dass nach dem Fall des Thüringerreichs 531 die 'romanisch' geprägten Franken und Alemannen zu direkten Nachbarn der Sachsen wurden und sich der Austausch zwischen Nord und Süd intensivierte.

Zeitlich gilt dasselbe für die so genannte „nordische“ Modewelle, mit der viele Elemente und Formen (Fibelformen, Brakteaten, Verzierungen im Tierstil I und II) verstärkt ab ca. 530 n. Chr. von Skandinavien nach Mitteleuropa gelangten bzw. dort kopiert wurden und zu eigenen Formen anregten (kontinentaler Tierstil II). Dass auch die Runen im Zuge dieser Modewelle nach Süden gelangten, ist durchaus möglich; man bedenke auch die Formelwörter alu und ota, auf den Hüfinger Brakteaten, die häufig in Skandinavien vorkommen. Wie diese „nördlichen“ Elemente sich verbreiteten und weshalb sie in Mitteleuropa so bereitwillig rezipiert wurden, ist noch nicht hinreichend erklärt. Es könnte sich um intensivierte Handelsbeziehungen handeln oder um engere soziale Kontakte (Heiratsbeziehungen, Einwanderung, Wanderhandwerker oder Krieger, die sich neuen Gefolgschaftsherren auf dem Festland anschlossen). Eine weitere These lautet, dass diese „nordischen“ Elemente gezielt von einigen germanischen Gruppen übernommen wurden, um sich eine eigene Identität zu geben und diese nach außen (eventuell gegen die eher romanisierten Gebiete/Gruppen und die Einflüsse aus dem Mittelmeerraum) zu demonstrieren und sich dadurch abzugrenzen. Alles weist jedoch darauf hin, dass der Gebrauch von Runen auf dem Boden des fränkischen Reichs ein kurzlebiges und sekundäres Phänomen war.

Die Runen in Skandinavien

Im skandinavischen Norden, wohin die lateinische Schrift erst im Mittelalter im Zuge der Christianisierung gelangte, nahm die Verwendung der Runen dagegen bis zum hohen Mittelalter weiter zu, besonders bei Grabinschriften oder zum Andenken an Familienangehörige auf Runensteinen. Aus der Zeit des älteren Futharks hat die Inschrift auf dem kleineren der Goldhörner von Gallehus große Berühmtheit erlangt.

Runenstein in Uppsala

Die Inschriften im kürzeren Futhark beginnen etwa um 800; Beispiele dafür sind die Steine von Helnäs und Flemlöse auf Fünen. Ganz sicher datierbar sind jedoch erst die zweifellos jüngeren Jellingsteine aus dem 10. Jahrhundert. Sie sind in Schweden besonders zahlreich und reichen bis in spätere Zeit hinauf, auf Gotland bis ins 16. Jahrhundert; einige (beispielsweise der Karlevistein auf Öland und der Rökstein in Östergötland) enthalten stabreimende Verse. Diese jüngeren Inschriften aus der Wikingerzeit machen mit über 5000 den Hauptanteil aller erhaltenen Runendenkmäler aus. Allein im schwedischen Uppland finden sich 1200 Runensteine (in ganz Schweden ca. 2500). Die meisten Steine tragen Inschriften der Art „(Name) errichtete für (Name)“, danach wird der Verwandtschaftsgrad genannt. Manche Inschriften sind verschlüsselt. Der Gebrauch der Runen zu literarischen Zwecken, also in Handschriften, ist dagegen selten und wohl nur als eine gelehrte Spielerei zu betrachten. Das umfangreichste Denkmal war der so genannte Codex runicus mit dem schonischen Recht aus dem 14. Jahrhundert. Besonders lange wurden Runen auf Kalenderstäben gebraucht.

Da Mythen, Sagen und epische Lieder mündlich überliefert wurden und die isländischen Prosa-Sagas von Anfang an eine (latein)schriftliche Textgattung waren, spielten Runen als Medium literarischer Überlieferung kaum eine Rolle. Aber nicht nur die große Verbreitung von Inschriften macht es wahrscheinlich, dass seit der Wikingerzeit zumindest in der wohlhabenden Oberschicht Skandinaviens ein recht großer Teil der Menschen Runen lesen und schreiben konnte. Die große Mehrheit der einfachen Landbewohner allerdings wird gewusst haben, was auf den markanten Steinen stand und für wen sie errichtet waren, auch ohne selbst lesen und schreiben zu können. Runen dienten oft auch profanen Zwecken. Dazu zählen Besitzmarken, mit denen Handelswaren und anderes Eigentum gekennzeichnet wurden, geschäftliche Mitteilungen, aber auch Gelegenheitsinschriften in Form von kurzen privaten Botschaften, wie zum Beispiel die Aufforderung „kysmik“ (küss mich), die im Oslo des 11. Jahrhunderts auf einen Knochen geritzt wurde. Überliefert sind viele Runenhölzer und Bleistreifen mit solchen Liebesbezeugungen, Gedichten oder Handelsnotizen. Auch Verwünschungen blieben in Mode. In Byzanz hinterließen mehrere nordische Reisende, möglicherweise Krieger der kaiserlichen Warägergarde, Runengraffiti auf Galerien der Hagia Sophia.

Erst im 16. Jahrhundert ging die Zeit der Runen in Skandinavien zu Ende. Lediglich in der schwedischen Provinz Dalarna hielt sich der Gebrauch von Runen noch bis ins 19. Jahrhundert. Als Erbe des langen Nebeneinanders von lateinischer und runischer Schrift enthält das isländische Alphabet bis heute ein Zeichen, das ursprünglich eine Rune war: Þ (thorn) steht für den stimmlosen th-Laut (wie beispielsweise im englischen Wort „thing“).

Runen in der Neuzeit

Alamannicarum Antiquitates von 1606

Beginn der wissenschaftlichen Erforschung

Die Runen gerieten nie in völlige Vergessenheit. Die wissenschaftliche Befassung mit Runendenkmälern und der Runenschrift hielt sich das ganze Mittelalter hindurch, bis zum Humanismus auf denselben Gleisen wie die enzyklopädische und geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit anderen Altertümern. Humanisten wie der Schweizer Melchior Goldast fahnden in mittelalterlichen Manuskripten nach der Geschichtsüberlieferung des eigenen 'Stammes', wenn sie althochdeutsche Texte ebenso abdrucken wie die klösterlichen Runentraktate des 9. Jahrhunderts (s. Abb.). Im Norden konnte sich die Aufmerksamkeit auf die inschriftlichen Denkmäler selbst richten. Seit dem 16. Jahrhundert wurden gelehrte Sammlungen und Studien veröffentlicht, allerdings erscheinen die Herleitungen der Schrift z. B. aus der Zeit der Sintflut (Johan Magnus, 1554) oder von der hebräischen Schrift (Ole Worm, 1639) doch eher kurios. Johan Göranssons Bautil von 1750 ist mit seinen Abbildungen von 1200 schwedischen Runensteinen noch immer von wissenschaftlicher Bedeutung, auch wenn er die These vertrat, die Runen seien um 2000 v. Chr. von einem Bruder Magogs in den Norden gebracht worden. Das verlorengegangene Goldhorn von Gallehus ist nur noch durch Stiche des 18. Jahrhunderts fassbar.

Heute ist die Runenkunde (Runologie) kein eigenständiges akademisches Fach, aber ein etabliertes Forschungsgebiet im Berührungsfeld von vergleichender Sprachwissenschaft, Nordistik, Geschichtswissenschaft und Archäologie.

Ideologische Vereinnahmungen

Als scheinbar autochthone, rein germanische Leistung waren die Runen anfällig dafür, für ideologische und politische Zwecke zur Zeit des Nationalismus instrumentalisiert zu werden. Schon im 17. Jahrhundert entwickelten Dänemark und Schweden einen ahistorischen Stolz auf „ihre“ Runen. Einer kulturkritischen Strömung am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich in neuheidnischen und antisemitischen Tendenzen äußerte, kamen vorchristliche, „nordische“ Traditionen nur gelegen. Die Vereinnahmung der völkischen "Sig-Rune" (wie auch Teile der nordischen Mythologie) durch die Hitlerjugend und die SS im Dritten Reich und der Rune für o durch Neonazis (siehe Rechtsextreme Symbole und Zeichen) ist dabei nur die bekannteste Form dieser ideologischen Indienstnahme.

Runenesoterik

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts keimte in einigen esoterischen Kreisen Interesse für die Runen auf. Es waren vor allem völkisch-mystisch gesinnte Menschen, die die Runen in ihrem Sinne umdeuteten, sich neue Runenalphabete ausdachten und verwendeten. Die völkische Bewegung verwendete nie die historischen Runen, sondern frei erfundene runenähnliche Zeichen. Der bedeutendste Impulsgeber war Guido von List (1848–1919), ein österreichischer Romantiker mit recht exzentrischen Ansichten. Er empfing den Großteil seines okkulten „Runenwissens“ nach eigenem Bekunden in Form von Visionen und galt seinen Anhängern als eine Art Prophet. Er gründete die Guido-von-List-Gesellschaft (auch als Armanen-Orden bezeichnet), und das von List geradezu frei erfundene Futhark, welches sich nur lose auf das jüngere Futhark stützt, wurde daher auch Armanen-Futhark genannt. List postulierte ein Urvolk mit eigener Ursprache namens „Ariogermanen“. Er ging davon aus, dass dieses Volk, diese reinblütige „Rasse“ von blonden, blauäugigen Menschen, schon seit Urzeiten ein 18 Runen umfassendes Schriftsystem benutzt habe. Bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhundert arbeitete die Runenesoterik fast ausschließlich mit diesem Armanen-Futhark. Spätere Autoren stützten sich auf dieses Futhark; so etwa Jörg Lanz von Liebenfels (ein ehemaliger Zisterzienser-Mönch), der Begründer der Ariosophie, einer Art Rassenmystik, die auch einen der ideologischen Vorläufer für die nationalsozialistische Rassenlehre bildete. Daneben war Lanz Herausgeber der völkisch-rassistischen Ostara-Hefte (von denen man annimmt, dass auch Adolf Hitler mit ihnen in seiner Wiener Zeit in Berührung gekommen sei) und gründete den ONT (Ordo Novi Templi = Neutemplerorden). Daneben sind noch zu nennen: Karl Maria Wiligut (besser bekannt als Sturmbannführer Weisthor), der „Rasputin“ Himmlers, und Friedrich Bernhard Marby, der Erfinder des Stödhur (auch als Runen-Gymnastik oder Runen-Yoga bekannt), bei dem die auszuführenden Figuren jeweils Runen symbolisieren und mit dem der rassenbewusste nordische Mensch seinen Geist und Körper veredeln sollte.

So entstanden weder die Rassenlehre des Nationalsozialismus noch der Gebrauch der Armanen- und Wiligut-Runen im Dritten Reich in einem luftleeren Raum, sondern schöpften aus den völkischen Ideen, die vor dem Ersten Weltkrieg und vor allem in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden.

Die neuere Runenesoterik bezieht sich häufig auf die Arbeiten des amerikanischen Runenmagiers Edred Thorsson (d.i.: Stephen Flowers), Vorsitzender der Rune-Gild[2] (Lit.: Edred Thorsson, 1987). Der in Nordistik/Altgermanistik promovierte Flowers verwendete als Grundlage auch wieder das ältere, 24 Runen umfassende Futhark anstelle des Armanen-Futhark.

Generell zeichnen sich die Lehren der Runenesoterik durch einen starken Eklektizismus aus. Esoterisch arbeitende Runenmagier benutzen bei ihrer Beschäftigung mit Runenmagie und Runenorakel zum einen vorgeblich „eigene“ Gedanken und Überlegungen, greifen aber oft auch auf die wenigen schriftlichen Quellen des Hoch- und vor allem Spätmittelalters zurück, bei denen etwas über die magische Verwendung von Runen berichtet wird. Dazu gehören beispielsweise Odins Zaubersprüche in der Edda und die altisländischen und altenglischen Runengedichte (s.o.). Dabei wird gern übersehen, dass diese späten schriftlichen Überlieferungen aus einem bereits vollständig christianisierten Umfeld stammen und entsprechend kaum reine „germanisch-heidnische“ Vorstellungen wiedergeben. Allerdings legt die Runenmagie keinen Wert auf historische Richtigkeit (sie ist schließlich keine Wissenschaft), sondern auf den praktisch-subjektiven Zugang, der jede (objektive) Fehlinterpretation verzeihlich macht. Meist wird in Publikationen zum esoterischen und magischen Gebrauch der Runen betont, dass der jeweilige Autor nur eine Hilfestellung und Ideen liefern möchte, dass jedoch bei der Arbeit mit Runen jeder neue Adept aus sich selbst heraus individuell die Runen und ihre Kraft „verstehen“ und den Umgang mit ihnen lerne müsse – etwa durch Meditation, Trance u.ä.

Verwendung der Runen im Neuheidentum

Unter Asatru werden die Runen als Schrift und für die Runenmagie verwendet. Sie werden gelegentlich als Orakel-Lose verwendet.

Unicode

Der Unicode-Block Runen (16A0–16FF) enthält die germanischen Runen, wobei sich die Reihenfolge nach dem traditionellen Runen-Alphabet Futhark richtet und alle jüngeren Varianten und Abwandlungen nach der jeweiligen Grundrune einsortiert sind.

Siehe auch

Literatur

  • René Lodewijk Maurits Derolez: Runica Manuscripta. The English Tradition. De Tempel, Brugge 1954 (Standardwerk über die „Buchrunen“).
  • Alfred Becker: Franks Casket, Zu den Bildern und Inschriften des Runenkästchens von Auzon. Sprache und Literatur. Regensburger Arbeiten zur Anglistik und Amerikanistik. Bd. 5. Hans Carl, Regensburg 1973. ISBN 3-418-00205-6
  • Thomas Brock: Runen - die magischen Zeichen in: Abenteuer Archäologie. Spektrum der Wissenschaft Verl.-Ges., Heidelberg 2006, 1, 84ff. ISSN 1612-9954
  • Klaus Düwel: „Zur Auswertung der Brakteatinschriften. Runenkenntnis und Runeninschriften als Oberschichten-Merkmale.“ In: Karl Hauck (Hrg): Der historische Horizont der Götterbilsamulette aus der Übergangsepoche von der Spätantike zum Frühmittelalter. Göttingen 1992.
  • Klaus Düwel: Runenkunde. Metzler, Stuttgart 2001, 3. erw. Aufl., ISBN 3-476-13072-X
  • Wilhelm Hauer: Schrift der Götter. Vom Ursprung der Runen. Orion-Heimreiter-Verlag, Kiel 2006 (Manuskript 1934). ISBN 3-89093-028-X
  • Ulrich Hunger: Die Runenkunde im Dritten Reich – Ein Beitrag zur Wissenschafts- und Ideologiegeschichte des Nationalsozialismus. Europäische Hochschulschriften. Reihe 3. Lang, Frankfurt M 1984. ISBN 3-8204-8072-2
  • Heinz Klingenberg: Runenschrift – Schriftdenken – Runeninschriften. Carl Winter, Heidelberg 1973. ISBN 3-533-02181-5
  • John McKinnel / Rudolf Simek / with Klaus Düwel: Runes, magic and religion. A source-book. Wien 2004. ISBN 3-900538-81-6
  • Robert Nedoma: Personennamen in südgermanischen Runeninschriften. Carl Winter, Heidelberg 2004. ISBN 3-8253-1646-7
  • Edred Thorsson: Handbuch der Runen-Magie. Urania Verlag, Sauerlach 1987, Neuhausen 1992. ISBN 3-908644-63-1
  • Artikel „Runen“, „R.dichtung“, „R.fälschungen“, „R.gedichte“, „R.inschriften“, „R.meister“, „R.münzen“, „R.namen“, „R.reihen“, „R.schrift“, „R.steine“. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Bd 25. Walter de Gruyter, Berlin – New York 2003, S. 499–596. ISBN 3-11-017733-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kiemen ist der Walknochen, auf dem die Runen geritzt waren. Der verliebte Bauernsohn hatte die falschen Runen geritzt.
  2. runegild.org

Abweichende Wortbedeutung

  • Runen ist in der Finnougristik und in manchen Übersetzungen auch die Bezeichnung für die einzelnen Gesänge der Kalevala und andere Werke der karelischen und finnischen Volksdichtung.

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